Statusupdate 4/2025 - Feuchte Flugbedingungen
Viel Niederschlag und mehrere Besucher

Der vergangene Juli war geprägt von einer spannenden Mischung aus Flugaktivitäten, sozialen Interaktionen und vor allem witterungsbedingten Herausforderungen für unsere beiden jungen Bartgeier Luisa und Generl (und natürlich auch für das Monitoringteam). Der wildgeschlüpfte Bartgeier aus dem 2. Kalenderjahr hat die Halsgrube vor einigen Tagen verlassen.
Flugaktivität

Luisa und Generl zeigten sich in den vergangenen Wochen über weite Strecken mäßig bis durchschnittlich aktiv. Allerdings absolvierte Luisa bis zu 24 Flüge an einzelnen Tagen. Auch Generl war regelmäßig in der Luft, mit ihrem bisher längsten Flug am Stück von 17 Minuten am 23. Juli. Häufig flogen beide gemeinsam, teils auch mit dem wildgeschlüpften Jungvogel. Die Interaktionen reichten von synchronem Putzen bis hin zu kleineren Auseinandersetzungen in der Luft – insgesamt jedoch meist ohne Aggressionen.
Unterdurchschnittliche Flugentwicklung in den ersten Tagen

Beim Vergleich der Flugdaten der ersten 30 Tage aller Jungvögel fallen die stark unterdurchschnittlichen Werte vor allem von Generl auf. Sie besitzt die mit Abstand niedrigste Anzahl an Flügen, Gesamtflugzeit und die kürzeste Maximalflugdauer am Stück aller bisher ausgewilderten und analysierten Vögel. Auch Luisa zeigt eher unterdurchschnittliche Werte, allerdings immerhin eine fast dreimal längere Flugzeit und fast doppelt so viele Flüge wie ihre Artgenossin.
Die Ergebnisse bestätigen die bisherigen Analysen, die eine starke Korrelation des Alters mit einer besseren Flugfähigkeit nahelegen. Genauer gesagt scheinen Jungvögel, die eher später ihren Erstflug absolvieren, im Allgemeinen von Beginn an mehr und länger zu fliegen.
Dass diese Eigenschaften sich jedoch mit zunehmendem Alter wieder angleichen, zeigt sich am Beispiel von Nepomuk: Auch er gehört mit 107 Tagen Alter neben Generl zu unseren jüngsten Erstfliegern und zeigte in den ersten Wochen nur deutlich unterdurchschnittliche Flugfähigkeiten. Heute gehört er allerdings zu den Vielfliegern der in Berchtesgaden ausgewilderten Bartgeier und beweist hohe Tagesdistanzen sowie phänomenale Ortskenntnisse.
Soziale Dynamik mit dem wildgeschlüpften Jungvogel

Der wildgeschlüpfte Jungvogel war in der ersten Hälfte des Monats fast täglich präsent und suchte immer wieder die Nähe zu Luisa und Generl. Seine Kontaktaufnahme bezog sich von der Anzahl her häufiger auf Luisa, mit der er mehrfach längere Zeit verbrachte – inklusive Schnäbeln und synchronem Verhalten. Dennoch kam es auch zu Abwehrverhalten: Beide Weibchen verscheuchten ihn gelegentlich, wenn er ihnen zu nahekam. Die Balance zwischen Neugier, Toleranz und Abgrenzung prägte das soziale Miteinander der drei Vögel.
Seit seinem Erscheinen sind wir auf Spurensuche, um die mögliche Herkunft bestimmen zu können. Hierbei benötigt es im Wesentlichen genetische Nachweise, die bei geeignetem Material Verwandtschaftsbeziehungen nachvollziehbar machen. Möglicherweise ist es uns gelungen eine Probe zu erlangen, die von ihm stammen könnte. Wir sind in jedem Fall sehr gespannt auf die Ergebnisse, die allerdings erfahrungsgemäß erst in einiger Zeit verfügbar sein werden.
Vinzenz auf Kurzbesuch

Am Nachmittag des 19. Juli tauchte für kurze Zeit ein alter Bekannter in und über der Halsgrube auf: Vinzenz, der sich erfreulicherweise nach wie vor im Nationalparkgebiet aufhält, stattete der Halsgrube einen kurzen Besuch ab. Wir waren darüber sehr erfreut, da seine Aufenthaltsorte zwar anhand der Senderdaten intensiv beobachtet werden, aber seit seiner Freilassung dem Projektteam bisher keine Sichtung von ihm gelang. Leider war sein Aufenthalt nur von relativ kurzer Dauer, in der es auch zu keiner beobachteten Interaktion mit anderen Arten kam und er auch keine Anstalten machte, sich am Futterplatz zu bedienen.
So kamen einzelne Personen an diesem Tag tatsächlich in den Genuss vier verschiedene Bartgeier im Bereich der Halsgrube beobachten zu können.
Insgesamt scheint Vinzenz gut zurecht zu kommen und bleibt bis dato glücklicherweise in sehr gut geeigneten Bereichen in den zentralen und südlichen Berchtesgadener Alpen. Wir sind auf jeden Fall sehr gespannt, wie es bei ihm weitergeht und hoffen, dass er noch eine Weile in seiner Auswilderungsregion verbleibt.
Auch friedliche Steinadlerinteraktionen konnten beobachtet werden

Attacken des Steinadlerpärchens hielten sich in den letzten Wochen relativ im Rahmen. Kurz vor seinem Verlassen der Halsgrube konnte das Team noch hautnah eine Verfolgungsjagd des Pärchens von dem fremden Jungvogel beobachten.
Zwei friedliche Interaktionen ereigneten sich jedoch auch: Am 19.07. wurde ein immaturer Steinadler von mehreren Rabenkrähen verfolgt und setzte sich kurzerhand neben Generl und Luisa, die nebeneinander im unteren Teil der Wand ruhten. Alle drei sahen sich eine Zeitlang verdutzt, aber neugierig an und der junge Steinadler verließ die beiden kurze Zeit später wieder ohne Zwischenfälle. Eine sehr ähnliche Situation fand vor wenigen Tagen noch einmal an einem Futterplatz statt, an dem die beiden saßen. Möglicherweise handelte es sich wieder um den gleichen immaturen Steinadler, der aber auch diesmal ohne Konflikte kurze Zeit später wieder aufbrach.
Teils schwierige Witterungs- und Sichtbedingungen

Der Juli gestaltete sich wettertechnisch herausfordernd. Tiefliegende Wolken, Regen und Nebel erschwerten die Beobachtungen an vielen Tagen. Mehrfach waren die Geier über Stunden nicht sichtbar, obwohl sie sich in der Nähe aufhielten. Besonders in der zweiten Monatshälfte war die Sicht an manchen Tagen so schlecht, dass selbst bekannte Aufenthaltsorte nicht einsehbar waren.
Eindrücke von einem Futterplatz
Fazit

Unsere beiden jungen Weibchen zeigen durchgehend ein relativ stabiles Verhalten: regelmäßige Gefiederpflege, normale Ausscheidungen, gute Nahrungsaufnahme und ein dem Witterungsbedingungen angepasstes Aktivitätsniveau sprechen für einen guten Gesundheitszustand. Die Beinverletzung von Luisa scheint keine Rolle mehr zu spielen. Auch das Verhalten gegenüber dem wilden Bartgeier und anderen Arten (z. B. Kolkraben, Turmfalken, Steinadler) verlief meist ruhig und ohne Auffälligkeiten, wobei gerade die Kolkraben die beiden des Öfteren mal in der Luft verfolgen und ein wenig stressen.
Niederschläge der vergangenen Wochen
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von David Schuhwerk,