Ein historischer Erfolg für den Naturschutz

Was die neuen Gesetze in Bayern konkret bringen

Mit einer Beteiligung von 18,3 Prozent aller Stimmberechtigten hat das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ das beste Ergebnis aller Zeiten in Bayern erzielt. Wir sagen Ihnen, was sich nun konkret zum Besseren für Bayerns Natur verändert.

Blumenwiese | © Bernd Raab © Bernd Raab
Blühwiesen oder Blühstreifen mit heimischen Blumen im Garten oder an Straßenrändern bieten Nahrung für zahlreiche Insekten

Die Annahme des Volksbegehrens durch die bayerische Staatsregierung bewirkte eine umfassende Änderung des bayerischen Naturschutzgesetzes und macht Bayern zum Vorreiter in Sachen Artenschutz – dank Bürgerpower XXL! Darüber hinaus hat die Regierungskoalition ein Begleitgesetz mit weiteren Regelungen für mehr Artenvielfalt beschlossen.

Wozu überhaupt das Volksbegehren?

Ausgangspunkt des Volksbegehrens ist das größte Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier. Dieses Artensterben findet vor allem im Acker- und Grünland statt und ist eine vielfach in Studien nachgewiesene Tatsache.

Die bisherigen freiwilligen Leistungen der Landwirte im Vertragsnaturschutzprogramm und im Kulturlandschaftsprogramm konnten den Artenrückgang nicht aufhalten, obwohl die bayerischen Landwirte dafür ca. 250 Millionen Euro pro Jahr erhalten. Dies zeigt, dass mehr und wirksamere Maßnahmen notwendig sind.

Getragen von der Initiatorin ÖDP, dem LBV, Bündnis 90/ Die Grünen und der Gregor Louisoder Umweltstiftung, haben sich im Laufe der Kampagne rund 200 Organisationen als Unterstützer dem Volksbegehren angeschlossen. Das gemeinsam verfolgte Ziel: den rasanten Rückgang der Artenvielfalt stoppen und unsere Landschaften wieder beleben.

Gewässerrandstreifen und Biotopverbund

Kein Gewässerrandstreifen | © Maximilian Sehr © Maximilian Sehr
Die Zeiten, als Felder bis zum Rand von Gewässern gedüngt und gespritzt und diese dadurch verunreinigt wurden, werden nun enden

Eine der wichtigsten Errungenschaften des Volksbegehrens ist die Einrichtung von Gewässerrandstreifen. Äcker müssen in Zukunft einen Abstand von fünf Metern zu den Ufern von Bächen und allen natürlichen Gewässern einhalten. Diese Gewässerrandstreifen können in Zukunft das Rückgrat eines Biotopverbundes bilden. Hier werden Hochstaudenfluren mit Mädesüß, Blutweiderich und Baldrian blühen und die Insektenwelt wiederaufleben.

Beim Biotopverbund im Offenland hat das Volksbegehren dem Staat vorgegeben, dafür bis 2027 13 Prozent der Fläche zur Verfügung zu stellen (derzeit sind es rund neun Prozent). Im Begleitgesetz wurde der Zielwert auf 15 Prozent bis 2030 erhöht.

Für die Vernetzung von artenreichen Magerrasen, Feuchtwiesen, Hecken und Brachflächen wird der Staat einige Jahre brauchen, aber er muss sofort beginnen.

Dafür sollen 50 neue Biodiversitätsberater an den Unteren Naturschutzbehörden und 50 Wildlebensraumberater an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sorgen.

Die Verbote, Dauergrünland umzuwandeln, den Wasserstand in Nass- und Feuchtwiesen abzusenken und Alleen, Hecken, Säume und Feldraine zu beeinträchtigen, sind sofort wirksam geworden. Damit werden die hohen Verluste der vergangenen Jahrzehnte endgültig gestoppt.

Blühende Wiesen und artenreiches Grünland

Grünland mit Wald im Hintergrund und Hecken im Vordergrund | © Dr. Eberhard Pfeuffer © Dr. Eberhard Pfeuffer
Strukturreiches Grünland bietet Heimat für viele Vögel, Amphibien und Säugetiere

Eine weitere Vorgabe für den Staat bezieht sich auf die Vermehrung von Blumenwiesen. Der Anteil der Wiesen, die nach dem 15. Juni gemäht werden, soll von derzeit fünf auf zehn Prozent erhöht werden. Hier gibt es bereits eine Förderung im Vertragsnaturschutzprogramm von 320 Euro pro Hektar. Der Staat muss das Programm attraktiver machen und die Gebietskulisse ausweiten.

Zusätzlich hat das Volksbegehren arten- und strukturreiches Grünland unter Biotopschutz gestellt. Dieser bestand bereits durch das Bundesnaturschutzgesetz für Pfeifengraswiesen, Magerrasen und Orchideenwiesen.

Neu werden nun auch artenreiche Flachland-Mähwiesen – das sind die selten gewordenen Salbei-Glatthaferwiesen mit Margeriten und vielen anderen Blumen – sowie Berg-Mähwiesen unter Schutz gestellt.

Allerdings dürfen wir uns nichts vormachen: Der überwiegende Teil des Grünlandes wird weiterhin als intensiv gedüngtes Grünland mit fünf bis sieben Schnitten pro Jahr nur Löwenzahnblüten hervorbringen, und dies auch nur zeitweise. Hier kann nur eine Änderung in der europäischen Agrarpolitik Abhilfe schaffen.

Streuobstwiesen geschützt

Streuobstwiese von einem Zaun umgeben, rechts führt ein Weg entlang | © Thomas Staab © Thomas Staab
Streuobstwiesen sind einer der wichtigsten Lebensräume, die es zu erhalten gilt. Hier herrschen das pure leben und jede Menge Vielfalt

Streuobstwiesen sind der Lebensraum von über 5.000 Tier und Pflanzenarten und zählen damit zu den artenreichsten Lebensräumen Europas. Sie haben in der traditionellen Kulturlandschaft einen wichtigen Ring um die Siedlungen gebildet, der bedrohten Arten wie Gartenrotschwanz und den hochbedrohten Wiedehopf, Wendehals und Steinkauz ein Zuhause bietet.

Laut Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft sind im Freistaat von 1965 bis heute mehr als 70 Prozent der Streuobstbäume verschwunden (von rund 20 auf 5,6 Millionen). Meist sind sie Wohn- und Gewerbegebieten zum Opfer gefallen oder in eine intensivere Nutzung wie Acker überführt worden.

Das Volksbegehren hat die verbliebenen Streuobstwiesen unter Biotopschutz gestellt. Eine Rodung kann in Zukunft nur mit 1:1-Ausgleich stattfinden. Eine reguläre Nutzung und Pflege der Streuobstwiesen ist Voraussetzung für den Erhalt dieser wertvollen Biotope und selbstverständlich weiterhin möglich. Das Landwirtschaftsministerium wird die finanzielle Unterstützung für die Pflege erhöhen.

Ökolandwirtschaft fördern

Haushühner bestehend aus einem weißen Hahn und vier Hühner sitzen auf einer grünen Wiese und fressen | © Dr. Eberhard Pfeuffer © Dr. Eberhard Pfeuffer
Ein Wohltat für Mensch und Tiere. Ökologische Landwirtschaft auf hohem Niveau mit Freilandhühnern

Das Volksbegehren verpflichtet den Freistaat, den Anteil der Ökolandwirtschaft von derzeit zehn auf 30 Prozent bis 2030 zu erhöhen. Die Politik kann dies natürlich nicht verordnen, die Umstellung bleibt für den einzelnen Landwirt freiwillig.

Das Landwirtschaftsministerium muss attraktivere Programme schaffen, damit das Ziel erreicht wird. So kann es die Förderanreize für den Ökolandbau erhöhen, Betriebe bei der Umstellung unterstützen (u.a. durch Förderung von Investitionen in Stallumbauten), Anbauverbände fördern und durch betriebliche Beratung den Ökolandbau voranbringen.

Dazu gehört auch bei Industrie, Handel und Verbrauchern für ökologisch erzeugte landwirtschaftliche Produkte zu werben und so deren Absatzmarkt zu vergrößern. Der Staat sollte die Verpflegung in den Kantinen von Ämtern, Behörden und Schulen auf Biokost umstellen.

Österreich hat durch konsequente Förderung bereits jetzt 25 Prozent Ökolandbau geschafft.

Mehr Transparenz und bessere Ausbildung

Jede Legislaturperiode muss das Umweltministerium dem Landtag und der Öffentlichkeit auf der Basis ausgewählter Indikatoren einen Bericht über den Status und die Entwicklung der Biologischen Vielfalt in Bayern vorlegen.

Über die Ökolandbauflächen muss jährlich berichtet werden. Das Volksbegehren hat außerdem den Staat verpflichtet, die Ziele und Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftspflege in den Lehr- und Bildungsplänen zu berücksichtigen.

Dabei müssen u.a. auch die Folgen von Stickstoffeintrag und Pestiziden sowie die Bedeutung von Fruchtfolge-Entscheidungen behandelt werden.

Volksbegehren Plus

Hirschkäfer auf Laub | © Andreas Hartl © Andreas Hartl
Der Hirschkäfer ist in Deutschland sehr selten geworden. Er ist unser größter heimischer Käfer.

Das Begleitgesetz der Regierungskoalition greift auch in andere Gesetze ein. Im Waldgesetz legt es fest, dass im Staatswald ein Netz mit zehn Prozent Naturwaldflächen ohne Nutzung eingerichtet wird. Wir werden darauf achten, dass dieses Netz alle Waldgesellschaften umfasst und ausgewogen über ganz Bayern verteilt ist.

Die Bayerische Staatsregierung kündigte beim Bericht zum Runden Tisch für mehr Artenvielfalt an, einige tausend Hektar Staatswald im Steigerwald, Spessart und an den Donau- und Isarauen noch 2019 aus der Nutzung zu nehmen. Damit wird eine langjährige Forderung des LBV teilweise umgesetzt.

Moor- und Klimaschutz werden unterstützt durch das Verbot, den Grundwasserstand auf Moor- und Anmoorstandorten abzusenken. Auch beim Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen geht Bayern einen Schritt voran, indem es den Anbau im Naturschutzgesetz verbietet.

Die Regierung hat sich verpflichtet, den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln bis 2028 zu halbieren. Mit der Beschränkung der Beleuchtung von öffentlichen Gebäuden und von Werbeanlagen im Außenbereich wird ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Insekten geleistet, wie auch durch die Initiative Straßenbegleitflächen von Staatsstraßen als Magergrünland zu bewirtschaften.

Noch viel Potenzial bei Gemeinden

Den Gemeinden macht die Regierung keine Vorgaben, sondern spricht nur Empfehlungen aus. Unsere Vorschläge, ein Grünflächenmanagement und Biodiversitätskonzepte für Gemeinden verpflichtend einzuführen, wurden nicht umgesetzt. Damit hätte auch die verheerende Praxis des Mulchens eingedämmt werden können. Die Einrichtung eines kommunalen Biodiversitätsförderprogramms steht ebenso aus.

Doch stellen wir fest, dass das Volksbegehren bei vielen Gemeinden und Bürgermeistern wie ein Weckruf gewirkt hat, und die Sensibilität für Artenvielfalt enorm zugenommen hat. So wollen wir gemeinsam mit ihnen auch die Gemeindefluren wieder beleben.

Sprechen Sie gerne Ihre Bürgermeister, Gemeinde- oder Stadträte direkt darauf an.

Dieser Artikel eschien zu erst in unserem Mitgliedermagazin Vogelschutz 03/19 (S. 10 - 15)

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