Statusbericht 22-4 - News aus der Geiergrube
Ähnliche Entwicklung wie im letzten Jahr
Ein wichtiger Bestandteil des Auswilderungsprojekts ist das lückenlose Monitoring vor Ort. Hierbei werden die ausgewilderten Jungvögel rund um die Uhr beobachtet und sämtliche Aktivitäten nach einem international standardisierten Aufnahmeprotokoll aufgenommen. So kann die Entwicklung und das Verhalten begleitet und dokumentiert werden. Außerdem kann etwaigen Fehlentwicklungen entgegengewirkt und Probleme können frühzeitig erkannt werden.
Unsere Beobachtungen wollen wir natürlich auch mit Euch teilen und veröffentlichen in loser Reihenfolge neue Informationen an dieser Stelle.
Wir möchten wieder einen Kurzbericht zur aktuellen Situation abgeben und einige Entwicklungen der letzten Tage zusammenfassen.
Die Flugstrecken und Ausflüge werden an manchen Tagen weiter und erstmals haben sie schon für kürzere Ausflüge den Nationalpark verlassen.
Im Vergleich verläuft die Entwicklung inzwischen recht ähnlich zum letzten Jahr. Wenn man die Berichte 5 und 6 von 2021 nimmt, könnte man große Teile beinahe 1 zu 1 übernehmen.
Flugverhalten: Inzwischen ziehen sie auch schon weitere Kreise
Die Flugfähigkeiten nehmen kontinuierlich zu. Dies beinhaltet alle Aspekte, von der Flugdauer, den Entfernungen bis hin zu den Flugtechniken. Vor 10 Tagen hat Recka das erste Mal die Nationalparkgrenze nach Süden hin überschritten und das Steinerne Meer bis zum Hochkönigstock überquert.
Auch südlichen Teil des Hochkalterstocks waren beide schon zu sehen. Die Vorstöße auf die Reiteralm erweitern sich zusehends, auch hier haben sie die Landesgrenze im westlichen Teil schon mehrfach überschritten. Ansonsten ist aber – vor allem bei schlechtem Wetter – nach wie vor die Halsgrube das Hauptaufenthaltsgebiet.
Tendenziell ist Recka inzwischen etwas aktiver und auch entdeckungsfreudiger, was die Flugdistanzen betrifft.
Bisherige Flugdistanzen von Recka
Steinadlerbegegnungen: Das Kräfteverhältnis ändert sich
Nach wie vor kommt es zu Begegnungen mit dem ansässigen Steinadlerpärchen, allerdings scheint sich das Kräfteverhältnis langsam zu wenden. Die jungen Bartgeier sind inzwischen deutlich besser darin, die Thermik zu nutzen und bringen sich dadurch häufig in vorteilhaftere Positionen.
Anfang der Woche konnten wir z.B. Dagmar dabei beobachten, wie sie den Terzel und das Weibchen in die Flucht schlagen konnte.
Einen umherstreunenden Jungadler konnten wir schon länger nicht mehr in der Halsgrube sichten.
Futterplatzaktivitäten: Neue Entwicklungen und alte Konkurrenten
Wir hatten ja schon berichtet, dass die beiden – deutlich früher als letztes Jahr – auch den etwas weiter entfernten dritten Futterplatz entdecken konnten. Allerdings gibt es anscheinend ganz klare Vorlieben, gerade diesen besuchen sie eher selten.
Zwei sehr erfreuliche Beobachtungen können wir auch vermelden: In mindestens zwei bestätigten Fällen haben die beiden bereits selbstständig Nahrung außerhalb der von uns ausgelegten Flächen gefunden und sie transportieren bereits Knochen in den Klauen bzw. dem Schnabel, um es an einer anderen Stelle zu konsumieren.
Auffällig ist auch, wie sich das Bettel- und Lautverhalten verändert hat: Während in den ersten Wochen Recka die deutlich lautstärkere war, hat sich das nun komplett gedreht: Dagmar stößt nun wesentlich häufiger die anhaltenden Bettelrufe aus, auch wenn noch viel Nahrung vorhanden ist.
Knochenschlucken
In die Nische kehren die beiden immer noch von Zeit zu Zeit zurück. Allerdings haben wir dort seit ihrem erstmaligen Ausflug keine Nahrung mehr ausgelegt. Umso erstaunlicher, dass Recka den Lauf eines Hirsches mit hinaufgebracht hat und diesen im ganzen mitsamt der Hufe schluckt. Dank ihrer an diese Ernährungsweise perfekt angepasste Physiologie, wie z.B. der extrem weiten Schnabelöffnung und einer zähen und elastischen Speiseröhre, sowie der bis zur Schnabelöffnung reichenden Luftröhre, ist das für sie auch kein Problem, auch wenn es manchmal etwas mühsam ausschaut.
Nach wie vor haben wir neben den allgegenwärtigen Rabenkrähen auch immer noch den gleichen einzelnen Fuchs an den verschiedenen Futterplätzen. Dies ist aber in unsere Futterplatzgaben einberechnet und stellt kein wirkliches Problem dar.
Wir werden übrigens die Aktivitäten rund um die Futterplätze heuer auswerten und die vorhandenen Arten und mögliche Aktivitätsmuster genau dokumentieren. Die Datenauswertung hierzu läuft bereits.
von David Schuhwerk,