Warum ist das Braunkehlchen in Bayern vom Aussterben bedroht?
Gefährdungsfaktoren im Brutgebiet und auf dem Zug
Noch vor wenigen Jahrzehnten war das Braunkehlchen ein vertrauter Vogel unserer Wiesen. Heute gehört es in Bayern zu den am stärksten bedrohten Arten der Agrarlandschaft. Der Grund dafür ist ein Zusammenspiel mehrerer Gefährdungsursachen – im Brutgebiet, auf dem Zug und im Winterquartier.
Kurz zusammengefasst:
- Verlust geeigneter Brutlebensräume (Strukturverarmung)
- Frühe und häufige Mahd (Verlust von Gelegen und Jungvögeln)
- Nahrungsmangel durch intensive Bewirtschaftung in Brutgebiet und Zugweg
- Entwässerung (z.B. Trockenlegung Moore oder Gräben)
- Klimawandel (z.B. Trockenperioden, Extremwetterereignisse auf Zug)
- Störungen und Prädation (Freizeitnutzung, Fressfeinde)
- Rastplätze auf dem Zug gehen verloren
Gefahren im Brutgebiet - Dauerhafte Verschlechterung des Lebensraumes als Hauptfaktor
Das Braunkehlchen (und auch andere Wiesenbrüter) leidet vor allem unter Verlust und Verschlechterung seines Lebensraums. Dabei ist dies nicht nur das Ergebnis eines einzelnen Faktors vieler, die zu dieser Verschlechterung beitragen. Selbst in ausgewiesenen Schutzgebieten reichen passive Schutzansätze nicht mehr aus.
Verlust geeigneter Brutlebensräume
Braunkehlchen brüten am Boden, gut versteckt in niedriger bis mittelhoher Vegetation. Sie sind auf extensiv genutztes, strukturreiches Grünland angewiesen. Genau diese Flächen gehen jedoch seit Jahrzehnten zurück:
- Grünlandumbruch und Nutzungsintensivierung
- Verlust von Streu- und Feuchtwiesen
- Flächenzusammenlegung und Strukturverarmung
- wenig Strukturen in der Fläche für Sitzwarten oder als Versteck
- Gehölzsukzession bzw. Verbuschung (wenn Pflege der Flächen ausbleibt)
Braunkehlchen geben Brutgebiete zunehmend auf, selbst in ehemals stabilen Kernräumen.
Frühe und häufige Mahd (=Mähen)
Ein zentraler Gefährdungsfaktor im Brutgebiet ist die frühe Mahd, die drastische Folgen hat
- Gelege werden direkt zerstört
- Jungvögel können nicht flüchten
- Nachgelege kommen oft zu spät für einen erfolgreichen Bruterfolg
Selbst dort, wo Braunkehlchen noch brüten, reicht der Bruterfolg häufig nicht aus, um die Population zu erhalten.
Nahrungsmangel durch intensive Bewirtschaftung
Braunkehlchen sind während der Brutzeit auf ein hohes Insektenangebot angewiesen – besonders für die Aufzucht der Jungen. Intensive Bewirtschaftung führt jedoch zu:
- Rückgang blütenreicher Pflanzen
- geringerer Insektenvielfalt
- fehlenden Sitzwarten für die Jagd
Weniger Nahrung bedeutet schlechtere Kondition der Altvögel und geringere Überlebenschancen der Jungvögel.
Entwässerung und Klimawandel
Der Wasserhaushalt spielt eine Schlüsselrolle. Dieser wird in der Fläche allerdings immer geringer aufgrund von
- Entwässerung durch Gräben und Drainagen
- sinkender Bodenfeuchte
- zunehmender Trockenperioden.
Gerade in Moor- und Feuchtwiesengebieten verschlechtert sich dadurch die Nahrungsverfügbarkeit massiv. Ein Effekt, der durch den Klimawandel weiter verstärkt wird.
Störungen und Prädation
Zusätzlich wirken sich Störungen (z. B. Freizeitnutzung, Hunde) und eine hohe Prädationsrate durch Fressfreinde negativ aus.
Quelle: Wiesenbrüterkartierung
Gefahren auf dem Zug und im Überwinterungsgebiet
Das Braunkehlchen ist ein Langstreckenzieher, der jedes Jahr tausende Kilometer zwischen Bayern und Afrika südlich der Sahara zurücklegt. Diese Reise ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein mehrmonatiger Kraftakt, bei dem der Vogel auf eine Kette funktionierender Lebensräume angewiesen ist. Genau diese Kette ist heute an vielen Stellen unterbrochen.
Rastplätze gehen verloren
Auf dem Zug ist das Braunkehlchen auf geeignete Rastgebiete angewiesen, um Energie zu tanken. Diese Rastplätze liegen vor allem in offenen, extensiv genutzten Landschaften im Mittelmeerraum und in Nordafrika. Doch genau dort verschwinden solche Flächen zunehmend:
- durch Intensivierung der Landwirtschaft
- durch Bebauung und Infrastruktur
- durch den Verlust von Brachen und extensivem Grünland
Fehlen diese Rastplätze, können die Vögel nicht ausreichend Nahrung aufnehmen – mit teils tödlichen Folgen.
Nahrungsmangel durch Pestizide
Das Braunkehlchen ernährt sich fast ausschließlich von Insekten. Entlang der Zugroute und besonders in den Überwinterungsgebieten nimmt der Pestizideinsatz stark zu. Das hat zwei Folgen:
- Das Insektenangebot bricht ein
- Vergiftungen können nicht ausgeschlossen werden
Ein Mangel an Nahrung bedeutet, dass viele Braunkehlchen den Zug geschwächt fortsetzen oder den Rückflug im Frühjahr nicht mehr schaffen.
Extreme Wetterbedingungen und Klimawandel
Der Klimawandel verschärft die Risiken zusätzlich. In den afrikanischen Überwinterungsgebieten und entlang der Zugroute kommt es immer häufiger zu:
- Dürreperioden, die Insekten verschwinden lassen
- verschobenen Regenzeiten, auf die Zugvögel evolutionär nicht eingestellt sind
- Extremwetter, das Rast- und Nahrungsräume kurzfristig unbrauchbar macht
Das Braunkehlchen trifft dadurch oft zur „falschen Zeit am falschen Ort“ ein.
Auswirkungen bis ins Brutgebiet
Die Gefahren auf dem Zug wirken sich direkt auf die Bestände in Bayern aus. Vögel, die den Zug nicht überleben, verspätet zurückkehren oder in schlechter körperlicher Verfassung ankommen haben geringere Brutchancen. Selbst wenn die Brutflächen geschützt sind, kommen dann schlicht zu wenige oder zu geschwächte Vögel zurück, um stabile Bestände zu sichern.
Fazit
Das Braunkehlchen ist nicht nur ein Wiesenbewohner, sondern ein Weltbürger. Sein Rückgang zeigt, dass Artenschutz nicht an Landesgrenzen endet. Wirksamer Schutz muss Brutgebiete, Zugrouten und Winterquartiere zusammendenken.