10 LBV MAGAZIN 4|24 THEMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER „Wir haben in Europa, Deutschland und Bayern seit dem Jahr 1980 weit über die Hälfte unserer Feldvögel verloren“ – wenn Sie schon einmal einen Vortrag von mir zum Natur- und Artenschutz in Bayern gehört haben, werden Sie sich vielleicht an diesen Satz erinnern. Ich erwähne diese Tatsache immer und immer wieder. Danach kommt dann meist der Hinweis, dass unsere Feldlerchen um über die Hälfte, unsere Kiebitze um über 90 Prozent und unsere Rebhühner um über 95 Prozent zurückgegangen sind. In meiner Jugend gab es zwanzig Mal so viele Rebhühner wie heute. Zur Illustration beschreibe ich oft eine Szene aus meiner Kindheit: Damals konnte ich jeden Winter in der Streuobstwiese vor unserem Haus eine Kette Rebhühner beobachten. Diese Rebhühner gibt es schon sehr lange nicht mehr. Solide Daten als Grundlage für den Natur- und Artenschutz Aber woher wissen wir all das überhaupt? Worauf basieren Aussagen über den Zustand unserer Vogelwelt, wie die oben gemachten? Und warum reden wir im Natur- und Artenschutz überhaupt so viel über unsere Vögel? Auch diese Fragen beantworte ich regelmäßig in meinen Vorträgen: Vögel sind nicht nur attraktiv, allgegenwärtig in fast allen Lebensräumen und relativ leicht zu erfassen. Vögel sind vor allem auch ein hervorragender Indikator, also Anzeiger für den Zustand unserer Natur und Umwelt insgesamt. So stehen Vögel oftmals an der Spitze der Nahrungskette und zeigen uns an, wie es „darunter“ aussieht. Unsere Rebhühner sind ein wunderbares Beispiel hierfür: Sie ernähren sich bzw. ihre Jungen im Sommer von Insekten und im Winter von Sämereien. Wo es noch Rebhühner in großer Zahl gibt, leben auch eine große Anzahl und Vielfalt von Insekten und Wildpflanzen. Daten zum Bestandstrend von Vögeln werden alljährlich von – alleine in Bayern – vielen Hundert hoch qualifizierten Bearbeiterinnen und Bearbeitern meist ehrenamtlich erhoben. Die entsprechenden Informationen sind wissenschaftlich belastbar, solide und aussagekräftig – und können nicht durch anekdotenhafte Beobachtungen nach dem Motto „Kann nicht sein, bei mir hinterm Hof gibt es doch auch noch Kiebitze“ entkräftet werden. Artenkenntnis ganz zentral Um sich beispielsweise am Monitoring von Brutvögeln zu beteiligen, ist viel Erfahrung und Vogelartenkenntnis erforderlich. Dies ist einer der Gründe dafür, warum der LBV, zusammen mit der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL), systematisch in Kursen Artenkenntnis beispielsweise bei Vögeln und Schmetterlingen vermittelt. Wer die anschließende Prüfung erfolgreich absolviert, erhält ein staatliches Zertifikat. Projekte wie der Bayerische Wintervogelatlas oder die Stunde der Wintervögel, dieses Mal vom 10. bis 12. Januar 2025, begeistern nicht nur viele Menschen für unsere Vogelwelt, sondern sind oftmals ein Einstieg in die Vogelbeobachtung. Mitmachen ist einfach und für alle möglich, je mehr Teilnehmer, umso besser! Ärger um den Gänsesäger – und dennoch miteinander reden! Wie Sie vielleicht der Presse entnommen haben, sind der LBV und andere Naturschutzverbände aus einem wissenschaftlichen Projekt der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) ausgestiegen, in dem Gänsesäger geschossen werden (siehe Meldung S. 9 oben). Unser Protest gegen dieses Projekt hat Ärger gemacht. Umso mehr freut es mich, dass Johannes Schnell als Vertreter des Landesfischereiverbandes (LFV) die Einladung zu unserer LBV-Delegiertenversammlung angenommen hat. Wir müssen es schaffen, miteinander zu reden und um Lösungen zu ringen, nicht nur wenn wir einer Meinung sind, sondern gerade dann, wenn wir unterschiedliche Standpunkte haben. Dieser Ansatz ist ganz tief verwurzelt in der täglichen Arbeit des LBV. STANDPUNKT Rebhühner wie früher Wir brauchen so viele Wir müssen um Lösungen ringen, auch wenn wir nicht einer Meinung sind
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