VOGELSCHUTZ 1-23

FOTOS: © 2022 IF... PRODUCTIONS / FILMPERLEN (2) ihrem Arbeitsumfeld, so entstehen ungestellte Szenen, die in der Montage zu Geschichten verdichtet werden können. Und genau dafür hat sich die Arbeit des LBV-Vorsitzenden Dr. Norbert Schäffer gut geeignet? Ja. Denn beeindruckt hat mich, wie es Norbert immer wieder schafft, klar und entschieden aufzutreten und dabei gesprächsfähig und in gutem Kontakt zu bleiben. Dazu gehört auch, dass er Politiker loben kann, wenn sie gute Naturschutzarbeit leisten. Er erklärte mir einmal, es langweile ihn, an einem Tisch mit Naturschützern zu sitzen, die sich alle einig sind in ihrer berechtigten Klage über den elenden Zustand unserer Welt. Er möchte lieber mit Leuten sprechen, die vielleicht ganz anderer Meinung sind, aber diese dann mit guten Argumenten bearbeiten. Und er möchte offen für neue Lösungen sein. Und genau das haben Sie auch bei Ihren Dreharbeiten erlebt? Das haben wir vielfach erlebt. Beim LBV gibt es tendenziell keine Feindbilder, sondern Norbert bleibt immer ein kompetenter Ansprechpartner, der zu vielen Menschen in Wirtschaft und Politik einen direkten Draht hat. Sein Ego erdrückt nichts und niemanden, er lässt alle leben, kommt bescheiden und leise daher und bewegt gerade dadurch enorm viel. Er ist der ideale Protagonist für eine andere Art von Naturfilmerzählung. Denn so sieht heute gute Naturschutzarbeit aus, so humorvoll und geduldig, so intensiv und fachkundig. Die Vögel helfen ihm dabei, denn Vögel mag fast jeder. Und Vögel sind gute Indikatoren für den Zustand unserer Natur. Sie zeigen uns unmissverständlich, wie es um die Natur steht: „Wenn die Vögel sterben, sind auch die Menschen nicht mehr lange sicher.“ Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Autor Arnulf Conradi als zweiten Protagonisten zu integrieren? Für Vogelperspektiven habe ich meinen Dokumentarstil mit den großen Bildern des Naturfilms und den persönlichen Erzählungen von Arnulf Conradi kombiniert. Dessen Buch Zen oder die Kunst der Vogelbeobachtung hat mich sehr beeindruckt. Es erzählt viel von den Glücks- und Ruhemomenten bei der Vogelbeobachtung. Und ich wollte mit ihm als Sprecher seiner Texte eine zusätzliche, emotionale Perspektive auf die Welt der Vögel eröffnen. Auch die Filmmusik von Acid Pauli unterscheidet sich deutlich von den geläufigen Naturfilm-Soundtracks. Der Film ist so eine Mischform aus klassischer dokumentarischer Beobachtung im Stil des „direct cinema“ und Naturfilmerzählung im Geist des „nature writing“. Vielleicht ist der Film eine Art Kuckucksei. Die Schale mag sich dem Genre des Naturfilms annähern, aber im Kern ist es ein klassischer Dokumentarfilm. Es geht mir um das Zusammenspiel von poetischem und politischem Aktivismus. Inwiefern hat Ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht? Mussten Sie Pläne komplett verwerfen oder dachten Sie vielleicht sogar mal ans Aufhören? Es waren ursprünglich auch einige gemeinsame Reisen geplant, vor allem ins „Birding“-verrückte England, aber auch in die Katastrophenregion rund um Tschernobyl, die jetzt „by desaster“ zwangsläufig ein Naturschutzgebiet geworden ist. Dann – direkt vor Drehbeginn – kam die Corona-Pandemie und änderte alles. Plötzlich war Norberts sonst randvoller Kalender leer, fast alle LBV-Termine wurden abgesagt und Besprechungen gab es nur noch online. Das Maskentragen ist epidemiologisch wichtig, aber filmisch eher undankbar, ebenso die 1,5-Meter-Abstandsregelung im täglichen Miteinander. Was soll man so filmen, wie eine Beziehung zu den Protagonisten aufbauen? Wir hätten auch etwas pausieren können, aber keiner konnte wissen, wie lange die Krise anhalten würde. Selbst die Klimakatastrophe und der Zusammenbruch der Biologischen Vielfalt standen während der Pandemie nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit. Auch Fridays for Future mussten auf unbestimmte Zeit pausieren und über alternative Aktionen nachdenken. 22 LBV MAGAZIN 1|23 „Vögel können fast alles, aber kein Feuchtgebiet schützen“ Gebietsbetreuer Tobias Petschinka und Jan Heikens mit Dr. Norbert Schäffer bei der Beobachtung von Wiesenbrütern. Arnulf Conradi beim Vogelbeobachten. I N T E R V I EW

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