LBV magazin 4-24

FOTOS: FRANZISKA BACK, DR. CHRISTOPH MONING Wenn Martin Trapp am Ufer des Lechs unterwegs ist, entgeht seinem Fernglas kaum ein Vogel. Das Gebiet am Rand von Augsburg, wo die Wertach in den Lech mündet und graue Kiesbänke weit in das sanfte Blau ragen, kennt der Vorsitzende der örtlichen Kreisgruppe wie seine Westentasche. Und er weiß genau, wer sich hier wo wohlfühlt. Erwartungsvoll blickt er auf das steil abfallende Ufer gegenüber und lässt das Fernglas langsam von links nach rechts wandern. „Hier hat’s auf jeden Fall Eisvögel“, erklärt er. Aber die leuchtend blaue Schönheit bleibt versteckt. Nur ein paar Stockenten lassen sich unaufgeregt flussabwärts treiben. Wahrlich keine seltene Beobachtung – trotzdem zückt Martin Trapp sein Handy, markiert den Ort auf einer Karte und beginnt Stockente in das Suchfeld der geöffneten App einzutippen. „Beim Wintervogelatlas geht es nicht darum, nur das Besondere zu melden“, erklärt er. Stattdessen soll jede gesehene Art notiert werden, egal ob Allerwelts-Amsel oder Sensationssichtung. Allerlei Arten hat Martin Trapp in dieser Saison schon für den Wintervogelatlas kartiert. Einen vermisst er aber noch sehnlichst: den Bergpieper. „Im Winter ziehen die hier in den Voralpenraum, aber heuer habe ich noch keinen gesehen“, stellt er fest. Heute ist er zum letzten Mal in diesem Jahr für das Projekt unterwegs. Und das heißt auch: letzte Chance für den Bergpieper. Projekt stopft Datenlecks Ziel des Mitmachprojekts, das im Winter 2023/24 in eine erste Pilotphase gestartet ist, ist es, mehr über die heimischen Vögel im Winter zu erfahren – besonders im Hinblick auf den Klimawandel und die zunehmende Veränderung der Landschaft. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass sich die immer milderen Winter auch auf die Vögel und ihre Verbreitung auswirken. Um sie besser schützen zu können ist allerdings eine systematische Erfassung notwendig. „Wir müssen erst einmal wissen, welche Art im Winter wo vorkommt“, erklärt Projektleiter Philipp Herrmann. Während aus dem Siedlungsbereich einiges bekannt ist, beispielsweise durch die Stunde der Wintervögel, fehlen aktuelle Daten aus anderen Lebensräumen beinahe gänzlich. Die Artenliste von Martin Trapp füllt sich schnell. Amsel, Rabenkrähe und Wintergoldhähnchen gesellen sich zu der Stockente, durch das Dickicht am Wegesrand springt kaum hörbar der Zaunkönig. „Jetzt huscht er noch leise wie ein Mäuschen, wenn er in ein paar Wochen zu singen beginnt, ist der Kleinste wieder der Lauteste“, erklärt Martin Trapp – seinen eigenen Worten nach kein Vogelstimmen-Profi. „Die häufigsten kenne ich schon, aber das ist noch ausbaufähig“, schmunzelt er. Für den Wintervogelatlas ist das egal. Denn mit ihrem Gesang beginnen die meisten Vögel erst wieder im Frühjahr, wenn es um Brüten und Brautschau geht. Aktuell ist es noch ruhig entlang des schmalen Pfads, statt lauschen heißt es deswegen genau hinschauen. An den kahlen, blattlosen Ästen sind die Vögel deutlich leichter zu entdecken als in den üppig grünen Frühlingsmonaten. Auch deshalb eignet sich der Wintervogelatlas gut, um in das Kartieren einzusteigen. Von Kiesbank bis Kläranlage Im Wasser schlafend entdeckt der Kreisgruppenvorsitzende einen typischen Augsburger: den Gänsesäger. In den alten Bäumen entlang des Lechs findet er noch genügend Höhlen, um zu brüten, auch Nistkästen hat die Kreisgruppe für ihn angebracht. Ein paar Meter weiter fühlt sich gleich eine ganze Schar von Entenvögeln wohl – nicht etwa auf dem schönen, türkisfarbenen Lech, sondern auf der Kläranlage gegenüber. „Das ist nichts Ungewöhnliches, da ist es warm und es spült immer mal wieder Sedimente auf“, erklärt Martin Trapp. Zuerst entdeckt er die Schnatterenten, dann ist da die Schellente mit ihren auffällig leuchtend gelben Augen. „Und eine Krickente, ein schönes buntes Männchen“, freut er sich. „Die ist schon ein bisschen was Besonderes, was man jetzt nicht unbedingt erwarten würde.“ In Bayern ist die Krickente ein seltener Brutvogel, im Winter aber bekommt die heimische Population Verstärkung von Artgenossen aus den nordeuropäischen Ländern, welche die kälteren LBV MAGAZIN 4|24 21 Martin Trapp, Vorsitzender der Kreisgruppe Augsburg Schnurrender Schneeball: die Schwanzmeise

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