FOTOS: RICARDA MARESCH, ANKE UND DIETER WÖRRLEIN - WWW.WOERRLEIN-NATURFOTO.DE Der Kleinspecht (Dryobates minor) ist die kleinste europäische Spechtart und kaum größer als ein Spatz. Seine geringe Größe, seine Wendigkeit und sein geringes Gewicht ermöglichen es ihm, selbst an der Unterseite von Ästen nach Nahrung oder Deckung zu suchen, wodurch er auch im Winter bei uns durchkommt. Das Männchen unterscheidet sich vom Weibchen durch seinen roten Scheitel, die Flügel und der Rücken sind weiß-schwarz quer gebändert. Der Kleinspecht steht in Bayern auf der Vorwarnliste der Roten Liste und wird für Deutschland als „gefährdet“ eingestuft. Weiteren Aufschluss über die Bestandsentwicklung und Verbreitung sollen künftig Zählungen im Rahmen des Monitorings seltener Brutvögel (MsB) des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) geben. Unterstützung kommt dabei vom Citizen Science-Projekt „Kleiner Specht – große Rolle“ des LBV und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Hessen. Zwischen 2021 und 2023 suchten über 200 Freiwillige in Bayern und Hessen auf 248 Routen mit Hilfe von Klangattrappen (akustische Lockrufe) nach Kleinspechten und trugen dabei insgesamt 828 Beobachtungen zusammen. Kleinspechte zu erfassen, ist schwierig. Die besten Chancen bestehen während der Balz- und Brutzeit von Mitte Februar bis Mitte April. Nur selten findet man hingegen eine Bruthöhle, denn deren Einflugloch ist gerade einmal zwei Finger breit. Auch bevorzugt der Kleinspecht für seine Bruthöhle vor allem morsches und totes Holz von Pappeln, Weiden, Birken oder Erlen und ist in Auwäldern zu Hause. Für die Teilnehmenden am Projekt war es daher eine große Herausforderung, trotz dichter Vegetation und des teils sumpfigen Terrains das kleine Einflugloch hoch am Baum zu entdecken. Immerhin gelang dies im Projekt mit sehr viel Einsatz 14 Mal. Insgesamt investierten die Freiwilligen für Online-Schulungen, Kartierungen und Bruthöhlensuche geschätzte 6.300 Stunden ihrer Freizeit. Im Rahmen des Projekts wurden drei Abschlussarbeiten an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf angefertigt. Eine davon zeigte, dass der Besonnungsgrad (4–12 Stunden) und die Höhe der Höhlen (5–25 Meter) in Bayern stark variieren. Eine andere Arbeit wertete die erhobenen brutbiologischen Daten von dreißig Brutpaaren in Zusammenhang mit lokalen Niederschlags- und Temperaturdaten aus und konnte feststellen, dass während der höheren Temperaturen im Jahr 2022 mehr Bruten (24) erfolgreich waren. Neben den Witterungsbedingungen wirken sich laut der Untersuchung auch Gefahren wie das Aufhacken der Bruthöhlen durch Buntspechte oder die Anzahl der umstehenden toten Bäume um den Höhlenbaum auf den Bruterfolg aus. Wenn mehr als 20 tote Bäume in der näheren Umgebung der Bruthöhle vorhanden waren, war nur eine von zehn Bruten erfolglos. Es zeigte sich also ein klarer Zusammenhang zwischen dem Bruterfolg des Kleinspechts und dem Anteil an Totholz in seinem Lebensraum. Der Schutz und der Erhalt von Totholz ist ein wichtiger Aspekt für die Zukunft des Kleinspechts. ISABEL ROHDE Projektleitung Vogelkunde E-Mail: isabel.rohde@lbv.de LBV MAGAZIN 4|24 39 Ein Gelege des Kleinspechts besteht im Durchschnitt aus 5–6 Eiern, aus denen durchschnittlich 3–4 Jungvögel flügge werden. Aufgrund widriger Witterungsverhältnisse oder Prädation war ein Fünftel der untersuchten Gelege erfolglos. Bestätigt: Der Bruterfolg des Kleinspechts hängt von der Anzahl der abgestorbenen Bäume im Revier und somit von den verfügbaren Insekten ab. Waren mehr als 20 Bäume in Sichtweite um die Bruthöhle, war die Brut zu 95 Prozent erfolgreich.
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