Statusbericht Nr. 6 - News aus der Geiergrube
Weite Flüge, weitere Luftkämpfe und zahlreiche Gäste am Buffet
Die bisher längste Strecke
Bavaria hat vor ein paar Tagen an einem Tag eine richtige Distanzleistung vollbracht und insgesamt eine Strecke von gut 40 km zurückgelegt. Sie ist dabei unter anderem von der Reiteralm aus über das Blaueis und den Hochkalter zum Seehorn, zur Hochwies und letztendlich in die Westflanke des großen Hundstods geflogen. Der Rückweg ging dann relativ zielstrebig über das Kammerlinghorn direkt wieder in die Halsgrube.
Beide fliegen bei guter Thermik allerdings noch mit Vorliebe auf dem Reiteralmplateau. Dabei kreisen sie inzwischen häufig um die Gipfel und erforschen ihre nähere Umgebung sehr gekonnt.
Bei Regen und sehr schlechter Thermik finden - wenn überhaupt - nur sehr kurze Flüge innerhalb der Halsgrube statt.
Allerdings ist es nach wie vor erstaunlich, wie sie selbst ungünstige Wetterlagen nutzen und Dank der großen Oberfläche ihrer Flügel aufsteigen können. Flüge durch dichtere Nebelbänke oder Wolken scheinen auch nicht unbedingt ein Problem zu sein.
Konflikte mit den Steinadlern
In den letzten Tagen waren wieder häufigere Kämpfe mit dem Klausbacher Steinadlern zu verzeichnen. Sowohl einzeln als auch im Team haben sie dabei den Terzel bzw. das Weibchen mehrmals abwehren können. Bei einer Gelegenheit konnten wir gut beobachten, wie Wally den Terzel regelrecht aus dem Bereich der Halsgrube vertrieben hat.
(Bei dem dabei entstandenen Foto kann man gut den unterschiedlichen Habitus unterscheiden).
Wir hoffen sehr, dass diese Konflikte weiterhin glimpflich verlaufen.
Ungebetene Gäste an den Futterplätzen
Vorgestern war ein äußerst ereignisreicher Tag: In der Früh haben die beiden endlich nach einigen Wochen den Futterplatz Nr. 2 (von derzeit drei angelegten) entdeckt und dort auch ordentlich gespeist. Dies hat uns sehr gefreut, weil es erstens zeigt, dass sie die Umgebung aufmerksamer untersuchen und auch ältere Nahrungsreste finden können und es uns auch bei der Ausbringung des Futters etwas entlastet.
Sofort haben wir die Chance genutzt und die Futterstellen 1 und 3 bestückt.
Etwa eine Stunde später konnten wir einen Trupp Kolkraben beobachten, der vorsichtig an den Rand des Futterplatzes Nr. 3 Platz nahm. Es handelte sich um ca. 12 Individuen, die sich vermutlich zu einem sog. Junggesellentrupp zusammengeschlossen haben. (Dies ist bei unverpaarten Raben häufig der Fall. Dabei bilden sie tatsächlich stabile soziale Gruppen unterschiedlicher Größe und Raumverhaltens). Bavaria saß an der gegenüberliegenden Seite der Geröllrinne und beobachtete die mutiger werdende Schar, ohne sich zu rühren. Nach kurzer Zeit sahen die Kolkraben in Bavaria keine Gefahr mehr und stürzten sich auf den frisch gedeckten Tisch. Selbst große Knochenstücke wurden im Schnabel wegtransportiert, teilweise weiter entfernt, teils aber auch in unmittelbare Nähe. Bavaria verhielt sich äußerst still, es wirkte beinahe verschüchtert.
Leider blieb es nicht dabei, denn die intelligenten Raben entdeckten relativ rasch auch den frischen Vorrat an Futterplatz Nr.1. Auch dieser war sehr schnell ausgeräumt.
Am Mittag konnten wir einige Luftduelle der Raben vor allem mit Wally beobachten. Und auch am darauffolgenden Tag waren die Raben vor Ort und bedienten sich an den kargen Resten, die noch vorhanden waren.
Wir stehen nun vor der Aufgabe, ein noch ausgeklügelteres Futtermanagement zu planen und durchzuführen, damit die Nahrung auch bei denen ankommt, für die sie gedacht ist. Zusätzlich hoffen wir natürlich, dass der Rabentrupp bald weiterzieht, sobald sich einige Zeit nichts mehr an den Futterplätzen finden lässt.
Das oberhalb des Böselsteigs residierende Kolkrabenpärchen war bisher sehr zurückhaltend. Bis auf eine (in Statusbericht Nr.3 beschriebene Interaktion) konnten wir bei den beide keine Annäherung oder Nahrungsentnahme beobachten.
Die sonstigen Nutznießer wie Steinmarder, Fuchs oder Alpendohlen kommen zwar auch noch gelegentlich, stellen aber mengenmäßig kein Problem dar.
Weitere Besucher in der Halsgrube
Das feuchte und kühle Wetter sorgte dafür, dass ein größerer Gamskindergarten mit etwa 30 Individuen vom Reiteralmplateau herabgezogen ist und in dem Grashang unterhalb der Auswilderungsnische zu grasen begann. In der Halsgrube sehen wir jeden Tag Gämsen, von einzelnen Böcken über kleinere Grüppchen mit Kitzen und Jahrlingen, aber die großen Gruppen, die sich im Sommer in den weiten Karen der Reiteralm aufhalten, sind in den letzten Monaten sonst noch nicht heruntergekommen.
Zusammen mit der wunderbar kräftigen Blüte des Schwalbenwurzenzians ein untrügliches Zeichen, dass sich der Sommer so langsam zu Ende neigt.
von David Schuhwerk,