46 LBV MAGAZIN 4|24 FOTO: ABL LBV: Seit 1980 haben wir in Europa die Hälfte aller Feldvögel verloren. Bei manchen Arten wie Rebhuhn, Kiebitz und Braunkehlchen erreichen die Verluste in Deutschland in diesem Zeitraum rund 90 Prozent. Diese Indikatorarten zeigen den ökologischen Zustand der Agrarlandschaft an. Teilen Sie unsere große Besorgnis zu dieser dramatischen Entwicklung? Josef Schmid: Ich teile diese Besorgnis, da Landwirtschaft existenziell auf die Selbstregulierungskräfte funktionierender Ökosysteme angewiesen ist. Auftretende sogenannte Unkräuter, Schädlinge und Pflanzenkrankheiten zeigen, wo diese Selbstregulierung nicht mehr funktioniert. Statt hier mit chemischen Mitteln einzugreifen und damit auch sogenannte Nützlinge zu schädigen, sollten wir zukünftig mehr darauf achten, Ursachen wie zu hohe Düngergaben, zu dichte Bestände oder zu anfällige Sorten zu vermeiden. Mit welchen Maßnahmen möchte die AbL den Rückgang von Wiesenbrütern, Feldvögeln und Insekten stoppen? Voraussetzung dafür ist in erster Linie, diesen Arten geeignete, dauerhafte Lebensräume und deren Vernetzung zu bieten. Zusätzlich müssen auch deren spezielle Futtergrundlagen in Form von möglichst vielen Arten erhalten werden. Das bietet in idealer Weise eine kleinstrukturierte, vielfältige bäuerliche Landwirtschaft mit abwechslungsreichen Fruchtfolgen, bodengebundener Tierhaltung, Weidewirtschaft, Feldrändern und Feldrainen. Eine gezielte Förderung dieser Kriterien statt pauschaler Flächenprämien ist eine langjährige Forderung der AbL. Der Nutzen von Brachen für die Artenvielfalt und weitere Schutzgüter ist wissenschaftlich vielfach belegt. Bei der Reform der GAP wurde beschlossen, vier Prozent der Nutzfläche aus der Produktion zu nehmen. Dies ist infolge der Bauernproteste aufgehoben worden. Wie stehen Sie dazu? Sich für Artenschutz und funktionierende Ökosysteme auszusprechen, dann aber jede sich bietende Gelegenheit für einen Rollback zu nutzen, ist wenig glaubwürdig. Sicher schmerzt es jeden Landwirt, einen Teil seiner Flächen brach liegen zu lassen. Um das Beste daraus zu machen, bietet es sich an, dazu die ertragsschwachen Flächen mit Leguminosen anzusäen, um Humus aufzubauen und Stickstoff für die Folgefrucht einzulagern. Auch die Teilung großer Felder mit Brachen, die gleichzeitig dem Erosionsschutz dienen, wäre eine gute Möglichkeit den gefühlten Verlust zu minimieren. Die größte Bedrohung für den Kiebitz, Vogel des Jahres 2024, ist der Lebensraumverlust durch intensive Landwirtschaft. In unserer Ausgabe 1/2024 befragten wir Günther Felßner vom Bayerischen Bauernverband zum Schutz der Feldvögel. Nun hat uns Josef Schmid, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die gleichen Fragen beantwortet. Josef Schmid aus Neufraunhofen in Niederbayern ist seit 2010 Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). INTERVIEW Interview mit dem AbL-Landesvorsitzenden Josef Schmid Die Landwirtschaft ist auf funktionierende Ökosysteme angewiesen
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