Statusbericht 22/3 - News aus der Geiergrube
Flugübungen und Zusammenstöße mit den Steinadlern
Ein wichtiger Bestandteil des Auswilderungsprojekts ist das lückenlose Monitoring vor Ort. Hierbei werden die ausgewilderten Jungvögel rund um die Uhr beobachtet und sämtliche Aktivitäten nach einem international standardisierten Aufnahmeprotokoll aufgenommen. So kann die Entwicklung und das Verhalten begleitet und dokumentiert werden. Außerdem kann etwaigen Fehlentwicklungen entgegengewirkt und Probleme können frühzeitig erkannt werden.
Unsere Beobachtungen wollen wir natürlich auch mit Euch teilen und veröffentlichen in loser Reihenfolge neue Informationen an dieser Stelle.
Die Lernkurve von Dagmar und Recka steigt nach wie vor steil an - die Anzahl der Flüge, sowie (teilweise) die Dauer nimmt zu. Seit gut einer Woche kommt es regelmäßig zu Konfrontationen mit dem Klausbacher Steinadlerpärchen und wir haben den dritten Futterplatz eröffnet.
Insgesamt ist eine gute Entwicklung zu verzeichnen.
Gemeinsam ist`s am schönsten
Wie auch im letzten Jahr überrascht uns die relative Nähe zueinander. Oftmals werden Ziele (Futterplätze, Ruheplatz, Nische) gemeinsam angesteuert bzw. sich dort nach einer gewissen Zeit „getroffen“. Auch Parallelflüge (siehe Flugverhalten und Bild) sind inzwischen häufiger zu beobachten.
Dies ist durchaus häufiger der Fall, so dass man sagen kann, dass die beiden die Nähe der jeweiligen anderen suchen. Manchmal kommt es hierbei zu intensiven Bettelrufen (von beiden), auch wenn durchaus noch genug Nahrung an der jeweiligen Stelle vorhanden ist. Auch gegenseitiges Schnäbeln können wir gelegentlich beobachten, hingegen kommt es inzwischen zu keinen aggressiven Verhaltensweisen untereinander mehr, wie dies nach einiger Zeit auch letztes Jahr festzustellen war.
Nahrungsaufnahme und Futterplätze
Das Management der außerhalb in natürlichen Steinschlag- und Lawinenrinnen errichteten Futterplätze funktioniert gut. Mittlerweile haben wir den dritten Platz (der sich etwas weiter weg befindet, als die anderen beiden), errichtet und es handelt sich nur noch um eine Frage der Zeit, bis sie diesen auch entdecken werden.
Nachdem Dagmar schon nach wenigen Tagen ihres ersten Ausfluges (Wir berichteten: viel früher, als die beiden letztes Jahr!) den zweiten Freßplatz entdecken und nutzen konnte, hatten wir bisher noch keinen Nachweis, dass Recka diesen auch schon finden konnte. Am 21.07. war es dann so weit: Dagmar konnte Recka den Ort zeigen und beide hielten sich dort auch längere Zeit auf.
Insgesamt hat der Übergang der Nahrungsversorgung aus der Auswilderungsnische hinaus (in der sich allerdings auch jetzt noch vereinzelte Knochenstücke finden lassen) hin zu den externen Futterplätzen sehr gut funktioniert.
Zusätzliche Nahrungsnutzer
Wie bei allen Auswilderungsprojekten muss bei der Versorgung der Bartgeier mit mehr oder weniger zahlreichen Mitnutzern gerechnet werden. Dies ist von vornherein eingeplant und lässt sich auch kaum verhindern. Auch wenn wir zahlreiche Besuche mehrerer Arten verzeichnen können, stellt es aber insgesamt ein überschaubares Problem dar.
Wir legen immer etwas mehr Futter aus, als für die beiden notwendig wäre, um ja keinen Engpass oder eine Konkurrenzsituation entstehen zu lassen. Ein Großteil der Nahrung ist auch für die Konkurrenz nicht unbedingt besonders attraktiv, da der Knochenanteil doch relativ groß ist, bzw. stetig zunimmt und die fleischigen Bestandteile recht schnell von Sonne, Fliegen und Co verringert werden. Die häufigsten Nutzer sind Kolkraben, Rabenkrähen und Fuchs, wobei in den ersteren beiden Fällen die gleichzeitige Nahrungsnutzung mehr oder weniger toleriert wird.
Flugverhalten: es geht weiterhin aufwärts!
Die Flugfähigkeiten nehmen rapide zu, sowohl was die Häufigkeit, Dauer, Segeltechnik als auch die Flughöhe betrifft.
Tendenziell ist Dagmar wieder bei den oben genannten Attributen etwas weiter, sie fliegt meist häufiger (Maximalwerte von bis zu 20 Flügen pro Tag) und im Schnitt auch länger. Das Gros der Flüge ist von relativ kurzer Dauer (20 Sek. bis 2-3 Minuten), aber in den letzten Tagen haben sie nochmal zugelegt und sind vereinzelt auch schon mal über 40 Minuten am Stück gekreist (auch hier wieder ein Schwerpunkt in Richtung Dagmar). Rein von der Flugtechnik her hat Recka aber gut aufgeholt und steht Dagmar da kaum nach.
Es ist eine große Schwankung bei Flugdauer und -häufigkeit zu verzeichnen, die nicht immer an den jeweiligen Witterungsbedingungen festzumachen ist. Vor allem in den mittleren Tageszeiten herrschen häufig sehr lange Ruhephasen mit wenig Mobilität vor.
Auch beim Fliegen sind die beiden häufig beieinander und wir durften (die im letzten Jahr bei Wally und Bavaria schon häufig bewunderten) Parallelflüge beobachten. Insgesamt verläuft die Entwicklung absolut zufriedenstellend. Nachdem sie es ja jetzt schon vereinzelt bis an den Rand des Reiteralmplateaus geschafft haben, erwarten wir schon bald eine Erweiterung des Fluggebiets, v.a. Richtung Westen auf das Hochplateau.
Steinadlerkonfontationen
Seit dem Ende der vorletzten Woche kommt es zu relativ regelmäßigen Konfrontationen mit dem Klausbacher Steinadlerpärchen und in mindestens einem Fall mit einem fremden Jungvogel.
Der erste Zusammenstoß, den wir beobachten konnten, fand am 17.07. statt und hatte gleich zur Folge, dass Dagmar gezwungen war, in die Gipfelregion des Knittelhorns aufzusteigen - so hoch wie vorher noch nie und sogar die Halsgrube verließ, um um den Gipfel herum zu fliegen.
Trotz ihrer mangelnden Erfahrung meisterte sie diese erste Kraftprobe gut und nutzte dies gleich als Entwicklungsschub, seitdem fiel ihr das höhere Aufsteigen in passenden Thermikschläuchen leichter.
Die Konfrontationen sind inzwischen fast ein regelmäßiger Bestandteil des Tagesablaufs der beiden, finden meist in größerer Höhe statt und sind häufig recht kurz. Mitunter hatten die Attacken aber auch eine erhöhte Intensität.
Auch kommt es gelegentlich zu kleinen Angriffen durch Kolkraben und Rabenkrähen, die jedoch folglich von harmloser Natur sind.
Häufige Besuche in der verlassenen Nische
Zu einer ebenfalls im Vergleich zum letzten Jahr überraschenden Entwicklung kommt es bei der Nutzung der Nische. Erstaunlich häufig konnte man in den letzten Tagen Ein- und Ausflüge in diese beobachten, sehr zur Freude der Beobachterinnen und Beobachter vor der Webcam. Diese wird zwar schon länger nicht mehr mit Nahrung bestückt, bietet allerdings offensichtlich genügend andere attraktive Strukturen und das ein oder andere Knochenstück lässt sich auch nach Tagen noch entdecken.
Besonders hervorzuheben sind hierbei die Wasserstelle, sowie die ab dem Mittag im Schatten liegenden Horste.
Diese bieten zu unserer Freude anscheinend einen gewissen Reiz als Ruhe- und Schlafplatz, aber auch Material in Form von Ästen und Schafwolle zur Beschäftigung.
Dabei wird sie ausschließlich als Ruheplatz tagsüber genutzt, nachts fliegen beide zu deutlich unzugänglicheren und damit sichereren Aufenthaltsorten in den steilen Felswänden der Halsgrube.
Nachdem wir bei einem Wartungs- und Kontrollgang Anfang der Woche den Verdacht bestätigen konnten, dass die beiden mithilfe ihres Werkzeugschnabels Teile der dicken, zähen Teichfolie ausgerissen hatten, haben wir uns dazu entschieden, die Folie sofort zu entfernen, um eine Gefährdung der beiden durch das von uns eingebrachte Fremdmaterial zu verhindern. Warum eine Wasserstelle in der Auswilderungsnische eine Art „Luxusaustattung“ darstellt und dies insgesamt für die Bartgeier kein Problem ist, haben wir in unseren FAQs auf der Webcamseite erläutert. Wir werden zusammen mit dem Nationalpark überlegen, welche Optionen technisch und rechtlich möglich sind, um das „Luxusangebot“ Wasserstelle sicher und praktikabel für die Zukunft zur Verfügung zu stellen.
Damit sie sich mittelfristig wieder füllen kann, braucht es mindestens einen Tag mit intensivem Niederschlag, damit durch das poröse und löchrige Kalkdach genug in das Becken fließen kann. Ohne befestigten Untergrund wird es sich allerdings nicht besonders lange darin halten.
von David Schuhwerk,