Gute Indikatoren aber beunruhigende Fakten

Erstmals veröffentlichter Bericht zur Lage der Natur in Bayern bestätigt die Inhalte des Volksbegehrens

Hummelschwärmer auf Flieder | © Gabi Behr © Gabi Behr

Wie geht es der biologischen Vielfalt in Bayern? Diese Frage muss die Bayerische Staatsregierung seit dem erfolgreichen Volksbegehren Artenvielfalt – "Rettet die Bienen!" ein Mal pro Legislaturperiode der Öffentlichkeit beantworten. Im dafür zum ersten Mal veröffentlichten Bericht zur Lage der Natur in Bayern benennt das bayerische Umweltministerium elf konkrete Indikatoren, die den Zustand der Natur in Bayern bewerten.

Aus Sicht des Trägerkreises des Volksbegehrens aus ÖDP, LBV, Bündnis 90/Die Grünen und der Gregor Louisoder Umweltstiftung sind die vorgelegten Indikatoren wie der Gefährdungsstatus von Arten oder Daten zur Qualität von Landwirtschaftsflächen grundsätzlich geeignet, um in Zukunft dieser erforderlichen Bilanzierung gerecht zu werden.

Der Bericht wird also darlegen, ob das übergeordnete Ziel des Volksbegehrens, den Zustand von Lebensräumen und Arten in Bayern zu verbessern und das Artensterben zu stoppen, erreicht wird oder nicht. Auch wenn aktuell seit der Annahme des Volksbegehrens 2019 zu einigen Indikatoren noch keine Daten vorliegen können, kann der erste Bericht zumindest für einige Bereiche eine Bilanz ziehen, die der Trägerkreis wie folgt bewertet:

Agnes Becker, Beauftragte des Volksbegehrens und ÖDP-Landesvorsitzende:

"Dass es den Bericht zur Lage der Natur in Bayern überhaupt gibt, dafür hat unser Volksbegehren gesorgt und es ist gut, dass er seriös gemacht ist. Es geht schließlich um unsere Lebensgrundlagen. Aber ist es traurig, in so vielen Punkten bei der Dramatik des Artensterbens bestätigt zu werden: ‚Auffallend artenarm sind trotz hoher Flächeninanspruchnahme…Äcker und Grünländer‘.

Dieses Zitat aus dem Bericht beweist, dass der Fokus des Volksbegehrens richtig ist und dass alle Vorgaben konsequent umgesetzt werden müssen. Um den Anteil von ökologisch wertvollen Landwirtschaftsflächen zu erhöhen, muss insbesondere das 30-Prozent-Ziel des Ökolandbaus ambitionierter umgesetzt werden als bisher, Frau Landwirtschaftsministerin!"

Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV:

"Im Bericht heißt es, dass sich die Lage der Natur in den vergangenen Jahren spürbar verbessert habe. Tatsächlich haben sich durch das Volksbegehren die Rahmenbedingungen für den Schutz unserer Natur deutlich verändert und es wurden erste Erfolge erzielt. So haben wir beim Waldnaturschutz und beim Streuobst auch bundesweit beachtete Fortschritte verzeichnet, zahlreiche neue Stellen geschaffen sowie eine wichtige Ausweitung von Maßnahmen im Vertragsnaturschutz- und Kulturlandschaftsprogramm erreicht.

Dennoch ist unsere Natur, wie der Bericht auch beschreibt, teils in desolatem Zustand, denn über die Hälfte unserer heimischen Arten sind gefährdet und ca. 1.000 Tier- und Pflanzenarten sind bereits ausgestorben. Das bedeutet: wir haben zwar die Werkzeuge und Handwerker bekommen, doch jetzt müssen die Reparaturarbeiten intensiv vorangebracht werden."

Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag:

"Es ist gut, dass es diesen ausführlichen Bericht nun gibt. Doch die Faktenlage ist eindeutig: Die Natur in Bayern gerät immer weiter ins Hintertreffen. Das ist das Werk einer Staatsregierung, die meilenweit an ihren selbstgesteckten Zielen scheitert. Der Flächenverbrauch liegt mehr als doppelt so hoch als angestrebt. Bayern ist im Vergleich zum Bundesschnitt überdurchschnittlich stark von Straßen zerschnitten. Und was macht die Söder-Regierung? Sie erhöht die Mittel für den Staatsstraßenbau 2023 erneut deutlich, anstatt wirksame Maßnahmen gegen den Flächenfraß zu ergreifen.

Bei der Wiedervernässung der Moore herrscht Ambitionslosigkeit. Anstatt zielstrebig nach vorne zu gehen – wie es bereits der Oberste Rechnungshof angemahnt hat – trödelt Söder: Wenn wir im aktuellen Tempo weitermachen, dauert es geschlagene 625 Jahre, bis wir von ihm bis 2040 versprochenen 55.000 Hektar Moore vernässt haben. Diese Regierung hat bis heute nicht verstanden: Ziele allein helfen unseren bedrohten Tieren und Pflanzen keinen Schritt weiter. Dafür braucht es echten Umsetzungswillen und wirksamen Maßnahmen – beides Fehlanzeige."

Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung:

"Der Bericht ist fachlich solide und teils engagiert geschrieben und zeigt den enormen Handlungsbedarf beim Schutz der bayerischen Natur für die kommenden Legislaturperioden. Bei einzelnen Punkten wie der Ausweisung von Naturwäldern hat die Staatsregierung bereits entschlossene Schritte unternommen. Diverse gelistete Ziele wie die Moorvernässung, die Pestizidreduktion oder der gesetzlich geforderte Biotopverbund auch in Ackerbauregionen sind ambitioniert. Hier muss das Umsetzungstempo sicher drastisch erhöht werden, um sie zumindest mittelfristig erreichen zu können".

Fazit:

Mit dem Gefährdungsstatus von Arten, Daten zum Flächenschutz, der Zerschneidung von Lebensräumen und dem Flächenverbrauch, der Qualität von landwirtschaftlichen Flächen, dem Nährstoffhaushalt und dem Zustand von Wald und Gewässern sind im Bericht aus Sicht des Trägerkreises die wichtigsten Inhalte für die Bewertung des Zustands der Natur berücksichtigt.

Der Bericht zeigt eindeutig, dass die Entwicklung des Gefährdungsstatus bei vielen Arten negativ ist. Das Ziel der Bayerischen Biodiversitätsstrategie, den Anteil bedrohter Arten bis zum Jahr 2020 deutlich zu verringern, wurde damit nicht erreicht und weitere Anstrengungen im Naturschutz sind unbedingt notwendig.

Hintergrund

Der Bericht zur Lage der Natur in Bayern ist ein Ergebnis des erfolgreichen Volksbegehrens Artenvielfalt – "Rettet die Bienen!" von 2019. Demnach ist die oberste Naturschutzbehörde verpflichtet, dem Landtag und der Öffentlichkeit in jeder Legislaturperiode auf der Basis ausgewählter Indikatoren über den Status und die Entwicklung der biologischen Vielfalt in Bayern zu berichten.

Das bayerische Umweltministerium hat hierfür folgende elf Indikatoren festgelegt:

  1. Landschaftszerschneidung
  2. Artenvielfalt und Landschaftsqualität
  3. Arten der Roten Liste
  4. Flächen für Naturschutzziele
  5. Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert
  6. Waldzustand
  7. Säure- und Stickstoffeintrag
  8. Stickstoffüberschuss
  9. Ökologischer Zustand der Oberflächengewässer
  10. Ökologische Landwirtschaft und
  11. Flächenverbrauch.

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© Ralph Sturm

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