Angelika Nelson, welcher Vogel singt denn da?

13. Folge vom LBV-Podcast „Ausgeflogen“

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Heute zu Gast im Podcast: Angelika Nelson, Vogelstimmenexpertin.

Und das Schöne beim Vogel beobachten ist auch noch, dass man jedes Mal was Neues entdeckt. Also es wird nie langweilig. Selbst wenn ich wieder einen Haussperling sehe, schaue ich gerne ganz genau hin, weil der macht bestimmt irgendein Verhalten oder zeigt irgendwas, was ich vorher noch nie gesehen habe bei Haussperlingen.

 

 

Herzlich Willkommen zu „Ausgeflogen“ der LBV-Podcast. Ich bin Stefanie Bernhardt, Pressereferentin beim LBV und gemeinsam sind wir unterwegs im ältesten Naturschutzverband Bayerns. Es zwitschert in ganz Bayern aus den Hecken und von den Dächern, doch wer singt da eigentlich? Um das zu beantworten, ist Vogelstimmenexpertin Dr. Angelika Nelson heute mein Gast. Wir sprechen über die Forschung zum Vogelgesang und darüber, wie jede und jeder das Erkennen von häufigen Vogelstimmen ganz einfach lernen kann. Außerdem geht es um die bürgerwissenschaftlichen Mitmachaktionen, Stunde der Gartenvögel und Dawn Chorus, die beide im Mai stattfinden. Viel Spaß bei dieser musikalischen Folge.

 

Stefanie Bernhardt: Hallo Angelika, schön, dass du heute da bist, im Podcast „Ausgeflogen“.

Angelika Nelson: Ja schön Steffi, dass ich heute da sein darf.

 

Welchen Vogel hörst du denn gerade am Morgen als erstes, wenn du in der Früh aufstehst?

Also wenn ich in der Früh aufwache, ist eigentlich die Amsel immer der erste und dann gefolgt ziemlich bald bei uns von der Kohlmeise. Das ist eher unwahrscheinlich oder eher, das ist nicht so häufig. Also meistens ist eigentlich das Rotkehlchen dann noch ein zweiter Vogel, der so als nächstes singt.

 

Singt die Kohlmeise sonst später oder warum ist das nicht so wahrscheinlich?

Die Kohlmeise ist eigentlich eher ein bisschen später dran normalerweise. Ja, weil die Vögel, die singen ja alle nach einer bestimmten Uhrzeit, eigentlich in der Früh, die Uhrzeit ist natürlich nur von uns, also die singen nach dem Sonnenstand. Da sind so ein Paar, die Amsel und Rotkehlchen zum Beispiel sind die, die früh schon singen und Kohlmeise, Blaumeise kommen dann ein bisschen später. Der Star zum Beispiel ist auch ein relativ Spätaufsteher.

 

Wie bei uns Menschen, da gibt es ja auch Frühaufsteher und Spätaufsteher, sehr schön. Wieso singen Vögel denn überhaupt?

Ja, dazu gibt es verschiedene Theorien. Also die Vögel singen eigentlich hauptsächlich während der Brutsaison. Gerade bei uns jetzt in Europa, das wäre, sagen wir mal ab März oder so, dann bis in Juli hinein. Da singen sie hauptsächlich, um entweder ein Revier zu verteidigen oder Weibchen anzulocken, also es ist Partnerwahl. Ist auch total interessant, wenn man drüber nachdenkt, weil auf der einen Seite ist es geh weg und auf der anderen komm her und das ist irgendwie die gleiche Message oder so in einem Gesang.

Ein Star mit einer Feder im Schnabel auf einem totem Baumstamm vor frühlingsgrünem Hintergrund | © Rosl Rössner © Rosl Rössner
Der Star gehört zu den Spätaufstehern unter den Vögeln.

Kann man das dann unterscheiden die Rufe? Also eher dieses Anlocken oder dieses ja abstoßen, sage ich mal?

Das ist eine gute Frage. Also bei manchen Vogelarten gibt es das schon, dass es bestimmte Gesänge gibt, die nur an die Weibchen gerichtet sind und andere Gesänge nur an die Männchen. Es ist so, weil du gesagt hast Rufe, dass man da ganz genau unterscheiden muss zwischen Rufen und Gesang. Also Gesang sind die Laute, die ein Singvogel während der Brutsaison hervorbringt, die auch gelernt sind, also fast so wie menschliche Sprache. Die Rufe im Gegensatz, die sind meistens ein bisschen einfacher, die sind nicht gelernt, das heißt, sie sind angeboren. Das ist wichtig. Die haben ganz wichtige Funktionen wie zum Beispiel die Bettelrufe. Also wenn ein Vogel im Nest erst lernen müsste wie er um Futter bettelt, dann ist er wahrscheinlich schon verhungert. Daher ist es gut, wenn das angeboren ist und er das einfach automatisch sofort machen kann. Es gibt Bettelrufe, dann gibt es Alarmrufe, Kontaktrufe, es gibt sogar Kopulationsrufe, also wenn es zur Paarung geht, die Rufe haben meistens eine ganz spezielle Funktion.

 

Gibt es dann auch den Fall, dass Vögel nicht aus einem bestimmten Grund singen, sondern nur so zum Spaß? Also wie wir Menschen vielleicht auch Musik machen?

Das ist eine interessante Frage. Das haben Leute auch schon versucht zu untersuchen. Nur wissenschaftlich kann man das natürlich nicht erfassen, weil wir stellen eine Hypothese auf, stellen eine Frage und versuchen, die zu beantworten. Da kann man natürlich nie herausfinden, ob der Vogel das jetzt aus reiner Freude am Singen macht. Aber es gibt zum Beispiel Musiker, die mit den Vögeln gemeinsam Musik machen. Ich lese da gerade ein Buch von David Rothenberg, ein Amerikaner. Und der spielt Klarinette zum Beispiel und spielt das mit den Vögeln. Der ist jetzt gerade in Australien, da gibt es ja diese Lyrebirds, die dafür bekannt sind, dass sie viele verschiedene Vogelstimmen nachahmen, und da spielt er jetzt eben mit dem und merkt auch, wie der Vogel auf ihn reagiert und da auch ein bisschen seinen Gesang ändert.

 

Du hast ja über 10 Jahre an der Ohio State University in den USA zu Vogelstimmen geforscht. Also bist du auch eine Vogelstimmen Expertin und hast dort auch das Tierstimmen Archiv geleitet. Wie untersucht man denn überhaupt den Gesang oder die Rufe von Vögeln? Wie kann ich mir das vorstellen?

Also den Gesang bei den Vögeln zu untersuchen ist eigentlich relativ einfach, weil man kann Fragestellungen an die Vögel praktisch weitergeben. Das heißt, man macht sogenannte Playbackversuche, wo man im Prinzip eben mit einem, mit einer Aufnahme und einem Mikrofon hinausgeht, in das Revier von einem Vogel und dann dort über das Mikrofon oder über den Lautsprecher, natürlich über den Lautsprecher, einen Vogelgesang abspielt. Da kann man dann praktisch den Vogel fragen: Wie reagiert er jetzt auf unterschiedliche Gesänge, wie reagiert er auf den Arteigenen Gesang, wie reagiert er auf den Gesang von seinem Nachbarn gegenüber einem anderen Vogel, der jetzt nicht, den er noch nie gehört hat und solche Sachen. Man schaut dann einfach wie der Vogel auf den Lautsprecher reagiert, also im Prinzip auf den Gesang, den man abspielt. Da kann man ganz verschiedene Verhaltensweisen feststellen und die dann aufnehmen und schauen, ob er da jetzt näher an den Lautsprecher kommt oder weiter weg bleibt.

 

Also quasi durch Experimente und Beobachtungen.

Genau, also am Anfang macht man meist Beobachtungen und schaut sich an, was man so sieht und wie der Vogel interagiert. Man sieht oft gerade bei Kohlmeisen, Blaumeisen, dass da zwei Reviernachbarn sich treffen sozusagen und da mal gegensingen. Man hört das zum Beispiel auch schön, fällt mir gerade ein, bei Spechten. Gerade wenn jetzt im Frühjahr, wenn die ihre Reviere abstecken und klopfen, dann sollte man mal zuhören, wenn man den einen Trommeln hört, ob man da nicht irgendwo in der Ferne einen anderen praktisch antworten hört. Der trommelt dann zurück. Also das wäre so eine Beobachtung und da kann man sich dann überlegen, wie kann ich das jetzt testen, ist das wirklich so, dass der trommelt, weil der andere gerade getrommelt hat. Das kann man zum Beispiel an verschiedenen Stellen in seinem Revier abspielen und schauen wie er darauf reagiert.

Zwei Buntspechte an einem Baum, beide sind auf der gegenüberliegenden Seite des Stammes | © Rosl Rößner © Rosl Rößner
Spechte Trommeln auch um miteinander zu kommunizieren.

Wenn ich diese Beobachtung habe oder vielleicht auch einfach Aufnahmen aus der Natur, wie wertet man die dann wissenschaftlich aus?

Also da gibt es verschiedenste Softwareprogramme am Computer. Das ist auch ganz wichtig für uns Menschen, weil wir sind oder die meisten von uns sind beim Zuhören jetzt nicht so gut eingestellt auf wirklich die feinsten Unterschiede und Details zu hören. Sondern wir sind eher visuell ausgerichtet und was diese Programme machen ist, dass sie den Gesang praktisch grafisch darstellen in sogenannten Sonagrammen oder Spektrogrammen. Da sieht man dann wirklich die ganzen Feinheiten im Gesang eines Vogels und kann sich die auch gleichzeitig anhören. Man kann dann verschiedenste Maße nehmen an diesem Gesang. Zum Beispiel, in welcher Frequenz der Vogel singt und wie lang die Pausen zwischen den einzelnen Noten sind. Welche Noten sinkt der, wie schauen die unterschiedlich aus, werden die in Phrasen zusammengefasst. Das kann man dann alles quantitativ erfassen und dann statistisch auswerten.

 

Was war so deine wichtigste Erkenntnis in deiner langjährigen Vogelstimmenforschung?

Also ich hab mich lange mit dem Dawn Chorus  beschäftigt, also mit dem seitlichen Morgengesang noch vor Sonnenaufgang und da stellt sich immer noch die Frage, es ist immer noch nicht wirklich geklärt, warum die Vögel um diese Uhrzeit schon singen. Warum singen sie so zeitig und da gibt es verschiedene Theorien und eine ist, dass dieser Gesang speziell an die Weibchen gerichtet ist. Gerade bei vielen Arten ist es so, dass die Männchen zwar mit einem Weibchen verpaart sind, also praktisch in einem Revier zusammenleben, aber dann trotzdem auch mit anderen Weibchen kopulieren und da sozusagen fremde Eier dann im Nest liegen haben. Da haben wir festgestellt beim Dawn Chorus, dass es die Männchen sind, die am frühesten beginnen zu singen. Also wer am zeitigsten anfängt sind dann die erfolgreichen. Da sieht man, das sind dann die die Väter in vielen verschiedenen Nestern. Weil da wahrscheinlich die Weibchen, wenn die Aufwachen und hören irgendwo einen Vogel singen, dann fliegen die vielleicht dorthin und ja.

 

Verstehe. Also quasi der frühe Vogel fängt nicht nur den Wurm, sondern er bekommt auch die besten Weibchen.
Der bekommt auch die Vaterschaften, genau.

Jetzt hast du schon ein bisschen beschrieben, wie man das auswerten kann und dass man zwischen Gesang und verschiedenen Warnungen oder Lockrufen unterscheiden kann. Aber können wir Menschen oder gerade ihr als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Vögel überhaupt verstehen?
Also wenn man sie mal erforscht hat und diese unterschiedlichen Rufe kennt, dann geht man schon ein bisschen anders durch die Welt. Man hört dann die Vögel um einen herum singen oder rufen und hat dann schon so ein bisschen eine Vorstellung, was da gerade abläuft oder was gerade passiert. Man hört zum Beispiel auch, ob da jetzt zwei verschiedene Kohlmeisen singen und denkt sich dann immer gleich, ja okay interagieren die jetzt miteinander oder was passiert da. Oft ist es auch so, dass da gerade eine Katze durch den Garten schleicht und drum ertönt der Warnruf und dann gehen alle in volle Deckung.

Singende Amsel sitzt auf einen Ast | © Rosl Roessner © Rosl Roessner
Vögel wie die Amsel lernen das Singen von klein auf.

Wie lernen Vögel dann das Singen?

Das ist sehr ähnlich zum Sprachenlernen bei uns Menschen. Also, die gehen auch verschiedene Stadien durch. Erstens lernen sie ihren Gesang ganz zeitig im Leben. Es ist wirklich so in den ersten Monaten, nachdem sie aus dem Ei geschlüpft sind, da müssen sie andere Vögel hören, also die Arteigenen natürlich. Sie müssen auch sich selbst hören können, also das haben auch verschiedene Experimente gezeigt, die Vögel werden mit einer Art Schablone geboren. Das heißt, sie wissen ungefähr, wie ihr Arteigener Gesang sich anhören soll. Macht auch Sinn, wenn man jetzt denkt, eine Amsel, wenn die im Nest sitzt und aufwächst, dann hört die ja nicht nur Amseln singen, sondern da singen auch Rotkehlchen und Blaumeise, Kohlmeise, Buchfink. Woher soll die jetzt wissen, was sie da genau lernen soll? Dann gehen sie verschiedene Stadien durch. Also das heißt, als erstes produzieren sie mal nur einzelne Noten, die sind vielleicht noch nicht einmal in der richtigen Reihenfolge. Das ist ganz interessant, wenn man sich diese Gesänge anschaut und da versucht herauszufinden, wo sind da jetzt die charakteristischen Teile. Der Vogel hört sich dann und kann das wieder an seine Schablone weiter anpassen und perfektionieren. Schlussendlich kommt dann der richtige Amselgesang raus in dem Fall.

Nachtigall auf einem Ast | © Zdenek Tunka © Zdenek Tunka
Die Nachtigall kommt in Bayern mittlerweile seltener vor.

 

Jetzt haben wir schon ganz viel über Vogelstimmen gesprochen, aber wollen sie natürlich auch anhören. Ich würde jetzt einfach mal ein bisschen Gezwitscher einspielen und du kannst uns dann gerne sagen was man da alles so hören kann. [Audio Vogelgezwitscher]

Oh, da hast du ja gleich mit einem ganz schönen Vogel angefangen oder mit ganz tollem Gesang. Das war die Nachtigall, die man da so ganz laut gehört hat, ist gar nicht mehr so häufig bei uns der Vogel. Aber bei uns an dem Umweltbildungszentrum, wo ich arbeite, in Arnschwang oder in Neuswartling, Zentrum Mensch und Natur, da hört man die noch auf der Drahtinsel und da habe ich auch die Aufnahme gemacht. Man hört auch, dass es im Frühling war, weil da viele andere Vögel auch noch im Hintergrund singen. Den Kuckuck werden vielleicht viele erkannt haben, aber auch der Zilpzalp, den hat man gehört.

Da war eine Taube, die kurz ein bisschen gegurtet, oder?

Es kann sein. Also, Tauben gibt es bei uns auf alle Fälle, auch beides, die Ringeltaube und auch die Türkentaube kommen dort vor.

 

Genau, also ich habe nämlich auch hauptsächlich den Kuckuck erkannt. Den kann man auch immer sehr, sehr gut an seinem Ruf erkennen. Die Nachtigall gilt ja so als eine der schönsten Sängerinnen in der Vogelwelt. Welche Vögel singen denn sonst noch am schönsten und kann man das vielleicht auch sagen, vielleicht sogar wissenschaftlich? Also warum ist ein Vogelgesang schöner als der andere?

Also ich glaub für uns ist es meistens so, dass diese melodischen Gesänge, dass die uns sehr ansprechen. Da kommt zum Beispiel auch das Rotkehlchen, fällt mir da gleich ein oder auch die Amsel. Die hat ja auch so einen ganz melodischen Gesang. Zaunkönig ist natürlich auch wunderschön. Das ist übrigens auch einer der lautesten Sänger für seine Größe. Also ist ja ein ganz kleiner Vogel, aber singt sehr laut. Ich glaub das geht vielleicht auch darauf zurück, also wenn man jetzt an so Urvölker denkt oder so, die richten sich ja auch sehr viel an Naturlauten und Vogelgesängen und richten auch ihre Musik danach aus. Da werden auch viele dieser Vogelgesänge in die Musik eingebaut. Ich glaube das sind dann auch hauptsächlich diese melodischen. Obwohl rhythmisch ist natürlich der Zilpzalp auch ein toller Vogel, also einfach mit seinem „zilpzalp zilpzalp“, auch variiert in unterschiedlicher Schnelligkeit.

 

Dann würde ich auch gleich mal ins Rotkehlchen, was du als Erstes genannt hast, reinhören. Was kann man denn da erkennen oder was macht den Rotkehlchengesang aus?

Also das ist auch wunderschön melodisch und da müsste man sich den auch mal grafisch anschauen und da versuchen herauszufinden, ob da nicht doch Wiederholungen drinnen sind. Also ein paar Elemente kann ich da schon immer wieder hören. Es ist jetzt nicht so variabel, wie man vielleicht beim ersten Hinhören oder so denkt. Das ist was ich mein, wir können ja die Arten am Gesang bestimmen, also das heißt, es hat schon jede Vogelart so ihren eigenen Gesang und hat dann natürlich Variationen innerhalb dieses Gesangs. Manche haben mehr Variationen und andere weniger. Die Nachtigall ist halt ein Beispiel mit sehr vielen Variationen, also bis zu 100 oder mehr.

Singendes Rotkehlchen sitzt auf einem Baumstamm | © Rosl Roessner © Rosl Roessner
Im Gesang des Rotkehlchens lassen sich viele Wiederholungen raushören.

Dann würde ich auch gerne noch mal die Amsel abspielen, weil es auch immer, also es ist der einzige Vogel oder ist nicht der einzige, aber einer der Vögel auf jeden Fall, den ich immer erkenne, wenn ich irgendwie unterwegs bin oder selber draußen bin, die Amsel.

Ach ja, da denk ich gleich an so einen lauen Sommerabend, wo man draußen sitzt im Garten. Und ja, die Amsel singt da am Dach oben. Ist halt schon auch spannend wenn man dran denkt, was diese Vogelgesänge dann mit uns machen wenn man die hört. Da kommen so viele Assoziationen gleich raus oder mit und ja, das ist einfach schön.

 

Total, Ja. Ich find die Amsel ist auch ein Frühlings- und Sommervogel und ja sehr schön. Jetzt hast du vorhin auch schon den Zaunkönig genannt, der sehr, sehr laut singt. Wie laut ist der für seine Größe, kann man sich das irgendwie vorstellen?

Also die Lautstärke eines Vogels kann man sehr gut in Dezibel messen. Obwohl sehr gut ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Es ist nämlich recht schwierig eigentlich die Lautstärke eines Vogels zu messen, wie man sich wahrscheinlich vorstellen kann. Es kommt immer drauf an, ob der Vogel jetzt direkt an einen gerichtet ist oder sich ein bisschen abwendet, ob dann auch Hintergrundgeräusche sind und so weiter. Aber so ein Zaunkönig also man sagt, dass es fast wie so Presslufthammer Lautstärke ist. Obwohl den Vergleich finde ich nicht so schön, weil Presslufthammer und Zaunkönig, also das ist ja wie, also wirklich wie das Gegenteil, also das passt nicht zusammen.

 

Wie funktioniert das dann, dass ein kleiner Vogel so laut singen kann?

Ja, Vögel sind einfach tolle Tiere. Die können viele Sachen, wo wir uns nur wünschen könnten, dass wir die auch so ungefähr machen können, wie zum Beispiel fliegen. Aber dann auch beim Singen einfach eine tolle Lautstärke zu kriegen. Die zwei Sachen hängen eigentlich zusammen, denn für beides braucht man viel Luft, viel Sauerstoff und da haben die Vögel ein wirklich gut entwickeltes Atmungssystem. Also die haben eine Lunge, so wie wir auch, aber die Luft fließt durch ihre Lunge in einem Strom. Also die geht nicht hinein und hinaus praktisch auf dem gleichen Weg, sondern es ist praktisch unidirektional, also nur in eine Richtung. Das können sie machen, weil sie noch verschiedene Luftsäcke haben. Also die haben noch so vier, fünf Luftsäcke wo praktisch bei einer Einatmung die Luft hineingeht. Dann geht sie von dort erst weiter in die Lunge und dann wieder hinaus. Das heißt, die frische und die alte Luft treffen sich praktisch nie, weil das in einem Kreislauf durch den Körper geht. Dadurch können sie auch Luft aufheben in diesen Luftsäcken und es wirkt dann fast wie so ein Blasebalg oder so. Der Zaunkönig kann da noch mal richtig Druck machen und die Luft rauspressen und laut singen.

 

Wir haben noch eine andere Aufnahme, die klingt jetzt vielleicht auch im Vergleich zu den ja Gartenvögeln noch ein bisschen spezieller. Wir hören mal rein. Ja, wer war das denn?

Ja, vielleicht hat da der eine andere sogar einen Gartenvogel rausgehört. Das ist nämlich ein Vogel, der imitiert, der andere Vögel nachahmt. Das war ein Sumpfrohrsänger, der kommt bei uns eher in Feuchtgebieten vor, gerade an dem Umweltzentrum wo ich arbeite. Da gibt es in der Umgebung Felder mit Gräben dazwischen, und da habe ich die Aufnahme gemacht. Was bei der Aufnahme auch noch speziell ist, ist, dass das fast um Mitternacht, glaube ich, war. Das ist auch einer der wenigen Vögel, die in der Nacht singen. Das ist ganz lustig, wenn man da unterwegs ist in der Nacht. Ich war eigentlich auf der Suche nach Wachtelkönigen, hab aber leider keinen gefunden. Dafür hat dann plötzlich ein Singvogel sich lautstark gemacht und das hab ich gleich aufgenommen.

Sumpfrohrsänger in Blühfläche | © Hartwig Brönner © Hartwig Brönner
Sumpfrohsänger können den Gesang anderer Vögel imitieren.

Und kannst du dann erkennen, welchen Vogel er imitiert hat?

Also da jetzt direkt raus habe ich es nicht gehört. Aber ja, man muss sich das jetzt auch wieder anschauen beziehungsweise dann auch noch mal in kleinen Teilen abspielen und oft sind die Imitationen auch nicht so ganz hundertprozentig, sondern man kann das dann erahnen.

 

Und warum machen Vögel das?

Das ist auch wieder, damit die Abwechslung in ihren Gesang hineinbringen. Also ist natürlich unsere Interpretation. Aber das kennt man von einigen Arten, zum Beispiel der Star macht das auch und die können nicht nur andere Vogelarten nachahmen, sondern auch andere Laute, die sie hören, zum Beispiel Handyklingeltöne oder oder Sirenen, das sind auch ganz beliebte, dass die nachahmen.

 

Ja, jetzt gibt es nicht nur die berühmten oder sehr lauten Sänger, sondern auch, klassische Allerweltsvögel, die man auch viel im Siedlungsraum in der Stadt, auf dem Dorf hören kann. Also zum Beispiel die Sperlinge, die in der Hecke zwitschern oder die Krähen und Elstern, die man da auch ein bisschen krächzen hört. Wie schätzt du denn diese Gesänge ein?

Also die Gesänge finde ich total schön, weil das sind eben einfach die, die bei uns immer in der Umgebung sind und die wir jetzt vielleicht gar nicht so bewusst wahrnehmen. Aber ich glaube, wenn die fehlen würden, dann fehlt uns auch total etwas. Also ich habe das jetzt schon von einigen Leuten gehört, dass die gesagt haben, dass der Sperling plötzlich nicht mehr aus der Hecke ruft oder singt und dass ihnen einfach was fehlt dabei. Gerade der Haussperling ist ja leider einer der Vögel, die jetzt sehr abgenommen haben über die letzten Jahre. Da sieht man wieder, wie sehr wir da doch dran gewöhnt sind und das gehört einfach in unser Umfeld dazu.

 

Jetzt meinst du schon, dass beim Sperling die Bestände einfach zurückgehen und allgemein sind ja viele Vogelarten gefährdet oder teilweise vom Aussterben bedroht. Also es wird ja sozusagen immer ruhiger in der Vogelwelt. Kann man das auch in der Vogelstimmenforschung nachweisen, dass sich was in den Gesängen über die Jahre verändert?

Ja also das merkt man auf alle Fälle. Grad, wenn man so Aufnahmen standardisiert macht und die immer zur gleichen Zeit oder auch am gleichen Ort ist. Da hört man dann in den Aufnahmen schon, wie viele verschiedene Vogelarten da zum Beispiel singen, und das kann man dann auswerten und sich anschauen. Man wird wahrscheinlich sehen, dass da die Arten abnehmen. Es ist aber schön, dass du es gerade erwähnst, weil da gibt es so ein tolles Projekt dazu. Eine Mitmachaktion, wo eigentlich Jede und Jeder selbst etwas ausprobieren kann und aufnehmen kann. Und zwar heißt das Projekt Dawn Chorus. Wahrscheinlich weiß man jetzt eh schon, worum es sich da handelt. Also es geht drum, dass man den Morgengesang aufnimmt, und zwar gerne einfach zu Hause im Garten. Das kann man bequem übers Handy aufnehmen, da gibt es eine App dazu, die man sich runterladen kann. Einfach mal eine Minute lang zeitig in der Früh, man braucht gar nicht aufstehen, nur aus dem Bett kurz raus, Handy ins Fenster legen und die Aufnahme starten. Dann eben hochladen und das wird dann vom Biotopia Naturkundemuseum Bayern ausgewertet in Zusammenarbeit mit uns, dem LBV. Da kann man sich über die Jahre anschauen, wie sich die Art Zusammensetzung verändert. Da gibt es sogar einen wissenschaftlichen Zweig dazu, also der heißt Sunscape Ecology, der sich das ganz genau anschaut, praktisch so das Gesamtbild in einer Landschaft, das akustische Gesamtbild.

Haussperling | © Max Kugler © Max Kugler
Der Haussperling ist eine Art, die in den letzten Jahren sehr abgenommen hat.

 

Dieses Citizens Science Projekt, was auch ein Kunstprojekt ist, das wurde ja auch durch den Corona Lockdown so ein bisschen inspiriert oder ins Leben gerufen sag ich mal. Also das Biotopia Naturkundemuseum hat auch festgestellt, dass es während Corona einfach viel ruhiger wird und man dadurch mehr Vögel hört und auch die Menschen viel mehr Aufmerksamkeit gegenüber den Vögeln hatten. Also wir haben das auch beim LBV immer als Rückmeldung bekommen auf einmal hören die Leute den Vögeln zu. Und ja, das wurde eben zum Anlass genommen, hier so ein Mitmachprojekt, ein bürgerwissenschaftliches Projekt zu machen, wo man Vogelstimmen aufnehmen und melden kann.

Wenn ich ganz kurz noch mal etwas sagen darf zum Hintergrundgeräusch. Also das das fällt einem schon besonders auf, wenn man sich jetzt mal wirklich mit Vögeln beschäftigt und mit dem Gesang und eben versucht die schön zu hören, dass da ständig entweder ein Auto durchfährt oder der Nachbar gerade Rasen mäht oder sonst irgendwo eine Kreissäge läuft oder wenn gar nichts ist, dann fliegt ein Flugzeug oben drüber, das sind eigentlich ständig Hintergrundgeräusche da. Wenn man jetzt drüber nachdenkt, ich mein die Vögel, die müssen mit denen leben, also die Vögel können da jetzt nicht sagen, gut, jetzt warte ich bis es mal ruhig ist und dann sing ich und krieg meine Stimme wirklich schön hinaus. Die haben sich auch teilweise dran angepasst. Also da gibt es auch wieder wissenschaftliche Studien dazu, dass eigentlich Vögel, die jetzt in Straßennähe oder so leben, dass die lauter singen und dass die eigentlich auch ihre Gesänge in einen höher frequenten Bereich verlegt haben, also damit sie praktisch noch mehr eben über diesen niederfrequenten Straßenlärm oder sonstigen menschlichen Lärm drüber kommen und sich da Gehör verschaffen.

 

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Auf Exkursionen hört man nicht nur die Vögel, sondern kann sie auch beobachten.

Das Schöne ist ja auch an dem Dawn Chorus Projekt, dass ich keine Vogelstimmen erkennen muss, um mitmachen zu können. Also ich kann wirklich, wie du vorhin beschrieben hast, einfach nur aufnehmen und es läuft dann quasi. Lohnen sich denn solche Citizen Science Projekte? Also was bringt es denn der Forschung, wenn Laien oder Bürger oder Leute, die, ein bisschen plump gesagt, keine Ahnung davon haben, wenn die da mitmachen?

Also ich glaube, gerade bei dem Projekt ist es wirklich toll, dass man die Aufnahme bekommt. Man muss wirklich keine Vögel dazu kennen, sondern man braucht nur das Handy und macht die Aufnahme und schickt das dann ein. Das Ziel ist natürlich auch, dass diese Aufnahmen dann ausgewertet werden und man bekommt dann auch mal Feedback zurück, eben welche Arten da gesungen haben. Das wird noch ein bisschen dauern, weil die Auswertungen nicht so einfach sind. Das Schöne bei diesen Bürgerwissenschaftsprojekten ist natürlich auch, dass sehr viele Leute mitmachen. Daher ist es für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen so wichtig oder so toll solche Projekte zu initiieren, weil man Daten von so vielen verschiedenen Gebieten, Gärten, Städten und so weiter bekommt, die man eigentlich als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin selbst nie aufnehmen könnte. Vor allem nicht, wenn man sich immer nur spezialisiert auf es soll am Morgen sein und es soll auch in einem bestimmten Zeitraum sein, und zwar hauptsächlich im Monat Mai läuft dieses Projekt, weil da einfach die meisten Vögel singen. Als Einzelperson oder selbst mit zwei, drei Leuten wird man das nie schaffen. Aber wenn jeder mitmacht in Bayern, dann kriegt man wirklich ein tolles Bild davon, welche Vögel wo singen und was sich da dann vielleicht ändert.

 

Wenn ich denn jetzt Vogelstimmen lernen möchte und damit anfangen möchte, wie mache ich das am besten?

Das ist eigentlich genauso wie eine Fremdsprache lernen. Also da muss man sich wirklich die Zeit dazu nehmen. Man muss viel üben und gerade bei den Vogelstimmen ist es wirklich auch gut, wenn man die Vögel sieht und hört, weil dann kann man das einfach wirklich wunderschön verbinden und das prägt sich dann einfach viel besser bei uns im Gehirn ein und man kann sich dann wieder gut daran erinnern. Es hilft natürlich auch, wenn man mit Experten unterwegs ist, also wenn man bei Exkursionen zum Beispiel mitgeht. Da bieten wir, die einzelnen Kreisgruppen, sehr viele Exkursionen eigentlich an, gerade jetzt im Frühjahr spezielle Vogelstimmenexkursionen. Das ist natürlich auch noch mal ganz schön, wenn man da unterwegs ist und jemand einem sozusagen den Vogel zeigt und dem sagt: Ach, hör doch mal, da singt der Zilpzalp oder hörst du das, da ist das Rotkehlchen wieder. Das ist einfach die Übung und immer weitermachen, und dann kriegt man das schon hin.

Und man kann sich dann auch sicher sein, dass der Experte, die Expertin, mit denen man die Führung macht, das auch sicher bestimmen kann. Also man irrt sich nicht, man hat keine Fehlerquote sozusagen.

Genau also man lernt nichts Falsches, genau wie bei einer Sprache, da braucht man ja auch immer die Bestätigung, dass man da jetzt verstanden wird, ja.

 

Du hast vorhin schon gemeint, dass es auch manche Arten gibt, die man recht gut erkennen kann, wie zum Beispiel den Zilpzalp. Den wollen wir uns jetzt auch noch mal anhören mit seinem, ja, markanten Gesang.

Ja, das war jetzt schon recht flott der Zilpzalp, also die können es auch langsamer machen. Also da gibt es gut Variationen in der Schnelligkeit. Hängt wahrscheinlich auch jetzt vom Erregungszustand des Vogels ab. Also es kann schon sein, dass da vielleicht ein Weibchen in der Nähe war und drum hat er da schneller hintereinander gerufen.

 

Ich habe mich nämlich schon gefragt, weil ich dachte mir auch, es gibt ja immer diese Merksätze oder eben Vögel, die ihren Namen singen wie der Zilpzalp oder der Kuckuck, was so ein bisschen helfen kann, das zu lernen. Aber ich finde es manchmal schon schwierig das rauszuhören. Also es braucht, glaube ich, schon einiges an Übung, oder?

Ich glaube, gerade auch bei diesen Merksprüchen ist es so, dass jeder für sich seinen eigenen Merkspruch finden muss. Also mancher hört da „zilpzalp“ raus, der nächste hört „chiffchaff chiffchaff“, das ist sein englischer Name. Also ja, man muss einfach was finden, was man mit diesem Vogel assoziieren kann, und so kann man sich das dann am besten merken.

 

Dann haben wir noch eine andere Kandidatin, die man auch sehr gut erkennen kann.

Und so weiter und so weiter und so weiter. Also für den Laien hört sich der Vogel jetzt wahrscheinlich so ähnlich an wie vorher gerade der Zilpzalp. Der Rhythmus ist da schon ähnlich, aber das war jetzt eine Kohlmeise, aber was man bei der jetzt auch noch schön gehört hat ist, dass sie da den Gesangstyp gewechselt hat während der Aufnahme. Also es war am Anfang nur kurz so dieser Zilpzalp ähnliche Gesang und dann plötzlich hat sie gewechselt und hat dann mit diesem anderen weitergemacht. Der war auch wieder so ähnlich, ähnlicher Rhythmus, aber doch andere Noten. Da hilft es dann wirklich, wenn man sich das grafisch veranschaulichen kann, da sieht man dann wirklich schöne Unterschiede.

Eine Kohlmeise sitzt auf einem bemoosten Ast | © Andreas Giessler © Andreas Giessler
Die Kohlmeise klingt dem Zilpzalp im Gesang manchmal sehr ähnlich.

Ja, das mit dem Wechsel ist mir auch aufgefallen. Da hab ich mir nämlich gedacht, oh Mann, jetzt hab ich mir den ersten Ruf quasi eingeprägt. Damit könnte ich jetzt schon eine Kohlmeise erkennen, aber jetzt sinkt die wann anders natürlich anders. Aber so ist es bei uns Menschen ja auch. Also es ist ja ganz normal, dass es nicht immer exakt gleich klingt.

Genau das heißt, man muss sich irgend so Merkmale suchen, die dann wirklich für den Vogel spezifisch sind. Also sei es jetzt eben der Rhythmus, der ist es oft oder doch auch die Tonlage. Zum Beispiel eine Blaumeise ist ein kleinerer Vogel als die Kohlmeise, die sinkt ein bisschen höher in der Stimmlage. Ist bei uns Menschen genau das gleiche wie du sagst. Also Freunde erkennt man ja auch meistens an der Stimmlage. Also wenn wer sich am Telefon meldet weiß man ja meistens sofort, wer das ist. So ähnlich ist bei den Vögeln auch.

 

Dann hören wir uns die Blaumeise doch im Vergleich auch noch mal dazu an.

Ja, die hat jetzt schon ganz anderen Gesang als die Kohlmeise. Also die fängt wirklich so schön hoch mit so ein paar Noten an und geht dann über die Mitte hinunter in diesen längeren Trill zum Schluss. Aber weißt du was Steffi, das ist nämlich auch interessant, sie singt nämlich nur so, wo auch die Kohlmeise vorkommt. Also das heißt, wenn eine Blaumeise in einem Gebiet oder in einer Gegend vorkommt, wo es gar keine Kohlmeisen gibt, dann haben die eigentlich auch oft einen Gesang, der eher Kohlmeisen ähnlich ist und nicht so dieser typische Blaumeisengesang mit dem Drill hinten.

 

Ah ok, das heißt, die Vögel passen sich dann auch an die anderen Vögel in ihrer Umgebung an sozusagen.

Genau. Also die hören natürlich auch zu was sich so um sie herum tut. Vielleicht ist es auch einfacher, so Gesang wie die Kohlmeise zu produzieren und nicht unbedingt diesen Drill hinten noch dran zu haben.  Da kommt es wieder darauf zurück, dass der Gesang auch an die Weibchen gerichtet ist. Die Weibchen sind meistens bei den Singvögeln die, die ihren Partner wählen. Das heißt, die versuchen da irgendwas rauszulesen aus dem Gesang. Als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin versucht man dann herauszufinden, was ist es, was sie daraus lesen können. Da denken wir oft, dass sie schauen wollen oder hören wollen, wie gut dieses Männchen ist, wie gut das zum Beispiel den Gesang gelernt hat. Gerade so ein Trill ist relativ schwierig zu produzieren. Also wenn die den singen, dass man immer die gleichen Noten mit den gleichen Abständen hat und auch möglichst langen Drill hat. Das verlangt dem Männchen schon was ab. Wenn er da immer einen anderen Gesang wählen kann, der jetzt vielleicht nicht so schwierig ist, dann würde er das vielleicht vorziehen.

Angelika Nelson Aufnahme Vogelstimmen |© Doug Nelson © Doug Nelson
Als Wissenschaftlerin hat Angelika sich schon intensiv mit Vogelstimmen auseinandergesetzt.

Jetzt ist Vogelstimmen lernen vielleicht schon ein sehr spezielles Hobby oder Leidenschaft. Was bringt es den Leuten, die jetzt da nicht so sehr in der Materie sind, trotzdem ein paar Vogelstimmen zu erkennen?

Es ist einfach so, dass Vögel wirklich überall vorkommen. Also das sind einfach Wildtiere, die wir immer wieder sehen. Viele von uns haben auch Spaß daran Vögel zu füttern. Das heißt, man lockt sie eigentlich zu sich in den Garten und dann sieht man viele Vögel. Das ist natürlich auch schön, dass die dann nah an die Futterstelle kommen und man kann sich an ihrem bunten Gefieder und auch sonst an ihrem Verhalten erfreuen. Aber gerade jetzt im Frühling, und ich schau gerade beim Fenster raus, das Laub kommt wieder raus, also die Blätter sind an den Bäumen, da wird es einfach immer schwieriger die Vögel zu entdecken. Da hilft es schon, wenn man die auch am Gesang erkennt. Das heißt, man hat dann wirklich einen ganz anderen Überblick, auch über welche Arten bei einem im Garten vorkommen, wenn man es nicht nur visuell macht. Manche von den Vögeln kommen vielleicht auch gar nicht an die Futterstelle oder sind da recht heimlich, zum Beispiel Rotkehlchen. Ich erinnere mich an unsere letzte Stunde der Gartenvögel Livezählung. Da hatte man Probleme das Rotkehlchen zu entdecken. Es war einfach immer irgendwo unten und ist nur ganz kurz rausgekommen, hat sich schnell was zu Fressen geholt und war schon wieder weg. Aber singen gehört haben wir es dann auf alle Fälle. Also da kann man dann schön nach dem Gesang gehen.

 

Jetzt ist es generell so, dass wir immer sagen, dass Vogelbeobachtung Spaß macht, dass es glücklich macht, in der Natur zu sein. Was sagt denn die Wissenschaft oder die Forschung dazu, also woran liegt das, dass uns die Natur guttut?

Also da gibt es jetzt viele Studien und da kommen ständig neue raus, die zeigen, dass eben gerade zum Beispiel auch Vogelstimmen direkt auf unser Gehirn und auf die Hormone wirken. Also dass da zum Beispiel Serotonin ausgeschüttet wird, das ist das glücklich sein Hormon praktisch. Und auch wenn man die Vögel beobachtet, dass das einfach schön ist, dass es einfach eine gute Verbindung mit der Natur ist. Dass uns das entspannt, da merkt man dann wieder, dass wir uns entwickelt haben, also jetzt nicht auf ein Handy auf dem Bildschirm zu starren oder auf dem Computer, sondern dass uns das doch einfach viel mehr anspricht, wenn man irgendwo in der Natur draußen ist und wirklich was Lebendiges sieht.

 

Hören die Menschen dann mittlerweile den Vögeln vielleicht zu wenig zu?

Das glaub ich auf alle Fälle und vor allem die Vögel gehen auch unter im sonstigen Lärm. Also grade, wenn ich an die Großstadt oder so denk, es ist einfach so viel los und dass sich die Vögel da überhaupt noch verständigen können, ist teilweise eigentlich ein Wunder. Weil wenn man jetzt denkt, man hat den ganzen Straßenlärm, Autolärm, dann hat man noch schreiende Kinder, man hat noch Sirenen, zum Beispiel, die gehen oder man hat Flugzeuge, also da ist einfach so viel oder Handys oder Leute, die reden. Natürlich ist es auch so, wenn man irgendwo in ein ganz natürliches Habitat oder Lebensraum geht, da ist es ja auch oft nicht ganz still. Also wenn ich da an so einen Gebirgsbach oder so denke, der macht eigentlich auch ganz schön Lärm. An sowas passen sich die Vögel natürlich auch an. Also vielleicht kommt daher auch ihre Anpassungsfähigkeit. Dass die Vögel es schaffen auch mit uns und bei uns im Siedlungsraum zu leben, dass die sich auch an den Lärm ganz gut anpassen können.

Garten mit einem Gartenteich und vielen anderen Strukturen | © Peter Bria © Peter Bria
Vor allem der eigene Garten ist ein schöner Ort, um den Vögeln zuzuhören.

Jetzt hast du schon gemeint, dass so im April und Mai, wo die Blätter noch nicht komplett an den Bäumen hängen, eigentlich eine sehr gute Zeit ist, um Vögel zu beobachten und um Vögel an ihrer Stimme zu erkennen. Wir haben auch schon darüber gesprochen, dass man im Mai bei Dawn Chorus mitmachen kann, also wo man die Vogelstimmen aufnehmen kann und dann der Wissenschaft zur Verfügung stellt. Es gibt im Mai aber noch eine weitere bürgerwissenschaftliche Mitmachaktion, nämlich die Stunde der Gartenvögel. Die findet in diesem Jahr bereits zum 18. Mal statt, am Wochenende vom 13. bis zum 15. Mai. Da kann man sich dann einfach eine Stunde Zeit nehmen, die Vögel beobachten, zählen immer die höchste Anzahl einer Art, die man gleichzeitig sieht und dann dem LBV melden. Das Schöne an der Aktion ist, dass die wirklich sehr für Anfänger geeignet ist, weil man da eben keine Vogelstimmen erkennen muss, sondern man kann es einfach optisch erkennen. Warum sollte man denn bei der Stunde der Gartenvögel mitmachen?

Also die optische Erkennung ist eigentlich auch oft gar nicht so leicht. Es ist nämlich auch so, dass bei uns die Vogelartenkenntnis leider sehr abnimmt in der Bevölkerung. Daher ist eigentlich die Stunde der Gartenvögel eine gute Möglichkeit, dass man sich mal auseinandersetzt mit den Vogelarten, dass man mal genauer schaut. Also ich habe schon von so vielen Leuten gehört, die da mitgemacht haben, dass sie mir dann erzählen, sie haben nie gewusst, dass es zwei verschiedene Sperlingsarten gibt und dass sogar beide bei ihnen im Garten vorkommen. Sie haben immer gedacht, ja, das ist der Spatz, haben nie genauer hingeschaut. Jetzt durch die Aktion, wo es auch jede Menge Informationsmaterialien dazu gibt, also bei uns auf der Webseite kann man sich eben Sachen runterladen, es gibt Flyer dazu, es gibt sogar Videos, die man sich vielleicht schon vorher anschauen möchte. Da lernt man die verschiedenen Vogelarten kennen, also die häufigen, die bei uns in den Gärten vorkommen. Da findet man dann raus, dass es einen Haussperling gibt und einen Feldsperling und das die sogar in den gleichen Gärten gemeinsam vorkommen. Aber man darf natürlich auch nach Vogelstimmen die Vögel melden bei der Stunde der Gartenvögel. Also es muss nicht unbedingt nur sein, wenn man sie sieht. Wenn man also gemütlich draußen im Garten sitzt, bei einer Tasse Tee und Vögel beobachtet und man hört das Rotkehlchen hinter sich aus der Hecke singen, darf man den auch gerne notieren. Und gerade nach der Stimme ist es vermutlich nur ein Vogel. Also das heißt, man kann da getrost eins hinschreiben. Wenn man schon ein bisschen auf die Vogelstimmen aufpasst, kann man während der Stunde natürlich auch mal für eine Minute lang das Handy rauslegen und über die Dawn Chorus App eine Aufnahme machen und uns die dann schicken beziehungsweise für Biotopia das Naturkundemuseum Bayern hochladen. Dann haben wir wieder einen Datenpunkt. Man hat die visuelle Beobachtung und man hat auch die akustische Aufnahme, wo dann Experten und Expertinnen das analysieren können und einfach mal schauen, welche Arten haben Sie jetzt da in der einen Minute gehört.

 

Perfekt. Dann wissen wir ja alle, was wir im Mai fleißig machen werden. Vögel beobachten und Vogelstimmen erkennen. Eine Frage, die ich meinen Gästen auch immer stelle, ist die Frage, was ist denn dein Lieblingsvogel?

Also mein Lieblingsvogel ist meistens der, den ich gerade in dem Moment sehe. Weil es ist einfach schön, also jeder Vogel hat sowas Eigenes. Manche sind besonders schön vom Gesang her, andere wie die Blaumeise einfach weil ich sie schon so gut kenn, weil ich meine Diplomarbeit und Doktorarbeit drüber geschrieben hab und sie wirklich gut untersucht hab. Manche Vögel zum Beispiel wie die Rabenkrähe oder auch Kolkrabe, die sind sehr sozial und die haben einfach so tolles, zeigen so tolle Verhaltensweisen, dass es einfach wirklich spannende Vögel sind. Das Schöne beim Vogel beobachten ist auch noch, dass man jedes Mal was Neues entdeckt. Also es wird nie langweilig, selbst wenn ich wieder einen Haussperling sehe, schaue ich gerne ganz genau hin, weil der macht bestimmt irgendein Verhalten oder zeigt irgendwas, was ich vorher noch nie gesehen hab bei Hausperlingen.

 

Was genau hast du dann an der Blaumeise für deine Doktorarbeit erforscht?

Also bei der Blaumeise hat mich hauptsächlich die Kommunikation interessiert. Also wie die Vögel sich miteinander verständigen über Gesang, wie die Weibchen ihre Partner wählen und dann aber auch, wie die Männchen ihre Reviere verteidigen. Ob sie da zum Beispiel Nachbarn erkennen, also ein anderes Männchen, das direkt an ihr Revier anschließend lebt oder sein Revier hat. Und da auch vor allem eben der Morgengesang. Einfach weil da die Vögel so speziell singen, oder es ist eigentlich der gleiche Gesang wie tagsüber, aber sie singen einfach wirklich sehr kontinuierlich im Vergleich zu tagsüber.

Zwei Blaumeisen sitzen auf einem Ast | © Andreas Gießler © Andreas Gießler
Der Gesang der Blaumeise ist vor allem am frühen Morgen sehr besonders.

Was ist für dich denn das Besondere an der Forschung zu Vögeln oder zu Vogelstimmen?

Das Schöne ist bei der Forschung, dass man da eigentlich Arbeit und Hobby gut verbinden kann. Weil ich bin einfach begeisterte Ornithologin und bin gern draußen unterwegs, beobachte die Vögel, hör mir gern die Vögel an und hinterfrag dann aber oft auch, warum singt der jetzt so oder warum zeigt der Vogel jetzt genau dieses Verhalten. Ich hab das gemerkt bei meiner Doktorarbeit, da kriegt man dann immer wieder ganz spannende neue Fragestellungen. Also da kommen einem immer wieder Ideen, selbst wenn man eine andere Art beobachtet und ja, kann dann einfach wieder rückschließen auf seine. Und was auch noch schön ist, wenn man Vogelgesang untersucht oder auch Vögel allgemein, dass man die Tiere sieht. Also eine Kollegin von mir hat Swiftfoxes, eine Fuchs Art in Colorado untersucht und die hat eigentlich ihre Tierart fast nie gesehen, weil die sind nachtaktiv. Sie hat schon jedes Tier einmal fangen müssen, dann haben die einen Radiosender bekommen und sie hat sie dann praktisch mit einer Antenne verfolgen können. Das heißt, die Signale, die sie von ihren Tieren gekriegt hat, waren halt immer nur piep Signale. Dann hat sie gewusst: Okay das Tier hat den Sender noch. Aber man sieht sie nie und das ist das Schöne bei Vögeln, dass man sie einfach so gut beobachten kann.

 

Schön ja, dann vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast für dieses Gespräch und dass wir alle jetzt ein bisschen mehr über Vogelstimmen und über die Wissenschaft dahinter gelernt haben. Dankeschön Angelika.

Ja, gerne. Es hat Spaß gemacht.

 

Seit dem Gespräch mit Angelika gehe ich mit offenen Ohren durch die Welt. Mittlerweile erkenne ich sogar schon Blaumeise und Zilpzalp am Gesang. Vielleicht konnten wir euch etwas anstecken den Vögeln in eurer Umgebung genauer zuzuhören. Die Gesänge unserer heimischen Vogelarten könnt ihr euch auf den Artenporträts unserer Webseite anhören. Wenn euch diese Folge gefallen hat, empfehlt sie gerne weiter. Außerdem freuen wir uns über eine Bewertung auf Spotify oder iTunes. Genieß den Frühling und bis zum nächsten Mal.

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