Bartgeier Dagmar als Erste ausgeflogen

Erfolgreicher Jungfernflug des ersten der beiden dieses Jahr ausgewilderten Bartgeier – Offizielle Bartgeier-Führungen jetzt buchbar

Nur 23 Tage nachdem wir zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden im Klausbachtal zum zweiten Mal zwei noch flugunfähige junge Bartgeier ausgewildert haben, hat das erste der beiden Geierweibchen die eingezäunte Felsnische verlassen. „Heute Morgen um 7.50 Uhr ist Dagmar nicht völlig unerwartet zum ersten Mal abgehoben, nachdem sie zuletzt schon deutliche Anzeichen für ihren unmittelbar bevorstehenden Jungfernflug gezeigt hatte“, erklärt LBV-Projektleiter Toni Wegscheider.

Bartgeier Dagmar nach dem ersten Ausflug | © Richard Straub © Richard Straub
Dagmar an ihrem ersten Platz nach dem Ausflug - LBV Ehrenamtlicher Richard Straub war auch wie im letzten Jahr bei Bavaria wieder vor Ort und liefert uns tolle Bilder

„Ab sofort ist also ein weiterer Bartgeier Teil der bayerischen Alpen und wir sind überglücklich, dass auch heuer der Ausflug so gut geklappt hat“, sagt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer.

„Einen schöneren Morgen hätte sich Dagmar für ihre ersten Flugversuche gar nicht aussuchen können. Es ist von Mal zu Mal faszinierend, wie sich diese Jungvögel in die Luft erheben. Dieser Moment steht symbolhaft für die Rückkehr dieser tollen Vogelart in die freie Wildbahn“, freut sich auch Nationalparkdirektor Dr. Roland Baier. Bis auch der zweite Jungvogel Recka zum ersten Flug ansetzt, ist es nur noch eine Frage der Zeit.

Auch diesen Erstflug kann jede*r mit etwas Glück live per Webcam mitverfolgen sowie auf der Webseite des Nationalparks Berchtesgaden.

Dagmar hat gestern schon Startposition getestet

Bartgeier Dagmar nach dem ersten Ausflug | © Richard Straub © Richard Straub
Dagmar landete punktgenau auf einem außerhalb der Nische liegenden Futterplatz und fing sofort zu fressen an

Bereits am Vortag war Dagmar den gesamten Tag über sehr viel geflattert und beide Geier hatten es zuletzt schon auf bis zu 400 Übungsflügelschläge pro Tag gebracht. „Dagmar hat gestern auch schon ihre Startposition getestet und viel Zeit am heutigen Startplatz in der Nische verbracht. Doch gestern hat wohl noch das schlechte Regenwetter den Ausflug verhindert, daher hat sie bis heute abgewartet“, beschreibt Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.

Recka noch unbeeindruckt

Bei idealen Wetterbedingungen hob Dagmar sehr elegant mit nur wenigen Flügelschlägen ab, absolvierte gleich einen 300 Meter langen Gleitflug und flog direkt eine sichere lange Kurve, um punktgenau auf einem außerhalb der Nische liegenden Futterplatz zu landen und sofort zu fressen.

„Im Gegensatz zum Vorjahr, als Wally nach dem Ausflug von Bavaria suchend in der Nische umherlief, zeigte sich Recka heute unbeeindruckt und schlief einfach weiter. Doch wenn der erste Bartgeier einmal ausgeflogen ist, hat das einen Zugeffekt auf den Zweiten und so wird Recka in den nächsten Tagen wohl bald nachziehen“, weiß Toni Wegscheider.

Viele Übungsflüge in den nächsten Wochen

Bartgeier Dagmar nach dem ersten Ausflug | © Richard Straub © Richard Straub

In den vergangen vier Wochen haben die beiden Bartgeierweibchen ihr Flugtraining in der gesicherten Auswilderungsnische von Tag zu Tag intensiviert. Beide haben sich seit dem 09. Juni sehr gut entwickelt und sowohl an Gewicht als auch an Flügelspannweite zugelegt. „Die meisten ausgewilderten jungen Bartgeier machen zwischen dem 120. und 125. Lebenstag ihren Jungfernflug. Dagmar ist bereits mit 118 Tagen abgehoben. Ihre große Aktivität zuletzt war ein eindeutiges Zeichen an das Team, dass der Ausflug unmittelbar bevorsteht“, sagt Ulrich Brendel.

Bei nur kurzen Gleitstrecken sind junge Bartgeier gerade in der ersten Woche meist alles andere als Präzisionsflieger. Doch jeder Tag voller Übungsflüge bringt deutliche Steigerungen und schon nach wenigen Wochen dürften beide Vögel elegant in den Gipfelregionen des Nationalparks kreisen.

Im Vorjahr haben bereits Wally und Bavaria gezeigt, dass im Nationalpark ausreichend Futter für Aasfresser zu finden ist. „Trotz weiterhin bestückter Futterplätze haben beide Geier das Auswilderungsgebiet irgendwann kaum mehr angeflogen und waren überraschend schnell unabhängig von menschlicher Unterstützung. Einen ähnlichen Verlauf erwarten wir auch dieses Jahr mit Recka und Dagmar“, berichtet Toni Wegscheider.

Ungewohnte Harmonie in der Nische

Dagmar und Recka Kopf an Kopf  | © Markus Leitner © Markus Leitner

Nachdem die erste gemeinsame Woche in der Auswilderungsnische von häufigen Aggressionen der kleineren Recka gegen die deutlich schwerere Dagmar geprägt war, verlief die restliche Zeit bis zum Erstflug dann überraschend harmonisch.

Beide Geier schliefen regelmäßig zusammen auf einem Nest, bettelten sich gegenseitig um Futter an und schnäbelten vertraut miteinander.

„Obwohl im Vorjahr schon Wally und Bavaria von Experten als außergewöhnlich friedliche Konstellation eingeschätzt wurden, hatte wir diesmal mit den beiden Geiern erneut großes Glück. Fast immer sind die einzelgängerischen Bartgeier deutlich aggressiver zueinander, was andernorts teilweise sogar schon eine nachträgliche Errichtung von Absperrungen in den Nischen erfordert hat“, weiß Toni Wegscheider.

Mehr und aktuelle Infos gibt es immer in unserem Bartgeier-Blog

Führungen zu den Bartgeiern

Bavaria seitlich | © Markus Leitner © Markus Leitner
Der 2021 ausgewilderte Bartgeier Bavaria

Am offiziellen Bartgeier-Infostand im Nationalpark an der Halsalm, der auf einer Wanderroute liegt, können sich in den kommenden Wochen alle Besucher*innen täglich bei den Projektmitarbeitenden erkundigen, wo genau sich Recka und Dagmar gerade aufhalten und wo man sie beim Beobachten am wenigsten stört.

Sowohl der LBV als auch der Nationalpark Berchtesgaden bieten regelmäßig Bartgeier-Führungen an, eine Anmeldung ist erforderlich. Informationen gibt es unter www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de im Bereich Veranstaltungen sowie unter .

Darüber hinaus sind vor allem Naturfotograf*innen angehalten, großen Abstand zu den beiden Bartgeiern zu halten. Nationalpark-Ranger sind vermehrt im Einsatz, um die jungen Bartgeier vor aufdringlichen Gästen zu schützen.

Bartgeiersichtungen dem LBV melden

Bartgeier im Flug | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich

Neben Bavaria, Recka und Dagmar wurden in letzter Zeit auch mehrfach andere durchziehende Bartgeier in den bayrischen Alpen gesichtet. Der LBV ruft deshalb alle dazu auf, den bayerischen Naturschützer*innen in Zukunft vor allem außerhalb des Auswilderungsbereichs Sichtungen von Bartgeiern per E-Mail zu melden unter oder per Online-Formular.

„Am wichtigsten ist uns beim Melden, dass immer ein Foto oder Video mitgeschickt wird, selbst wenn es nur unscharf mit dem Smartphone aufgezeichnet wurde“, so Toni Wegscheider. Wenn möglich sollten dabei auch noch die Flugrichtung und mögliche Aktivitäten beschrieben werden, sowie möglichst genaue Gefiedermerkmale wie die Farbe der Federn an verschiedenen Körperstellen sowie helle Flecken oder Markierungen.

Futter in der Umgebung ist ausgelegt

In Vorbereitung auf den ersten Ausflug hat das Bartgeier-Team von Nationalpark und LBV bereits in Rinnen in direkter Umgebung der Nische Futter ausgebracht, das auch fußläufig für die beiden Geier erreichbar ist.

Projektmitarbeiter*innen werden auch in den kommenden Wochen immer vor Ort sein und das Verhalten der beiden jungen Bartgeier weiterhin genauso intensiv überwachen wie bisher.

Das Bartgeier-Projekt

Logo Bartgeierprojekt

Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) der Zoos junge Bartgeier ausgewildert.

Das europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk wird von der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Sitz in Zürich geleitet. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran. Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogelschutz) und dem Nationalpark Berchtesgaden gemeinsam initiiertes und betreutes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der deutschen Alpen greift dies auf und unterstützt in Kooperation mit dem Tiergarten Nürnberg die alpenweite Wiederansiedelung.

Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen.

 

 

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© Ralph Sturm

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