Statusbericht 5/25 - Starke Bindung, bekannte Begegnungen und erste Ausflüge
Treffen mit Vinzenz und Wiggerl und die ersten weiteren Ausflüge

Unsere jüngsten Bartgeier Luisa und Generl erweitern allmählich ihren Aktivitätsradius. Ihre Aktivitäten reichen von ausgedehnten Flügen über die (meist näherliegenden) Gipfel der Berchtesgadener Alpen bis hin zu sozialen Interaktionen mit anderen Bartgeiern und Steinadlern. Besonders spannend: Auch Vinzenz und (kurzzeitig) Wiggerl, unsere im letzten Jahr ausgewilderten Bartgeier, waren zu Besuch!
Flugaktivität und Raumnutzung

Luisa und Generl waren in den letzten Wochen zunehmend aktiv. Sie flogen regelmäßig über die markanten Gipfel, die die Halsgrube umrahmen. Besonders Luisa zeigte teils längere Flugphasen von über 20 Minuten, während Generl tendenziell kürzere, aber häufige Flüge absolvierte.
Vor drei Tagen machten beide ihren bis dato weitesten Ausflug – Sie waren zusammen im Bereich des Hundstods im Steinernen Meer. Dies fügt sich vom Zeitrahmen her gut in ähnliche Erkundungsflüge unserer anderen ausgewilderten Jungvögel (mit Ausnahme von Wally, die erst am 06. September ähnliche Vorstöße in „unbekanntes“ Terrain wagte).
Soziales Verhalten

Die Bindung zwischen Luisa und Generl bleibt eng. Häufiges Schnäbeln, gemeinsames Fressen und synchrones Fliegen zeugen von einer relativ stabilen sozialen Bindung.
Am 31. Juli wurde kurioserweise beobachtet, wie Luisa kurz auf Generls Rücken kletterte – ein Verhalten, das vermutlich spielerisch interpretiert werden kann.
Auch Schlafplätze werden gelegentlich geteilt.
Insgesamt sind die beiden sehr häufig nah beisammen, was bei den zunehmenden Abwesenheiten beim Monitoring hilft, die jeweils andere zu lokalisieren.
Nahrungsaufnahme und Futterplätze

Inzwischen wurden neben dem ersten Futterplatz auch zwei weitere eingerichtet, die problemlos und sehr zeitnah von den beiden entdeckt wurden. Die Nahrungsaufnahme ist bei beiden gut und zahlreich. Einmal konnte ein Hochwürgen (möglicherweise von Gewölle der auch für Bartgeier nicht verdaulichen Bestandteile wie Haare oder Hufe) beobachtet werden. Luisa versuchte gelegentlich, Generl das Futter streitig zu machen – jedoch meist erfolglos. Andererseits kam es vereinzelt auch zu Futterübergabe zwischen den beiden.
Zahlreiche Interaktionen mit Steinadlern
Die Zahl der Begegnungen mit Steinadlern war in den letzten Wochen weiterhin hoch. Mehrfach wurden adulte und juvenile Adler beobachtet, teils in unmittelbarer Nähe zu den Bartgeiern. Am 14. August kreisten sogar vier Bartgeier und zwei Steinadler gleichzeitig über dem Hohen Gerstfeld – ein spektakuläres Naturschauspiel!
Die Begegnungen reichten von friedlicher Koexistenz bis hin zu kurzen Vertreibungen und gelegentlichen Attacken:
- Am 27. Juli kam es beispielsweise zu einem friedlichen Nebeneinander. Wie schon eine Woche zuvor, setzte sich ein immaturer Steinadler kurz zu Luisa und Generl an den Futterplatz – ohne erkennbare Interaktion.
- Auch am 3. August fraß Generl zeitweise gemeinsam mit einem Adler am ersten Futterplatz, während Luisa sich zurückzog.
- Eine Woche später landete ein Steinadler direkt neben den Bartgeiern an einem anderen Freßplatz und vertrieb sie – allerdings ohne direkten, physischen Kontakt.
- Vor wenigen Tagen kreisten Luisa und Generl auch mehrmals gemeinsam mit einem Steinadler über dem Teufelskopfgrat, bevor alle drei hinter den Felsen verschwanden.
Diese häufigen und teils engen Begegnungen zeigen, dass Bartgeier und Steinadler sich durchaus den Lebensraum teilen können – mit gelegentlichen Spannungen, aber inzwischen häufiger ohne direkte Konflikte.
In der unten erscheinenden Bildergalerie (© Christian Steiger) weicht Luisa gekonnt einer Steinadlerattacke aus.
Momentaufnahmen einer Steinadlerattacke auf Luisa
Bekannter (und unbekannter) Besuch in der Halsgrube

Erfreut konnten wir mehrtägige Aufenthalte von Vinzenz in der Halsgrube beobachten. Er flog und fraß zeitweise gemeinsam mit Luisa und Generl. Die Interaktionen blieben friedlich. Luisa zeigte einmal bei einem Annäherungsversuch rote Augen – ein Zeichen von besonderer Erregung. Teilweise zog sich aber auch Vinzenz zurück, als die beiden Jungvögel ihm zu nahe kamen.
Sehr erfreulich war auch der Kurzbesuch von Wiggerl, der im vergangenen Jahr ausgewildert wurde. Am 8. August wurde er gemeinsam mit einem bislang noch unidentifizierten Bartgeier in der Halsgrube beobachtet.
Die zunehmenden Aufenthalte unserer älteren (aber auch fremder immaturer Bartgeier) ist eine sehr erfreuliche Entwicklung, von der die jeweils aktuellen ausgewilderten Jungvögel profitieren dürften. Wir sind sehr gespannt, wie sich diese Vorkommnisse in Zukunft entwickeln werden.
Weitere besondere Beobachtungen

- Steinschlag. Am 28. Juli ereignete sich ein Steinschlag an einem Futterplatz direkt neben Luisa, die dort saß – sie blieb unbeeindruckt und zeigte auch keinen Reflex.
- Grashalmsammeln durch Generl am 16. August – eine Interessante Beobachtung, die möglicherweise mit Spieltrieb oder Nestbauinstinkt zusammenhängt.
- Asttransport: Generl konnte mehrfach dabei beobachtet werden, wie sie Äste im Flug transportierte – dies ist eine wichtige Fähigkeit, um z.B. Nahrung zu transportieren, aber auch in Zukunft einmal für den Horstbau.
- Besuch eines Gänsegeiers am 15. August – eine über die Jahre gesehen im Sommer zwar regelmäßige, aber insgesamt doch seltenere Erscheinung in der Region.
- Nischenbesuche: In den vergangenen Tagen wurde von beiden auch wieder desöfteren die Nische besucht, erfreulicherweise nachdem die Webcams wieder in Gang gesetzt werden konnten. Dabei kam es auch zu einem Crash, bei dem Generl den Blickwinkel der Cam2 „verstellt“ hat. Glücklicherweise hat sie sich dabei aber nicht verletzt.
Wir werden einen Ausschnitt davon demnächst hochladen.
Vergleich mit den früheren Auswilderungen zum Entwicklungsstand

Im Vergleich zu Bartgeiern aus früheren Jahren – wie etwa Bavaria, Dagmar oder Recka – zeigen Luisa und Generl zum jetzigen Zeitpunkt eine ähnliche Entwicklung. Auch bei den älteren Geiern war in einem ähnlichen Zeitraum nach der Auswilderung eine deutliche Zunahme der Flugaktivität und der Raumnutzung zu beobachten. Die Interaktionen mit anderen Bartgeiern fanden in den vergangenen Jahren in der Halsgrube natürlich nicht in dem Maße statt. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung und die Begegnungen sind bislang durchwegs positiv zu bewerten.
Auch die Steinadlerkonfrontationen scheinen sich etwas zu „normalisieren“, wobei die beiden Jungvögel bis dato ein tendenziell etwas weniger aggressives Verhalten an den Tag zu legen scheinen. Das war nach einigen Wochen Flugfähigkeit bei anderen Jungvögeln durchaus auch schon anders, wie wir z.B. bei Sisi gut beobachten konnten (Eine fortlaufende Studie zum Vergleich der Bartgeier-Steinadler-Interaktionen wird seit drei Jahren durchgeführt. Einige Teilergebnisse werden gegen Ende der Saison hier auch veröffentlicht werden.)
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von David Schuhwerk,