4|2024 VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN magazin Rettungsmission Interview über Landwirtschaft und Vögel im Einklang Wintertour Unterwegs für den neuen Wintervogelatlas Beobachtungsrunde Eine Bilanz nach 20 Jahren Monitoring Was die Daten verraten Vögel in Bayern
2 LBV MAGAZIN 4|24 EIN ZUHAUSE FÜR DEN Vogel des Jahres 2025 Halbhöhle 2H lbv-shop.de 09174-4775-7023 naturshop@lbv.de lbv-shop.de BRING LEBEN IN DEINEN GARTEN! Nistkasten für Nischenbrüter Hausrotschwanz Nischenbrüterhöhle 1N Halbhöhle „Alicante“
LBV MAGAZIN 4|24 3 Zahlen, Daten, Fakten: Für uns als Naturschutz-Fachverband ist in der täglichen Arbeit kaum etwas wichtiger als das. Die Grundlage für einen großen Teil unserer Arbeit bildet das Monitoring häufiger Brutvögel (MhB), das der LBV seit 20 Jahren mit der Hilfe von vielen engagierten Freiwilligen für das Bayerische Landesamt für Umwelt durchführt, koordiniert und veröffentlicht. Es gibt uns wichtige Einblicke, wie es den Vögeln in Bayern geht. Verschiedene Beispiele, wie wir die bayerische Vogelwelt von unterschiedlichen wissenschaftlichen Seiten beleuchten, finden Sie in dieser Ausgabe. Sie können sich also stets darauf verlassen, dass „Ihr“ LBV bei seinen Forderungen, Kritiken und Erklärungen auf eine wissenschaftliche Grundlage baut, der Sie vertrauen können. Außerdem freut es mich, dass wir Ihnen so kurz vor Weihnachten drei Spiele mit Vogel- und Naturbezug empfehlen können (S. 48), die sich zum Verschenken eignen und mit denen Sie Ihren Lieben zum Fest eine Freude machen können. Liebe Leserinnen und Leser, Naturschutz mit Wissenschaft Viel Spaß beim Lesen! Ihr Markus Erlwein Chefredakteur EDITORIAL Auf der diesjährigen Delegiertenversammlung war Jörg-Andreas Krüger (Mitte), der Präsident unseres Schwesterverbands NABU, zu Gast. Am Abend sprachen er und Dr. Norbert Schäffer in angeregter Atmosphäre über die wichtigsten naturschutzpolitischen Themen. Spannende Gespräche FOTO: HANNA MATHEIS Tagesaktuelle Nachrichten finden Sie unter lbv.de/newsletter lbv_bayern lbv.de VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN LBV magazin
4 LBV MAGAZIN 4|24 6 Im Fokus Bayerns häufigste Vogelart 8 Leserbriefe 9 Kurzmeldungen 10 Standpunkt Dr. Norbert Schäffer 12 Wintervogelzählung im Garten Citizen-Science-Projekt der Kreisgruppe Main-Spessart 14 Von der Trophäenjagd zum Monitoring Wie steht es um Bayerns Vogelwelt? 19 LBV-Mitgliedschaft verschenken Machen Sie anderen eine Freude zum Fest 20 Reportage „Übers Nest geschaut“ Im Einsatz für den Wintervogelatlas 24 Das Monitoring häufiger Brutvögel in Zahlen 20 Jahre ehrenamtliche Vogelkartierung 26 Spendenaktion Naturschutz zum Verschenken 14 20 Aufgrund intensiver Landwirtschaft: Die Goldammer gehört zu den Verlierern in der bayerischen Vogelwelt. Das KleinAmazonien Bayerns im Porträt. 36 Unterwegs für den Wintervogelatlas: Zeigt sich auch der Bergpieper? INHALT Sie lesen klimaneutral und umweltfreundlich Titelbild: Wintergoldhähnchen von Stephan Demmelmeier stephandemmelmeier_photography FOTOS: FRANK DERER, DR. CHRISTOPH MONING, DIETER HOPF, RALF HOTZY, ROSL RÖSSNER, SWAROVSKI OPTIK Dieses Druckerzeugnis ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. www.blauer-engel.de/uz195 · ressourcenschonend und · umweltfreundlich hergestellt · emissionsarm gedruckt XW1 überwiegend aus Altpapier INHALT 12 Abwärtstrend für den Feldsperling im Landkreis Main-Spessart.
LBV MAGAZIN 4|24 5 38 Projekt liefert neue Erkenntnisse über den Kleinspecht. Einhefter • Überweisungsträger für Ihre Weihnachtsspende • Meldebogen Stunde der Wintervögel 28 LBV AKTIV 34 NAJU Neues von der Naturschutzjugend 36 LBV-Schutzgebiet LBV-Flächen an der Paar 38 Kleiner Trommler LBV-Mitmachprojekt zum Kleinspecht 40 Aus dem LBV • „Natur auf Zeit“ • Online-Petition gegen Flächenfraß 41 Test SWAROVSKI OPTIK NL Pure 10x52 42 Erbschaft/Stiftung Vererben oder Schenken? 44 Umweltbildung Vogel- und Umweltstation Regenstauf 46 Interview AbL-Landesvorsitzender Josef Schmid 48 Medien Empfehlungen 49 Kleinanzeigen 50 Impressum und Kontakte GESCHENKE 2024 09174-4775-7023 naturshop@lbv.de lbv-shop.de Der neue Naturshop-Katalog ist da Serviettenringe Schmelzfeuer® Spielideen - ANZEIGE - 41 Wie gut ist das neue PremiumFernglas?
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AMSELN (MÄNNCHEN OBEN, WEIBCHEN UNTEN) | FOTO: RALPH STURM Die Amsel ist neben dem Buchfink unser häufigster Brutvogel, auch wenn ihre Bestände immer wieder unter dem Usutu-Virus leiden. Sie profitiert vom Siedlungsraum, wo die Amsel als Allesfresserin auch im Winter Nahrung findet. BAYERNS HÄUFIGSTE VOGELART LBV MAGAZIN 4|24 7
8 LBV MAGAZIN 4|24 LESERBRIEFE Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns unter leserbriefe@lbv.de oder per Post an Redaktion LBV magazin, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein. Die Redaktion behält sich aus Platzgründen eine Auswahl und das Kürzen von Leserzuschriften vor. Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. i Post FOTOS: HANS WOLF (6), EDITH BAUMEISTER (2), LBV MÜNCHEN, FRAUKE SEITZ, ANDREAS FERY, MANFRED WALDHIER Klimaschonend Reisen 70 Prozent der Deutschen halten den Klimaschutz für wichtig – trotz großer, dringender Probleme und globaler Krisen. Das hat jüngst eine Umfrage der Organisation „More in Common“ ergeben. Aber was macht jeder von uns, um unseren CO2-Fußabdruck zu senken und das Klima vor dem Kollaps zu bewahren? Sie können ganz leicht einen Anfang machen: Reisen Sie klimaschonender! Nehmen Sie den Zug, den Reisebus oder das Fahrrad statt Ihres Autos, des Kreuzfahrtschiff oder des Flugzeug. Und wenn Sie sich doch für ein Verkehrsmittel mit hohen Emissionen entscheiden, bitte ich Sie diese zu kompensieren über eine gemeinnützige Organisation wie Atmosfair. Eine gute Sache. Tun Sie es, bitte. Franz Amann, 96114 Hirschaid Richtigstellung: In der Meldung „Landschaftspflege mit dem Heli“ (S. 30) unserer letzten Ausgabe (3/24) hatte sich im Rahmen des Korrekturvorgangs leider ein Fehler eingeschlichen. Im Text wurde fälschlicherweise von „invasiven Pflanzenarten befreit“ geschrieben. In der ursprünglichen Version hatte der Autor jedoch korrekterweise „Moorbirke, Fichte und Faulbaum herausgeschnitten“ geschrieben. Erstaunliche Artenvielfalt Es lohnt sich, Blumen für Insekten anzupflanzen und das Gras nicht zu mähen, da z.B. die Blüten des Giersch und der Gewöhnlichen Schafgarbe Wildbienen, Wespen, Käfer und Wanzen magisch anziehen. Im Juni habe ich täglich nach Tierchen aller Arten in meinem kleinen Garten Ausschau gehalten und bin überrascht, was es alles zu sehen gab. Hier eine kleine Auswahl von den ca. 100 verschiedenen Arten, die ich im Monat Juni gesichtet und fotografiert habe. Bei Interesse können alle Arten in meiner Fotogeschichte 583 mit dem Link: isegrims-fotogeschichten.de angeschaut werden. Hans Wolf, 81829 München-Kirchtrudering Viel Leben im Garten In unserem naturnahen Garten befindet sich so manches Getier. Dieses Jahr war unser Blaumeisenpaar mit vier Jungtieren wieder sehr erfolgreich. Für die Insekten hat mein Mann fünf Insektenhäuser gebaut. Das Insekt des Jahres 2024, die Schwarzblaue Holzbiene, hat sich auch eine Wohnung gesucht, leider erfolglos wegen ihrer Körperfülle. Sie hat sich anderweitig für ein Quartier entschieden! Edith Baumeister, 94327 Bogen Goldwespe WiesenErdzikade Sandhummel Schwarzblaue Holzbiene Zimtwanze Stahlblauer Grillenjäger
Hausrotschwanz ist Vogel des Jahres 2025 Klein, flink und ein gern gesehener Gast in Bayerns Gärten: Der Hausrotschwanz hat es an die Spitze geschafft und ist Vogel des Jahres 2025. Ab Januar löst er den Kiebitz als Jahresvogel ab. Bei der öffentlichen Wahl haben insgesamt 143.390 Menschen mitgemacht, über 23.000 davon aus Bayern. 30,2 Prozent der Stimmen entfielen dabei auf den Hausrotschwanz, 28,2 Prozent auf die Waldohreule, 15,8 Prozent auf den Schwarzspecht,14,5 Prozent auf den Schwarzstorch und 11,3 Prozent auf den Kranich. Als Insektenfresser ist der Hausrotschwanz vom Insektenrückgang in naturfernen Gärten und durch intensive Landwirtschaft betroffen. Außerdem gehört er zur Gruppe der Gebäudebrüter, die es an unseren modernen Gebäuden immer schwerer haben, Nistmöglichkeiten zu finden. Gezwitscher Sinnlosen Abschuss stoppen Mit einem Protestbanner haben sich Aktive des LBV an einem Flussabschnitt der Mittleren Isar bei Ismaning noch einmal gegen den am 16. August begonnenen sinnlosen Abschuss des Gänsesägers gestellt. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts der Landesanstalt für Landwirtschaft werden Gänsesäger geschossen, um deren Einfluss auf die Bestände von Fischarten wie der Äsche zu untersuchen. Das Projekt weist jedoch Mängel in der wissenschaftlichen Methodik auf. In den letzten zwei Jahren gab es außerdem nur bei extrem hohem Abschuss ansatzweise positive Effekte auf die Äschenbestände, doch diese Abschussintensität ist unrealistisch und lässt sich nicht für die Zukunft anwenden. Daher sind der LBV und andere Naturschutzverbände aus dem Projekt ausgestiegen und haben mit dieser Aktion ihren Protest deutlich gemacht. ADEBAR hebt wieder ab Von 2005 bis 2009 erhoben rund 700 bayerische Ornithologinnen und Ornithologen auf über 70.000 Quadratkilometern 137.000 Datensätze. Daraus entstand ein Teil des Atlas Deutscher Brutvogelarten (ADEBAR) mit Verbreitungskarten und Dichteangaben aller heimischen Brutvögel. 2025 geht ADEBAR2 mit spannenden Neuerungen in der Methodik an den Start. Die Verantwortlichen hoffen erneut auf rege Beteiligung an diesem Gemeinschaftsprojekt der ornithologischen Akteurinnen und Akteure in Bayern unter der Federführung der Vogelschutzwarte des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU). Der LBV wird hier eine zentrale Rolle spielen und die Vogelschutzwarte bei der Koordination und der Schulung der Teilnehmenden unterstützen. Für eine Teilnahme an ADEBAR2 wenden Sie sich bitte an monitoring@lbv.de. KURZMELDUNGEN Eisvogel trifft auf Kleeblatt Seit dem 24.07.2024 ist der LBV offizieller Naturschutzpartner der SPVGG Greuther Fürth. Gemeinsam wollen sich die Vereine für eine nachhaltigere Zukunft, den Naturschutz und die Umweltbildung junger Menschen stark machen. Der LBV wird den Fußballverein also bei verschiedenen Nachhaltigkeitsvorhaben unterstützen. Wie bei einem Fußballspiel ist beim Naturschutz Teamarbeit das A und O. Und auch die Arbeit mit Kindern verbindet die Vereine, weshalb im Rahmen der Vertragsunterzeichnung Workshops von LBV-Umweltbilderinnen mit Kindern des Kleeblatt Kids Klubs stattfanden. Auf diesen Anfang lässt sich aufbauen! LBV MAGAZIN 4|24 9
10 LBV MAGAZIN 4|24 THEMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER „Wir haben in Europa, Deutschland und Bayern seit dem Jahr 1980 weit über die Hälfte unserer Feldvögel verloren“ – wenn Sie schon einmal einen Vortrag von mir zum Natur- und Artenschutz in Bayern gehört haben, werden Sie sich vielleicht an diesen Satz erinnern. Ich erwähne diese Tatsache immer und immer wieder. Danach kommt dann meist der Hinweis, dass unsere Feldlerchen um über die Hälfte, unsere Kiebitze um über 90 Prozent und unsere Rebhühner um über 95 Prozent zurückgegangen sind. In meiner Jugend gab es zwanzig Mal so viele Rebhühner wie heute. Zur Illustration beschreibe ich oft eine Szene aus meiner Kindheit: Damals konnte ich jeden Winter in der Streuobstwiese vor unserem Haus eine Kette Rebhühner beobachten. Diese Rebhühner gibt es schon sehr lange nicht mehr. Solide Daten als Grundlage für den Natur- und Artenschutz Aber woher wissen wir all das überhaupt? Worauf basieren Aussagen über den Zustand unserer Vogelwelt, wie die oben gemachten? Und warum reden wir im Natur- und Artenschutz überhaupt so viel über unsere Vögel? Auch diese Fragen beantworte ich regelmäßig in meinen Vorträgen: Vögel sind nicht nur attraktiv, allgegenwärtig in fast allen Lebensräumen und relativ leicht zu erfassen. Vögel sind vor allem auch ein hervorragender Indikator, also Anzeiger für den Zustand unserer Natur und Umwelt insgesamt. So stehen Vögel oftmals an der Spitze der Nahrungskette und zeigen uns an, wie es „darunter“ aussieht. Unsere Rebhühner sind ein wunderbares Beispiel hierfür: Sie ernähren sich bzw. ihre Jungen im Sommer von Insekten und im Winter von Sämereien. Wo es noch Rebhühner in großer Zahl gibt, leben auch eine große Anzahl und Vielfalt von Insekten und Wildpflanzen. Daten zum Bestandstrend von Vögeln werden alljährlich von – alleine in Bayern – vielen Hundert hoch qualifizierten Bearbeiterinnen und Bearbeitern meist ehrenamtlich erhoben. Die entsprechenden Informationen sind wissenschaftlich belastbar, solide und aussagekräftig – und können nicht durch anekdotenhafte Beobachtungen nach dem Motto „Kann nicht sein, bei mir hinterm Hof gibt es doch auch noch Kiebitze“ entkräftet werden. Artenkenntnis ganz zentral Um sich beispielsweise am Monitoring von Brutvögeln zu beteiligen, ist viel Erfahrung und Vogelartenkenntnis erforderlich. Dies ist einer der Gründe dafür, warum der LBV, zusammen mit der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL), systematisch in Kursen Artenkenntnis beispielsweise bei Vögeln und Schmetterlingen vermittelt. Wer die anschließende Prüfung erfolgreich absolviert, erhält ein staatliches Zertifikat. Projekte wie der Bayerische Wintervogelatlas oder die Stunde der Wintervögel, dieses Mal vom 10. bis 12. Januar 2025, begeistern nicht nur viele Menschen für unsere Vogelwelt, sondern sind oftmals ein Einstieg in die Vogelbeobachtung. Mitmachen ist einfach und für alle möglich, je mehr Teilnehmer, umso besser! Ärger um den Gänsesäger – und dennoch miteinander reden! Wie Sie vielleicht der Presse entnommen haben, sind der LBV und andere Naturschutzverbände aus einem wissenschaftlichen Projekt der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) ausgestiegen, in dem Gänsesäger geschossen werden (siehe Meldung S. 9 oben). Unser Protest gegen dieses Projekt hat Ärger gemacht. Umso mehr freut es mich, dass Johannes Schnell als Vertreter des Landesfischereiverbandes (LFV) die Einladung zu unserer LBV-Delegiertenversammlung angenommen hat. Wir müssen es schaffen, miteinander zu reden und um Lösungen zu ringen, nicht nur wenn wir einer Meinung sind, sondern gerade dann, wenn wir unterschiedliche Standpunkte haben. Dieser Ansatz ist ganz tief verwurzelt in der täglichen Arbeit des LBV. STANDPUNKT Rebhühner wie früher Wir brauchen so viele Wir müssen um Lösungen ringen, auch wenn wir nicht einer Meinung sind
LBV MAGAZIN 4|24 11 Katholische Kirche und „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität“ Am 11. September 2024 wurde eine Studie der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik zum Thema „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ eines Beratungsgremiums der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht. Darin wurde der Umgang mit Eigentum im Kontext der katholischen Soziallehre beleuchtet. Dieser Bericht ist hervorragend und es findet sich darin aus Sicht des Klima-, Natur- und Artenschutzes kein einziger falscher Satz. Es steht darin übrigens auch nichts, was nicht schon lange bekannt ist, wie z.B. die Notwendigkeit, Moore wiederzuvernässen oder dass Subventionen für Landwirte an gesellschaftliche Leistungen gebunden sein sollten. Der Aufschrei in Teilen der Landwirtschaft war dennoch gewaltig. Es wurde dagegen protestiert, dass die Landwirtschaft unter Generalverdacht gestellt und verunglimpft werde. Auch solle sich die Kirche aus dem Thema raushalten. Manche Landwirte haben angekündigt, den Kirchenschmuck für die Erntedankfeiern nicht mehr zur Verfügung zu stellen, und drohten sogar mit Kirchenaustritt. Daraufhin haben sich einzelne Kirchenvertreter vom oben genannten Bericht distanziert. Der eigentliche Skandal an der Kritik durch die Landwirtschaft aber ist, der Kirche das Recht und die Verpflichtung zur Bewahrung der Schöpfung abzusprechen. Wenn aber schon die Benennung von Problemen als Angriff gesehen wird, ist eine sachliche Diskussion zunehmend schwierig. LBV und Soziale Medien Informationsfluss und Meinungsbildung finden zunehmend in den Sozialen Medien statt. Aus diesem Grunde nutzt auch der LBV Soziale Medien wie Instagram und LinkedIn. Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich, statt wie bisher auf der Kurznachrichtenplattform X, ab sofort auf LinkedIn Dr. Norbert Schäffer aktiv bin. Dort werde ich künftig über Naturschutzpolitik, unsere Projekte im Vogel- und Naturschutz in Bayern sowie meine eigenen Aktivitäten berichten. Es würde mich freuen, wenn Sie mir auf LinkedIn folgen: www.linkedin.com/in/dr-norbert-schäffer. Unsere Ambitionen im Natur- und Artenschutz behalten Wir alle vergessen oftmals, was wir bereits an Natur und Artenvielfalt verloren haben. Fast surreal und exotisch mutet folgende kurze Liste von Vogelarten an: Blauracke, Lachseeschwalbe, Schreiadler, Rotkopfwürger, Trauerseeschwalbe, Triel, Kampfläufer – alles Beispiele für Vogelarten, die in Bayern ausgestorben sind. Wir sollten viel öfter auch an diese Arten erinnern – und uns unsere hohen Ambitionen im Natur- und Artenschutz niemals nehmen lassen! Mein Ziel ist, dass es in Bayern wieder mindestens so viele Rebhühner gibt wie in meiner Kindheit. Von diesem Ziel werde ich niemals abweichen! Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Winter – und die Natur und Vögel um uns herum als Quelle für Ihr Wohlbefinden. REBHUHN I FOTO: GUNTHER ZIEGER Die Bewahrung der Schöpfung ist doch die Pflicht der Kirche Folgen Sie mir auf LinkedIn unter Dr. Norbert Schäffer
THEMA FOTO: DR. OLAF BRODERS Wintervogelzählung im Garten Im Rahmen des im Jahr 2005 initiierten Citizen-ScienceProjekts notieren die Teilnehmenden von Mitte November bis Ende März, welche Vogelarten sie in und um ihren Garten herum beobachten und identifizieren können. Die Erfassung ist dabei in zeitliche Einheiten von jeweils einer Woche (Sonntag bis Samstag) unterteilt. In dem Erfassungsbogen, den die Kreisgruppe allen Projekt–Teilnehmenden entweder elektronisch oder auf Papier zur Verfügung stellt, werden alle Beobachtungen einmal wöchentlich eingetragen. Dabei stehen zwei Erfassungsoptionen zur Auswahl: Entweder man kreuzt nur das Vorkommen der verschiedenen Vogelarten an, und zwar ohne Angabe der Anzahl an beobachteten Exemplaren. Oder man trägt die maximale Anzahl an gleichzeitig beobachteten Exemplaren einer Vogelart ein. Im Durchschnitt benutzen 70 Prozent der Teilnehmenden die erste Option, alle übrigen liefern detailliertere Angaben mit Zahlen zu den einzelnen Vogelarten. Das Citizen-Science-Projekt ist ein attraktives Angebot, um das Interesse der breiten Bevölkerung an der Natur zu wecken und dieser die Möglichkeit zu geben, die Beobachtungen im eigenen Garten auch über einen längeren Zeitraum mitzuteilen. So kann die Aktion als regionale Ergänzung und Vertiefung der bayerweiten Aktion Stunde der Wintervögel verstanden werden. Über diese bekommt der LBV an einem Stichtag aktuelle Statistiken über viele VogelBereits zum 20. Mal jährt sich im November 2024 mit der „Erfassung der Gartenvögel im Winter“ ein äußerst erfolgreiches Projekt der LBV–Kreisgruppe im Landkreis Main-Spessart. arten in ganz Bayern. Die lange Laufzeit des lokalen Projekts der Kreisgruppe Main-Spessart ermöglicht eine aufschlussreichere Analyse der Situation in den heimischen Gärten. Ein besonderer Reiz: Die Naturbeobachtungen können gemeinsam in der Familie oder mit Freunden gemacht werden und zudem noch ganz bequem mit einem Blick aus dem Fenster in den eigenen Garten. Die Idee hinter dem Projekt, welche schon zu Beginn der Aktion vor 20 Jahren vom LBV propagiert wurde: Hinschauen bildet! Durch die rege Mitarbeit der überraschend vielen Teilnehmer wurden die Ergebnisse im Laufe der Zeit vielfältiger und bei den Fachleuten der Kreisgruppe gingen viele wertvolle Meldungen ein. Datenanalyse Für die Auswertung der jährlichen eingereichten Daten werden sämtliche Beobachtungen einbezogen. Als Kurve dargestellt ergeben die Jahreswerte eine Art grobes Entwicklungsbild über mehrere Jahre hinweg. Um jedoch absolut belastbare Daten zu erstellen, werden nicht einzelne Jahreswerte, sondern der Mittelwert von den jeweils vorherigen fünf Jahren benutzt, um eine Trendkurve zu erstellen. Bislang haben annähernd 200 naturinteressierte Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Daten geliefert, fast ein Viertel davon haben mehr als zehnmal mitgemacht, und einige treue Teilnehmer sind seit fast 20 Jahren verlässlich Citizen-Science-Projekt der Kreisgruppe Main-Spessart Haubenmeise 12 LBV MAGAZIN 4|24
FOTOS: RALPH STURM, ZDENEK TUNKA, FRANK DERER Bestandsentwicklungen zweier Arten in Main-Spessart Vor 20 Jahren wurden Ringeltauben selten in Gärten gesichtet. Zuletzt kamen Meldungen von über 50% der Teilnehmenden. Nach 15-jähriger Stabilität setzte ein Abwärtstrend ein. Die Meldungen vom letzten Winter waren sogar 60% niedriger als am Anfang des Projektes. dabei. Der Erfolg dieser Langzeitstudie wird anhand der erzielten Ergebnisse deutlich. Bis jetzt wurden insgesamt mehr als 120 Arten gemeldet, jährlich werden 75 bis 80 Arten gesichtet. Aus den gewonnenen Daten lassen sich zuverlässige Schlüsse über die Bestandsentwicklung von circa 40 Arten ziehen. Die Hälfte weist stabile Werte auf, während die andere Hälfte sich ungefähr gleichmäßig in Gewinner und Verlierer aufteilt. Die Initiatoren der „Winter-Gartenvogel-Erfassung“ freuen sich über durchgehend positive Rückmeldungen, wie zum Beispiel: „Durch das häufige Beobachten habe ich nun Vögel gesehen, deren Vorhandensein mir sonst sicherlich entgangen wäre.“ Oder: „Die systematische Beobachtung der Natur war für mich persönlich neu und wirklich interessant.“ Authentische Sätze wie diese ermutigen die Kreisgruppe, sich mit öffentlichen Projekten wie der „Winter-Gartenvogel-Erfassung“ auch weiterhin tatkräftig dafür einzusetzen, möglichst viele Mitbürgerinnen und Mitbürger für unsere ebenso vielfältige wie schützenswerte Natur zu sensibilisieren. Blaumeise 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 2009/10 Relative Häufigkeit 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2020/21 2021/22 2022/23 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 2009/10 Relative Häufigkeit 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2020/21 2021/22 2022/23 Feldsperling Ringeltaube LBV MAGAZIN 4|24 13 ELAINE UND RICHARD SIMS Kreisgruppe Main-Spessart E-Mail: info.main-spessart@lbv.de Zusammenfassung der Ergebnisse unter main-spessart.lbv.de
FOTO: FRANK DERER Von der Trophäenjagd zum Monitoring Wie steht es um Bayerns Vogelwelt? Vögel begeistern uns Menschen seit jeher. Ihre Erforschung entwickelte sich von historischen Sammelaktivitäten hin zu modernen Monitoring-Programmen, die heute wichtige Erkenntnisse für den Naturschutz liefern und uns einen Einblick in den Zustand der bayerischen Vogelwelt erlauben. Goldammer DIE VERLIERERIN Gefährdet durch intensive Landwirtschaft THEMA 0 20 40 60 80 100 120 140 2006 Trendindex (2006 = 100%) 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Bayern: moderat abnehmend (Ø jährl. -3 bis -1%) Deutschland: stabil (Ø jährl. -1 bis +1%) 14 LBV MAGAZIN 4|24 Bestandstrendkurve BY D
FOTO: URS LEUTHÄUSSER Vögel faszinieren den Menschen seit Jahrtausenden. Im 18. Jahrhundert wurde es für privilegierte Europäer einfacher in ferne Länder zu reisen und gleichzeitig wurden die Schusswaffen immer präziser. Dies hatte zur Folge, dass von zahlreichen Expeditionen in ferne Länder Vögel und andere Tiere nach Europa gebracht wurden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Sammeln von Vogelpräparaten, Bälgen und Eiern immer populärer. Gleichzeitig wurden diese Objekte akribisch untersucht, vermessen, dokumentiert und konserviert. Viele heute bekannte Naturforscher und deren Werke stammen aus dieser Zeit. Der britische Ornithologe Edmund Selous war es, der im Juni 1898 als erster sein Gewehr zur Seite legte und ein Fernglas in die Hand nahm. Im Laufe des 20. Jahrhunderts setzte sich mehr und mehr die Meinung durch, dass das Vogelbeobachten auch für den Naturschutz einen „Nutzen“ haben soll und so entstanden in Deutschland die ersten avifaunistischen Studien und Verbreitungsatlanten. Bald nach dem Zweiten Weltkrieg starteten die bis heute jährlich durchgeführten Wasservogelzählungen. In den 1970er Jahren wurde der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) gegründet und das Monitoring seltener Brutvogelarten ins Leben gerufen. Über die Bestände unserer häufigen Brutvogelarten begann man sich erst relativ spät – in den 1980er und 1990er Jahren – ernsthaft Gedanken zu machen. Anfang des 21. Jahrhunderts erfuhr das Vogelmonitoring nochmals einen kräftigen Aufschwung, da erkannt wurde, dass fachlich fundierte und zielgerichtete Programme einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz in Deutschland leisten können. Durch die Einführung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2002 und der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt 2007 wurde der Naturschutz mehr und mehr als staatliche Aufgabe aufgefasst. Zustandsindikatoren wie „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“, welcher auf den Beständen von 59 ausgewählten Vogelarten beruht, sollen seitdem die Wirksamkeit dieser Strategien überprüfen. Heute werden die Daten aus dem Vogelmonitoring nicht nur für nationale Naturschutzpolitik herangezogen, sondern sie bilden auch die Grundlage internationaler Berichtspflichten. Warum Vögel? Zum einen ist ein weitreichendes Wissen über Ökologie, Biologie und Gefährdungsursachen von Vögeln vorhanden. Vögel zeichnen sich durch ihre Formen- und Farbvielfalt, ihre speziellen Verhaltensweisen sowie oftmals durch ihre Nähe zum Menschen aus. Zudem sind Vögel anhand äußerer Merkmale und ihrer Lautäußerungen relativ einfach zu bestimmen. Zum anderen ermöglichen Bestandsdaten von Vögeln Aussagen zur Qualität nahezu aller Lebensraumtypen. Die Methoden zur Erfassung von Vögeln wurden immer weiter verbessert und standardisiert. Vögel für die Beurteilung der Landschaftsqualität heranzuziehen ist, wegen des großen ehrenamtlichen Engagements, nicht zuletzt auch vergleichsweise kostengünstig. DAS SCHWINDENDE Beeinflusst durch kalte Winter 0 20 40 60 80 100 120 140 2006 Trendindex (2006 = 100%) 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Bayern: stark abnehmend (Ø jährl. mehr als -3%) Deutschland: moderat abnehmend (Ø jährl. -3 bis -1%) LBV MAGAZIN 4|24 15 Bestandstrendkurve BY D Wintergoldhähnchen
THEMA FOTO: KARSTEN BERLIN/DDA Alle Brutvogelarten in Bayern oder Deutschland mit einem einzigen methodischen Ansatz zu erfassen und überwachen zu wollen, ist nicht zielführend. Manche Arten kommen nahezu flächendeckend vor und besiedeln unterschiedliche Lebensräume. Andere sind zwar verbreitet, lassen sich aber ohne spezielle Anpassungen der Methodik nicht ausreichend gut erfassen. Wieder andere sind tatsächlich selten oder bewohnen nur ganz bestimmte Lebensräume. Aus diesen Gründen wurden mit der Zeit verschiedene Monitoring-Programme entwickelt: Monitoring häufiger Brutvögel (MhB) Vogelarten, auf die das MhB abzielt, kommen so zahlreich und weitverbreitet vor, dass es nicht realistisch wäre, den kompletten Brutbestand zu erfassen. Zum Start des MhB im Jahr 2004 wurden nach einem statistischen Verfahren bundesweit 2.637 ein Quadratkilometer große repräsentative Stichprobenflächen ausgewählt (450 in Bayern). Auf diesen Flächen werden jährlich entlang einer festgelegten Route an vier Terminen alle Brutvögel erfasst. Daraus können aktuell Bestandstrends für 58 bayerische Brutvogelarten abgeleitet werden. Der LBV koordiniert und organisiert das MhB in Bayern seit 2004 im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU). Monitoring seltener Brutvögel (MsB) Viele Arten sind zu spezialisiert auf Lebensräume oder zu selten beziehungsweise mittlerweile zu selten geworden (zum Beispiel das Rebhuhn), um sie über die MhB-Stichprobenflächen zu erfassen – sie würden im wahrsten Sinne des Wortes „durch das Raster fallen“. Für diese Arten hat der DDA speziell zugeschnittene „MsB-Module“ entwickelt, beispielsweise für Uferschwalbe, Saatkrähe und Wiesenlimikolen. Auch „mittelhäufige Arten“, für die eine Komplettzählung zwar nicht möglich, aber der Ansatz aus dem MhB dennoch ungeeignet ist, werden über spezielle MsB-Module erfasst, so zum Beispiel Spechte, Kleineulen oder Röhrichtbrüter. Monitoring Hochgebirgsvögel (MHg) Im Alpenraum – insbesondere im Hochgebirge – ist das Vogelmonitoring besonders herausfordernd. Um die Aufgabe zu erleichtern, hat der LBV in diesem Jahr das neue Programm „Monitoring Hochgebirgsvögel“ gestartet, welches die Methodik des MhB, allerdings mit nur noch einem Begehungstermin, vorsieht. Die Monitoring-Programme sind nicht auf eine flächendeckende Erhebung der Vogelfauna Deutschlands ausgelegt. Dieses Ziel verfolgt der Atlas Deutscher Brutvogelarten (ADEBAR), dessen Neufassung aktuell in Planung ist. Die Kartierungen dafür sollen 2025 starten. Ansprechpartner für eine Beteiligung ist das Bayerische Landesamt für Umwelt. Zudem gibt es noch Überwachungsprogramme, die nicht (ausschließlich) auf Bestände der bei uns brütenden Vogelarten abzielen wie etwa das Monitoring rastender Wasservögel (MrW) oder das Integrierte Monitoring von Singvogelpopulationen (IMS). Ergänzend sei noch erwähnt, dass der LBV selbst seit Langem verschiedene Vogelarten jährlich erfasst. Meist sind dies Arten, die stark bedroht sind oder ehemals bedroht waren wie Weißstorch, Uhu, Wanderfalke, Ortolan sowie diverse Wiesenbrüter. Häufig, mittelhäufig, selten? 16 LBV MAGAZIN 4|24 Die Monitoring-Programme
FOTO: INGO ZAHLHEIMER Verlierer und Gewinner aus der Vogelwelt Wie steht es nun um unsere Brutvögel? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Unterschiedliche Nahrung und Niststandorte, verschiedene Zugstrategien und Überwinterungsgebiete sowie artspezifische Temperaturpräferenzen machen Vögel so unterschiedlich wie kaum eine andere Tiergruppe. Zudem können die MonitoringProgramme derzeit bei Weitem nicht alle Arten ausreichend gut erfassen. Für die seltenen Arten werden daher nach und nach neue Erfassungsmodule entwickelt und Mitarbeitende angeworben. Besonders aussagekräftig ist das Monitoring häufiger Brutvögel (MhB), das auf 20 Jahre intensive Kartierarbeit zurückblickt. Aus diesem Grund soll hier ein Fokus auf einige typische Arten des MhB gelegt werden, deren Trends auch im aktuellen Statusbericht veröffentlicht wurden (siehe QR-Code S. 18). Intensivierung der Landwirtschaft und Klimawandel Vorab sei gesagt, dass einige der früher im Offenland weit verbreiteten Brutvogelarten mittlerweile so selten geworden sind, dass sie über die Stichprobenflächen des MhB nicht mehr ausreichend gut erfasst werden können. Eine Vogelart, zu deren Bestandsentwicklung erst seit Kurzem – wegen der gestiegenen Zahl bearbeiteter Probeflächen – eine Aussage aus dem MhB möglich ist, ist der Kiebitz. Er ist in Bayern weiterhin als „stark abnehmend“ eingestuft, während er in Deutschland noch als „moderat abnehmend“ bewertet wird. Zu ergänzen ist hierbei, dass die Art bereits im letzten Jahrhundert und damit vor dem Start des MhB große Bestandseinbußen erlitt. Auch die bayerischen Bestände anderer Vogelarten des landwirtschaftlich geprägten Offenlandes wie der Feldlerche und der Goldammer nehmen noch heute ab, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie beim Kiebitz. Wiesenbrütende Vogelarten, die zusätzlich Wasser in der Fläche benötigen wie Großer Brachvogel, Bekassine und Uferschnepfe haben es besonders schwer. Insgesamt gingen die Bestände der Vogelarten in der Agrarlandschaft zwischen 1980 und 2016 um fast 57 Prozent zurück, wie kürzlich eine europaweite Studie feststellte. Die Ursachen liegen in der weiterhin anhaltenden Intensivierung der Landwirtschaft. Zum Teil dramatische Bestandsrückgänge finden sich aber auch in anderen Habitaten. So nehmen Arten, die eher an kalte Temperaturen angepasst sind wie der Fitis sowie Langstreckenzieher, beispielsweise die Gartengrasmücke, überwiegend ab. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Vermutet werden Diskrepanzen zwischen Nahrungsangebot und Brutzeit, aber auch Habitatveränderungen in den Überwinterungsgebieten. Arten mit jährlichen Schwankungen Ferner finden sich MhB-Arten mit starken, zum Teil jährlichen Bestandsschwankungen. Natürliche Faktoren wie große Niederschlagsmengen oder sehr kalte Winter können etwa dem Blässhuhn stark zu schaffen machen und die Bestände vorübergehend dezimieren. Auch von Wintergoldhähnchen und Zaunkönig ist bekannt, dass die Bestände nach harten Wintern einbrechen und sich im Falle des Zaunkönigs im Laufe der folgenden Jahre wieder erholen. Insgesamt zeigen die Bestandszahlen des Wintergoldhähnchens laut MhB aber bundesweit einen Abwärtstrend. Ein Grund dafür könnte der Waldumbau hin zu mehr Laubholz nach Käfer- und Sturmschäden sein, da das Wintergoldhähnchen stark an kurznadelige Baumarten gebunden ist. Teils große jährliche Schwankungen zeigen sich auch bei 80 100 120 140 160 180 200 220 2006 Trendindex (2006 = 100%) 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Bestandstrendkurve BY D Mönchsgrasmücke LBV MAGAZIN 4|24 17 Bayern: moderat zunehmend (Ø jährl. +1 bis +3%) Deutschland: stark zunehmend (Ø jährl. mehr als 3%) DIE ANPASSUNGSFÄHIGE Im Vorteil durch neue Überwinterungsgebiete
THEMA FOTO: HERBERT HENDERKES auf Samen spezialisierten Vogelarten wie Gimpel oder Kernbeißer, da ihr Überleben und Bruterfolg eng mit dem Angebot an Samennahrung zusammenhängt. Tendenziell zeigen die Trends dieser beiden Arten eine positive Entwicklung, weil durch die Klimaerwärmung die Frequenz und Intensität der Fruktifikation verschiedener Baumarten zunimmt. Positive Trendkurven Insgesamt zeigen die Bestandskurven von 30 der 58 Vogelarten, für die das MhB zwischen 2006 und 2021 verlässliche Daten liefert, nach oben. Allerdings handelt es sich bei den 58 „MhB-Arten“ um ohnehin schon häufige, verbreitete Arten. Wird eine Art also seltener, fällt sie, wie beschrieben, aus dem Programm. Zudem startete das MhB erst im Jahr 2004. Viele Arten erlitten aber bereits früher große Bestandseinbrüche. Wir bewerten heute daher vielfach Bestandsentwicklungen auf einem bereits sehr niedrigen Niveau. Steigende Bestandszahlen beim Stieglitz oder beim Weißstorch sind dennoch Lichtblicke, denn sie zeigen, dass Engagement im Naturschutz etwas bewirken kann. Die Vogelart, welche laut der Daten des MhB während der letzten 20 Jahre am stärksten zugenommen hat, ist die Hohltaube. Als sekundärer Höhlenbrüter profitiert sie sehr wahrscheinlich direkt vom Schwarzspecht, dessen Bestände sich laut MhB ebenfalls positiv entwickeln. Und auch allgemein lässt sich feststellen, dass es den Vogelarten der Wälder um einiges besser geht als jenen anderer LebensSchwarzspecht räume. Andere Arten wie die Ringeltaube oder die Elster scheinen sich positiv zu entwickeln, weil sie sich gut an eine veränderte Umwelt anpassen können. Manche Arten (Mönchsgrasmücke, Zilpzalp) haben ihre Zugstrategie verändert und profitieren dadurch. Und auch Arten, die nicht im MhB abgebildet werden, zeigen positive Entwicklungen: Entweder spielt hier das Klima eine wichtige Rolle, wie beim Bienenfresser, oder langjährige und intensive Schutzbemühungen zeigen Wirkung, wie bei Uhu, Wanderfalke und Wiesenweihe. Insgesamt entsprechen die Bestandstrends in Bayern auch den Trends in Gesamtdeutschland und der EU. Ein aktualisiertes Bild der Bestände aller deutschen Brutvogelarten – nicht nur der Arten des MhB – erwartet uns nach Fertigstellung des anstehenden Brutvogelatlas in wenigen Jahren. 80 100 120 140 160 180 200 220 2006 Trendindex (2006 = 100%) 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Bestandstrendkurve BY D 18 LBV MAGAZIN 4|24 DR. ALEXANDRA FINK SIMON NIEDERBACHER Monitoring-Koordinationsteam E-Mail: monitoring@lbv.de Mehr zum Thema: lbv.de/dda-monitoring Statusbericht MhB in Bayern von 2006 bis 2021 Bayern: stark zunehmend (Ø jährl. mehr als 3%) Deutschland: moderat zunehmend (Ø jährl. +1 bis +3%) DER PROFITEUR Begünstigt durch naturnahe Wälder
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FOTOS: MARCUS BOSCH, FRANZISKA BACK Im Einsatz für den Wintervogelatlas REPORTAGE Eiskalte Beobachtungen für den Vogelschutz Als einer von vielen Ehrenamtlichen im LBV ist Martin Trapp aus der Kreisgruppe Augsburg in den frostigen Monaten unterwegs, um für den Wintervogelatlas zu kartieren, der vergangenes Jahr als Pilotprojekt gestartet ist. Am Lech geht es auf eine spannende Winterexpedition. Wer tummelt sich in den Wintermonaten in Augsburg? Martin Trapp will's wissen. Männliche Krickente 20 LBV MAGAZIN 4|24
FOTOS: FRANZISKA BACK, DR. CHRISTOPH MONING Wenn Martin Trapp am Ufer des Lechs unterwegs ist, entgeht seinem Fernglas kaum ein Vogel. Das Gebiet am Rand von Augsburg, wo die Wertach in den Lech mündet und graue Kiesbänke weit in das sanfte Blau ragen, kennt der Vorsitzende der örtlichen Kreisgruppe wie seine Westentasche. Und er weiß genau, wer sich hier wo wohlfühlt. Erwartungsvoll blickt er auf das steil abfallende Ufer gegenüber und lässt das Fernglas langsam von links nach rechts wandern. „Hier hat’s auf jeden Fall Eisvögel“, erklärt er. Aber die leuchtend blaue Schönheit bleibt versteckt. Nur ein paar Stockenten lassen sich unaufgeregt flussabwärts treiben. Wahrlich keine seltene Beobachtung – trotzdem zückt Martin Trapp sein Handy, markiert den Ort auf einer Karte und beginnt Stockente in das Suchfeld der geöffneten App einzutippen. „Beim Wintervogelatlas geht es nicht darum, nur das Besondere zu melden“, erklärt er. Stattdessen soll jede gesehene Art notiert werden, egal ob Allerwelts-Amsel oder Sensationssichtung. Allerlei Arten hat Martin Trapp in dieser Saison schon für den Wintervogelatlas kartiert. Einen vermisst er aber noch sehnlichst: den Bergpieper. „Im Winter ziehen die hier in den Voralpenraum, aber heuer habe ich noch keinen gesehen“, stellt er fest. Heute ist er zum letzten Mal in diesem Jahr für das Projekt unterwegs. Und das heißt auch: letzte Chance für den Bergpieper. Projekt stopft Datenlecks Ziel des Mitmachprojekts, das im Winter 2023/24 in eine erste Pilotphase gestartet ist, ist es, mehr über die heimischen Vögel im Winter zu erfahren – besonders im Hinblick auf den Klimawandel und die zunehmende Veränderung der Landschaft. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass sich die immer milderen Winter auch auf die Vögel und ihre Verbreitung auswirken. Um sie besser schützen zu können ist allerdings eine systematische Erfassung notwendig. „Wir müssen erst einmal wissen, welche Art im Winter wo vorkommt“, erklärt Projektleiter Philipp Herrmann. Während aus dem Siedlungsbereich einiges bekannt ist, beispielsweise durch die Stunde der Wintervögel, fehlen aktuelle Daten aus anderen Lebensräumen beinahe gänzlich. Die Artenliste von Martin Trapp füllt sich schnell. Amsel, Rabenkrähe und Wintergoldhähnchen gesellen sich zu der Stockente, durch das Dickicht am Wegesrand springt kaum hörbar der Zaunkönig. „Jetzt huscht er noch leise wie ein Mäuschen, wenn er in ein paar Wochen zu singen beginnt, ist der Kleinste wieder der Lauteste“, erklärt Martin Trapp – seinen eigenen Worten nach kein Vogelstimmen-Profi. „Die häufigsten kenne ich schon, aber das ist noch ausbaufähig“, schmunzelt er. Für den Wintervogelatlas ist das egal. Denn mit ihrem Gesang beginnen die meisten Vögel erst wieder im Frühjahr, wenn es um Brüten und Brautschau geht. Aktuell ist es noch ruhig entlang des schmalen Pfads, statt lauschen heißt es deswegen genau hinschauen. An den kahlen, blattlosen Ästen sind die Vögel deutlich leichter zu entdecken als in den üppig grünen Frühlingsmonaten. Auch deshalb eignet sich der Wintervogelatlas gut, um in das Kartieren einzusteigen. Von Kiesbank bis Kläranlage Im Wasser schlafend entdeckt der Kreisgruppenvorsitzende einen typischen Augsburger: den Gänsesäger. In den alten Bäumen entlang des Lechs findet er noch genügend Höhlen, um zu brüten, auch Nistkästen hat die Kreisgruppe für ihn angebracht. Ein paar Meter weiter fühlt sich gleich eine ganze Schar von Entenvögeln wohl – nicht etwa auf dem schönen, türkisfarbenen Lech, sondern auf der Kläranlage gegenüber. „Das ist nichts Ungewöhnliches, da ist es warm und es spült immer mal wieder Sedimente auf“, erklärt Martin Trapp. Zuerst entdeckt er die Schnatterenten, dann ist da die Schellente mit ihren auffällig leuchtend gelben Augen. „Und eine Krickente, ein schönes buntes Männchen“, freut er sich. „Die ist schon ein bisschen was Besonderes, was man jetzt nicht unbedingt erwarten würde.“ In Bayern ist die Krickente ein seltener Brutvogel, im Winter aber bekommt die heimische Population Verstärkung von Artgenossen aus den nordeuropäischen Ländern, welche die kälteren LBV MAGAZIN 4|24 21 Martin Trapp, Vorsitzender der Kreisgruppe Augsburg Schnurrender Schneeball: die Schwanzmeise
FOTO: CHRISTOPH BOSCH Monate im vergleichsweisen warmen Freistaat verbringen. Sorgfältig trägt Martin die Kläranlagen-Beobachtungen in seine Liste ein und merkt dann plötzlich auf. „Ich meine, ich höre eine Schwanzmeise“, sagt er und blickt konzentriert auf das kahle Gestrüpp zwischen Fußweg und Fluss. Von wegen kein Vogelstimmenprofi. Doch um sich zu vergewissern, will er die Meise lieber nochmal zu Gesicht bekommen. Und tatsächlich springt wenig später ein kleiner weißer Schneeball mit langem Schwanz schnurrend zwischen den kahlen Ästen umher. Trotz der dicken Wolken, die träge am Himmel kleben und aus denen immer wieder Nieselregen tropft, zaubert jede der entdeckten Arten dem Vogelkenner ein Lächeln auf die Lippen – egal ob es sich um eine vermeintlich besondere Entdeckung oder um übliche Verdächtige handelt. „Der Wintervogelatlas ist gerade auch in den kälteren Monaten ein schöner Anlass, um nach draußen zu gehen. Da haben die Ornithologen ja sonst nichts zu tun“, erklärt er augenzwinkernd. „Wenn ich erstmal rausgehe, dann sehe ich eigentlich immer etwas Tolles.“ Bei seinen bisherigen Touren zum Projekt begleitete ihn außerdem seine Frau. „Man kann das super gemeinsam machen“, findet er. Immerhin würden vier Augen mehr sehen als zwei. Denn da tummelt sich noch mehr im Verborgenen als er heute bisher zu Gesicht bekommen hat, da ist sich Martin Trapp sicher. „Wo ist das Rotkehlchen? Wo ist der Buntspecht?“, fragt er. Die Antwort darauf bleibt heute aus. Immerhin ein Teichhuhn, das gerade auf dem Fluss nach Nahrung sucht, kann der Naturschützer noch ergänzen. Wenig später blickt Martin Trapp von oben auf den Lech und das Teichhuhn. Von der Autobahnbrücke aus, die über den Fluss führt, verschafft er sich einen Überblick. Ruhig scannt er die Landschaft während hinter ihm scheppernd hunderte Autos vorbeijagen und die Brücke zum Beben bringen. Am rechten Ufer führt ein kleines Geröllfeld ins Wasser. Dort sucht er nach der Gebirgsstelze – ein filigraner Vogel, der besonders aufgrund seiner leuchtend gelben Unterseite auffällt. „Ich habe schon ein bisschen Erfahrung, deswegen weiß ich, wo ich was erwarten kann“, erklärt er. Die Gebirgsstelze mag diese Erwartungen heute allerdings nicht erfüllen – kein gelber Tupfer auf dem grauen Stein. Für den Wintervogelatlas ist Martin Trapp in zwei Erfassungsperioden unterwegs: Im frühen Winter zwischen Mitte November und Ende Dezember und im Hochwinter, zwischen Anfang Januar und Mitte Februar. In jedem der Zeiträume ist er verteilt auf zwei bis drei Tage insgesamt acht bis zehn Stunden für die Kartierung unterwegs. Der Quadrant, für den er zuständig ist, ist insgesamt etwa zehn Quadratkilometer groß. Zwar muss er für seiREPORTAGE 22 LBV MAGAZIN 4|24 Immer wieder eine spektakuläre Beobachtung: Wasseramsel auf Beutezug.
FOTOS: FRANZISKA BACK, DR. CHRISTOPH MONING Über den Wintervogelatlas Um mehr über die Verbreitung unserer heimischen Vögel in der Winterzeit zu erfahren, haben der LBV und die Ornithologische Gesellschaft in Bayern (OG) ein neues Mitmachprojekt für Vogelbegeisterte geschaffen. Auf der Grundlage der Quadranten der topografischen Karten von Bayern erfassen Ehrenamtliche, ob eine Art im Raster vorkommt oder nicht. Dazu findet eine Begehung zwischen dem 15. November und 31. Dezember (Frühwinter) und eine weitere zwischen 1. Januar und 15. Februar statt (Hochwinter) statt. Bei der Begehung der Fläche müssen alle größeren Lebensräume wie Wald, Offenland, Gewässer und Siedlungen berücksichtigt werden. Die Ergebnisse lassen sich auf ornitho.de als „vollständige Beobachtungsliste“ speichern oder in Papierform auf entsprechenden Erfassungsbögen eintragen. Gestartet ist das Projekt in der Saison 2023/24 als Pilotprojekt und läuft nun offiziell an. Wer Interesse hat, selbst für den Wintervogelatlas aktiv zu werden, kann sich anmelden unter: lbv.de/mitmachen/ wintervogelatlas-bayern ne Kartierung nicht jeden Winkel des Quadranten absuchen, aber jeder größere Lebensraum soll abgedeckt sein. Auf seiner Route heute kommt Martin Trapp an einem kleinen Siedlungsgebiet vorbei und natürlich am Gewässer. Um auch den Wald und das Offenland abzudecken, ist er bereits vor einigen Tagen eine andere Route abgelaufen. „Viele Arten halten sich eben nur in einem bestimmten Habitat auf, deswegen ist es wichtig, alle Lebensräume mitzudenken“, erläutert er. Das Beste zum Schluss Von der Autobahnbrücke aus geht es wieder hinunter an den Lech, dem Martin Trapp bis zu der Stelle weiterfolgt, wo aus dem wilden Lech ein zahmer Kanal ausgeleitet wird. An einer Fischtreppe bleibt Martin Trapp mit wachem Blick stehen und entdeckt sofort, nach was er sucht. „Da, Wasseramsel!“, ruft er. „Bei uns in Augsburg keine Seltenheit, aber sicher eine Besonderheit.“ Von einem Stein zum anderen hüpft der grau-braune Vogel mit der weißen Brust und stürzt sich dann mit dem Kopf voran ins Wasser. Weg ist er. Ein beachtliches Stück weiter taucht er schließlich wieder auf, flattert zurück ans Ufer. „Die ist einfach schön zu beobachten“, freut sich Hobby-Ornithologe Trapp und notiert die Art in der App. Auf einem Steg an der Kanalmündung wartet reglos wie eine Statue ein Graureiher auf Beute. Im stillen Wasser vor dem Wehr schwimmen ein paar Reiherenten und Zwergtaucher, die Trapps Liste um zwei Arten erweitern. Ein Stück weiter lacht laut keckernd ein Grünspecht. Bisher ist Martin Trapp zufrieden mit der heutigen Artenliste. Nur der Bergpieper hat sich wieder nicht blicken lassen. Langsam geht es zurück Richtung Auto. Noch einmal wirft der Vogelkundler einen Blick auf die Kiesbänke vor sich, als er aus dem Augenwinkel beobachtet, wie einige Meter weiter zwei unscheinbare Vögel auf dem grauen Kies landen. Mit dem Fernglas versucht er zu erkennen, um welche Exemplare es sich handelt, was sich als echte Herausforderung erweist. Auf dem fleckigen Untergrund scheinen die zwei Vögelchen zu verschwinden, zudem sind sie zu weit entfernt. „Da muss ich jetzt nochmal zurück“, beschließt Martin Trapp und marschiert wieder flussabwärts. Er hat eine Vermutung. Konzentriert lugt er durchs Fernglas, überlegt dann, sieht wieder hindurch, läuft einige Schritte, wagt nochmal einen Blick. Dann ist er sich sicher: „Es sind zwei Bergpieper!“ LBV MAGAZIN 4|24 23 FRANZISKA BACK Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein E-Mail: franziska.back@lbv.de In einer App werden Beobachtungen festgehalten. Seine Winter verbringt der Bergieper häufig im Voralpenland.
20 Jahre ehrenamtliche Vogelkartierung Das Monitoring häufiger Brutvögel in Zahlen Die methodische Erfassung unserer heimischen Vogelwelt hat in den letzten zwei Jahrzehnten nicht nur wichtige Daten für den Natur- und Artenschutz geliefert, sondern ist auch eine Erfolgsgeschichte für die ehramtliche Mitarbeit im LBV, die sich in beeindruckenden Zahlen widerspiegelt. VON DR. ALEXANDRA FINK UND SIMON NIEDERBACHER 50.000 Kilometer Wegstrecke haben die Aktiven seither zu Fuß zurückgelegt und damit faktisch eineinviertelmal die Erde umrundet. Das bedeutet, dass seit 2004 in einer Kartiersaison durchschnittlich 200 Probeflächen viermal pro Jahr auf drei Kilometer langen Routen begangen wurden. 450 Ehrenamtliche haben allein in Bayern seit dem Start des Monitorings häufiger Brutvögel (MhB) im Jahr 2004 an dem Programm teilgenommen. Da die Konstanz der Daten wichtig ist, sollte möglichst immer dieselbe Person über mehrere Jahre dieselbe Fläche kartieren. So haben 121 Personen zehn Jahre lang und mehr mitgearbeitet oder sind teilweise auch immer noch aktiv. 85.000 Arbeitsstunden wurden geleistet. Das entspricht knapp zehn Lebensjahren oder etwa fünf Stunden pro Begehung, einschließlich An- und Abreise, Kartierung und anschließender Datenauswertung. 172 verschiedene Vogelarten wurden insgesamt beobachtet. Das entspricht 83 Prozent der 207 Brutvogelarten, die bei den Kartierungen für den letzten Bayerischen Brutvogelatlas festgestellt wurden. Es fehlen insbesondere verlässliche Daten zu Eulen oder sehr seltenen Vogelarten, die sich mit der Methodik des MhB nicht gut erfassen lassen. 24 LBV MAGAZIN 4|24 THEMA
700.000 Brutreviere wurden auf der Grundlage von etwa 1,7 Millionen Einzelbeobachtungen definiert. Die Differenz ergibt sich, weil im MhB nicht jede Beobachtung zu einem Brutrevier führt. Manchmal trifft man zum Beispiel dieselben Vögel an unterschiedlichen Kartiertagen an oder es waren Paare, Familienverbände oder durchziehende Vögel. Ebenso fallen häufig Beobachtungen in Erfassungszeiträume, die für eine spezifische Art aus methodischen Gründen nicht berücksichtigt werden dürfen. PROJEKTE VOGELARTEN ANFORDERUNGEN Stunde der Garten-/Wintervögel Vögel im Garten Jede und jeder kann mitmachen, keine Anmeldung nötig G/Artenlisten Vögel im Garten Zählung einmal die Woche, sichere Bestimmung der Gartenvögel Monitoring seltener Brutvögel (z.B. Specht-Modul, Saatkrähen-Erfassung) Einzelne Arten oder geringe Anzahl von Arten Unterschiedliche Anforderungen in unterschiedlichen Modulen; Motivation, sich intensiv in die zu bearbeitenden Arten und Methoden einzuarbeiten Monitoring rastender Wasservögel („Wasservogelzählung“) Wasservögel (typischerweise 10–20 Arten) Zählung einmal im Monat an vorbestimmtem Wochenende; optische Artbestimmung gut erlernbar Bayerischer Wintervogelatlas Jahresvögel und Wintergäste Erfassung innerhalb von zwei Zeitfenstern im Winter; Bestimmung von Wintervögeln anhand von Rufen und Aussehen Monitoring häufiger Brutvögel; Monitoring Hochgebirgsvögel Brutvögel auf vorgegebener Probefläche Sichere Bestimmung aller anwesenden Vogelarten anhand von Stimme und Aussehen bei bis zu vier Begehungen pro Jahr; mehrjährige Mitarbeit ADEBAR2 Alle Brutvogelarten Methodisch und zeitlich sehr anspruchsvoll; sichere akustische und optische Bestimmung aller, auch seltener Brutvogelarten im Kartiergebiet; Kartierungen starten 2025 LBV MAGAZIN 4|24 25 Mitmachprojekte für Vogelfans Eine Mitarbeit bei verschiedenen Vogelerfassungsprogrammen ist grundsätzlich für jeden möglich. Allerdings verlangt jedes Projekt unterschiedliche Vorkenntnisse und Zeitaufwände. Hierbei geht es nicht nur um die Qualität der Daten, sondern auch um den Spaßfaktor, weil Überforderung frustrierend sein kann. Je regelmäßiger beobachtet wird und je standardisierter die Daten aufgenommen werden, umso besser sind die Daten für weitere Auswertungen nutzbar. Interessiert? Melden Sie sich gerne unter monitoring@lbv.de.
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