VOGELSCHUTZ 1-23

FOTOS: © 2022 IF... PRODUCTIONS / FILMPERLEN, JÖRG ADOLPH Aber Sie haben trotzdem weitergemacht? Im Dokumentarfilm sollte sich doch immer die Zeitgeschichte spiegeln und wir können gar nicht verstecken, was um uns herum passiert. Also haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und Corona wurde zu einem Thema: Mit Masken und Stirnlampen drehten wir zum Beispiel auf einem nächtlichen Dachboden, als Norbert Kotproben bei der letzten deutschen Kolonie der Großen Hufeisennase einsammelte, um sicherzustellen, dass diese Fledermäuse das Virus nicht übertragen können. Dieser Drehtag fühlte sich so aufregend an, als würden wir gerade einen Katastrophenfilm produzieren. Und plötzlich kannte jeder das Fachwort Zoonose und das wurde auch eine wichtige Verbindung zu unserem Filmprojekt. Denn eine wesentliche Ursache für den in den letzten Jahrzehnten beobachteten Anstieg von neuen, zwischen Tier und Mensch übertragenen Infektionskrankheiten ist die rasant voranschreitende Zerstörung des Lebensraums von Wildtieren. Die Pandemie hat uns somit deutlich gezeigt: Wenn wir gegen die Natur leben, wird sich die Natur gegen uns wenden. Wie fällt ein Vergleich Ihres letzten Films Das geheime Leben der Bäume mit Vogelperspektiven aus? Man kann die Filme gut miteinander vergleichen, denn Vogelperspektiven ist aus den Erfahrungen mit Das geheime Leben der Bäume hervorgegangen. Im Vergleich zum Vorgängerfilm scheint mir hier die Gewichtung der filmischen Stilmittel ausgewogener zu sein. Für mich ist es der rundere Film, der sich mehr Zeit für die dokumentarischen Szenen nehmen kann. Zudem bin ich mit dem Thema Naturschutz noch lange nicht fertig, sondern möchte weiterhin eine andere Perspektive anbieten, die sich deutlich von den gängigen Naturdokus und deren Erzählmustern unterscheidet. So ist Vogelperspektiven ein Film geworden, der nicht nur abgehoben in wunderschönen Bildern schwelgt, sondern durch die Beobachtung der konkreten Naturschutzarbeit deutlich geerdet in der Realität ist. Und welche Unterschiede und Parallelen gibt es zwischen Dr. Norbert Schäffer und Peter Wohlleben außer der Frisur? [lacht] Als Unterschied wäre auf jeden Fall die Körpergröße zu nennen: Peter Wohlleben ist ja fast zwei Meter groß. Als „Deutschlands bekanntester Förster“ und internationaler Bestseller-Autor ist er eine populäre Person und vieles über ihn ist bereits aus den Medien bekannt. Zudem polarisiert er stark. Für die einen ist er „das Beste, was dem Wald passieren konnte“, für die Forstwirtschaft ist er die größte Plage seit dem Borkenkäfer. Das macht es für eine genaue dokumentarische Beobachtung nicht eben leicht. Auf dem Film lasteten große Erwartungen und es war auch ein Kampf gegen Vorurteile. Das war bei Norbert Schäffer anders: Seine Arbeit findet eher im Unsichtbaren statt und es ist für ihn wichtig, mit möglichst unterschiedlichen Gruppen im Gespräch zu bleiben, um geduldig, humorvoll und mit viel Fachwissen zu überzeugen. Das trifft sich gut mit meinen Interessen: Es fällt mir nicht leicht, die „große Bühne“ zu filmen, lieber beobachte ich die Arbeit im Hintergrund. Wenn Sie nach dieser Drehzeit nun einen Vogel vor sich herfliegen sehen, denken Sie heute anders über ihn als vor dem Film? Keine Frage – ich habe durch die Filmarbeit gelernt, Vögel in ihren Lebensräumen besser wahrzunehmen und wertzuschätzen. Ich habe mir ein gutes Fernglas zugelegt und bin natürlich Mitglied beim LBV geworden. Wie das Wissen über die Vogelwelt den Blick verändert, zeigt sich eindrücklich am viel besungenen Mauersegler: Wenn man den durch Häuserfluchten fliegen sieht, ist das schon sehr beeindruckend. Wenn man aber noch ein bisschen was über seine Biologie weiß, dann öffnet sich eine „Welt des Staunens“, wie Arnulf Conradi sagen würde. LBV MAGAZIN 1|23 23 „Mir ist der Kontrast wichtig, also die Zweistimmigkeit im Film, und was daraus entsteht“ Ein Schild mit einem besonderen Appell. Tarnfotograf Ralph Sturm.

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