Von Bavaria bis Wiggerl - Ein ausführlicher Report über die vergangenen Monate im Leben unserer ausgewilderten Jungvögel

Mit zahlreichen Bildern, interessanten Fluginformationen und erfreulichen Begegnungen

Seit dem letzten Statusbericht über unsere sieben ausgewilderten Bartgeier ist schon einige Zeit vergangen, weshalb wir nun einen ausführlichen Überblick über die Entwicklungen der vergangenen Monate geben wollen.

Karte mit allen Vögeln
Ein relativ aktuelles Bild mit allen in Berchtesgaden ausgewilderten Bartgeiern (und dazu noch Fortuna aus den Hohen Tauern)

Bavaria - Stetiger Aufenthalt am Südostrand der Berchtesgadener Alpen

Bavaria
Das Bild von Bavaria aus dem vergangenen Oktober 2024 zeigt das auffällige, unregelmäßige Flugbild eines immaturen Bartgeiers. Einige alte Armschwungfedern stehen noch spitz hervor, die ersten Handschwungfedern sind bereits gemausert.

Bavaria wird im März bereits ihr 5. Lebensjahr erreichen und sie scheint es sich dauerhaft am Südostrand der Berchtesgadener Alpen eingerichtet zu haben.

Nachdem sie den vergangenen Winter im benachbarten Tennengebirge verbrachte, wechselte sie im Mai 2024 ins gegenüberliegende Blühnbachtal – und ist ihrer neuen Residenz seitdem ziemlich treu geblieben.

Das tief eingeschnittene Tal grenzt im Norden an das Hagengebirge, im Westen ans Steinerne Meer und im Süden an den Hochkönigstock. Die Lage bringt eine gewisse Abgeschiedenheit und schwere Erreichbarkeit mit sich.

Vor einigen Monaten lag ihr Aufenthaltsschwerpunkt innerhalb des Tals überwiegend in den Südabstürzen des Hagengebirges, in den vergangenen Wochen befliegt sie auch häufiger die südliche Begrenzung, die Nordflanken des Hochkönigstocks.
Gelegentliche Abstecher, z.B. nach Nordwesten über das Nationalparkgebiet, wo sie im Oktober in der Röth fotografiert werden konnte oder in Richtung Süd-Südosten, als sie Ende November und auch aktuell wieder Anfang Februar schon bis an den Nordrand des Gasteiner Tals in den Hohen Tauern flog, bleiben die Ausnahme und es erfolgt meist recht zügig die Rückkehr ins heimische „Revier“. Es scheint, als ob sie in ihrem Territorium nun sesshaft geworden ist. Daher ist zu erwarten, dass sie die besagte Region weiterhin als reviertreuer Vogel befliegt und in den nächsten ein bis zwei Jahren erste Verpaarungsversuche mit durchziehenden männlichen Bartgeiern unternimmt.

Bavaria - Häufige, aber nicht immer willkommene Besuche

Nepomuk und Bavaria auf einer Karte |© IBM © IBM
Mehrmals kam es zu Begegnungen in Bavarias Region, so wie hier Ende Januar.

Wiggerl und Vinzenz, die beide zeitweise im Blühnbachtal geflogen sind, hat Bavaria allerdings teils klar gemieden, was anhand der Satellitendaten gut nachvollzogen werden konnte.

Auch Nepomuk, der seit dem Spätsommer immer wieder mal in der Auswilderungsregion und dem Umfeld unterwegs war, ging Bavaria anfangs sichtlich aus dem Weg oder sie ihm. Inzwischen hat sich das aber erfreulicherweise zumindest teilweise geändert. Nepomuk, der schon seit dem 10.12.2024 wiederholt im Nationalpark Berchtesgaden und Umgebung herumfliegt, zieht es immer wieder zu Bavaria ins Blühnbachtal und seit Mitte Dezember veränderte sich auch allmählich ihr Verhalten ihm gegenüber.

Sie vermied zwar Anfangs immer noch den direkten Kontakt, jedoch schien sie ihn immerhin zeitweise im Talbereich zu tolerieren. Es zeigte sich dann auch vereinzelt, dass die beiden Zeit und Aufenthaltsorte miteinander teilen – so wie z.B. am 16. Dezember. Waren die Schlafplätze noch getrennt, verbrachten beide vom Morgen an den gesamten Vormittag bis frühen Nachmittag in einem nur wenige ha großen Bereich und hatten mutmaßlich dort in diesem Zeitraum auch Kontakt miteinander. Dies wiederholte sich noch zweimal bis Ende Januar. Andererseits schien es auch häufig so, dass sie seine Gegenwart mied und zeitweise wegen ihm aus dem Zentralbereich ihres Tales aufbrach.

Vor kurzem hat Nepomuk unsere Region wieder verlassen und ist zu einem seiner häufigeren vorherigen Aufenthaltsorte, der Region des Nationalparks Stilfserjoch geflogen (siehe Abschnitt Nepomuk).

Natürlich sind das aktuell nur Momentaufnahmen. Das Projektteam ist in jedem Fall sehr gespannt, was die Zeit noch bringt und wie die Entwicklung bei Bavaria weitergeht.

Wiggerl - Überflieger mit Fokus auf die östlichen Hohen Tauern

Summe Flugzeit in den ersten 30 Tagen |© David Schuhwerk, LBV © David Schuhwerk, LBV
Das Diagramm zeigt die Summe der Flugzeiten in den ersten 30 Tagen nach dem Erstflug. Wiggerl weist im Vergleich zu den anderen Werten eine extrem überdurchschnittliche Gesamtzeit auf.

Der Ende Mai ausgewilderte Wiggerl zeigte zusammen mit dem gleichzeitig freigelassenen Artgenossen Vinzenz nach seinem Erstflug eine anfangs grundsätzlich arttypische Flugentwicklung. Schnell fielen allerdings die im Vergleich mit den anderen in Berchtesgaden ausgewilderten Jungvögeln überdurchschnittlichen Flugfähigkeiten auf. Bei einer Analyse der ersten 30 Tage nach dem Erstflug (Eine ausführliche Untersuchung dazu folgt demnächst hier auf dem Blog) zeigte Wiggerl mit einer Gesamtflugzeit von mehr als 15 Stunden eine außerordentlich hohe Leistung. (Bild Diagramm).

Im Durchschnitt flogen die Jungvögel achteinhalb Stunden. Auch die maximale Länge der ersten Flüge weist im Vergleich zu den anderen ausgewilderten Junggeiern überdurchschnittlich hohe Werte auf. Daher erkundete er innerhalb weniger Wochen das Auswilderungsgebiet der Halsgrube sowie die umliegenden Gebirgsstöcke im und nahe dem Nationalpark Berchtesgaden.

Wiggerl - Reduzierte Entwicklung nach spätsommerlichem Wintereinbruch

Wiggerl auf der Fotofalle  |© NPV/LBV © NPV/LBV
Der Schnee gab die eingeschneiten Fotofallen nur langsam wieder preis und sorge für interessante Kamerawinkel.

Mitte September erfolgte jedoch ein schwerer Wintereinbruch mit ungewöhnlich großen Schneemengen bis auf ca. 1000 m Seehöhe hinab. Wiggerl war zusammen mit Vinzenz im Bereich des Großen Hundstods im Steinernen Meer regelrecht eingeschneit und konnte erst nach etwa einer Woche unter weiterhin schwierigen Flugbedingungen den relativ kurzen Weg zurück in sein vertrautes Gebiet in der Halsgrube mit ihren Futterplätzen zurücklegen. In den folgenden Wochen war das Verhalten beider Geier stark verändert. Beide hielten sich fast ausschließlich im engsten Umfeld der Halsgrube auf und unternahmen kaum noch Vorstöße in die weitere Umgebung – sehr ungewöhnlich bei den eigentlich bereits stark entwickelten Flugfähigkeiten der Vögel. Offenkundig hatte die Zeit von Entbehrung und Orientierungslosigkeit während der schweren Schneefälle den Ablösungsprozess aus dem Auswilderungsgebiet deutlich zurückgeworfen. Nur langsam wurden erneut wieder die zuvor bereits routiniert beflogenen Bergregionen wie etwa das Hochköniggebiet im Südosten des Nationalparks beflogen (Wir berichteten an dieser Stelle bereits über das Ereignis).

 

 

Wiggerl - Später Aufbruch

Wiggerl in den Hohen Tauern
Wiggerl im Dezember 2024 im Nationalpark Hohe Tauern, wo er sich bereits bestens eingelebt hat.

Dementsprechend erfolgte letztlich erst am 20. November das bis dato endgültige Verlassen der Auswilderungsregion Richtung Osten und Süden, wo sich Wiggerl nach kurzen Aufenthalten bei Bavaria im Blühnbachtal (unter nach Auswertung der GPS-Daten wohl gegenseitiger Meidung) über das Tennengebirge nach Süden in den Nationalpark Hohe Tauern und die österreichischen Nockberge bewegte.

In den Hohen Tauern liegen seine Schwerpunkte hauptsächlich im östlichen Teil. Dabei kristallisieren sich vor allem zwei Hotspots für ihn heraus, die teilweise in bereits vorhandenen Bartgeierrevieren liegen: Einerseits wird das Gebiet um Mallnitz regelmäßig beflogen, andererseits auch der Bereich am Katschberg. Dort konnte das Monitoringteam ihn auch mehrmals wunderbar beobachten und einige großartige Aufnahmen durch das Spektiv machen. Im zentraleren bzw. westlicher gelegenen Teil der Hohen Tauern in der südlichen Glocknergruppe, wo sich mit dem Heiligenbluter Paar ein weiteres Bartgeierrevier befindet, schaute er hingegen nur kurz vorbei.

Wiggerl - Eingelebt in den Hohen Tauern

Wildvogel Nationalpark Hohe Tauern
Wildgeschlüpfter junger Bartgeier – sein Gefieder ist im Vergleich bereits deutlich heller als bei Wiggerl.

Dass sich Wiggerl in den Hohen Tauern sichtlich wohl fühlt, konnte das Team öfter in verschiedenen Gebieten beobachten – ob er beispielsweise ganz selbstbewusst zwei adulte Steinadler durch’s Tal jagte oder sich mit den anhänglichen Rabenkrähen akrobatische Wettflüge lieferte. Spannend war auch die Beobachtung, dass er zumindest einige Wochen in Gesellschaft eines jungen wildgeschlüpften Bartgeiers war, der bereits zuvor einige Male in Reckas und Nepomuks Begleitung gesichtet wurde. Der etwa zweijährige Wildvogel konnte auch beim Fressen beobachtet werden, wodurch sich wiederum wichtige Hinweise auf das Nahrungsangebot für Wiggerl ergeben.

Ende Januar brach Wiggerl dann ziemlich unvermittelt zu einem Kurztrip nach Nordosten auf und flog in das Salzkammergut und bis zum Toten Gebirge ins Grenzgebiet zwischen Oberösterreich und der Steiermark. In der Region Altaussee flog er tatsächlich nur wenige hundert Meter am sich dort befindlichen Vinzenz vorbei, der sich in der Region länger aufgehalten hatte. Wir haben leider keine Indizien, dass sich die beiden dort getroffen bzw. auch nur wahrgenommen haben, jedenfalls lassen die Satellitendaten keine weiteren Rückschlüsse darauf zu. Solche „beinahe“ Begegnungen konnten wir schon mehrmals nachvollziehen, erfreulicherweise gibt es aber ja zahlreiche andere, gut dokumentierte Begegnungen unserer Vögel miteinander oder auch mit anderen Bartgeiern (siehe Abschnitt Dagmar und Sisi, Recka und Nepomuk).

Wie für fast alle bisher im Projekt ausgewilderten Bartgeier scheint mit den dortigen Vorkommen von Artgenossen (Lechtal, Hohe Tauern) auch für Wiggerl ein attraktives Gebiet für das Ausleben seines natürlichen Explorationsverhaltens gegeben zu sein. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis er die Bekanntschaft unserer aufgeschlossenen Recka machte - besonders im Januar und Februar trafen sich die beiden immer wieder in unterschiedlichen Tälern und verbrachten oft mehrere Stunden gemeinsam. Aktuell befinden sich beide am Ostrand der Hohen Tauern in direkter Nachbarschaft zueinander.

Seine außerordentlichen Flugleistungen setzen sich auf jeden Fall fort. Bei der Analyse und einem Vergleich der bisherigen Flugleistungen hat sich gezeigt, dass Wiggerl die größte Strecke aller Vögel im ersten Lebensjahr zurückgelegt hat. (Diese Analyse wird zeitnah hier ebenfalls veröffentlicht).

 

Vinzenz - Unterwegs im Osten und mittleren Höhenstufen

Vinzenz |© Daniel Klaus © Daniel Klaus
Vinzenz zeigt eine Vorliebe für östliche Regionen und mittlere Höhenlagen.

Parallel zur Entwicklung seines Auswilderungsgenossen Wiggerl erfolgte das Verhalten auch von Vinzenz bis zum erläuterten Wintereinbruch im September vollkommen in den erwartbaren Ausprägungen.

Auch Vinzenz zeigte in seiner Entwicklung überdurchschnittliche Leistungen. Zum Beispiel verlief sein Flügelschlagpensum auf äußerst hohem Niveau. Seine Flugentwicklung war relativ durchschnittlich, allerdings absolvierte er mit 1:52 Stunden den längsten Flug am Stück aller ausgewilderten Vögel innerhalb des ersten Monats seit Beginn der Flugfähigkeit.

Nach dem überstandenen, extremen Wetterereignis (siehe Abschnitt Wiggerl) beschränkte sich der Aktionsradius von Vinzenz ebenfalls außergewöhnlich lange nur wieder auf die Halsgrube und deren nahes Umfeld. Erst im Oktober erfolgten erneut weitere Flüge bis ins östlich des Nationalparks gelegene Tennengebirge und zum Dachstein. Nach dem 5. November kehrte er nicht mehr ins direkte Auswilderungsgebiet im Nationalpark zurück und verabschiedete sich somit ein paar Tage früher als Wiggerl von seinem ersten Zuhause.

 

 

Vinzenz - Andere Aufenthaltsgebiete als restlichen ausgewilderten Vögel

Satellitenbild Routen Vinzenz |© VCF/LBV © VCF/LBV
Die Karte zeigt die interessanten und ungewöhnlichen Aufenthaltsorte und Flugrouten von Vinzenz seit dem Verlassen des Nationalparks bis Mitte Februar.

Als bisher einziger der vor Ort ausgewilderten Bartgeier entwickelte Vinzenz ab November zeitweise eine außergewöhnliche und für die Hochgebirgsart untypische Affinität für mittlere Höhenlagen. Nach Flügen über Salzburg, die nur relativ knapp über dem Boden stattfanden, verlagerte er sein Aufenthaltsgebiet in die Hügel- und Mittelgebirgsregionen des Salzkammerguts. Hier zeigte er ein instinktives Gespür für Täler mit bisweilen steilen Felswänden und hoher Gamsdichte, wie der Osterhorngruppe oder im Rettenbachtal am Westrand des Toten Gebirges. Sein etwas ungewöhnliches Verhalten wurde in dieser Zeit vom Projektteam anhand der GPS-Daten und regelmäßiger Beobachtungen vor Ort intensiv überwacht.

 

 

Vinzenz - Weiter ostwärts

Vinzenz mit Nahrung
Vinzenz Anfang Februar 2025 am Loser (Altaussee) beim Transport eines Knochen (links).

Einen seiner ersten Aufenthaltsschwerpunkte hatte er am Traunstein, welcher trotz der nicht ganz idealen Umgebung mit einem hohen Gamsbestand und ausgeprägten unbewaldeten Felsflanken ein vergleichsweise attraktives Areal darstellen dürfte. Danach blieb er auch eine ganze Weile an der Südostseite der Osterhorngruppe. Von dort aus führte ihn sein Weg weiter stetig ostwärts. Der nächste Bereich, in dem er sich länger aufhielt, war die Region um Altaussee an der Südwestseite des Toten Gebirges (wo es zur oben beschriebenen „Beinahebegegnung“ mit Wiggerl kam). Dort wurde er auch mehrmals gemeldet und es gelang ihm nachweislich das Auffinden von Nahrung.

Anfang Februar zog er von dort aus wiederum weiter nach Osten, besuchte kurz den Nationalpark Kalkalpen und verbrachte anschließend einige Tage im Nationalpark Gesäuse in der Steiermark. Die Gegend weist zahlreiche steile Felswände auf, die sich über tiefen Schluchten und der ausgeprägten Waldstufe erheben. Neben der geringen Besiedelungsdichte (und damit geringen Infrastruktur) wird im Nationalpark Gesäuse schon seit 2015 nur noch bleifreie Munition zur Jagd in der Managementzone verwendet, daher eignet sich die Region gut als Bartgeieraufenthaltsgebiet.

 

 

Dagmar - Unter Geiern in der Schweiz

Dagmar unter Geiern
Dagmar (rechts unten) zusammen mit drei jungen wildgeschlüpften Bartgeiern im Oktober 2024, Blenio (4. Vogel nicht im Bild). Ihre Markierungen am Stoß und in der rechten Schwinge sind noch sichtbar

Letzten Herbst war unser Monitoring-Team in den Schweizer Alpen unterwegs und konnte Dagmar glücklicherweise einige Tage in der italienischen Schweiz beobachten. In einem abgelegenen Tal war sie zu unserer Überraschung zusammen mit mehreren jungen Artgenossen und vielen Gänsegeiern Zugang – ein wuseliges Treiben, bei dem sich offensichtlich alle friedlich miteinander arrangierten. Außer Dagmar, waren bis zu fünf andere wildgeschlüpfte junge Bartgeier im Alter zwischen ein und drei Jahren sowie über 25 Gänsegeier zu bestaunen. Steinböcke, Gämsen und zahlreiche Schafherden machen die Gegend zum perfekten Bargeierhabitat – so konnten die Vögel auch öfter beim Knochentransport und der Nahrungsaufnahme beobachtet werden, wohl der Grund, warum sich dort so viele Junggeier aufhielten.

 

 

 

 

Dagmar - Alterstypische Silhouette

Dagmar im Flug
Dagmar beim Überflug (Oktober 2024) – ihr etwas zerzaust wirkendes Gefieder lässt gut erkennen, dass sie sich alterstypisch mitten in der ersten Mauser befindet.

Dagmar und Sisi - zusammen im Westen der Ostalpen

Dagmar und Sisi fliegend
Dagmar (links) und Sisi (rechts) beim gemeinsamen Kreisen im Oberinntal, Dezember 2024 – Sisis Markierung ist sichtbar an der linken Fingerspitze.

Nachdem Dagmar bereits im September die Lechtaler Alpen besucht hatte, kehrte sie Anfang November wieder in diese Region zurück. Die vertrauten Gebirge zwischen Lech-, Oberinn- und Stanzertal kennt sie bestens – und da auch Sisi im November 2024 wieder in ihre "Tiroler Heimat" gekommen war, dauerte es nicht lang, bis die altbekannten Bartgeiermädchen aufeinandertrafen. Beide waren sich ja, wie berichtet, schon vorher einige Male über den Weg geflogen – umso erstaunlicher, dass sich die zwei an so unterschiedlichen Orten über den weiten Alpenkamm hinweg immer wieder begegnen. Auch das Monitoring-Team war hoch erfreut und konnte die beiden wunderschön zusammen kreisen und fliegen sehen. Ein absolut außergewöhnlicher Anblick, war es doch die erste tatsächlich dokumentierte Begegnung unserer Bartgeierdamen. In den letzten drei Monaten verbrachten die beiden immer wieder mehrere Tage und Stunden zusammen, was auf ein intensives und von gegenseitiger Sympathie geprägtes Miteinander schließen lässt.

Kürzlich zog es Dagmar weiter Richtung Südtiroler Grenze an den Ötztaler Alpen, was erneut die Spannung weckt, denn seit letzer Woche befindet sich auch Nepomuk in diesem Gebiet. Leider haben wir bisher noch keine aktuellen GPS-Daten erhalten und warten neugierig auf die nächsten Signale - ob sich das Novum der Bekanntschaft dieser beiden Berchtesgadener Bartgeier bestätigt.

 

 

Interessante Entwicklungen im Westen Österreichs

Sisi im Flug |© Doris Schmid © Doris Schmid
Eine sehr aktuelle Meldung mit Foto von Sisi aus den Allgäuer Alpen. Die Markierung ist trotz der Entfernung gut zu erkennen.

Sisi dagegen bleibt der Region weiter treu, seit November streift sie beständig durch die Lechtaler und Allgäuer Hochalpen, wo sie bereits das letzte Frühjahr verbracht hatte - von der Parseiergruppe im Süden über die vielen Seitenarme im Lechtal bis in die Bayerischen Berge des Südallgäu. Die Region ist durch den Anschluss der dichter besiedelten zentralen Population mittlerweile zu einem beliebten Aufenthaltsgebiet für Bartgeier aller Altersklassen geworden, was fortwährende Sichtungsmeldungen bekräftigen. Erst vor wenigen Tagen meldeten uns die Kollegen vom Allgäuer Monitoring-Team einen jungen unmarkierten Bartgeier (vermutlich ein Wildvogel) auf bayerischer Seite. Außerdem gab es mehrere Beobachtung von Sisi im dortigen Bereich – beide Vögel wurden ebenso friedlich miteinander gesichtet. In den benachbarten österreichischen Tälern haben mehrere adulte Bartgeier ihr Revier. So bestätigt sich erneut die Entwicklung gegenseitiger Anziehung und Konzentration einzelner Bartgeier in bestimmten Regionen. Dies wird hoffentlich auch in den Bayerischen Gebirgen bald immer mehr zu beobachten sein.

Sisi zumindest scheint sich dort sehr wohlzufühlen und wir hoffen, dass Dagmar nach einem kurzen Abstecher zurückkehrt und wir sie und Sisi in den nächsten Monaten wieder öfter sehen werden.

 

 

 

 

Recka - Etablierung in den Hohen Tauern

Recka und Nepomuk in den Hohen Tauern
Recka (links) und Nepomuk (rechts) fliegen gemeinsam im Großglocknergebiet, Oktober 2024 - Reckas Markierung in der linken Schwinge ist noch zu erkennen.

Die Auswilderung der Berchtesgadener Vögel in Kombination mit den vermehrten Bruterfolgen in Österreich, veranschaulicht dass auch juvenile und immature Bartgeier zunehmend die Gesellschaft von Artgenossen suchen. Wie sich zeigt, befliegen die Jungvögel einerseits gezielt bereits etablierte Reviere adulter Bartgeier, wo sie oft leichten Zugang zu Nahrung haben und meist auch geduldet werden, andererseits bilden sie - mal mehr, mal weniger - auch bewusst eine vorübergehende Gemeinschaft untereinander.

Besonders Recka, die mittlerweile ihr weiträumiges Habitat im Nationalpark Hohe Tauern etabliert hat, besucht regelmäßig bisweilen über mehrere Tage die nachbarlichen Reviere, in denen sie sich sehr gut auskennt. Eine eventuelle Abneigung der ansässigen Altvögel ihr gegenüber konnten wir bisher nicht beobachten, was wahrscheinlich ihrem jugendlichen Alter zuzuschreiben ist. Auch Nepomuk war, wie seine ehemalige Auswilderungsgefährtin Sisi, im letzten Jahr öfter in verschiedenen Revieren zugange.

 

 

 

Recka und Nepomuk - Treffen in den Hohen Tauern

Recka und Nepomuk
Recka (links) und Nepomuk – auch seine Markierung in der rechten Schwinge ist noch gut zu sehen.

So konnten Recka und Nepomuk Ende Oktober mehrmals bei Heiligenblut in vertrauter Gemeinschaft mit weiteren Wildvögeln an der Glocknergruppe beobachtet werden. Offenbar lag in der Nähe ein Kadaver – denn Recka gönnte sich eine ausgiebige Mahlzeit und Nepomuk transportierte in unmittelbarer Umgebung einen Knochen, den er schließlich zum Abwurf brachte. Zur Runde gesellte sich außerdem Reckas Begleiter(in), der wildgeschlüpfte junge Bartgeier, mit dem sie und Nepomuk bereits im Sommer gesichtet wurden (und der im Dezember bei Wiggerl beobachtet wurde), sowie ein letztjähriger Jungvogel (vermutlich aus Heiligenblut).

Die beiden adulten Bartgeier aus dem nahegelegenen Revier holten sich ebenso ihren Anteil, während die jungen taleinwärts ihre Flugkünste probten. Teils spielerisch untereinander, dann wieder die Adler jagend oder einfach in Ruhe miteinander kreisend, waren sie über Stunden entlang der Talhänge unterwegs.

Recka - Bereits eingefärbt

Recka gefärbt
Recka im Dezember 2024, Kals – ihr orangerotes Brustgefieder hebt sich deutlich vom weißen Schnee ab.

Hier konnte das Projektteam erstmals das seither orangerot gefärbte Gefieder von Recka dokumentieren. Beim vorherigen Besuch in Osttirol Anfang Oktober, war ihr Gefieder noch hell beigebraun gewesen. Dass sich Bartgeier bereits in so jungem Alter einfärben, ist keine Seltenheit und entspricht ihrem natürlichen Verhalten. Bei ihrem kurzen zweitägigen Ausflug ins heimatliche Tennengebirge Ende Oktober konnten wir Recka ebenfalls in ganzer Farbenpracht bewundern. Den Winter verbringt sie jedoch, wie im Vorjahr, meist „zu Hause“ am Großglockner zwischen Heiligenblut und Kals. Dort traf sie im Dezember erstmals auf Wiggerl, der sich gerade im Gebiet aufhielt. Einige großartige Bilder von Recka aus dem Kalsertal erreichten uns dazu von den österreichischen Kollegen.

Recka wunderschön in ihrem Element

Recka
Bei guter Sicht ist auch die Markierung an Reckas linken Handschwingen noch zu sehen (November 2024, Kals).

Nepomuk in heimatlichen Gefilden

Nepomuk
Nepomuk im Januar in der Halsgrube – sein Gefieder zeigt bereits deutliche, durchaus übliche Abnutzungserscheinungen an den Spitzen der Handschwingen, wie es oft bei Jungvögeln in diesem Alter der Fall ist.

Im November machte Nepomuk einen Ausflug über die Ötztaler Alpen zum Schweizer Nationalpark und dem Nationalpark Stilfserjoch, bevor er Ende November in die Hohen Tauern zurückkehrte. Danach verbrachte er fast zwei Monate in den heimatlichen Regionen des Nationalparks Berchtesgaden sowie im angrenzenden Hagen- und Tennengebirge. Dabei hielt er sich zum Teil an Bavaria im Blühnbachtal (siehe oben) und war länger am Nordrand des Steinernen Meeres im Bereich hinterer Königs- und Obersee unterwegs. Im Januar kam er sogar einmal zum Kurzbesuch in die Halsgrube und konnte dort beobachtet werden.

Da Bavaria Anfang Februar vermutlich eine „Pause“ brauchte, zog es unseren Vielflieger wieder zurück zum Stilfserjoch und anschließend an den Südrand der Ötztaler Alpen, wo er vielleicht schon auf Dagmar getroffen ist.

Wir bleiben dran und werden weiter über all die spannenden Entwicklungen unserer Junggeier berichten.

 

Silke Moll, Toni Wegscheider & David Schuhwerk

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