Betonflut in Bayern stoppen

LBV-Standpunkte, Hintergründe und die wichtigsten Fragen zur Thematik

Kaum ein anderes Land ist so dicht besiedelt wie Deutschland. Aber der Bau neuer Straßen, Siedlungen und Gewerbegebiete geht ungebremst weiter. Der Druck auf die noch vorhandene Natur steigt immer mehr. Schon heute ist der Flächenfraß eines unserer größten Umweltprobleme – gerade in Bayern. Doch warum ist das so und was können wir dagegen tun?

Aktuelle Lage - Bayerns Hunger nach Flächen ist groß

Bodenfläche Bayerns zum 31. Dezember 2021 nach Nutzungsarten
Bodenfläche Bayerns zum 31. Dezember 2021 nach Nutzungsarten. Ergebnisse der Flächenerhebung in Prozent

Täglich werden in Deutschland 55 Hektar Land ihrer vorherigen Nutzung entzogen, davon allein über 10 Hektar pro Tag in Bayern. Der Hunger nach neuen Flächen ist in Bayern im bundesweiten Vergleich besonders groß. Schon heute sind über zwölf Prozent der bayerischen Landesfläche Siedlungs- und Verkehrsflächen.

Die in der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes vorgegebene Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, wie die Politik das Problem lieber umschreibt, auf höchstens 30 Hektar täglich bis 2030, scheint unerreichbar. Auch das neue bayerische Landesplanungsgesetz begnügt sich mit einem unverbindlichen Richtwert von fünf Hektar täglich, der bis 2030 lediglich „angestrebt“ wird.

Eine Trendwende wird auf diese Weise nicht stattfinden!

Ein drastisches Beispiel für Versiegelung ist die Planung eines BMW-Werks mit 105 Hektar mitten im fruchtbaren niederbayerischen Gäuboden bei Straßkirchen mit seinen wertvollen Lösslehmauflagen. Andererseits ist nicht jede überplante Fläche zu 100 Prozent versiegelt. Sie verliert jedoch weitgehend ihren ursprünglichen Charakter und ihre ökologischen Funktionen. So hat eine Parkplatzbegrünung mit einem vormaligen Wald wenig gemeinsam.

Folgen des Flächenfraßes

Moorfrosch in blau | © Manfred Waldhier © Manfred Waldhier
Der Moorfrosch ist eine der Arten, die bei vielen Bauprojekten gefährdet wäre

Flächenfraß wirkt sich in vielerlei Hinsicht negativ aus:

  • Arten- und Lebensräume verschwinden
  • Böden verlieren ihre Funktion als Wasserspeicher und für die Produktion von Lebensmitteln
  • die Hochwassergefahr steigt
  • überbaute Flächen erwärmen sich massiv,
  • Lichtverschmutzung, Verkehr und Zersiedelung nehmen stark zu.
  • Ortskerne veröden, der sogenannte Donut-Effekt

Schon heute gibt es im dicht bebauten Deutschland kaum noch unzerschnittene Räume mit über 100 Quadratkilometer Größe. Und nicht zuletzt verändert sich der Charakter von Landschaften. Die Identität von Heimat geht verloren, wenn man, wie etwa in der Oberpfalz und in Unterfranken, nur noch den immer gleichen Schnellrestaurants mit Leuchtpylonen und Toskanahaus-Siedlungen begegnet.

Der "Donut-Effekt" - Ortskerne veröden immer mehr

Grüne Wiese im Vordergrund, dahinter eine planierte Fläche mit Autos und Traktoren. Links steht ein Baustellenschild | © Thomas Staab © Thomas Staab

Besonders in ländlichen, bevölkerungsschwachen Regionen ist der Flächenfraß in Bayern groß. Spitzenreiter waren 2021 Niederbayern und die Oberpfalz. Offenbar erliegt man gerade hier der fatalen Annahme, es sei ja außen herum noch genug Natur vorhanden. Dass damit genau der Charme dieser oft noch unverbauten Landschaften verloren geht, nimmt man billigend in Kauf.

Gefüttert wird der hohe Flächenfraß dort vor allem durch die Gewerbesteuer als eine der Haupteinnahmequellen kommunaler Finanzen. Dies führt zu einem Überbietungswettbewerb um die Ansiedlung neuer Unternehmen, nicht selten an der Grenze zur Nachbargemeinde. Dass die erwartete Gewerbesteuer – wenn überhaupt – erst nach vielen Jahren fließt, wird in Diskussionen gerne verschwiegen. Auch führen großflächige neue Wohn- und Gewerbegebiete dazu, dass Gemeinden vor hohen Folgekosten stehen, etwa für den Bau von Straßen, Schulen und Kindergärten.

Das Bauen auf der „grünen Wiese“ mag oft der bequemere Weg sein, führt aber langfristig dazu, dass Ortskerne veröden, der sogenannte Donut-Effekt.

Aktuelle geplante Großbauprojekte in Bayern

Auch wenn Flächenfraß oft unbemerkt geschieht, gibt es in ganz Bayern Großprojekte, die die fortschreitende Zerstörung von Natur und Landschaft beängstigend vor Augen führen. Wir haben eine Auswahl aktueller Planungen zusammengestellt.

Woran scheitert ein effektives Flächensparen?

Dass der immense Flächenverbrauch ein riesiges Umweltproblem ist, stellen politische Entscheidungsträger zwar nicht grundsätzlich infrage. Auch gibt es viele Lösungsvorschläge - die jedoch kaum umgesetzt werden. So ist beispielsweise der Flächenfraß bei der Ausweisung neuer Baugebiete am Ortsrand besonders groß. Das klassische Einfamilienhaus ist dabei die flächenintensivste Wohnform.

Die Politik verfügt sogar über Instrumente zum Flächenschutz, sei es im Landesplanungsgesetz, im Landesentwicklungsprogramm (LEP) oder in den Regionalplänen. Auch mangelt es nicht an politischen Willensbekundungen zum effizienten Flächensparen. Doch alle Appelle und Vorgaben scheitern meist an der kommunalen Planungshoheit.

Kommunen können nämlich ganz allein entscheiden, wo und in welchem Umfang neue Gewerbegebiete oder Neubausiedlungen entstehen. So wird sich nichts ändern. Dabei hat Umweltminister Thorsten Glauber selbst 2019 bei der Auszeichnung „Flächenbewusste Gemeinde“ zum Thema Flächensparen gesagt: "Wo Freiwilligkeit versagt, muss Ordnungsrecht greifen!“

Besonders schmerzt uns als Naturschützer der im Frühjahr 2023 beschlossene beschleunigte Ausbau von Autobahnen. Dazu gehört etwa der Vollausbau der A8 am Chiemsee mitten durch Moore und FFH-Gebiete. Auch die großzügigen Lockerungen der Staatsregierung beim sogenannten Anbindegebot für die Ausweisung neuer Gewerbeflächen ohne Anschluss an Siedlungen wurden erst im neuen Landesentwicklungsprogramm (LEP) wieder etwas verschärft.

Und wie können Alternativen aussehen? Millionen neue Wohnungen auf bereits erschlossenen Flächen

Dabei wären in Deutschland mindestens 88.000 Hektar Innenentwicklungspotenziale - d.h.  innerörtlichen bereits versiegelte Flächen - bzw. 99.000 Hektar Gesamt Baulandpotenziale verfügbar. 900.000 bis 2 Millionen Wohneinheiten könnten dort entstehen. Durch den Ausbau von Dachgeschossen oder die Aufstockung bestehender Wohngebäude könnten nochmals eine Million neue Wohnungen entstehen. Durch das Aufstocken von Gewerbegebäuden wären weitere 1,4 Millionen Wohneinheiten realisierbar.

Hierfür muss es natürlich auch ein Umdenken und die Mitwirkungsbereitschaft von Eigentümerinnen und Eigentümern geben. Viele Gemeinden sind zudem finanziell überfordert durch die Ausweisung neuer Gewerbeflächen, denn sie müssen bei Planung und Erschließung in Vorleistung gehen.

Eine Zusammenarbeit zwischen Kommunen könnte die Kosten senken und Synergien für die einzelnen Kommunen erzeugen. Eine stärkere finanzielle Unterstützung sollte es für Gemeinden zur städtebaulichen Umwandlung von Konversionsflächen, wie ehemalige Kasernen oder Altlastenflächen, zum Beispiel der Glasindustrie, geben. Beim Bau großer eingeschossiger Einkaufszentren sollte es nur noch Doppelnutzungen (mit Wohnen) geben und der Flächenverbrauch durch den Bau von Parkhäusern oder Tiefgaragen verringert werden.

Welche Einschränkungen ergeben sich für die Bürger?

Jeder Bürger in Bayern hat ein Recht auf Wohnraum. Das ungebremste Ausweisen neuer Bau- und Gewerbegebiete bringt viele Gemeinden jedoch in eine Konkurrenzspirale, die gerade in strukturschwachen Gebieten schnell zu finanziellen Einbußen führt. Gleichzeitig veröden die Ortskerne, Häuser und Geschäfte stehen leer. Eine gezielte Innenentwicklung und sogenanntes „Flächenrecycling“ steuern dieser Entwicklung entgegen und bieten Wohnraum in zentraler Lage und mit kurzen Wegen.

#Zukunftsperspektive auf einen Blick: So stoppen wir den Flächenfraß

  1. Den Flächenverbrauch bis 2030 auf Null reduzieren; bis dahin höchstens fünf Hektar pro Tag als verbindliche Obergrenze.
  2. Kein Verkauf öffentlicher Wälder, insbesondere Staatswälder, für die Ausweisung neuer Gewerbe- und Industriegebiete.
  3. Verpflichtende interkommunale Zusammenarbeit und Förderung des Flächenrecyclings.
  4. Kein Neubau von Straßen; Erhalt des Bestandsnetzes und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
  5. Photovoltaik-Pflicht auf Gebäuden und Parkplätzen, weniger in der Natur.

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