VOGELSCHUTZ 2-22

10 VOGELSCHUTZ 2|22 T H EMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlene Angriffskrieg des russischen Militärs auf die Ukraine macht uns alle fassungslos. Die Bilder und Berichte aus der Ukraine sind kaum zu ertragen. Unendliches Leid, Verwüstung und Tod. Beeindruckend ist die Welle der Hilfsbereitschaft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine, gerade auch in Deutschland. Viele unserer Ehrenamtlichen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen engagieren sich hier direkt im Rahmen verschiedener Initiativen. Als LBV haben wir angeboten, Naturschützerinnen und Naturschützer aus der Ukraine zu unterstützen und ihnen gegebenenfalls dabei zu helfen, eine neue Existenz aufzubauen. Hilfe bedeutet hier Solidarität und Perspektive über viele Monate oder sogar Jahre. Naturschutzverband APB/BirdLife Belarus liquidiert Während in der Ukraine ein brutaler Krieg tobt, gerät die Zivilgesellschaft im Nachbarland Belarus immer mehr unter Druck. Ich habe in den vergangenen 25 Jahren, zunächst für meinen früheren Arbeitgeber, die britische Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), in Belarus den Verband APB/BirdLife Belarus maßgeblich mit aufgebaut. APB galt im Netzwerk von BirdLife International als Musterbeispiel für einen professionellen und erfolgreichen Natur- und Vogelschutzverband. Die Liste der Erfolge von APB ist wahrlich beeindruckend und reicht von der Wiedervernässung zehntausender Hektar trockengelegter Nieder- und Hochmoore über die Grundlagenarbeit für die Ausweisung von riesigen Schutzgebieten bis hin zu Aktionen wie Vogel des Jahres, umfangreichen Forschungsarbeiten sowie intensiver Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Nachdem sich die ursprünglich bei der Unterstützung von APB federführende RSPB weitgehend aus Belarus zurückgezogen hatte, übernahm der LBV, mit Geldern der Umweltstiftung Michael Otto, die Unterstützung von APB. Aufgrund der angeblichen Unterstützung der Opposition sitzt ein früherer APB-Geschäftsführer seit vergangenem August im Gefängnis. Zum 18. April 2022 wurde die Liquidierung von APB – aufgrund des Vorwurfs extremistischer Tätigkeiten – angeordnet. Ein absolutes Desaster für den Natur- und Artenschutz in Belarus. Wie nur kann man so einen Verband verbieten? Putins Krieg – und eine Rolle rückwärts im Naturschutz Putins Krieg hat in vielen Bereichen unser Leben verändert. Das Wort „Zeitenwende“ macht die Runde. Wir wollen, vollkommen nachvollziehbar, von Gas, Öl und Kohle aus Russland unabhängig werden und selbstverständlich die Lebensmittelversorgung auch bei einem Ausfall der landwirtschaftlichen Produktion in der Ukraine sicherstellen. Auch der LBV will, übrigens nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine, die Energiewende und den massiven Ausbau regenerativer Energien. Dazu gehören Windkraft und Photovoltaik. Unsere Biologische Vielfalt dürfen und brauchen wir hier aber nicht zu „opfern“. Wenn wir die 10H-Regel abschaffen, stehen uns genügend Flächen für neue Windräder zur Verfügung und wir können Wälder oder Orte, an denen windkraftsensible Arten ihr Verbreitungszentrum haben, in Ruhe lassen. Für PV-Anlagen müssen selbstverständlich zunächst Dächer, Parkplätze und vielleicht Straßen genutzt werden. PV-Freiflächenanlagen können anstelle von Maismonokulturen sogar zu einer Aufwertung der Biologischen Vielfalt führen. Wiesenbrütergebiete beispielsweise müssen aber tabu sein und Moore dürfen nur in Ausnahmefällen und nur, wenn der Torfkörper durch Wiedervernässung erhalten bleibt, für PV-Anlagen herangezogen werden. Verfolgt man die Berichterstattung in den Medien, so könnte man den Eindruck bekommen, die Ernährung der Weltbevölkerung hänge von der Nutzung der im Rahmen der GAP-Reform ab dem Jahr 2023 festgelegten kümmerlichen vier Prozent Bracheflächen ab. Für kleine bzw. grünlanddominierte Betriebe gilt diese Verpflichtung übrigens ohnehin nicht. Bracheflächen und der durch das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ erstrittene Aufbau eines Biotopverbundes im Offenland in Bayern sind für den Erhalt unserer Biologischen Vielfalt und damit für das Funktionieren unserer Ökosysteme von herausragender Bedeutung. Daran hat auch der russische Angriffskrieg nichts S T A ND P UN K T ist kein Luxus Naturschutz

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