VOGELSCHUTZ 2-22

VOGELSCHUTZ 2|22 21 Wer ein Insektenhotel kauft, muss wissen, dass viele der so bezeichneten Produkte untauglich sind oder nur von wenigen Bienenarten angenommen werden. Denn viele der Hotels bestehen aus ungeeigneten Materialien oder sind unsauber verarbeitet. Wildbienen können deshalb erst gar nicht in ihnen nisten oder nehmen sogar Schaden. Selbst optimal gefertigte Insektenhotels nützen nur einigen wenigen, häufig vorkommenden Arten, wie zum Beispiel der Gehörnten und der Roten Mauerbiene. Ein Allheilmittel gegen das Insektensterben sind die Hotels also nicht. Wichtig zu wissen: Die über 550 in Deutschland heimischen Wildbienenarten haben verschiedenste Nistweisen. So nagen einige Bienen zum Beispiel ihre Nester in markhaltige Stängel, andere nutzen bereits bestehende Hohlräume, wieder andere bauen freistehende Nester oder leben parasitisch von anderenWildbienen, indem sie Eier in deren Nester schmuggeln. Ein paar Arten bauen ihre Nester auch in leeren Schneckenhäusern oder alten Gallen. Die häufigste Nistweise heimischer Wildbienen jedoch ist das Graben von Nestern in den Boden. Dabei haben die verschiedenen Arten ganz unterschiedliche Vorlieben. Einige Bienen bevorzugen sandige Stellen, andere Lehm oder Löss. Auch das Gefälle des Bodens, die Beschattung und wie locker oder fest der Boden ist, spielen eine Rolle. Ummöglichst vielen Wildbienenarten im eigenen Garten einen Lebensraum zu bieten, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Speziell für die bodennistenden Wildbienen kann man im Garten offene, besonnte Bodenflächen schaffen. Nützlich sind auch ein Sandarium oder ein Nisthügel. Diese sollten aus ungewaschenem Sand bestehen. Spielsand ist deshalb ungeeignet. Lehmhaltige Substrate wie Lößlehm sind ebenfalls geeignet, vor allem wenn senkrecht abgegrabene Wände geschaffen werden. Selbst in kleinere Steilstrukturen graben viele Arten ihre Niströhren. Solche Hügel können sehr gut in versiegelten Bereichen aufgeschüttet werden, wie sie häufig in landwirtschaftlichen Hofstellen, Wohnsiedlungen und Gewerbegebieten im Übermaß vorhanden sind und wo sie zum Teil keinerlei Funktion haben. Fels- und Steinstrukturen, wie sie zum Beispiel eine Trockenmauer bietet, werden von einigen Arten ebenfalls zum Nestbau genutzt. Zwischenräume und Fugen sollten dabei zum Teil mit Lehm verfüllt werden, ein Teil aber auch für Zauneidechsen usw. offen bleiben. Andere Wildbienen nisten gerne in aufrechten, markhaltigen Stängeln, zum Beispiel von Brombeeren oder Königskerzen. Diese sollten so abgeschnitten oder abgebrochen werden, dass das weiche Mark sichtbar ist, denn die meisten Arten sind nicht in der Lage, sich durch die äußere Stängelwand zu beißen. Solche Pflanzenteile müssen über mehrere Jahre erhalten bleiben, da sie erst im abgestorbenen Zustand genutzt werden und die Brut eine weitere Saison braucht, um sich erfolgreich zu entwickeln. Die richtigen Blumen sind entscheidend Doch Nistmöglichkeiten allein locken noch keine Wildbienen in den Garten. Es müssen auch immer ausreichend und passende Nahrungspflanzen vorhanden sein, mit denen sich die Insekten selbst und ihre Nachkommen versorgen können. Ausgewachsene Tiere trinken Nektar, um ihren eigenen Energiebedarf zu decken, und sammeln Pollen als Proviant für ihre Brut. Dabei ist knapp die Hälfte der mitteleuropäischen Wildbienenarten auf ganz bestimmte Pflanzengattungen oder -familien als Pollenquelle angewiesen. Die stark gefährdete Knautien-Sandbiene beispielsweise sammelt nur den Pollen der Acker-Witwenblume und der Tauben-Skabiose. Im eigenen Garten sollte man daher auf ein vielfältiges Angebot an heimischen Blühpflanzen achten, das vom Frühjahr bis in den Herbst Nahrung bietet. Besonders gut geeignet sind Weiden, Stein- und Kernobst, Glockenblumen, Natternkopf, Fingerkraut, Möhre, Kerbel oder Mannstreu. Auch Korbblütler wie Färberkamille oder Ringelblume werden gerne angenommen. Weiterhin sind Schmetterlingsblütler wie Zaunwicke, Hornklee oder Saat-Esparsette, Kreuzblütler wie Barbarakraut und Schöterich sowie Lippenblütler wie Salbei, verschiedene Ziest- oder Thymian-Arten wichtige Nahrungspflanzen. Wer also vielen Wildbienenarten und anderen Insekten helfen möchte, sollte einen strukturreichen, naturnahen Garten anlegen, der die eine oder andere wilde Ecke enthält und möglichst bunt und vielfältig blüht. Insektenhotels spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle und sind eher für die Beobachtung des Bienenlebens und für Lehrzwecke geeignet, aber vor allem für Kinder faszinierend. FOTOS: DR. MATHIAS LOHR, TARJA RICHTER (2) „Die meisten Wildbienen nisten im Boden“ TARJA RICHTER Biologin, Projektmanagerin Biodiversität Agrarlandschaft E-Mail: tarja.richter@lbv.de

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