Interview mit Alois Glück

Zeitenwende

Alois Glück | © Eberhard Gronau © Eberhard Gronau

Alois Glück, der ehemalige Landtagspräsident und Moderator des nach dem Volksbegehren einberufenen Runden Tisches „Artenvielfalt“, über die Gründe für den Erfolg der Gespräche und seine Einordnung der Ereignisse.

LBV: Wie haben Sie die Arbeit am Runden Tisch empfunden?

Alois Glück: Die Beratungen waren für alle Beteiligten ein wichtiger Lernprozess. Das sage ich ausdrücklich auch für mich persönlich. So wurde durch eine ganztägige Fachtagung zum Thema Biodiversität zunächst eine gemeinsame Basis für die folgenden Diskussionen geschaffen. Ebenso war es für die Verständigung entscheidend, dass man einander zuhörte und bereit war, sich in die Situation des Anderen zu versetzen.

Wie groß waren die Gräben zwischen den Beteiligten?

Viele Forderungen des Volksbegehrens betreffen Auflagen und Vorschriften für die Landwirtschaft. Das sorgte auf manchen Veranstaltungen vor der Abstimmung für einseitig-polemische und verletzende Diskussionen. Die Gespräche im Fachausschuss waren daher vergiftet, während es in anderen Fachausschüssen trotz mancher Interessensgegensätze entspannter zuging.

Haben Sie trotzdem an eine Einigung geglaubt?

Die Träger des Volksbegehrens erklärten beim ersten Gespräch, dass sie einige der Regelungen flexibler gestalten wollten. Dadurch gelang es, sich nach einer Phase des Abtastens mit dem Bauernverband über einzelne wichtige Forderungen zu verständigen. Beide Seiten haben sich gleichermaßen um tragfähige Lösungen bemüht. Das war eine Entgiftung und ein wichtiges Signal für den weiteren Prozess.

Runder Tisch zum Volksbegehren Artenvielfalt | © DPA © DPA
Harmonisch ging es zu am Runden Tisch, der nach dem erfolgreichen Volksbegehren Artenvielfalt einberufen wurde

Wie haben Sie den LBV am Runden Tisch erlebt?

Kompetent, sachlich und mit nachvollziehbaren Motiven. In einer Sprache ohne Aggressionen, offen für die Situation und die Argumente der Gesprächspartner. Exemplarisch dafür war die Diskussion um die Regelungen im Volksbegehren für die Mahd.

Sehen Sie Verbindungen zwischen dem Volksbegehren und zum Beispiel der gesellschaftlichen Diskussion um mehr Klima- und Artenschutz?

Glück: Die sachbezogenen Diskussionen im Rahmen des Projektes Runder Tisch haben uns den beunruhigenden, ja gefährlichen Prozess der Artenverarmung mit den Auswirkungen auf unseren Naturhaushalt vermittelt. Das ist und bleibt das Verdienst des Volksbegehrens. In der Debatte um den Klimawandel steht die Nutzung der fossilen Brennstoffe und die Freisetzung von CO2 im Mittelpunkt. Die wachsende Angst vor diesen Folgen war auch ein entscheidender Grund für die Zustimmung zum Volksbegehren. Und es gibt in der Tat inhaltliche Zusammenhänge. Sowohl der rasche Klimawandel als auch das Artensterben sind Ausdruck für die Übernutzung und Überlastung unserer Erde. Die Klimadebatte wird die weitere Debatte um das Artensterben prägen!

Gewinnt nachhaltiges Handeln an Bedeutung?

Es wird zumindest mehr darüber diskutiert. Die meisten Menschen spüren schon lange, dass unsere heutige Art zu leben nicht zukunftsfähig ist. Aber wir haben es immer wieder verdrängt. Damit ist kostbare Zeit verloren gegangen. Es wird immer schwieriger, die notwendigen Veränderungen ohne schwerwiegende Brüche und Verwerfungen zu erreichen. Wissen allein genügt nicht! Aber wie gewinnt unsere Gesellschaft die Kraft, sich so zu verhalten wie Eltern, die um die Lebenschancen ihrer Kinder willen auf manches verzichten, was nicht lebensnotwendig ist?

Interview: Markus Erlwein

Dieses Interview ist zuerst im LBV-Mitgliedermagazin Vogelschutz Ausgabe 03/2019 (S. 19) erschienen

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