VOGELSCHUTZ 2-22

VOGELSCHUTZ 2|22 1 Vogelschutz lbv.de magazin 2|2022 Lebensraum Garten Ihr persönliches Schutzgebiet Klimakiller Warum wir dringend auf torfhaltige Erde verzichten sollten Konzertbesuch Nehmen Sie im Mai Vogelstimmen am Morgen auf Katzenkontroverse Über den Einfluss der Stubentiger auf unsere Gärten

2 VOGELSCHUTZ 2|22 Reisen in die Welt der Vögel birdingtours GmbH, Kreuzmattenstr. 10a, 79423 Heitersheim, Tel. 07634-5049845, info@birdingtours.de In unserem Gesamtjahreskatalog informieren wir Sie über Neuigkeiten aus der Vogelwelt und stellen Ihnen unsere bevorstehenden Reisen vor. Anfordern können Sie unseren Katalog auf unserer Webseite unter www.birdingtours.de oder per Telefon Über 100 Vogelbeobachtungsreisen für Einsteiger, Fortgeschrittene und Profis in Deutschland, Europa und weltweit www.birdingtours.de Empfohlen von: Reisen in die Welt der Vögel 2021 Kostenlos 09174-4775-7023 naturshop@lbv.de lbv-shop.de NISTHILFEN FÜR INSEKTEN Insektenhotel Villach aus Eschenholz Wetterfeste Kinderstube im Holzbetonkorpus WildbienenKinderstube XL im Schutzgehäuse Jetzt kostenlos Naturshop- Katalog anfordern Insekten- Appartement aus Lärchenholz Wildbienenhaus Blume Wildbienenhaus CeraNatur NEU Insektenstation mit Ständer

VOGELSCHUTZ 2|22 3 sich dieser Tage an seine Leserschaft zu wenden, ohne über den Angriffskrieg von Putin in der Ukraine zu sprechen, scheint nahezu unmöglich. Die schrecklichen Ereignisse sind omnipräsent und dominieren unsere Nachrichten, Gespräche und Gedanken. Die Auswirkungen auf den Naturschutz, wie die Forderung nach der Rücknahme der ökologischen Vorrangflächen in der Landwirtschaft, beunruhigen uns dabei sehr. Trotz dieser schwierigen Zeit durch Krieg, Corona und Klimakrise gibt es auch Lichtblicke. So erfreut sich unser neues Projekt „Vogelfreundlicher Garten“ überwältigendem Zuspruch. Deswegen geben wir Ihnen in dieser Ausgabe vielfältige Tipps, wie Sie den Lebensraum Garten zu Ihrem ganz persönlichen Schutzgebiet ausgestalten können. Und dabei spielt es keine Rolle, ob Sie gerade erst damit beginnen oder schon länger naturnah garteln. Außerdem können Sie selbst wieder für die Natur in Bayern aktiv werden. Vom 13. bis 15. Mai laden wir Sie herzlich zur Stunde der Gartenvögel ein. Darüber hinaus sind Sie bei der Mitmachaktion „Dawn Chorus“ den gesamten Mai über aufgerufen, Vogelstimmen im Morgengrauen aufzunehmen und per App hochzuladen. Genießen Sie Ihren Garten als Rückzugsort samt „Ihren“ Vögeln und lauschen Sie ihrem Gesang! Liebe Leserinnen und Leser, Die Friedenstaube als weltweiter Vogel des Jahres 2022 Vogelschutz Viel Spaß beim Lesen! Ihr Markus Erlwein Chefredakteur Wir sind begeistert und überwältigt von Ihrem Interesse an unserem neuen Projekt „Vogelfreundlicher Garten“. Sowohl bei den Schulungen der zukünftigen Gartenbewertern und -bewerterinnen als auch bei den Anmeldungen der zu bewertenden Gärten sind die beiden Kolleginnen im Projekt, Anke Brüchert und Carola Bria, geradezu überrannt worden. Wir sagen: Herzlichen Dank! Vogellieb E D I T O R I A L FOTO: LUCIA TISCHER

4 VOGELSCHUTZ 2|22 ID-Nr. 22117280 Dieses Druckerzeugnis ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. www.blauer-engel.de/uz195 · ressourcenschonend und · umweltfreundlich hergestellt · emissionsarm gedruckt XW1 überwiegend aus Altpapier Sie lesen klimaneutral und umweltfreundlich 6 Im Fokus Garten 8 Leserbriefe 9 Kurzmeldungen 10 Standpunkt Dr. Norbert Schäffer 12 Naturoase vor der Haustür Vogelfreundlicher Garten 16 Lebensräume für kleine Gärten Jede Menge Vielfalt 18 Interview Welchen Einfluss haben Katzen auf die Biologische Vielfalt in Gärten? 20 All-inclusive, aber ohne Hotel Gartenvielfalt als Hilfe für Wildbienen 22 U mweltzerstörung im Garten Wann kommt das Aus für Pestizide und Torf? 24 Aus dem LBV 12 18 Eine Amsel sucht Nistmaterial in einem vogelfreundlichen Garten. Der Torfabbau für Gartenerde richtet großen Schaden an. TITELBILD: ZAUNEIDECHSE | FRIEDRICH HARTL FOTOS: ZDENEK TUNKA, DR. EBERHARD PFEUFFER, MARCUS BOSCH, HILDEANNA - STOCK.ADOBE.COM, KARIN MENGELE, DAWN CHORUS I NH A L T 22 So leicht darf man es Katzen im Garten nicht machen. INHALT 20 Viele Wildbienen leben sehr versteckt.

VOGELSCHUTZ 2|22 5 38 Ein Garten- lebensraum für Reptilien. Warum Sie das morgendliche Vogelkonzert aufnehmen sollten. 26 Spendenaktion LBV-Sammelwoche fällt aus Einhefter • Spenden-Überweisungsträger • Meldebogen Stunde der Gartenvögel 28 LBV AKTIV 34 NAJU Neues von der Naturschutzjugend 36 Stiftung 20 Jahre Stiftung Bayerisches Naturerbe 38 Oase für Amphibien und Reptilien Praxisbeispiele aus dem LBV-Biodiversitätsgarten in München 42 Wildnis für Fortgeschrittene Beitrag der Kampagne „gArtenvielfalt“ 44 Faszinierende Vogelkonzerte entdecken Der LBV unterstützt das Mitmachprojekt „Dawn Chorus“ 46 Umweltbildung Familiengarten 48 Medien Buchempfehlungen 49 Kleinanzeigen 50 Impressum und Kontakte 44 lbv-shop.de - ANZEIGE - Naturnahe Deko-Ideen für Ihr Zuhause oder als Geschenk 36 Die Stiftung feiert Geburtstag. 20 JAHRE

NATURNAHER GARTEN | FOTO: BIRGIT HELBIG Abwechslungsreiche, gut strukturierte Gärten bieten Lebensraum für viele verschiedene Tiere und Pflanzen. Naturnahe Gestaltungselemente sind auch auf kleinen Flächen möglich: Holz, Steine, Wasser – je mehr verschiedene Strukturen, umso mehr Artenvielfalt! GARTENVIELFALT IST ARTENVIELFALT 6 VOGELSCHUTZ 2|22

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8 VOGELSCHUTZ 2|22 L E S E R B R I E F E Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns unter leserbriefe@lbv.de oder per Post an Redaktion VOGELSCHUTZ, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein. Die Redaktion behält sich aus Platzgründen eine Auswahl und das Kürzen von Leserzuschriften vor. Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. i Post Keine Milch- und Fleischprodukte mehr essen Milch ist ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung. Milch wird zu einer Vielzahl an Nahrungsmitteln weiterverarbeitet. Milch ist wichtig? 2019 hat die kanadische Regierung ihre offiziellen Ernährungsempfehlungen grundlegend aktualisiert und befürwortet darin mehr denn je eine pflanzliche Ernährung. Traditionelle Lebensmittelgruppen wie Milch und Milchprodukte oder Fleisch und Fisch sind darin nicht mehr zu finden. Stattdessen heißt es: „Essen Sie Gemüse, Obst, Vollkorn und regemäßig pflanzliche Produkte.“ Gründe: Immer mehr erkranken an Krebs, am Kreislauf und Herz. Klima und Artenvielfalt werden dramatisch geschädigt. Nur wenn wir den Fleisch- und Milchverbrauch zum Beispiel um 50 Prozent senken, gehen auch die CO2-Emissionen um 50 Prozent zurück, sagen uns Wissenschaftler. Auch (Grund-)Wasser und die Artenvielfalt werden entsprechend weniger geschädigt. Dies gilt sogar, wenn Sie ab und zu Milch- und Fleischprodukte aus ökologisch-biologischer Landwirtschaft verzehren. Wirken wir im obigen Sinn noch aktiver in unseren Familien und in der Öffentlichkeit. Für uns LBVler sollte es Pflicht sein, (fast) nur ökologisch-biologische Nahrungsmittel zu verzehren. Dann bewirken wir auch etwas. Franz Amman, 96114 Hirschaid FOTOS: THILO WIESENT, FRANZISKA LÖRCHER, DR. CHRISTIAN STIERSTORFER, NICOLE FRIEDRICH Zum Leserbrief zur Wahl des Vogels des Jahres 2022 (1/22) Was ist ein V³-Vogel? Der Leserbrief der Herren Sommer und Hegerbekermeier bezüglich der schmählichen Missachtung des Bluthänflings bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2022 hat sicher den einen oder anderen Leser zum Schmunzeln gebracht, so auch mich. Indes steht zu befürchten, dass die beiden Hänflingsfreunde das auch ernst meinen, was sie schreiben. Ich dachte, die Unterscheidung zwischen Gut-Vogel und Böse-Vogel gehöre inzwischen der Vergangenheit an. Haben die Herren vielleicht in Sachen Ökologie-Grundlagen noch ein bisschen Nachholbedarf? Was aber – um alles in der Welt – ist ein „V³-Vogel“? Man verzeihe mir meine Unwissenheit. Markus Werner, 97631 Bad Königshofen Anm. d. Red. Die erwähnte Abkürzung V³ bezieht sich allem Anschein nach auf die V-Partei³, wobei die drei V für „Veränderung, Vegetarier und Veganer“ stehen. Für den Streuobstschutz in Baden Ich bin begeistert von dem neuen Heft Vogelschutz zum Thema „Streuobst“. Es liefert einen sehr guten Überblick zu diesem Thema und bildet das politische Handeln hierzu in Bayern ab. Ich denke, dies ist ein großer Erfolg des LBV. Ich würde das Heft gerne für die politische Arbeit in Baden einsetzen und es zum Beispiel den Landtagsabgeordneten zur Verfügung stellen, da die Förderung der Streuobstbestände auch in Baden-Württemberg neu geregelt werden soll bzw. sollte. Andreas Arlt, 75045 Walzbachtal/Jöhlingen Unglaubliche Entdeckung Thilo Wiesent hat ein hervorragendes Winterquartier für Feuersalamander entdeckt. In einem alten Bierkeller im oberpfälzischen Freudenberg hat er Bierkästen zur Vergärung stehen und in diesen Bierkästen tummeln sich ein Dutzend Feuersalamander.

Gezwitscher Viva Familia – Verstärkung für Wally und Bavaria Zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden werden wir Anfang Juni erneut zwei in Andalusien geschlüpfte Bartgeier auswildern. Dem gemeinsamen Projekt wurden auch im zweiten Jahr wieder zwei spanische Jungvögel aus dem europäischen Bartgeier-Zuchtnetzwerk der Vulture Conservation Foundation (VCF) zugeteilt. LBV und Nationalpark können dabei auf viele Erfahrungen der ersten Geiersaison zurückgreifen, um auch den nächsten Vögeln einen optimalen Start in ihren zukünftigen Lebensraum in den Ostalpen zu ermöglichen. Nachdem wir 2021, über 100 Jahre nach ihrer Ausrottung, erstmals wieder Bartgeier in Deutschland ausgewildert haben, wird unser spektakuläres Artenschutzprojekt dieses Jahr fortgesetzt. Gewerbegebiet Teublitz: Stadt ignoriert VGH-Urteil Trotz höchstrichterlichen Urteils setzt die Stadt Teublitz die Planungen für das Gewerbegebiet im Staatswald fort. Der LBV hat im vergangenen Jahr erfolgreich vor dem Verwaltungsgerichtshof geklagt. Der VGH erkannte damals grundlegende Mängel, die aus Sicht des LBV auch nicht in einem neuen Verfahren behoben werden können. Obwohl das neue Landesentwicklungsprogramm die Regelungen zum Anbindegebot verschärfen wird, versucht Teublitz Ausnahmen zu nutzen. Erst jetzt wird im LEP ein Kabinettsbeschluss vom Juli 2019 umgesetzt. Der Bürgermeister hält das 21 Hektar große Gewerbegebiet auch angesichts des Ukraine-Kriegs für dringend notwendig. Die Stadt bietet die Flächen in einem Standortportal an, obwohl der Wald nach wie vor dem Freistaat gehört. K U R ZME L DUNG E N LBV ins Bündnis für Toleranz aufgenommen Der LBV wurde als neues Mitglied in das Bayerische Bündnis für Toleranz aufgenommen. Es tritt für Toleranz sowie den Schutz von Demokratie und Menschenwürde ein. Gerade im Naturschutz versuchen Rechtsextreme und Rechtspopulisten Fuß zu fassen, ihre Narrative sind nicht immer leicht zu erkennen. Dagegen wollen wir ein deutliches Zeichen setzen. Das Bayerische Bündnis für Toleranz setzt der Bedrohung unserer Gesellschaft durch Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus etwas Positives entgegen. Als Mitgliedsorganisationen bekämpfen wir rechtsextreme, antisemitische und rassistische Einstellungen, Haltungen und Handlungen, niemals aber die Menschen, die hinter diesem Gedankengut und diesen Aktivitäten stehen. Jetzt zum Digiscoping-Workshop anmelden Vom 16. bis 18. September 2022 veranstaltet der LBV in Zusammenarbeit mit seinen Partnern Swarovski Optik und birdingtours einen mehrtägigen Digiskopie-Workshop am Altmühlsee. Dieser bietet alle Möglichkeiten, Naturbeobachtung und Fotografie zu verbinden. Bei Brennweiten bis 2.700 Millimetern liefert die Kombination von Spektiv mit Spiegelreflex-, Systemkamera oder dem Smartphone beeindruckende Ergebnisse in hervorragender Qualität. Dabei erfreut sich das sogenannte Phonescoping mit dem iPhone oder Smartphone immer größerer Beliebtheit, denn Adapter ermöglichen ein schnelles und erfolgreiches Fotografieren. Die Teilnehmenden können die breite Produktpalette von Swarovski Optik testen und in Kombination mit der eigenen Technik das Digiskopieren erlernen. Der Preis pro Person im Doppelzimmer beginnt ab 490 Euro. Weitere Informationen und Anmeldung bei unserem Partner birdingtours unter 07634-504 98 45 oder auf www.birdingtours.de. Moorbereich im geplanten Gewerbegebiet. VOGELSCHUTZ 2|22 9

10 VOGELSCHUTZ 2|22 T H EMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlene Angriffskrieg des russischen Militärs auf die Ukraine macht uns alle fassungslos. Die Bilder und Berichte aus der Ukraine sind kaum zu ertragen. Unendliches Leid, Verwüstung und Tod. Beeindruckend ist die Welle der Hilfsbereitschaft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine, gerade auch in Deutschland. Viele unserer Ehrenamtlichen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen engagieren sich hier direkt im Rahmen verschiedener Initiativen. Als LBV haben wir angeboten, Naturschützerinnen und Naturschützer aus der Ukraine zu unterstützen und ihnen gegebenenfalls dabei zu helfen, eine neue Existenz aufzubauen. Hilfe bedeutet hier Solidarität und Perspektive über viele Monate oder sogar Jahre. Naturschutzverband APB/BirdLife Belarus liquidiert Während in der Ukraine ein brutaler Krieg tobt, gerät die Zivilgesellschaft im Nachbarland Belarus immer mehr unter Druck. Ich habe in den vergangenen 25 Jahren, zunächst für meinen früheren Arbeitgeber, die britische Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), in Belarus den Verband APB/BirdLife Belarus maßgeblich mit aufgebaut. APB galt im Netzwerk von BirdLife International als Musterbeispiel für einen professionellen und erfolgreichen Natur- und Vogelschutzverband. Die Liste der Erfolge von APB ist wahrlich beeindruckend und reicht von der Wiedervernässung zehntausender Hektar trockengelegter Nieder- und Hochmoore über die Grundlagenarbeit für die Ausweisung von riesigen Schutzgebieten bis hin zu Aktionen wie Vogel des Jahres, umfangreichen Forschungsarbeiten sowie intensiver Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Nachdem sich die ursprünglich bei der Unterstützung von APB federführende RSPB weitgehend aus Belarus zurückgezogen hatte, übernahm der LBV, mit Geldern der Umweltstiftung Michael Otto, die Unterstützung von APB. Aufgrund der angeblichen Unterstützung der Opposition sitzt ein früherer APB-Geschäftsführer seit vergangenem August im Gefängnis. Zum 18. April 2022 wurde die Liquidierung von APB – aufgrund des Vorwurfs extremistischer Tätigkeiten – angeordnet. Ein absolutes Desaster für den Natur- und Artenschutz in Belarus. Wie nur kann man so einen Verband verbieten? Putins Krieg – und eine Rolle rückwärts im Naturschutz Putins Krieg hat in vielen Bereichen unser Leben verändert. Das Wort „Zeitenwende“ macht die Runde. Wir wollen, vollkommen nachvollziehbar, von Gas, Öl und Kohle aus Russland unabhängig werden und selbstverständlich die Lebensmittelversorgung auch bei einem Ausfall der landwirtschaftlichen Produktion in der Ukraine sicherstellen. Auch der LBV will, übrigens nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine, die Energiewende und den massiven Ausbau regenerativer Energien. Dazu gehören Windkraft und Photovoltaik. Unsere Biologische Vielfalt dürfen und brauchen wir hier aber nicht zu „opfern“. Wenn wir die 10H-Regel abschaffen, stehen uns genügend Flächen für neue Windräder zur Verfügung und wir können Wälder oder Orte, an denen windkraftsensible Arten ihr Verbreitungszentrum haben, in Ruhe lassen. Für PV-Anlagen müssen selbstverständlich zunächst Dächer, Parkplätze und vielleicht Straßen genutzt werden. PV-Freiflächenanlagen können anstelle von Maismonokulturen sogar zu einer Aufwertung der Biologischen Vielfalt führen. Wiesenbrütergebiete beispielsweise müssen aber tabu sein und Moore dürfen nur in Ausnahmefällen und nur, wenn der Torfkörper durch Wiedervernässung erhalten bleibt, für PV-Anlagen herangezogen werden. Verfolgt man die Berichterstattung in den Medien, so könnte man den Eindruck bekommen, die Ernährung der Weltbevölkerung hänge von der Nutzung der im Rahmen der GAP-Reform ab dem Jahr 2023 festgelegten kümmerlichen vier Prozent Bracheflächen ab. Für kleine bzw. grünlanddominierte Betriebe gilt diese Verpflichtung übrigens ohnehin nicht. Bracheflächen und der durch das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ erstrittene Aufbau eines Biotopverbundes im Offenland in Bayern sind für den Erhalt unserer Biologischen Vielfalt und damit für das Funktionieren unserer Ökosysteme von herausragender Bedeutung. Daran hat auch der russische Angriffskrieg nichts S T A ND P UN K T ist kein Luxus Naturschutz

VOGELSCHUTZ 2|22 11 geändert. Zur Wahrheit gehört vielmehr, dass von den im Schnitt 44 Millionen Tonnen Getreide, die in jedem Jahr in Deutschland geerntet werden, nur 20 Prozent für die Nahrungsmittelproduktion Verwendung finden. Neun Prozent gehen in die Treibstoff- oder Energieerzeugung als sogenannter Biosprit, und der Löwenanteil von knapp 60 Prozent der gesamten Getreideernte wird als Futtermittel vor allem zur Fleischproduktion verwendet. Statt die Minimalforderung von vier Prozent Bracheflächen aufzugeben, sollten wir auf unseren Feldern Lebensmittel statt Biosprit und Tiernahrung erzeugen und selbstverständlich darauf achten, dass nicht ein Sechstel unserer Lebensmittel – jährlich rund 75 Kilogramm pro Einwohner – einfach weggeworfen wird. Wer angesichts derartiger Zahlen eine Schwächung des Natur- und Artenschutzes fordert, zeigt nur, dass ihm dieser noch niemals wichtig war. Wir dürfen nicht zulassen, dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine instrumentalisiert wird, um den Natur- und Artenschutz in Bayern auszuhebeln. Stammtischparolen helfen nicht Zugegeben, die Diskussionen um Energie- und Lebensmittelsicherheit sind komplex. Umso trauriger ist es, wenn diese von einigen Politikern und Politikerinnen auf einfache Parolen reduziert werden. Mit Sätzen wie „Oma Huber ist jetzt wichtiger als der Rotmilan“ und „dass Oma Huber Strom hat und im Warmen sitzt, geht vor dem Schutz eines Vogels“ wird man der Diskussion schlichtweg nicht nur nicht gerecht, diese Aussagen sind ganz einfach falsch, weil es nicht um Entweder-oder, nicht um sich ausschließende Alternativen geht. Es ist wichtiger denn je, ganz genau hinzuhören, wer was sagt, und äußerst vorsichtig zu sein, wenn alte Forderungen mit einer vermeintlich neuen Situation gerechtfertigt werden. Jüngstes Beispiel ist die Stadt Teublitz, die trotz des eindeutigen VGH-Urteils gegen ihr Gewerbegebiet dieses nun weiterplant. In seiner Rede in der öffentlichen Stadtratssitzung begründete der Bürgermeister den neuerlichen Versuch auch mit dem Hinweis auf die „Zeitenwende“ und den Krieg, was eine Neubewertung erfordern würde. Folgen Sie mir auf Twitter unter @N_Schaeffer Dr. Norbert Schäffer Naturschutz so wichtig wie eh und je Natur- und Artenschutz sind kein Luxus, den man sich nur in guten Zeiten leisten kann. Eine intakte Natur ist für uns überlebensnotwendig – und auch eine Quelle von Lebensqualität, ganz besonders in Krisenzeiten. In diesem Zusammenhang möchte ich unserer LBV-Stiftung Bayerisches Naturerbe zum 20-jährigen Jubiläum gratulieren. Durch ihre finanzielle Unterstützung konnten wir beispielsweise Flächen kaufen und somit Rückzugsräume für unsere Natur und Erholungsorte für Menschen erhalten. Stellvertretend für alle Beteiligten möchte ich mich bei Dr. Rüdiger Dietel und Gerhard Koller ganz herzlich für ihr ehrenamtliches Engagement bedanken. Vögel, Schmetterlinge und Wildblumen machen glücklich, das wissen wir. Dies gilt selbstverständlich ebenso für die Natur in unseren Gärten. Auch deswegen sind Gärten für den LBV ein Arbeitsschwerpunkt. Der „Ritterschlag“ im Hinblick auf naturnahe Gärten sind für mich die Zauneidechsen in unserem Garten. Daher freue ich mich außerordentlich über das Titelbild dieser Ausgabe unseres Mitgliedermagazins. Umso trauriger stimmen mich dagegen öde Gärten, die noch lebloser sind als Zuckerrübenfelder und Maisäcker – künstliche Steinwüsten, die das ganze Jahr über unbelebt bleiben. Für die Staren-, Haus- und Feldsperlingskolonien in unserem Garten kann ich mich jeden Tag aufs Neue begeistern. Neben der Stunde der Gartenvögel beteilige ich mich im Mai selbstverständlich auch an „Dawn Chorus“, einem Projekt von BIOTOPIA, das der LBV als Projektpartner unterstützt. Würde mich freuen, wenn ich Sie ebenfalls dafür gewinnen könnte. Ich wünsche nun auch Ihnen, Ihren Angehörigen und Freunden von Herzen, dass Sie durch unsere Vögel ein Stück glücklicher werden! NATURGARTEN I FOTO: ANITA SCHÄFFER

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FOTO: BIRGIT HELBIG NATUROASE VOR DER HAUSTÜR Ein vogelfreundlicher Garten als persönliches Schutzgebiet Lebendige Ökosysteme im eigenen Garten zu schaffen, ist auf vielerlei Weise ganz einfach möglich. Oft genügt es bereits, mehr Vielfalt und ein wenig „Unordnung“ zuzulassen. für sie gibt, können Vögel überleben. Ein Meisenpaar etwa frisst und verfüttert pro Jahr mehrere Kilogramm Insekten und deren Larven! Die meisten Singvögel sind für die Aufzucht der Jungen vor allem auf proteinreiche Insektennahrung angewiesen, selbst wenn sie sich ansonsten vegetarisch ernähren. Insekten und Wirbellose sind aber nicht nur Nahrung, sondern übernehmen beispielsweise die Nutzpflanzenbestäubung oder die Zersetzung toten organischen Materials. Der Regenwurm lockert den Boden auf, die Hummel bestäubt den Obstbaum, die Libelle vertilgt Mücken – so trägt jedes dieser wirbellosen Tiere zum Erhalt des ökologischen Gleichgewichts bei. Die Vermehrung dieser Lebewesen können wir durch einen strukturreichen Garten fördern (siehe Seite 42). Offener Kompost, Wasserangebote und der Verzicht auf künstliche Beleuchtung helfen ihnen ebenfalls. Immer mehr Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer möchten gerne Vögeln, Igeln, Eidechsen, Schmetterlingen, Libellen und anderen Wirbellosen ein Zuhause bieten. Mehr Biodiversität im Garten ist der Gegentrend zu den leblosen, vermeintlich pflegeleichten Schotterwüsten, die sich seit einigen Jahren immer mehr ausbreiten. Um dieses Engagement zu fördern und zu honorieren, zeichnen das Bayerische Artenschutzzentrum (BayAZ) des Landesamts für Umwelt und der LBV mithilfe Hunderter Ehrenamtlicher in ganz Bayern Gärten aus, die auf Vielfalt setzen. Wer Mut zu etwas „Unordnung“ zeigt und Lebensräume schafft, darf als Auszeichnung unsere neue Plakette „Vogelfreundlicher Garten“ an den Zaun oder die Pforte montieren, und kann so vielleicht weitere Menschen zum Umdenken anregen. Ein vogelfreundlicher Garten ist immer auch ein insektenfreundlicher Garten. Nur dort, wo es genügend Nahrung VOGELSCHUTZ 2|22 13

FOTOS: ERICH OBSTER, OLIVER WITTIG, HANS-JOACHIM FÜNFSTÜCK Natürliche Vogelfütterung Eine weitere wichtige Futterquelle für Vögel im Garten sind Beerensträucher. Vor allem heimische Arten wie Schlehe, Berberitze, Felsenbirne, Hartriegel, Weißdorn und Holunder bieten Leckerbissen und sollten in einem naturnahen Garten nicht fehlen. Auch viele Obstsorten schmecken nicht nur uns Menschen gut, wie manche Besitzerinnen und Besitzer aus leidiger Erfahrung wissen. Überlassen wir doch einfach die Früchte weiter oben den Vögeln und Hornissen! Meist ist die Ernte auch so schon reich genug. Noch nicht ganz so bekannt ist die Bedeutung von Samenständen im Garten: Hochstauden wie Distel, Karde, Königskerze und Wilde Möhre sollten erst im Frühjahr zurückgeschnitten werden, da sie imWinter, wenn es ohnehin nur wenig gibt, als natürliches Vogelfutter dienen. Finden die Vögel ganzjährig genug im Garten, sind künstliche Futterstellen nur eine Ergänzung – und vor allem eine gute Gelegenheit zur Vogelbeobachtung. Nisthilfen und Tränke anbieten Vögel fühlen sich in Gärten wohl, die ihnen Deckung bieten. So sind heimische Hecken und Sträucher mit Dornen wie zum Beispiel Wildrosen gleich mehrfach nützlich: Sie bieten Nahrung (Hagebutten), Schutz und Nistmöglichkeiten. Wer Vögel einladen möchte, sollte unterschiedliche Plätze zum Nisten anbieten. Nistmöglichkeiten finden Vögel in natürlichen Strukturen wie Hecken, Sträuchern oder Bäumen, die groß und dicht sind. Neben Hecken sind vor allem BaumALLES FÜR DIE KATZ?! Samenstände bieten körnerfressenden Vögeln wie Stieglitzen wertvolle Nahrung. Viele blühende Kräuter wie der Echte Dost locken zahlreiche Schmetterlinge in unsere Gärten, die hier köstlichen Nektar finden. 14 VOGELSCHUTZ 2|22 Über eine Million Katzen gibt es in Bayern, viele sind Freigänger. Sie streifen durch ihre Nachbarschaft, jagen und töten meist auch Vögel, Eidechsen und Frösche. Wer Vögel liebt, möchte sie vor dieser Gefahr schützen, egal ob es sich um Nachbars Katze oder die eigene handelt. Dichtes Gebüsch und Dornenhecken aus Schlehdorn, Sanddorn, Berberitze sind für Katzen undurchdringbar. Wildrosen- und Brombeerranken können um Baumstämme geschlungen und zum Sichern von Nestern und Nistkästen verwendet werden. Für Bäume eignen sich auch Maschen- und Viehhüterdraht, jedoch kein Stacheldraht! Außerdem gibt es im LBV-Naturshop spezielle Katzenabwehrgürtel für Baumstämme. Nistkästen sollten katzensicher hängen: mindestens zwei Meter über dem Boden, an Seitenästen von Bäumen oder an Fassaden, die Katzen nicht hinaufklettern können. Ist das Dach des Nistkastens glatt und steil, finden Katzen dort keinen Halt. Vor dem Einflugloch erschwert ein Vorbau/Marderschutz den Zugang. Dieser lässt sich auch nachträglich anbringen. Katzen lassen sich durch Wasserspritzer oder Lautäußerungen von den Plätzen vertreiben, an denen sie unerwünscht sind. Die Vogeltränke und Futterstellen sollten sich mindestens 1,5 Meter vom nächsten Gebüsch befinden, damit sich Katzen nicht unbemerkt anschleichen können. TIPPS T H EMA

FOTOS: CAROLA BRIA (2) höhlen begehrt, die aber in den meisten Gärten eher Mangelware sind. Hier können künstliche Nisthilfen helfen, wie sie etwa der LBV-Naturshop anbietet. Dort findet sich für (fast) jede in Hohlräumen brütende Vogelart ein passendes Quartier. Dankbar nehmen die Gefiederten auch Nistmaterial an, das sich in „unaufgeräumten“ Gärten findet: kleine Zweige, Halme, Moos. Ferner kann man Flaumfedern und weiches Material zum Nestauspolstern an Baumzweigen oder sogar an der Wäscheleine drapieren. Gastfreundlich gegenüber Vögeln und Insekten zeigt sich auch, wer vor allem in der heißen Jahreszeit Frischwasser in geeigneten Tränken anbietet. Hier ist besonders auf einen sicheren Ausstieg und gute Zugänglichkeit zu achten, also einen flachen Rand sowie Steine im Behälter. Wichtig ist die tägliche Reinigung. Bewerben Sie sich oder fangen Sie einfach an! Und wieso „Mut zur Unordnung“? Weil Leben natürliche Vielfalt braucht! Wo alles blitzblank, monoton und ordentlich ist, zur Pflegevermeidung abgedeckt oder gar gespritzt wird, wo Pflanzen als Wegwerfware zum saisonalen Dekorieren verwendet werden, statt der Hecke ein Plastikzaun als Sichtschutz dient, wo Kunststoffobjekte natürliche Strukturen ersetzen, dort werden sich nicht viele tierische Gartengäste einfinden. Chemische Mittel wie Unkrautvernichter und gar Insektizide sind tabu, wenn man naturnah gärtnern möchte. Auch der Mähroboter ist der Vielfalt nicht dienlich: Nichts kann blühen, wo er im Einsatz ist. Darüber hinaus gefährden viele Geräte Igel. Auf wenig begangenen Flächen reicht eine ein- bis zweimalige Mahd im Jahr, idealerweise abschnittsweise, sodass sich die dort lebenden Tiere an eine andere Stelle der Wiese zurückziehen können. Ob Wiese, Blühfläche oder Beet: Je vielfältiger das Blütenangebot, je mehr ungefüllte und heimische (Wild-)Blumen, desto mehr Insektenarten können sich einfinden. So bietet die Wiesenschafgarbe Nektar und Pollen für 26 Wildbienenarten, die Zuchtform der Gold-Schafgarbe dagegen nur für drei. Falls Sie jetzt denken, dass Sie bereits viele der genannten Anforderungen erfüllen, dann bewerben Sie sich doch mit Ihrem Garten für unsere Auszeichnung „Vogelfreundlicher Garten“ und zeigen Sie, dass bei Ihnen die Natur willkommen ist! Oder fragen Sie sich gerade eher: „Oh weh, das alles muss ich umsetzen, um vogelfreundlich zu sein?“ Dann können wir Sie beruhigen und Ihnen versichern: Wenn Sie erst einmal damit angefangen haben, wird Ihnen das neue Leben im Garten so viel Freude schenken, dass Sie immer mehr für die tierischen Mitbewohner tun möchten. Suchen Sie sich für den Anfang zwei, drei Projekte heraus, die Ihnen schon bei der Planung und Umsetzung Freude machen (siehe Seite 16). Es dauert gar nicht lange, bis auch Sie einen vogelfreundlichen Garten haben und unsere Plakette beantragen können. Mehr Infos unter: www.vogelfreundlichergarten.de ANKE BRÜCHERT UND CAROLA BRIA Projektteam „Vogelfreundlicher Garten“ E-Mail: garten@lbv.de Eine Steinpyramide im Garten ist schnell gebaut und schafft sicheren Unterschlupf für Insekten und Eidechsen. Mit Totholz lässt sich die Artenvielfalt im Garten ebenfalls erhöhen. Zahlreiche Tiere wie Vögel, Igel, Insekten, aber auch Amphibien und Reptilien können hier Zuflucht suchen und nisten. VOGELSCHUTZ 2|22 15 Meldebogenkarte in der Heftmitte Mitmachen + Gewinnen!

T H EMA LEBENSRÄUME FÜR KLEINE GÄRTEN Einfache Tipps für jede Menge Vielfalt Steinhaufen Steine finden sich fast überall: Wer sie sammelt und zu Pyramiden, kleinen Haufen oder sogar Trockenmauern aufschichtet, bietet vielen Kleinstlebewesen einen Rückzugsraum. Kies Schotter und verschieden gekörnter Kies auf Wegen lassen Wasser durch und dienen zum Abmagern von Standorten. Totholz/alte Wurzelstöcke Wildbienen, Käfer, Amphibien – alle lieben Totholz! Ob alte Äste oder umgedrehte Wurzelstöcke, sie sind ein Muss im naturnahen Garten. Sand Ein Sandarium oder Sandbeet sollte vollsonnig, trocken und vegetationsarm sein, damit es den zahlreichen bodennistenden Wildbienen als Nisthilfe dient. Selbst Ameisenlöwen wurden hier schon nachgewiesen. Wichtig ist, dass der Sand nicht in sich zusammenfällt, deshalb keinen gewaschenen, neuen Spielsand verwenden. 16 VOGELSCHUTZ 2|22

FOTOS: BIRGIT HELBIG, CHRISTIANE GEIDEL, BERNADETTE WIMMER (2), ANITA SCHÄFFER (2), KATHARINA HEUBERGER/WWW.WILDERMETER.DE, CAROLA BRIA Markhaltige Stängel Ranken und Stängel von Him- und Brombeere, Königskerze und Heckenrose nicht entsorgen, sondern aufrecht anbinden als Nisthilfe für Wildbienen. Reisig Ob als Stapel, Haufen oder Bündel – alte Zweige und Äste verschiedener Größen sollten ein oder mehrere Eckchen im naturnahen Garten bekommen. Pflanzenvielfalt Nicht nur im Beet, auch in vielfältigen Pflanzgefäßen können wir über die Auswahl an Pflanzen für die tierischen Besucher entscheiden. Blühende Küchenkräuter wie Rosmarin, Thymian, Lavendel oder Borretsch erfreuen Insekten und Menschen. Spaliere Aus Haselruten, Weiden oder anderen Stecken lassen sich leicht Spaliere selbst herstellen und beranken. Das sieht an der Fassade wie auch in Beeten schön aus. Wer Artenvielfalt im Garten, Innenhof oder auf dem Balkon haben möchte, sollte möglichst vielfältige Strukturen schaffen. Dabei kann auch in der Vertikalen jeder Meter ausgenutzt werden. Acht Praxisbeispiele, die nicht viel Platz brauchen. VON ANKE BRÜCHERT UND CAROLA BRIA Auf der LBV-Webseite finden Sie viele weitere Tipps, wie Sie Ihren Garten vogelfreundlich gestalten können: www.lbv.de/garten VOGELSCHUTZ 2|22 17

FOTO: ANDREAS HARTL I N T E R V I EW Welchen Einfluss haben Katzen auf die Biologische Vielfalt in Gärten? VOGELSCHUTZ: Sind Katzen ein Problem für Gartenvögel? Franz Bairlein: Ja, und dies in zweifacher Hinsicht. Zum einen gehören Kleinvögel zum natürlichen Beutespektrum von Katzen, zum anderen haben freilaufende Katzen eine vertreibende Wirkung auf Gartenvögel. In Deutschland leben derzeit rund 16 Millionen Hauskatzen. Zahlen aus anderen Ländern zeigen, dass sich etwa 70 Prozent der Hauskatzen regelmäßig auch draußen aufhalten und dort jagen. Viele Katzen bringen ihre Beute nach Hause, wodurch sich abschätzen lässt, wie viele Vögel eine Katze im Jahr erbeutet. Nach verschiedenen Studien liegt diese Zahl bei durchschnittlich etwa vier Vögeln je Jahr und Katze. Bei etwa elf Millionen freilaufenden Hauskatzen macht dies etwa 44 Millionen durch freilaufende Hauskatzen getötete Vögel aus. Eine beeindruckende Zahl. Die wirkliche Zahl ist aber gut dreifach höher, also mindestens etwa 132 Millionen, da sich in genaueren Untersuchungen zeigt, dass nur etwa ein Drittel der Beute nach Hause gebracht wird. Zu dieser Zahl kommen noch die von dauerhaft streunenden Katzen erbeuteten Vögel. Ihre Zahl kennen wir nicht, doch jede streunende Katze erbeutet etwa drei- bis viermal mehr Vögel als eine freilaufende Hauskatze. Die meisten Vögel werden zur Brutzeit erbeutet, und dabei besonders Jungvögel. Nach einer Erhebung in Baden-Württemberg entfielen zwei Drittel aller Katzenopfer auf Mai bis Juli, und sie betrafen zu mehr als 80 Prozent Jungvögel. Und der zweite Faktor? Unser Augenmerk liegt meist auf den von Katzen getöteten Vögeln, Prof. Dr. Franz Bairlein ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des LBV. „Schon die Anwesenheit von Katzen kann Gärten vogelärmer machen“ Bei kaum einem anderen Thema kochen die Emotionen so schnell hoch wie beim angespannten Verhältnis zwischen Vogelfreund*innen und Katzenliebhaber*innen. Im Interview spricht der weltweit renommierte Ornithologe Prof. Dr. Franz Bairlein über Zahlen, Fakten und Lösungen zu diesem Konflikt. INTERVIEW: ANITA SCHÄFFER 18 VOGELSCHUTZ 2|22

FOTOS: BIRGIT HELBIG, INGO RITSCHER, RALPH STURM doch haben freilaufende Hauskatzen noch andere Auswirkungen auf Gartenvögel: Allein durch ihre regelmäßige Anwesenheit im Garten vertreiben sie Vögel. In stark von Katzen besuchten Gärten in England war die Vogeldichte um bis zu 95 Prozent niedriger als in Gärten ohne regelmäßigen Katzenbesuch. Zudem war in Gärten mit hohen Katzendichten die Fütterungsrate der Jungvögel um etwa ein Drittel niedriger, mit der Folge, dass die Wachstumsrate der Jungvögel erheblich niedriger war als in katzenfreien Gärten. Auch Futterstellen werden von Vögeln weniger angenommen oder gar verweigert, wenn Katzen in der Nähe sind. Gefährden Katzen unsere Gartenvögel? Die von Katzen erbeutete Anzahl an Vögeln ist durchaus gewaltig, dennoch gefährden sie in der Regel unsere Gartenvögel nicht. Die meisten der von Katzen erbeuteten Vögel gehören zu den sehr häufigen Arten. So waren es in Baden-Württemberg zu etwa ein Viertel aller Vogelarten Amseln, gefolgt von Haussperling und Kohlmeise. Auch in einer englischen Studie waren es mit Haussperling, Rotkehlchen, Heckenbraunelle und Amsel häufige Arten. Insgesamt zeigt sich, dass insbesondere solche Vogelarten Katzenopfer werden, die häufig am Boden bzw. bodenah Nahrung suchen oder brüten. Alles also halb so schlimm? Die Prädation durch Katzen kann allerdings in Einzelfällen schon erheblich sein. So führte die Beraubung von Nestern durch Katzen in einer Untersuchung in England zu einer Verminderung des Fortpflanzungserfolgs bei Haussperling, Heckenbraunelle und Rotkehlchen von bis zu 90 Prozent. Eine generelle Gefährdung sind Katzen für Gartenvögel aber nicht, doch ihre Anwesenheit kann Gärten vogelärmer machen. Welche Möglichkeiten haben Katzenhalter und -halterinnen, um negative Auswirkungen ihrer Katze auf Gartenvögel zu minimieren? Da gibt es eine ganze Reihe. Die effektivste wäre, die Katzen gerade zur Brutzeit im Frühjahr und Sommer nicht oder weniger aus dem Haus zu lassen. Lässt man sie raus, sollte man sie vorher gut und fleischreich füttern. Solche fleischreiche Nahrung reduzierte laut einer Studie in England die Prädation von Vögeln durch Katzen um etwa 30 Prozent. Auch fünf- bis zehnminütiges Spielen mit der Katze vor dem Freigang verringerte die Prädation. Und was ist mit Halsglöckchen? Diese werden oft empfohlen, da sie die Vögel auf die jagende Katze aufmerksam machen und sie veranlassen zu fliehen. Solche Glöckchen haben sich in vielen Untersuchungen als durchaus sehr erfolgreich gezeigt, mit bis zu 50 Prozent geringerem Jagderfolg, doch die Glöckchen können die Katzen selbst stören, vor allem aber erhöhen sie die Vertreibewirkung auf Vögel. Ähnliches gilt auch für andere, dauerhafte akustische Signale. Welche Möglichkeiten gibt es noch? In mehreren Studien sehr bewährt haben sich bunte, für Vögel gut sichtbare Halskrausen und Lätzchen, die den Jagderfolg auf Vögel um bis zu 78 Prozent verringern können. Solche Halskrausen wurden in einer Studie in Australien auch von nahezu 80 Prozent der Katzenbesitzer und -besitzerinnen als für ihre Katzen völlig problemlos gesehen, anders als Glöckchen. Eine zukünftige Möglichkeit dürfte eine Entwicklung ergeben, die derzeit am Max-PlanckInstitut für Verhaltensbiologie geprüft wird. Die Katzen tragen dazu ein Halsband, in dem sich ein Sensor befindet, der erkennt, ob eine Katze in Jagdverhalten geht. Ist dies der Fall, ertönt ein Signal, das den Vogel warnt. Lesen Sie das ganze Interview online auf unserer Webseite unter www.lbv.de/katzen-interview „Katzen zur Brutzeit weniger aus dem Haus lassen“ Mehr als 80 Prozent aller Katzenopfer sind Jungvögel. Vor dem Freigang mit der Katze zu spielen verringert ihren Jagdtrieb. Dornenreiche Hecken bieten Vögeln Schutz bei der Brut. VOGELSCHUTZ 2|22 19

R A T G E B E R All-inclusive, aber ohne Hotel Gartenvielfalt als Hilfe für Wildbienen Seit einigen Jahren tauchen sie in Bau- und Supermärkten auf, sind online in Form von Bastelanleitungen zu finden oder können in vielen verschiedenen Onlineshops bestellt werden: Insektenhotels. Die meisten Wildbienenarten sind aber gar keine Hotelgäste. Die Zweifarbige Schneckenhausbiene nistet in leeren Schneckenhäusern. Die Gemeine Seidenbiene sammelt Pollen nur auf Korbblütlern wie dem Rainfarn. Die Helle Erdhummel trifft man oft an Wicken an. 20 VOGELSCHUTZ 2|22

VOGELSCHUTZ 2|22 21 Wer ein Insektenhotel kauft, muss wissen, dass viele der so bezeichneten Produkte untauglich sind oder nur von wenigen Bienenarten angenommen werden. Denn viele der Hotels bestehen aus ungeeigneten Materialien oder sind unsauber verarbeitet. Wildbienen können deshalb erst gar nicht in ihnen nisten oder nehmen sogar Schaden. Selbst optimal gefertigte Insektenhotels nützen nur einigen wenigen, häufig vorkommenden Arten, wie zum Beispiel der Gehörnten und der Roten Mauerbiene. Ein Allheilmittel gegen das Insektensterben sind die Hotels also nicht. Wichtig zu wissen: Die über 550 in Deutschland heimischen Wildbienenarten haben verschiedenste Nistweisen. So nagen einige Bienen zum Beispiel ihre Nester in markhaltige Stängel, andere nutzen bereits bestehende Hohlräume, wieder andere bauen freistehende Nester oder leben parasitisch von anderenWildbienen, indem sie Eier in deren Nester schmuggeln. Ein paar Arten bauen ihre Nester auch in leeren Schneckenhäusern oder alten Gallen. Die häufigste Nistweise heimischer Wildbienen jedoch ist das Graben von Nestern in den Boden. Dabei haben die verschiedenen Arten ganz unterschiedliche Vorlieben. Einige Bienen bevorzugen sandige Stellen, andere Lehm oder Löss. Auch das Gefälle des Bodens, die Beschattung und wie locker oder fest der Boden ist, spielen eine Rolle. Ummöglichst vielen Wildbienenarten im eigenen Garten einen Lebensraum zu bieten, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Speziell für die bodennistenden Wildbienen kann man im Garten offene, besonnte Bodenflächen schaffen. Nützlich sind auch ein Sandarium oder ein Nisthügel. Diese sollten aus ungewaschenem Sand bestehen. Spielsand ist deshalb ungeeignet. Lehmhaltige Substrate wie Lößlehm sind ebenfalls geeignet, vor allem wenn senkrecht abgegrabene Wände geschaffen werden. Selbst in kleinere Steilstrukturen graben viele Arten ihre Niströhren. Solche Hügel können sehr gut in versiegelten Bereichen aufgeschüttet werden, wie sie häufig in landwirtschaftlichen Hofstellen, Wohnsiedlungen und Gewerbegebieten im Übermaß vorhanden sind und wo sie zum Teil keinerlei Funktion haben. Fels- und Steinstrukturen, wie sie zum Beispiel eine Trockenmauer bietet, werden von einigen Arten ebenfalls zum Nestbau genutzt. Zwischenräume und Fugen sollten dabei zum Teil mit Lehm verfüllt werden, ein Teil aber auch für Zauneidechsen usw. offen bleiben. Andere Wildbienen nisten gerne in aufrechten, markhaltigen Stängeln, zum Beispiel von Brombeeren oder Königskerzen. Diese sollten so abgeschnitten oder abgebrochen werden, dass das weiche Mark sichtbar ist, denn die meisten Arten sind nicht in der Lage, sich durch die äußere Stängelwand zu beißen. Solche Pflanzenteile müssen über mehrere Jahre erhalten bleiben, da sie erst im abgestorbenen Zustand genutzt werden und die Brut eine weitere Saison braucht, um sich erfolgreich zu entwickeln. Die richtigen Blumen sind entscheidend Doch Nistmöglichkeiten allein locken noch keine Wildbienen in den Garten. Es müssen auch immer ausreichend und passende Nahrungspflanzen vorhanden sein, mit denen sich die Insekten selbst und ihre Nachkommen versorgen können. Ausgewachsene Tiere trinken Nektar, um ihren eigenen Energiebedarf zu decken, und sammeln Pollen als Proviant für ihre Brut. Dabei ist knapp die Hälfte der mitteleuropäischen Wildbienenarten auf ganz bestimmte Pflanzengattungen oder -familien als Pollenquelle angewiesen. Die stark gefährdete Knautien-Sandbiene beispielsweise sammelt nur den Pollen der Acker-Witwenblume und der Tauben-Skabiose. Im eigenen Garten sollte man daher auf ein vielfältiges Angebot an heimischen Blühpflanzen achten, das vom Frühjahr bis in den Herbst Nahrung bietet. Besonders gut geeignet sind Weiden, Stein- und Kernobst, Glockenblumen, Natternkopf, Fingerkraut, Möhre, Kerbel oder Mannstreu. Auch Korbblütler wie Färberkamille oder Ringelblume werden gerne angenommen. Weiterhin sind Schmetterlingsblütler wie Zaunwicke, Hornklee oder Saat-Esparsette, Kreuzblütler wie Barbarakraut und Schöterich sowie Lippenblütler wie Salbei, verschiedene Ziest- oder Thymian-Arten wichtige Nahrungspflanzen. Wer also vielen Wildbienenarten und anderen Insekten helfen möchte, sollte einen strukturreichen, naturnahen Garten anlegen, der die eine oder andere wilde Ecke enthält und möglichst bunt und vielfältig blüht. Insektenhotels spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle und sind eher für die Beobachtung des Bienenlebens und für Lehrzwecke geeignet, aber vor allem für Kinder faszinierend. FOTOS: DR. MATHIAS LOHR, TARJA RICHTER (2) „Die meisten Wildbienen nisten im Boden“ TARJA RICHTER Biologin, Projektmanagerin Biodiversität Agrarlandschaft E-Mail: tarja.richter@lbv.de

22 VOGELSCHUTZ 2|22 P O L I T I K Dass der Einsatz von Gift nichts mit ökologischem Gärtnern zu tun hat, ist vielen eigentlich klar. Dennoch sind die scheinbar hilfreichen Chemiecocktails im Baumarkt und Gartencenter um die Ecke für alle erhältlich. Und wer beim Einkauf der Blumenerde nicht genau hinschaut, erwirbt mit großer Wahrscheinlichkeit ein Produkt, das man ohne weiteres als Klimakiller bezeichnen kann. Klimakiller Torf: Zerstörung wertvoller Ökosysteme In vielen Blumenerden steckt Torf. Ein fossiler Rohstoff, der aus trockengelegten und durch Abbau zerstörten Mooren gewonnen wird. Dabei sind intakte Moore riesige Kohlenstoffspeicher. Als natürliche Klimaschützer bewahren sie uns vor Unmengen an Treibhausgasemissionen. Ihre Rolle im Klimawandel wird in der breiten Öffentlichkeit noch nicht wahrgenommen. Dass das ein Fehler ist, illustriert das Bundesamt für Naturschutz mit eindrucksvollen Zahlen: Es ist davon auszugehen, dass Moore in Deutschland wohl genauso viel Kohlenstoff speichern wie Wälder – obwohl gerade einmal rund vier Prozent der deutschen Landesfläche Moore sind, während Wälder etwa 30 Prozent ausmachen. Wer das Klima schützen will, muss also Moore schützen bzw. wiedervernässen. Denn die übergroße Mehrzahl der Moore in Deutschland wurde in der Vergangenheit entwäsTeils bewusst, teils unbewusst richten wir in unseren Gärten durch unsere Tätigkeiten oft großen Schaden an, selbst wenn immer mehr Menschen eigentlich versuchen, dort etwas für die Artenvielfalt zu tun. Hier ist auch ein Handeln der Politik dringend erforderlich. sert, zum Beispiel für den Ackerbau. Trockengelegte Moore werden so von einem Kohlenstoffspeicher zu einer Kohlenstoffquelle, der Klimaschützer wird zum Klimatreiber. Wertvolle Lebensräume für viele seltene, spezialisierte Pflanzen- und Tierarten gehen dabei außerdem verloren. Torfabbau geschieht heute vermehrt in Osteuropa. Dieser Torf landet auch in unserer Blumenerde. Der LBV macht sich deshalb für ein Verbot von Torf stark. Pestizide: Gift in Hobby-Hand Der massenhafte Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ist eine Ursache für das Insektensterben. In Privatgärten wird Gift von nicht fachkundigen Gärtnerinnen und Gärtnern eingesetzt. Zwar sind die Produkte mit Hinweisen versehen, wie „schädlich für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung“ und unzulässige Verwendungen wie das Ausbringen auf Bürgersteigen oder Hauseinfahrten können als Ordnungswidrigkeit bestraft werden, die sichere Verwendung garantiert das aber nicht. Der LBV fordert auch deshalb ein Verbot chemischer Pflanzenschutzmittel für den privaten Bereich. Die Hängepartie beim auf einen Minimalkonsens zusammengeschrumpften Insektenschutzgesetz zeigt, dass die neue Bundesregierung deutlich stärkere Anstrengungen bei diesem Thema leisten muss. Umweltzerstörung im Garten Wann kommt das Aus für Pestizide und Torf?

VOGELSCHUTZ 2|22 23 FOTOS: PIXAVRIL - STOCK.ADOBE.COM, RALF - STOCK.ADOBE.COM, PETER BRIA Start der neuen Bundesregierung Die Ampel-Regierung hat die Zuständigkeiten im Umwelt- und Naturschutz neu geordnet. Das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck trägt den Klimaschutz im Namen. Die neue Umweltministerin Steffi Lemke bleibt verantwortlich für den „natürlichen Klimaschutz“ – also zum Beispiel den Moorschutz. In ihrer ersten Rede im Bundestag hob die Ministerin die Artenkrise als zweite große Krise neben dem Klimawandel hervor. Die Ziele des Moorschutzes und der Reduzierung von Pestizideinträgen benannte sie ganz konkret. Sie kündigte ein „Zeitalter der Renaturierung“ an. Die neue Regierung muss nun beweisen, dass es ihr mit substanziellen Fortschritten im Naturschutz ernst ist. Im Koalitionsvertrag angekündigt ist ein „Ausstiegsplan für Torfabbau und -verwendung“. Auch die Reduzierung von Pestiziden ist angekündigt. Das Versprechen, Glyphosat, das zu einer Art Symbol für den Pestizideinsatz geworden ist, bis Ende 2023 vom Markt zu nehmen, darf dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Problem viel größer ist. Bis dahin … Bis dahin kann jede und jeder im wahrsten Sinne des Wortes vor und hinter der Haustür im eigenen Garten anfangen. Verbannen Sie Pestizide aus dem Garten – auch aus dem Schrebergarten – und achten Sie beim Einkauf von Blumenerde auf die Bezeichnung „torffrei“ und nicht etwa „torfreduziert“. Das Volksbegehren Artenvielfalt hat viele Gewinne für die Natur in Bayern gebracht. Von Landwirtinnen und Landwirten wird von Politik und Gesellschaft viel gefordert. Das naturgerechte Arbeiten im eigenen Garten sollte daher umso mehr eine Selbstverständlichkeit für uns alle sein. ROMAN SPIES Persönlicher Referent des Vorsitzenden E-Mail: roman.spies@lbv.de Bei mir kommt nur torffreie Erde in den Garten. Torfabbau zerstört Moore und vernichtet wertvolle Lebensräume spezialisierter Tiere und Pflanzen. Pestizideinsatz gehört nicht zum naturverträglichen Gärtnern.

24 VOGELSCHUTZ 2|22 FOTO: STYLEFOTO24 - STOCK.ADOBE.COM A U S D EM L B V Die Lage Mitte Februar war knifflig. Während sich die Omikron-Welle immer höher und höher auftürmte und neue Varianten auftraten, standen wir gleichzeitig am letztmöglichen Entscheidungszeitpunkt: Führen wir die LBV-Sammelwoche durch? Oder verzichten wir auf mehr als 500.000 Euro und damit auf die Möglichkeit, wertvolle Biotope anzukaufen und den Schutz von Bartgeier, Igel und Wiedehopf voranzubringen? Doch wie schon 2020 und 2021 haben wir auch in diesem Jahr weitreichende Konsequenzen gezogen: Wir haben die LBV-Sammelwoche abgesagt. Denn wir wollen durch unsere Aktivitäten keinesfalls zu einer Verbreitung des CoronaVirus beitragen und eine Verschiebung in den Sommer ist aufgrund unserer Absprachen mit anderen sammelnden Organisationen nicht möglich. Normalerweise wären bei der LBV-Sammelwoche Ende März circa 30.000 Sammler und Sammlerinnen jeden Alters im gesamten Freistaat mit Sammellisten und -dosen für Bayerns Natur unterSchwere Entscheidung Um nicht zur Ausbreitung des Corona-Virus beizutragen, hat der LBV die beliebte Sammelwoche abgesagt – und verzichtet damit auf 500.000 Euro. Corona stoppt beliebte Schulaktion wegs gewesen. Mit der Absage dieser jährlichen, schon seit Jahrzehnten stattfindenden Spendenaktion wollten wir jedoch unserer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und die Sammlerinnen und Sammler sowie Spenderinnen und Spender vor Ansteckung schützen. Für einen Verein, der auf Spenden angewiesen ist, ist das jedoch ein herber Verlust. Uns fehlt deshalb mindestens eine halbe Million Euro, Einnahmen, aus denen wir normalerweise wichtige lokale Naturschutzmaßnahmen vor Ort in den Landkreisen finanzieren. Ehrenamtlich Aktive können heuer weniger wertvolle Biotopflächen ankaufen und gefährdete Arten schützen, darunter Schleiereule, Fledermäuse und Feldvögel wie Rebhuhn oder Kiebitz. Außerdem wird die Pflege bedrohter Lebensräume wie Moore, Feuchtgebiete und Streuobstwiesen deutlich schwieriger. Nach aktuellem Stand werden wir viele dieser lokalen Schutzmaßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt nicht wie geplant umsetzen können. Bayerns Natur wird unter dem Ausfall unserer Sammelwoche leiden. Der Naturschutz ist daher mehr denn je auf Sie angewiesen. Bitte unterstützen Sie Bayerns Natur in dieser schwierigen Zeit! Gemeinsam können wir auch diese Krise meistern. ALF PILLE

VOGELSCHUTZ 2|22 25 FOTOS: ROMINA KNAUER , STORCHENBRÄU A U S D EM L B V Über 20 Jahre erfolgreiches Sponsoring durch Storchenbräu Artenschutz zum Anhören Während einer Autofahrt, beim Kochen oder zum Entspannen – Podcasts sind für immer mehr Menschen ein ständiger Begleiter im Alltag. Die Pandemie hat das Interesse an diesem Format weiter verstärkt, mit dem jede und jeder sich informieren, inspirieren und unterhalten lassen kann. Seit über einem Jahr veröffentlicht der LBV in seinem Podcast Ausgeflogen jeden ersten Donnerstag im Monat eine neue Folge. In jeder Episode sind die Zuhörer mit Podcast-Moderatorin Stefanie Bernhardt unterwegs durch Bayern und treffen zahlreiche LBV-Aktive sowie Expertinnen und Experten in Sachen Artenschutz, Umweltbildung und ehrenamtliches Engagement. Soginges imersten Jahr zumBeispiel mit Bastian Forkel und Urs Leuthäusser aus der LBV-Kreisgruppe Coburg zum Goldbergsee, um über Naturfotografie zu sprechen. Magdalena Buckreus gab spannende Einblicke in ihre langjährige Arbeit an der LBV-Umweltstation Rothsee. Und Janina Klug erklärte, warum das Braunkehlchen schützenswert ist, und wie sie ihr Privatleben nachhaltiger LBV-Podcast Ausgeflogen feiert Einjähriges Als in den Achtzigern im ehemals storchenreichen Pfaffenhausen im Unterallgäu die Störche verschwanden, gründete der Lehrer Roland Krieger eine neue LBV-Ortsgruppe, um diesen Trend zu stoppen. Neue Horste wurden errichtet, Flächen erworben und 1991 kehrten die Vögel zurück. 1999 bat Roland Krieger die Familie Roth, Besitzer der in Pfaffenhausen seit Generationen ansässigen Storchenbräu Hans Roth GmbH und Co. KG, um finanzielle Unterstützung für die LBV-Projekte. Eigentümer Hans Roth war sofort dabei und entwickelte mit seinem Sohn eigens ein neues Bier, das Störchle, das im selben Jahr in einer 0,33 Liter-Flasche mit langem „Storchenhals“ auf den Markt kam. Pro verkaufter Flasche gehen seither 1 Cent (früher 1 Pfennig) an das lokale LBV-Storchenprojekt. Zwei Jahre später kam mit dem SchwarzStörchle ein dunkles Bier, ebenfalls in der Longneck-Flasche, hinzu. Bis heute sind durch denBierverkauf über 71.000 Euro zusammengekommen. Davon wurden Flächen erworben, Pflegemaßnahmen finanziert und Horste gewartet. Im Jahr 2021 konnten die LBV-Aktiven die Rekordzahl von knapp 20 Storchenpaaren in Pfaffenhausen verkünden. Parallel dazu werden nun gestaltet. Die weiteste Reise für eine Podcast-Folge ging nach Berchtesgaden. Biologe Toni Wegscheider berichtete am Tag nach der Wiederansiedlung zweier Bartgeier im Klausbachtal, wie dieser historische Moment verlaufen ist und wie es mit den Geierdamen Wally und Bavaria weitergehen wird. In jeder neuen Folge erfahren die Zuhörer, wie viel Faszination, Einsatz, Leidenschaft und Herzblut im Engagement der Menschen im LBV steckt. Innerhalb einer halben Stunde lernen sie faszinierende Menschen kennen, erhalten spannende Fakten zum Naturschutz und können sich von den Gästen anstecken lassen, selbst aktiv zu werden. Der LBV-Podcast Ausgeflogen ist bei allen bekannten Podcast-Anbietern und auf der LBV-Webseite kostenlos zu hören. Der LBV-Podcast, der im ersten Jahr vom Bayerischen Naturschutzfonds aus Mitteln der GlücksSpirale gefördert wurde, wird nun fortgesetzt. Denn die Geschichten der Aktiven aus dem Naturschutz in Bayern sind noch lange nicht auserzählt. STEFANIE BERNHARDT auch Gelder für den SchwarzstorchSchutz vor Ort eingesetzt. Über 20 Jahre alt ist die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Storchenbräu und dem LBV. Da Hans Roth sen. leider 2019 verstarb, wurde das Jubiläum damals nur in kleinem Rahmen gefeiert. Pfaffenhausen ist heute auch Station auf dem 2020 eröffneten Storchenradweg im Unterallgäu. Die vielen besetzten Nester erzählen den Besuchern und Besucherinnen die Erfolgsgeschichte zwischen Unternehmen und Naturschutz. Der LBV freut sich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit der Brauerei Storchenbräu und dankt herzlich für ihren Einsatz. DR. LENA HEUSS Stefanie Bernhardt kurz vor der Podcast-Aufnahme in der LBV-Landesgeschäftsstelle.

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