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LBV MAGAZIN 1|24 1 Vogel des Jahres 2024 Der Kiebitz VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN magazin 1|2024 Gefährdete Feldvögel Interview mit BBVPräsident Felßner Natürliches Vogelfutter Samenbuffet aus eigenem Anbau Wertvolle Frühblüher Es kommt nicht nur aufs Aussehen an

2 LBV MAGAZIN 1|24 NISTHILFEN Alle Nistkästen 09174-4775-7023 naturshop@lbv.de lbv-shop.de BRING LEBEN IN DEINEN GARTEN! LBV-SpatzenDreifachkasten LBV-Meisennistkasten für Blaumeisen Bausatz für ein Meisenhaus Ø 32 mm Das 1x1 der Vogel-Nistkästen Bausatz Nistkasten „Nils“ Ø 35 mm Mauerseglerkasten 17B 1-fach LBV-Fledermauskasten mit Blechdach Nistkästen aus atmungsaktivem Holzbeton

LBV MAGAZIN 1|24 3 er ist schon ein besonders fescher Kerl, unser Vogel des Jahres 2024. Wie sein Kleid im Licht schimmert, seine Federhaube einen Hauch von Noblesse versprüht und seine spektakulären Flugmanöver beeindrucken. Umso trauriger ist es, dass der Bestand des Kiebitzes aufgrund der Zerstörung seines Lebensraums durch die intensive Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten eine wahre Talfahrt erlitten hat. Was Sie für den Kiebitz tun können? Kaufen Sie Biolebensmittel! Denn die garantieren zumindest einen schonenden Umgang der Landwirtschaft mit der Natur, was auch dem Vogel des Jahres und dem dringend erforderlichen Ausbau der Biolandwirtschaft zugutekommt. Die letzten Wochen waren geprägt von Protesten. Besonders wichtig waren dabei die Demonstrationen aus der Mitte der Gesellschaft gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, vor allem weil diese nicht von Wut angetrieben waren. Auch wir als Naturschutzverband haben uns zur freiheitlich demokratischen Grundordnung verpflichtet und dulden keinerlei Mitglieder oder Aktivitäten im Verband, die diese missachten oder die Unterdrückung der Menschenrechte zum Ziel haben. Unsere Vision ist geprägt von dem Wunsch nach Biologischer Vielfalt sowie einer pluralistischen Gesellschaft, in der jede einzelne Person unabhängig von Herkunft, sexueller Orientierung, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Glaube, Bildungshintergrund, körperlichen und geistigen Fähigkeiten geachtet und respektiert wird. Liebe Leserinnen und Leser, Für die Demokratie! Viel Spaß beim Lesen! Ihr Markus Erlwein Chefredakteur Je mehr Mitglieder und Unterstützer, desto lauter ist unsere Stimme für Bayerns Natur. Werden Sie deshalb Familienmitglied beim LBV. Teilen Sie uns einfach Namen, Geburtsdatum Ihrer Angehörigen und den gewünschten Mitgliedsbeitrag mit: mitgliederservice@lbv.de Nachwuchs gesucht! E D I T O R I A L FOTO: LBV-ARCHIV Tagesaktuelle Nachrichten finden Sie unter lbv.de/newsletter lbv_bayern lbv.de VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN LBV magazin

4 LBV MAGAZIN 1|24 klima-druck.de ID-Nr. Druckprodukt CO₂ kompensiert 24164999 Dieses Druckerzeugnis ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. www.blauer-engel.de/uz195 · ressourcenschonend und · umweltfreundlich hergestellt · emissionsarm gedruckt XW1 überwiegend aus Altpapier Sie lesen klimaneutral und umweltfreundlich 6 Im Fokus Schmetterlings-Trio 8 Leserbriefe 9 Kurzmeldungen 10 Standpunkt Dr. Norbert Schäffer 12 Der Kiebitz Vogel des Jahres 2024 18 Kiebitz in Bayern Hier ist der Vogel des Jahres gut zu beobachten 20 Rettet die letzten Kiebitze in Bayern! Gemeinsam für mehr Wiesenbrüterschutz 24 Artenschutz im Niedermoor Beweidungsprojekt mit Wasserbüffeln auf Erfolgskurs 26 Spendenaktion Naturparadiese schützen und pflegen Einhefter • Spenden-Überweisungsträger • Mitgliederwerbekarte 12 44 38 Der Kiebitz - alles was Sie über den Vogel des Jahres 2024 wissen müssen. Jahresprojekt zu den 17 Nachhaltigkeitszielen. Interview mit dem Bauernpräsident über Feldvogelschutz. TITELBILD: KIEBITZ | GUNTHER ZIEGER FOTOS: MATHIAS SCHÄF, H.-D. RING, DR. CHRISTOPH MONING, HEINZ TUSCHL, CHRISTIANE GEIDEL, HERSTELLERFOTO I NH A L T 40 So einfach lässt sich natürliches Vogelfutter anbauen. INHALT Bluthänfling

LBV MAGAZIN 1|24 5 VOGELFREUDE GANZ NAH! lbv-shop.de LBV-Balkonhalterung 36 Nahrung für die ersten Insekten dank wertvoller Frühblüher. 28 LBV AKTIV 34 NAJU Neues von der Naturschutzjugend 36 Garten Die richtigen Frühblüher für den Garten 38 Ratgeber Nachhaltiges Vogelfutter aus eigenem Anbau 40 Interview BBV-Präsident Günther Felßner 42 Mitgliederservice • Ergebnisse der Stunde der Wintervögel • 5. Bayerische Biodiversitätstage 43 Erbschaft Alles geregelt 44 Umweltbildung Jahresprojekt der LBV-Umweltstation Rothsee 46 Stiftung Aktuelle Förderprojekte 2024 47 Technik Ferngläser mit Bildstabilisierung 48 Medien Empfehlungen 49 Kleinanzeigen 50 Impressum und Kontakte - ANZEIGE - 47 Ferngläser mit Bildstabilisierung. Nur bei uns erhältlich! Blaue Holzbiene

6 LBV MAGAZIN 1|24 ADMIRAL IM WINTER | FOTO: RALPH STURM Im Sommer taumeln sie auf zarten Flügeln durch die Luft – aber was machen Schmetterlinge im Winter? Während einige in den Süden ziehen, überwintern andere in Bayern. So auch dieser Admiral. Wer den Edelfalter jetzt im März beobachtet, der kann seine Sichtung im Rahmen eines neuen Mitmach-Projekts an den LBV melden. Im Juli und September stehen dann Schwalbenschwanz und Taubenschwänzchen im Fokus. Mehr Infos unter: lbv.de/falter-im-fokus FALTER IM FOKUS

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8 LBV MAGAZIN 1|24 L E S E R B R I E F E Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns unter leserbriefe@lbv.de oder per Post an: Redaktion LBV magazin, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein. Die Redaktion behält sich aus Platzgründen eine Auswahl und das Kürzen von Leserzuschriften vor. Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. i Post des Staates solle dieser zunächst selbst seine „Hausaufgaben“ machen. Wir bedanken uns für die kritische Beiträge, die in der Debatte wichtig sind. Einzelne Zuschriften bemängelten, dass einem Theologen als „Nicht-Fachmann“ zum Thema Klimaschutz Platz eingeräumt wird. Hier möchte die Redaktion widersprechen: Wir sehen das LBV magazin als Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Hintergründe Perspektiven und Standpunkte einbringen können. Gastbeiträge von Personen des öffentlichen Lebens sehen wir als Bereicherung – ein spezifischer fachlicher Hintergrund ist nicht vonnöten, um sich konstruktiv in Debatten einzubringen. Zum Diskussionsbeitrag „Wilde Weiden“ (4/23) Weg vom artenarmen Buchenwald Der Diskussionsbeitrag von Jan Haft impliziert eine längst überfällige Neuausrichtung des Naturschutzes in Deutschland: Weg vom artenarmen Buchenwald hin zu offenen und halboffenen Lebensräumen inklusive Kiefernwäldern. Der Schwerpunkt der Artenvielfalt liegt im europäischen Raum in extensiv genutzten, offenen Lebensräumen, die auch wegen wirkungsloser CO2-Kompensationsmaßnahmen zunehmend von Aufforstung bedroht sind. Dringend notwendig, um den Artenschwund zu bremsen, wäre außerdem eine starke Verringerung des Abbaus von Quarzsand und Kalkstein. Beton und Kalksandstein müssten durch andere Baustoffe ersetzt werden. Daniel Schanz, 90425 Nürnberg Keine Schwarz-Weiß-Aufforderungen Es gibt Fakten, die für die Megaherbivorentheorie sprechen, genauso gibt es Argumente dagegen. An dieser Diskussion möchte ich mich nicht beteiligen. Ich bin ein klarer Befürworter von extensiver Beweidung. Mir geht es vor allem um die Aussage: „Wenn wir aber auf Naturschutzflächen über die Form der Bewirtschaftung entscheiden dürfen, sollten wir uns immer für die Beweidung entscheiden.“ Diese Aufforderung ist aus rechtlicher Sicht mit Vorsicht zu genießen. Artenreiche Mähwiesen sind als Lebensraumtyp nach Anhang I der FFH-Richtlinie geschützt. Die Europäische Kommission hat Deutschland wegen unzureichendem Schutz von FFH-Mähwiesen in Natura 2000-Gebieten vor dem EuGH verklagt! Auch die Aussage „So werden etwa durch das Mähen, ganz gleich ob mit der Sense oder mit dem Kreiselmähwerk, alle Insektenarten ausgemerzt, die den Winter im Inneren alter Halme von Gräsern und Kräutern überdauern“ entbehrt jeglicher fachlicher Expertise. Ob eine Mähwiese einen Lebensraum für Insekten über das ganze Jahr hinaus bieten kann, hängt vom Schnittzeitpunkt, der Häufigkeit des Schnittes, der Mahdhöhe und dem eingesetzten Mähwerk ab. Paul Arnold, 14467 Potsdam FOTOS: MANFRED STÖBER - STOCK.ADOBE.COM, GUNTHER ZIEGER, MICHAEL STRAUCH (2) Zum Artikel „Die Grenzen der Freiwilligkeit“ (4/23) Kann mich nur anschließen Ich habe seit Jahren den Eindruck, dass gerade beimNaturschutz die Freiwilligkeit ganz groß geschrieben wird. Zahlreiche Ausnahmen weichen das Naturschutzrecht auf und machen die Durchsetzung von relevanten Maßnahmen für die Erhaltung der Artenvielfalt und der natürlichen Prozesse unmöglich. Als Gründe für diese Einstellung werden häufig Behauptungen vorgebracht, wie „Das Waldsterben ist doch auch vorbeigegangen“ oder „das Ozonloch hat sich doch auch wieder geschlossen“. Was leider nicht gesagt wird: Nicht mit freiwilligen Maßnahmen ist dies gelungen. Nur mit einem konsequenten Verbot des Kühlmittels FCKW und mit dem Verbot, den Schwefel in die Luft zu blasen, konnte man das Waldsterben und das Auflösen der Ozonschicht in den Griff bekommen. Ich bin überzeugt, dass das Artensterben und die Klimaerwärmung nicht mit emotionalen Sonntagsreden, vagen Ankündigungen und Appellen an die Vernunft und das Verantwortungsbewusstsein der Menschen zu meistern sind. Das Beispiel von Prof. Bedford-Strohm zur verbindlichen Durchsetzung der Verkehrsregeln, bei der „Freiwilligkeit“ an ihre Grenzen stößt, halte ich für sehr gelungen. Erich Helfrich, 97332 Volkach Ideologische Flausen Die Vielfältigkeit der Themen inspirieren dieses Mal besonders! Dafür ein großes Lob. Schwer taten wir uns aber damit, dass solche ideologischen Flausen wie im Leserbrief von Franz Amann & Martin Knab bei Ihnen Gehör finden und abgedruckt werden. Ebenso interessiert es uns wenig, ob Kirchenvertreter in der Weltgeschichte herumfliegen wollen oder nicht: „aber die anderen dürfen dann auch nicht, wenn wir nicht dürfen.“ Es tut mir leid, dass ich diese Übertreibungen langsam nicht mehr ernst nehmen kann. Die restliche Welt wird es nicht im Geringsten interessieren, ob wir in Zukunft Fahrradurlaub machen oder den Flieger nach Ibiza besteigen werden. Wirtschaftsfördernde Lösungen können nur aus Forschung und Innovation heraus kommen, die den deutschen Fußabdruck und den der Entwicklungsländer (auch China, etc.) mit neuen Technologien erheblich verringert. Nichts davon lese ich hier. Dazu zählt auch eine Energiepolitik, die diese Investition erst ermöglicht. Christian Schwarzer, 93051 Regensburg Anm. der Redaktion Der Gastbeitrag von Heinrich Bedford-Strohm hat zu zahlreichen kritischen Zuschriften geführt. Beim Klimaschutz stärker auf Ordnungsrecht zu setzen, rief Widerspruch hervor und wurde als Einmischung in die Privatsphäre der Menschen kritisiert. An anderer Stelle wurde der Nutzen solcher Politik in Zweifel gezogen und die Bedeutung des freiwilligen Engagements der Menschen betont. Im Sinne einer Vorbildfunktion

Gezwitscher Möglichkeiten und Grenzen von Antikollisionssystemen Der Artenschutz spielt bei der Umsetzung vieler Windenergieprojekte eine wichtige Rolle. Um die ambitionierten Ausbauziele der Energiewende zu erreichen, ist es unabdingbar, dass Windenergie und Artenschutz miteinander vereinbar sind. Aus diesem Grund tagten auf Einladung des LBV, des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE) und des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) zahlreiche Expertinnen und Experten. Dabei setzten sie sich mit den Fragen auseinander, wie Antikollisionssysteme (AKS) für Vögel eingesetzt werden können, um Konflikten mit dem Artenschutz zu begegnen, wo die Möglichkeiten und Grenzen ihres Einsatzes sind und welche Besonderheiten es beim Einsatz in Bayern zu beachten gibt. Umweltpreis 2023 für „Natur auf Zeit“ Das Kooperationsprojekt „Natur auf Zeit“ zum Schutz von Amphibienarten in Gruben und Steinbrüchen wurde mit dem Umweltpreis 2023 der Bayerischen Landesstiftung ausgezeichnet. Für den LBV nahmen Dr. Andreas von Lindeiner (2.v.r.) und Dr. Stephanie Gillhuber für den Bayerischen Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden e.V. (BIV) den Preis entgegen. Überreicht wurde er durch Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (links) in der Münchner Staatskanzlei: „Mit ihrem Engagement und ihrem gemeinsamen Projekt belegen LBV und BIV eindrucksvoll, dass Naturschutz und Artenerhalt in Kooperation zwischen Industrie und Naturschutzverbänden hervorragend gelingen kann – sie bringen den Rohstoffabbau mit dem Erhalt des Lebensraums der Amphibienpopulationen in Einklang.“ K U R ZME L DUNG E N Freiwillige für Rebhuhn-Erfassung gesucht Um die deutschlandweite Verbreitung und Bestandsdichte des stark gefährdeten Rebhuhns flächendeckend zu beschreiben, findet 2024 und 2025 eine bundesweite Rebhuhn-Kartierung im Rahmen des Projektes „Rebhuhn retten – Vielfalt fördern!“ statt. Die Zählrouten für die Kartierung, ihre Lage und ihre Vergabe sind über eine Mitmachbörse auf der Webseite des DDA (dda-web.de) einsehbar, über die Freiwillige sich schnell und unkompliziert an der Kartierung beteiligen können. In diesem Jahr geht das Monitoring vom 21. Februar bis zum 31. März. In Bayern sind ca. 550 Routen gelegt, wobei sich der Zeitaufwand in Grenzen hält. Die einmalige Begehung einer 1 bis 1,5 Kilometer langen Route erfolgt kurz nach Sonnenuntergang mit Abspielen einer Klangattrappe. Die Projekt-Koordination und Ansprechpartner für Bayern sind: Christian Langebartels (christian.langebartels@lbv.de) von der LBV-Kreisgruppe Freising und Dominik Richter (dominik.richter@lbv.de) von der LBV-Hochschulgruppe Freising. LBV MAGAZIN 1|24 9 Eröffnung der Ausstellung „Natur auf Zeit“ Ende November wurde die neue Wanderausstellung zum preisgekrönten Projekt „Natur auf Zeit“ von der Vorständin des Bayerischen Naturschutzfonds Ulrike Lorenz im Foyer des Umweltministeriums eröffnet. Anschließend wird sie an verschiedene Orte in Bayern wandern. Eine der weiteren Stationen ist die Landesgartenschau 2024 in Kirchheim bei München. Um die Öffentlichkeit über diese „Überlebensräume“, aber auch zu den Inhalten des vom Bayerischen Naturschutzfonds geförderten Projekts „Natur auf Zeit“ zu informieren, haben der LBV und der BIV zusammen eine Ausstellung zu dieser einzigartigen Kooperation zwischen Naturschutz und Industrie entwickelt. Die Ausstellung führt mit drei plakativen großen Infostelen und einemmit Sitzgelegenheiten gestalteten „Lebensraum“ drumherumdurch das Projekt mit seinen Bewohnern und den dazugehörigen Habitaten.

10 LBV MAGAZIN 1|24 T H EMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Alljährlich finden im Januar zahlreiche Neujahrsempfänge statt. Hierbei handelt es sich um eine schöne Tradition, die ich persönlich für sehr wertvoll halte und genieße. Man wünscht sich gegenseitig ein glückliches und gesundes neues Jahr und erkundigt sich, wie es geht. Meine Antwort hierauf dieses Jahr: „Persönlich ausgesprochen gut! Auch der LBV entwickelt sich sehr schön. Dem Natur- und Artenschutz aber weht ein heftiger Wind ins Gesicht. Als besonders belastend empfinde ich den polemisierenden, polarisierenden und oftmals gezielt verletzenden Ton in Teilen der Gesellschaft.“ Ich denke, viele von Ihnen werden sich in dieser Bewertung wiederfinden. Der Umgangston ist rauer geworden. In den vergangenen Wochen sind auch in Bayern viele Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Als LBV begrüßen wir das Eintreten für Demokratie und Menschenrechte ausdrücklich. Es handelt sich um grundlegende Werte unserer Gesellschaft, denen wir auch unserer Satzung nach verpflichtet sind. Für komplexe Probleme werden häufig vermeintlich einfache Lösungen angeboten. Hierunter leidet auch und gerade der Natur- und Umweltschutz. Der LBV als Fachverband hält dem Sachlichkeit und ehrlichen Dialog entgegen. Wir bemühen uns jeden Tag konstruktiv und lösungsorientiert zu bleiben, ohne unsere inhaltlichen Linien zu verlieren. Bauernproteste Der Januar war geprägt vor allem durch die sogenannten Bauernproteste. Der Bauernverband hat hierbei ganz gezielt auf die Macht der Bilder gesetzt, insbesondere durch den Einsatz von zum Teil kolossalen Fahrzeugen. Fußgänger- oder Fahrraddemos hätten weniger Aufmerksamkeit erzeugt. Keine Frage, unsere Bäuerinnen und Bauern stehen unter erheblichem Druck. Das aber nicht erst seit der vorgeschlagenen und dann zum Teil gleich wieder zurückgenommenen Abschaffung der Steuervergünstigungen für klimaschädlichen Agrardiesel bzw. der KFZ-Steuer. Regelmäßig wurden auch aus Landwirtschaftskreisen Stimmen laut, die betont haben, dass die genannten Vorschläge der Tropfen waren, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Für meinen Geschmack wurde zu viel über diesen Tropfen gesprochen und zu wenig über das Fass, um bei diesem Bild zu bleiben. Dabei haben sowohl die sogenannte BorchertKommission als auch die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) mit Mitgliedern aus den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft, Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz sowie Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft bereits vor Jahren detaillierte Empfehlungen und Vorschläge erarbeitet. Diese ermöglichen auch in Zukunft eine nachhaltige, das heißt ökologisch und ökonomisch tragfähige, sowie sozial verträgliche Landwirtschaft in Deutschland. Alles, was wir tun müssen, ist diese Empfehlungen umsetzen. Angriff auf Umweltstandards in der Landwirtschaft Für ausgesprochen bedenklich halte ich, dass während der Bauernproteste von Vertreterinnen und Vertretern des Bauernverbandes, aber auch aus der Politik, etablierte Umweltstandards für die Misere der Landwirtschaft verantwortlich gemacht und deren Wert infrage gestellt wurde. Dabei sind es gerade unsere Bäuerinnen und Bauern, die, beispielsweise durch Extremwetterereignisse, Dürren und Überflutungen, mit ammeisten unter der Klimakrise leiden. Auch ist vollkommen unbestritten, dass eine leistungsfähige Landwirtschaft dauerhaft nur in einer intakten Natur möglich ist. Dazu gehört auch unsere Artenvielfalt. Wer also vorgibt, dass Lebensmittelproduktion wichtiger ist als Klima- und Naturschutz, verkennt die Situation vollkommen und schädigt langfristig auch die Landwirtschaft fundamental. S T A ND P UN K T braucht intakte Natur Die Landwirtschaft Dem Natur- und Artenschutz weht ein heftiger Wind ins Gesicht

LBV MAGAZIN 1|24 11 Zwischenbilanz fünf Jahre Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ Immer wieder wurde während der Bauernproteste auch auf unser erfolgreiches Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ verwiesen. Ich sage Ihnen, die Ziele in diesem Volksbegehren haben gerade in Krisenzeiten nichts an ihrer Wichtigkeit und Richtigkeit verloren. Vor genau fünf Jahren haben über 1,7 Mio. Bürgerinnen und Bürger in Bayern das Volksbegehren unterschrieben. Wir werden nicht zulassen, dass die darin festgelegten Ziele verwässert oder untergraben werden! LBV und Landwirte Im vorliegenden LBV magazin finden Sie ein Interview mit Bauernpräsident Günther Felßner. Wir haben dieses Interview bereits lange vor den derzeitigen Bauernprotesten vereinbart. Der LBV arbeitet in vielen Bereichen sehr intensiv und erfolgreich mit Landwirten und Landwirtinnen zusammen, beispielsweise beim Schutz von Kiebitzen oder Wiesenweihen. Darüber freue ich mich sehr! Uns ist es ausgesprochen wichtig, mit Organisationen wie dem Bayerischen Bauernverband im Gespräch zu sein. Wir haben immer wieder angeboten, unser Wissen über die Biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft, insbesondere über unsere Feldvögel, im Detail darzulegen und über Konsequenzen daraus zu reden – ohne Angriffe, ohne Schuldzuweisung, ausschließlich sachlich und konstruktiv. Ich würde mich ausgesprochen freuen, wenn dieses Gesprächsangebot in Zukunft intensiver angenommen werden würde. Sorgenkinder des Vogelschutzes: Wiesenbrüter Immer wieder, beispielsweise beim Schutz von Wiesenbrütern, wird bei manchen der Eindruck erweckt, wir wollen mit unseren Forderungen und Vorschlägen Landwirte, aber auch Jäger, Fischer oder Hundehalter, einfach nur ärgern. Dr. Norbert Schäffer Wenn wir sagen: Brachvogel und Uferschnepfe brauchen Feuchtwiesen, dann können wir die entsprechenden Lebensraumansprüche sehr gut belegen. Gleiches gilt, wenn wir sagen: Störungen während der Brutzeit, egal ob durch freilaufende Hunde, Angler oder den Abschuss eines Maibocks in einem Wiesenbrütergebiet, können sich verheerend auf den Bruterfolg von Wiesenbrütern auswirken. Auch dafür haben wir massenhaft Belege. Die Antwort „Aber wir tun den Vögeln doch nichts“ hilft uns hier einfach nicht weiter. Ich habe es oft betont: Biologie ist immer Ursache und Wirkung. Mit einem Brachvogel kann man nicht verhandeln! Das ist kein böser Wille von Brachvogel oder LBV, sondern einfach biologische Realität. Gleiches gilt übrigens, wenn wir sagen: „Brachvögel und besonders Uferschnepfen meiden Bäume und Büsche.“ LBV fachlich fundiert und dialogbereit Wir werden auch in Zukunft bestrebt sein, unsere Anliegen, nämlich den Schutz unserer Biologischen Vielfalt, also von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen, durch fachlich fundierte Arbeit und einen durch gegenseitigen Respekt, Dialog- und Kompromissbereitschaft geprägten Ton, voranzubringen. Ohne Polemisierung oder Diffamierung. Nehmen Sie mich beim Wort! UFERSCHNEPFE I FOTO: CHRISTOPH BOSCH Wir haben immer angeboten, unser Wissen über Feldvögel zu teilen Folgen Sie mir auf X unter @N_Schaeffer

12 LBV MAGAZIN 1|24 T H EMA FOTO: GUNTHER ZIEGER Bedrohter Luftakrobat und Vogel des Jahres 2024 Der Kiebitz Der Kiebitz oder „Feldpfau“ − wegen seines metallisch schimmernden Gefieders − ist nur noch selten zu sehen.

LBV MAGAZIN 1|24 13 Als Mittelstreckenzieher kehrt der Kiebitz früh im Jahr nach Bayern zurück. Besonders im Februar ist er in großen Schwärmen auf nassen Wiesen oder Äckern zu beobachten, bevor sich die Vögel aufteilen und nach geeigneten Brutrevieren Ausschau halten. Wenn möglich kehren sie dabei in ihre angestammten Brutreviere zurück, die sie bereits im Vorjahr besiedelt haben. Beim Beziehen der Brutplätze und der Verteidigung der besten Reviere kommt es zu auffälligen Balzflügen der Männchen: Sie drehen Schleifen, lassen sich in akrobatischen Flugmanövern gen Boden fallen und rufen dabei weit hörbar. So werben sie um die Gunst der WeibMetallisch schimmernde Flügel, eine markante Federhaube am Hinterkopf – der Kiebitz ist ein echter Hingucker. Mit seinen spektakulären Balzflügen und den einprägsamen Rufen hat sich der „Gaukler der Lüfte“ den ersten Platz bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2024 erflogen. Als solcher steht der Kiebitz für die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft. Denn wie viele andere Wiesenbrüter und Feldvögel ist der Kiebitz stark gefährdet. chen und signalisieren Konkurrenten, dass sie Anspruch auf diesen Platz erheben. Brutplatzwahl Bei der Wahl seiner Brutflächen achtet der Kiebitz darauf, dass diese möglichst offen und gut überschaubar sind. In der Regel meidet er die Nähe zu Gehölzen oder Gebäuden. Ursprünglich ein Vogel der Moore und Feuchtwiesen, bevorzugt er die Nähe zu Wasserstellen. Er sucht diese gezielt und schreckt nicht davor zurück, seine Nester in direkter Nachbarschaft anzulegen. Denn das Wasser spielt auch bei der Aufzucht der Jungen eine wichtige Rolle. Der Kiebitz benötigt

14 LBV MAGAZIN 1|24 T H EMA FOTOS: GUNTHER ZIEGER, MARCUS BOSCH chen. Häufig wechselt der Kiebitz dabei den Standort, um es an einem anderen Fleck neu zu versuchen. Die Brutzeit der Kiebitze zieht sich deshalb bis in den Juni – entweder ist es dann gelungen, mindestens ein Küken groß zu ziehen, oder das erfolglose Brutpaar muss seine Anstrengungen auf die nächste Saison verschieben. Wasser marsch! Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg der Jungenaufzucht ist darüber hinaus das Nahrungsangebot im Umfeld der Brutplätze. Kiebitze ernähren sich vorwiegend von kleinen Insekten und deren Larven sowie von Würmern und Schnecken, die sie überwiegend vom Boden aufnehmen. Sie sind besonders auf feuchte bis nasse Böden angewiesen, damit sie und vor allem ihre Jungen in den weichen Böden nach Nahrung stochern können. Aus diesem Grund sind die Kiebitz-Familien mit am stärksten vom Wandel unserer Kulturlandschaft betroffen. Durch die zunehmende Entwässerung, den intensiven Insektizid- und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft sowie die klimatisch bedingte Zunahme der Trockenheit verschwinden ihre Lebensräume. Je weiter die Strecken sind, welche die Elterntiere mit den Küken zurücklegen müssen, um geeignete Nahrungsplätze zu finden, desto geringer ist die Chance, dass die Küken zu gesunden flugfähigen Jungvögeln heranwachsen. Feuchte Böden mit wasserführenden Mulden und Seigen sind daher ein wichtiges Qualitätsmerkmal eines Kiebitz-Lebensraums. Reise in den Süden Bereits Ende Juni beginnen sich die Vögel zu sammeln. Insbesondere die Jungvögel lassen sich dann in Gruppen beobachten, in denen sie von einem Futterplatz zum nächsten wechseln, bevor es für sie in die Überwinterungsgebiete während der Brut einen guten Überblick und freie Sicht, um Fressfeinde früh zu entdecken. Durch die wirkungsvolle Tarnung der Eier sind die Nester in der lückigen Vegetation nur schwer zu finden. Dichte, schnellwüchsige Wiesen meidet der Kiebitz zur Brutzeit. Ein Nest am Boden Ab Mitte März beginnt das Weibchen mit der Eiablage. Das einfache Nest wird vom Männchen im Erdreich geformt und vom Weibchen mit ein paar zusätzlichen Halmen vervollständigt. In der Regel besteht das Gelege aus vier Eiern, die rund vier Wochen bebrütet werden. Nach dem Schlupf sind die Küken vom ersten Tag an selbst für ihre Nahrung verantwortlich. Die Eltern bleiben dabei immer in der Nähe, warnen vor Gefahren und hudern, das heißt wärmen die Küken noch gute zwei Wochen. Das Gefieder der Küken, das sogenannte Dunenkleid, schützt sie nicht ausreichend vor kalter und nasser Witterung, weswegen während der Nahrungssuche immer wieder Pausen zum Aufwärmen eingelegt werden. Wenn alles gut geht, sind die Jungen nach rund eineinhalb Monaten flügge. Häufig gehen die Gelege aber in der Brutphase verloren, da dem Kiebitz, wie den meisten Bodenbrütern, viele Gefahren drohen. Die Nester sind zwar gut getarnt, Bodenräuber wie Fuchs und Marder haben dennoch gute Chancen, die Gelege aufzuspüren. Da die Neststandorte oft nur schwer zu entdecken sind, geraten viele Gelege bei der Einsaat unabsichtlich unter Bearbeitungsgeräte und werden zerstört. Ist es zu Beginn der Brutzeit zu kalt oder werden die Tiere häufig gestört, kann es ebenfalls sein, dass der Kiebitz Gelege verliert oder aufgibt. In diesem Fall kann er ein zweites und sogar ein drittes Gelege, ein sogenanntes Nachgelege, anlegen, um den Verlust auszugleiDie Küken müssen anfangs noch regelmäßig von den Eltern gewärmt werden. Feuchte Böden und wasserführende Mulden sind für Kiebitze lebenswichtig.

FOTO: XXXXXXXXXXXXXXXXXXX Steckbrief Name KIEBITZ (Vanellus vanellus) Verwandtschaft Ordnung der Wat-, Möwen- und Alkenvögel, Familie der Regenpfeifer (Charadriidae). Ein anderer bekannter Vertreter der Familie ist der Flussregenpfeifer. Merkmale Etwa taubengroß; Kontrast zwischen schwarzer Oberseite mit grünlich schimmerndem Metallglanz und weißer Unterseite mit schwarzem Brustband. Abstehende Federholle am Hinterkopf; Kopfseite weißlich mit schwarzem Streif unter großem dunklem Auge; Weibchen insgesamt schlichter und kürzere Holle. Lebensraum Offenes, flaches und feuchtes Dauergrünland, Wiesen, Weiden und Überschwemmungsflächen; brütet heutzutage vorwiegend auf Äckern. Nahrung Hauptsächlich Insekten und deren Larven, aber auch Regenwürmer, Samen und Früchte von Wiesenpflanzen. Brutbiologie Saisonal monogam, ein Männchen kann aber mehrere Weibchen haben; meist vier olivbraune und schwärzlich gefleckte Eier in einer mit Gras ausgepolsterten Mulde am Boden; Legebeginn abhängig von Witterung bzw. Erfolg zwischen Anfang März und Juni; Hauptbrutzeit im April und Mai; Schlupf nach vier Wochen; Küken sind Nestflüchter und nach 35 bis 40 Tagen flügge; bei Verlust der Eier bis zu zwei Nachgelege möglich. Stimme Zum Beispiel „kie-wi“ als Kontaktlaut und „chä-chuit, witwit-wit-wit“ sowie „chiu-witt“ während des Fluges. Zugverhalten Mittelstreckenzieher mit Fluggeschwindigkeiten von 40 bis 70 Stundenkilometern und einer Flughöhe von 500 Metern; Einzeltiere wurden schon auf einer Flughöhe von 4.000 Metern nachgewiesen; Überwinterungsgebiet der deutschen Kiebitze von Irland und Großbritannien bis nach Nordafrika. Verbreitung Gemäßigte und mediterrane Zone von Westeuropa; nördliche Verbreitungsgrenze in Skandinavien, südlich bis Nordafrika; dichteste Vorkommen in Tiefebenen und Flussniederungen. Bestand In der EU schätzungsweise 0,9 bis 1,4 Millionen Brutpaare; in Deutschland 42.000 bis 67.000 Paare; in Bayern nur 3.800 Brutpaare (2021); in optimalen Gebieten kolonieartig bzw. mit bis zu fünf Paaren pro Quadratkilometer; meist aber nur mehr in Siedlungsdichten von kaum mehr als einem Paar pro Quadratkilometer. Gefährdung Durch Entwässerung, Grundwasserabsenkung, frühe Wiesenmahd, industriellen Torfabbau, Aufforstung von Mooren sowie landwirtschaftliche Arbeiten aus dem ursprünglichen Lebensraum weitgehend vertrieben; Bruten auf Äckern gefährdet durch zeitgleiche Bewirtschaftung im Frühjahr; hoher Prädationsdruck am Boden, wo durch die fehlende Koloniegröße keine wirksame Abwehr möglich ist; Störungen der Brutgebiete durch intensive Freizeitnutzung sowie in manchen Ländern immer noch durch Jagd und Eiersammler. LBV MAGAZIN 1|24 15

16 LBV MAGAZIN 1|24 T H EMA FOTOS: NORBERT KAPPENSTEIN, LISA SCHENK Woher wissen Kiebitze, welcher Brutplatz geeignet ist? Für die Brutplatzwahl im zeitigen Frühjahr, wenn noch nicht erkennbar ist, wie dicht und hoch die Vegetation sein wird, ist oftmals die Bodenfarbe eine Orientierungshilfe. Der Kiebitz bevorzugt erdige Farbtöne gegenüber lebhaft grünen. Auch die Bodenfeuchte ist ein Indikator für einen geeigneten Brutplatz. Auf anmoorigen Stellen, Überschwemmungsflächen oder staunassen Böden ist der Bewuchs im Frühjahr geringer als auf Intensivwiesen. geht. Diese liegen bei unseren bayerischen Kiebitzen in der Regel in süd- und westeuropäischen Ländern wie Spanien, Portugal und Frankreich. Auch hier verweilen sie in Gebieten mit flachen Wasserstellen und feuchten Bereichen, wie sie zum Beispiel das Ebrodelta in Spanien bietet. Mit zunehmend milderen Winter haben sich jedoch in den vergangenen Jahren die Zugwege verkürzt. Bejagung In manchen europäischen Überwinterungsgebieten werden Kiebitze trotz der starken Bestandsrückgänge immer noch bejagt. Aufgrund von Meldungen toter, beringter Kiebitze ist klar, dass bayerische Kiebitze in Westfrankreich überwintern und dort sterben. Auch in Spanien, Italien, Griechenland und Malta wird der Kiebitz bejagt. Die Anzahl erlegter Kiebitze in Frankreich ist in den letzten Jahren stark rückläufig. Studien zeigen, dass die Hauptursache für den Rückgang der Kiebitze in Mitteleuropa nicht die Bejagung, sondern der zu geringe Bruterfolg ist. In Bayern stark gefährdet Die Veränderungen unserer Landschaft haben dazu geführt, dass trotz der Anpassungsfähigkeit des Vogels unsere bayerischen Bestände kaum noch in der Lage sind, sich zu halten. So hat der Bestand der Art in Bayern in den letzten 25 Jahren um 90 Prozent abgenommen. Eine Trendwende ist nicht in Sicht, da der voranschreitende Klimawandel die vorhandenen Probleme weiter verschärft. Dazu kommt, dass die geschwächten kleinen Bestände stärker unter Verlusten durch Beutegreifer leiden. Forderungen zum Schutz Eine der wichtigsten Maßnahmen, um den Kiebitz zu schützen, ist es, naturnahe Lebensräume durch die Renaturierung von Auen und Niederungen, die Wiedervernässung von Feuchtwiesen sowie durch angepasste landwirtschaftliche Nutzung zu erhalten. Auch die intensive Überwachung bekannter Brut- und Rastplätze ist von Bedeutung. Da der angestammte Lebensraum des Kiebitzes durch intensive menschliche Eingriffe, beispielsweise die zunehmende Bebauung, die Einengung unserer Flüsse und die Nutzbarmachung ehemals ungeeigneter Standorte für die Ackerwirtschaft in großen Teilen verloren gegangen ist, besiedelt er in Bayern heute zum überwiegenden Teil Ackerflächen. Hier lässt er sich am liebsten dort nieder, wo im Frühjahr allenfalls lückiger Bewuchs zu finden ist oder die Flächen frisch eingesät wurden. Daher sind gerade für diese Flächen Managementkonzepte zu etablieren, um Brutverluste zu vermeiden. VERENA AUERNHAMMER Leitung Wiesenbrüter- und Feldvogelschutz E-Mail: verena.auernhammer@ lbv.de Die Bestandszahlen des Kiebitz gingen in den letzten Jahren stark zurück. Früher häufig – heute eine Art der Roten Liste 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 300 285 255 221 234 233 255 214 177 215 151 139 125 127 111 110 100 85 105 91 80 81 74 59 62 71 68 63 57 56 0 50 100 150 200 250 300 Dachverband Deutscher Avifaunisten (2022) Dargestellt ist der Index der Bestandsentwicklung relativ zum Jahr 2006 (= 100 %) für den Zeitraum 1990–2019

FOTOS: HANS CLAUSEN, FRANK DERER, GUNTHER ZIEGER, LISA SCHENK, DR. CHRISTIAN STIERSTORFER Schon gewusst? Von seinem vielfältigen Namensreichtum über eine beeindruckende Jagdtechnik bis hin zur bemerkenswerten Zusammenarbeit bei der Brut – den Kiebitz zeichnet mehr aus, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Fünf erstaunliche Fakten zum Vogel des Jahres. Ein Vogel – viele Namen Der Kiebitz ist unter zahlreichen volkstümlichen Namen bekannt, etwa als Feldpfau, Muttergottestaube, Riedschnepfe, Geißvogel oder Kiwitt. Im Englischen wird er als peewit bezeichnet. Der offizielle englische Name lapwing bedeutet so viel wie „klatschender Flügel” und geht auf die charakteristischen Geräusche während der Balzflüge zurück. Und wer „kiebitzt“, schaut dem anderen schon mal verbotenerweise in die Karten. Der klopfende Vogel fängt den Wurm! Der Kiebitz zählt zu den Arten, die über sogenanntes Fußtrillern, Bodentrillern oder Bodenklopfen ihre Nahrung aus dem Boden locken können. Dazu verlagert er sein Gewicht auf ein Standbein und erzeugt mit dem anderen Bein schnelle, vibrierende Klopfbewegungen, ohne den Fuß vom Boden zu lösen. Dadurch werden die im Boden versteckten Larven, Würmer und Schnecken aufgeschreckt. Diese Technik funktioniert am besten auf feuchten Böden. Die Qual der Wahl Auf einer geeigneten Fläche legt ein Männchen in der Regel mehrere Nestkuhlen an, von denen das Weibchen letztlich eine auswählt und zum fertigen Nest gestaltet. Die anderen „Rohbauten” werden nicht mehr genutzt, können den fertigen Nestern aber manchmal zum Verwechseln ähnlichsehen. Arbeitsteilung Weibchen und Männchen bebrüten das Gelege. Während ein Vogel sitzt, hält der andere Wache und warnt, wenn sich Gefahr nähert. So hat der brütende Vogel genug Zeit, das Nest unauffällig zu verlassen. Beide versuchen dann, die Aufmerksamkeit auf sich und weg vom Nest zu lenken. Die Feindabwehr gelingt am besten in der Gruppe, weshalb Kiebitze normalerweise in kleinen Kolonien brüten. Auch die Küken mehrerer Familien werden in einem „Kindergarten“ gemeinsam geführt. Wer lange lebt, hat viel erfahren! Kiebitze können vergleichsweise alt werden. Einer der ältesten bekannten Vögel wurde in Dänemark gefunden. Anhand seines Ringes konnte sein Alter auf stolze 24 Jahre bestimmt werden. LBV MAGAZIN 1|24 17

T H EMA FOTO: NORBERT KAPPENSTEIN Hier ist der Vogel des Jahres gut zu beobachten Kiebitz in Bayern Wer Kiebitze einmal beobachten möchte, hat dazu gerade während des Zuges im zeitigen Frühjahr und Herbst in ganz Bayern gute Chancen, wenn sie auf Wiesen und Ackerflächen rasten. Wir geben Tipps, wo eine Begegnung bei Führungen oder auf Rundwegen besonders wahrscheinlich ist. MARIE-THERESE KRIEGER Donaumoos im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen Im Donaumoos im Landkreis NeuburgSchrobenhausen gibt es seit 20 Jahren ehrenamtliche Schutzbemühungen für Kiebitze und andere Wiesenbrüter. Seit 2022 werden diese durch ein vom Bayerischen Naturschutzfonds gefördertes Wiesenbrüterprojekt unterstützt. Nun will ein Großprojekt des Donaumoos-Zweckverbands und des Donaumoos-Teams 2.000 Hektar des Niedermoors wiedervernässen. Die LBV-Projektmanagerin Marie Heuberger lädt am Samstag, den 6. April 2024 um 9 Uhr zu einer Exkursion ins Gebiet ein. Treffpunkt ist am Haus im Moos (Kleinhohenried). Anmeldung bei marie.heuberger@lbv.de. Mit etwas Glück kann man in Bayern den Kiebitz sogar bei der Balz beobachten. 18 LBV MAGAZIN 1|24

Die Gebietsbetreuerin Alina Rudolf nimmt Interessierte am Samstag, den 20. April 2024, um 9.30 Uhr mit auf einen Besuch bei Kiebitz und Co. Treffpunkt ist in Neuhausen (94560 Gemeinde Offenberg), am Parkplatz Betriebsstraße (bei Feinmechanik Hacker). Anmeldung bei alina.rudolf@lbv.de. Wiesenbrütergebiete im Unteren Isartal In den Wiesenbrütergebieten im Unteren Isartal brüten bayernweit die meisten Kiebitze. Eines der bekannteren Gebiete ist das Königsauer Moos. Dieses Schutzgebiet ist Teil des bayernweiten Lebensraumnetzes „BayernNetzNatur“ sowie ein europäisches Natura 2000-Schutzgebiet. Donautal im Landkreis Deggendorf Das Donautal ist ein wichtiges Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet für viele bedrohte Wiesenbrüter – auch für den Kiebitz. Die Feuchtflächen, die im Sinne des Wiesenbrüterschutzes extensiv gepflegt werden, beherbergen bedeutende Vorkommen seltener, aber gebietstypischer Pflanzenarten und sind wichtige Lebensräume anderer Tiergruppen. Freisinger Moos Das Freisinger Moos ist eines der größten noch erhaltenen Niedermoorgebiete in Bayern. Es bietet Lebensraum für viele niedermoortypische Pflanzen- und Tierarten. Vom Vogelbeobachtungsturm aus können neben Kiebitzen auch Brachvögel beobachtet werden. Schwäbisches Donaumoos Im schwäbischen Donaumoos in der Nähe von Günzburg gibt es mehrere Natur-Erlebniswege und Vogelbeobachtungstürme. Hier bietet sich der LIFE-Erlebnisweg Gundelfinger Moos zur Beobachtung von Kiebitzen an. Wiesmet Ein großes Wiesenbrütergebiet ist das Wiesmet nordwestlich des Altmühlsees. Hier gibt es einen Kiebitz-Rundweg, einen Aussichtshügel am Altmühlradweg und regelmäßige Führungen entlang der Vogelinsel. Die LBV-Kreisgruppe bietet im April zwei Führungen im Gebiet an: Am 20. April 2024, 8 Uhr, geht es ins westliche Isarmoos. Treffpunkt ist auf Höhe des Modellflugplatzes bei Dornwang. Zu einem Besuch ins Königsauer Moos geht es am 27. April 2024 um 8 Uhr. Treffpunkt ist am Behrhof 1, Autobahnausfahrt DingolfingOst. Anmeldung bei heike.herzig@lbv.de. Wichtig Kiebitze reagieren sehr empfindlich auf Störungen. Wer auf Beobachtungstour geht, sollte während der Brutzeit von Anfang März bis Ende Juni immer auf den Wegen bleiben, ausgewiesene Vogelbeobachtungstürme nutzen, gesperrte Flächen respektieren und Hunde zwingend an die Leine nehmen. i LBV MAGAZIN 1|24 19

T H EMA Rettet die letzten Kiebitze in Bayern! Gemeinsam für mehr Wiesenbrüterschutz Bei Gefahr ducken sich die Küken ab und verlassen sich ganz auf ihre Tarnung. 20 LBV MAGAZIN 1|24

LBV MAGAZIN 1|24 21 FOTOS: LISA SCHENK, HEINZ ARMER Beide Vorhaben beinhalten lokale Maßnahmen zur Brutzeit. Um Gelege während der Bewirtschaftung zu schützen, werden beispielsweise Nester markiert. Landwirtinnen und Landwirte können diese dann umfahren. Darüber hinaus setzen die Projekte aber unterschiedliche Schwerpunkte. Vanellus vanellus muss ein Bayer bleiben „Vanellus vanellus muss ein Bayern bleiben“ ist ein landesweites LBV-Projekt mit dreijähriger Laufzeit, das allgemein helfen soll, den negativen Bestandstrend des Kiebitzes zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Unter der Förderung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind daher nicht nur lokale Schutzmaßnahmen in den niederbayerischen Schwerpunktregionen das Ziel. Auch in anderen Kiebitzgebieten sollen Projekte initiiert und unterstützt werden. Ein bayernweites Netzwerk schaffen Ein weiterer wichtiger Teil des Projekts ist die enge Vernetzung aller Akteure im Kiebitzschutz, um die Wissensvermittlung effizienter zu gestalten. Diesem Zweck dient die vom LBV geschaffene Online-Plattform „Kiebitzschutz in Bayern“. Über diese können sich haupt- und ehrenamtlich Aktive austauschen, indem sie zum Beispiel ihre Schutzprojekte präsentieren oder Fragen zum Kiebitzschutz beantworten, wie etwa: Welche Schutzmaßnahmen für die Art sind vor Ort sinnvoll? Wo finde ich Ansprechpartner, die regional unterstützen können? Wann weiß ich, ob ein Gelege erfolgreich geschlüpft ist? Ergänzt wird das Angebot um Tipps und Hilfsmittel beispielsweise Seit Anfang 2023 macht sich der LBV nicht nur ehrenamtlich, sondern auch mit zwei hauptamtlich besetzten Projekten für den Kiebitz stark. Das bayernweite Artenhilfsprojekt „Vanellus vanellus muss ein Bayer bleiben” und das lokale Projekt „Kiebitzschutz im Knoblauchsland“ bemühen sich in unterschiedlichen Brutgebieten Bayerns um Schutzmaßnahmen. zu Schutzmaßnahmen oder Fördermöglichkeiten. Mitglieder können die Informationen außerdem um eigene Berichte und Ergebnisse aus ihren Projekten ergänzen. Auf zweimal jährlich stattfindenden OnlineTreffen lassen sich zudem Projekte ausführlicher vorstellen und Ideen für den lokalen Kiebitzschutz entwickeln. Erfahrene Kiebitzschützer geben so ihr Wissen weiter und können sich untereinander über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen austauschen. Weitere Themen solcher Vernetzungsabende sind etwa der Einsatz von Drohnen im Kiebitzschutz, die Anwendung neuer Fördermaßnahmen oder der Umgang mit dem wachsenden Flächendruck durch den Ausbau der erneuerbaren Energien. In Zukunft sollen auch Experten und Expertinnen außerhalb Bayerns zu Online-Treffen eingeladen werden, um den Erfahrungstransfer über die Landesgrenzen hinaus zu erweitern. Ab 2024 ist außerdem ein Workshop geplant, der die Grundlagen des GeEine Online-Plattform des LBV soll den Wissensaustausch zwischen aktiven Kiebitzschützern unterstützen. Ein Nest mit Küken beim Schlupf ist auf dem Acker leicht zu übersehen.

22 LBV MAGAZIN 1|24 T H EMA FOTOS: LISA SCHENK (3), MARCUS MEYER, NICOLE FRIEDRICH legeschutzes vermitteln soll. Gerade Neulinge können sich dort über die Brutbiologie der Art informieren und praktische Tipps erhalten. Die Arbeit vor Ort Die lokalen Projektschwerpunkte sind das Donautal und der Gäuboden sowie das Isar- und Vilstal. In diesen Regionen, die sich geographisch über die Landkreise Dingolfing-Landau, Deggendorf und Straubing erstrecken, brüten bayernweit noch mit die meisten Kiebitzpaare. Der Umfang der Projektgebiete orientiert sich an den Daten der letzten bayernweiten Wiesenbrüter- und Feldvogelkartierung (2021), bezieht aber auch bereits teilweise vorhandene Schutzmaßnahmen anderer Akteure ein. Vor Ort haben die Projektmitarbeitenden in ihren Gebieten Steuergruppen geschaffen. Diese bestehen aus dem LBV-Projektteam, anderen aktiv am Kiebitzschutz beteiligten Verbänden sowie den zuständigen Behörden wie beispielsweise dem Landwirtschaftsamt oder der Unteren Naturschutzbehörde. Gleichzeitig wird versucht, ehrenamtliche Kräfte für die Kartierung der Kiebitze zu gewinnen. Der Kontakt zu den landwirtschaftlichen Betrieben für die Umsetzung von Nestschutzmaßnahmen erfolgt über die Wildlebensraumberatung an den Landwirtschaftsämtern. Aufbauend auf den ersten Kontakten wird ausgelotet, ob weitere Schutzmaßnahmen wie beispielsweise das Anlegen von temporären Bracheflächen für Kiebitze möglich sind. Neben JAN SKORUPA Projektmanager Kiebitzprojekt Vanellus vanellus E-Mail: jan.skorupa@lbv.de der Beratung zu den verschiedenen Schutzmaßnahmen und ihren Fördermöglichkeiten werden auch Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensraums angestrebt. So wird in Absprache mit den örtlichen Landschaftspflegeverbänden und den Behörden gezielt nach Flächen gesucht, auf denen sich optimale Strukturen schaffen lassen. Dies können seichte Wasserstellen und aufgeweitete Gräben sein oder gezielt für den Kiebitz angelegte Ausgleichsflächen. lbv.de/naturschutz/artenschutz/voegel/kiebitz Kiebitzforum: forum.lbv.de/c/kiebitzschutz/27 Die LBV-Webseite informiert über Schutzmaßnahmen und Projekte zum Kiebitzschutz. MARIE-THERESE KRIEGER Regionalkoordinatorin Kiebitzprojekt Vanellus vanellus E-Mail: marie.therese.krieger@lbv.de

FOTO: XXXXXXXXXXXXXXXXXXX Nur Farbringe ermöglichen eine individuelle Identifikation der Vögel. Als Nestflüchter sind die Küken von Anfang an sehr mobil. Kiebitzschutz im Knoblauchsland Das intensiv bewirtschaftete Gemüseanbaugebiet Knoblauchsland im Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen beherbergt als Sonderlebensraum mit 124 Brut- bzw. Revierpaaren die zweitgrößte Kiebitzpopulation Bayerns. Für den Kiebitz sind die bewässerten Ackerflächen im Gebiet sehr attraktiv. Im feuchten Boden fällt es ihm leichter, nach seiner Nahrung, vor allem nach Würmern und Insekten, zu stochern. Der Bestand droht dennoch – wie vielerorts bereits geschehen – stark zu schrumpfen. Deshalb wurde im Frühjahr 2023 mit Unterstützung der Regierung von Mittelfranken, des Umweltamts Nürnberg und der Stöckmannstiftung ein Schutzprojekt initiiert. Ziel ist es, den Bruterfolg auf bewirtschafteten Flächen zu verbessern und die Population langfristig zu erhalten. Das Projekt wurde durch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) in Form von zwei Drohnenflügen mit Wärmebildkameras zur Nestersuche unterstützt. Dabei wurden 2023 auf den ca. 1.900 Hektar landwirtschaftlichen Flächen über 120 Nester kartiert. Eine im selben Jahr erstellte Machbarkeitsstudie liefert Empfehlungen zu weiteren Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen der Kiebitzpopulation im Knoblauchsland. Beringung Seit mehreren Jahren werden im Knoblauchsland Jungkiebitze durch ehrenamtlich Aktive beringt. Diese Arbeit wurde 2023 im Rahmen des Schutzprojekts fortgeführt. Die Vögel werden dabei mit farbigen Ringen an den Beinen versehen, deren zweistelliger Code mit Spektiven oder zoomstarken Kameras aus der Ferne ablesbar sind. Meldungen von beringten Vögeln liefern wertvolle Daten zum Verbleib der Jungvögel und zeigen, welche Flächen im Gebiet die Kiebitzfamilien nutzen. Öffentlichkeitsarbeit Viele Personen nutzen das Knoblauchsland, um sich beim Spazierengehen oder Fahrradfahren zu erholen. Deshalb beschäftigt sich ein Teil des Projekts mit der Sensibilisierung der lokalen Bevölkerung, um Störungen der Brutaktivitäten oder eine direkte Gefährdung der gut getarnten Nester und Küken durch Spaziergänger und Hunde abseits der Wege zu vermeiden. Ergänzend sind für 2024 neben Hinweisschildern auch Vorträge und zwei Exkursionen im Mai geplant. Termine zum Kiebitz sind online unter den LBVVeranstaltungen der Kreisgruppe Nürnberg zu finden. Projekt: nuernberg.lbv.de/ kiebitzschutz LISA SCHENK Regionalkoordination Kiebitzschutz Knoblauchsland E-Mail: lisa.schenk@lbv.de Team Kiebitz im Knoblauchsland (v.l.n.r.): Heinz Armer, Lisa Schenk, Dieter Kaus. Kleinteiliger Gemüseanbau im Knoblauchsland schafft eine hohe Lebensraumvielfalt. LBV MAGAZIN 1|24 23

24 LBV MAGAZIN 1|24 S C HU T Z G E B I E T Artenschutz im Im Allmannshofer Ried im nördlichen Landkreis Augsburg stehen Naturschützer und Naturschützerinnen vor besonderen Herausforderungen. Der Schutz von Niedermoorstandorten wie diesem erfordert das Engagement vieler lokaler Akteure, um die letzten Brut- und Nahrungshabitate von Wiesenbrütern zu bewahren. Das Allmannshofer Ried bildet zusammen mit dem Oberndorfer Moor im Landkreis Donau-Ries ein ausgedehntes Niedermoorgebiet mit vielen Feucht- und Nasswiesen. Hier leben neben dem dem Kiebitz, Vogel des Jahres 2024, beispielsweise Brachvogel, Neuntöter, Schwarzmilan, Braunkehlchen, Gelbspötter, Kornweihe und Blaukehlchen. Zugleich berücksichtigt das Flächenmanagement aber auch die Erfordernisse des Klimaschutzes sowie die Bedürfnisse weiterer Arten, die dort vorkommen. Um zu verhindern, dass die für Wiesenbrüter und zahlreiche weitere Tiere und Pflanzen so wichtigen extensiven Offenlandflächen verbuschen, ist regelmäßiges Mähen oder Beweiden notwendig. Allerdings war das Mähen der Flächen in der Vergangenheit aufgrund der teils sehr nassen Verhältnisse oft schwierig oder gar nicht möglich. Um das wertvolle Habitat von Kiebitz und Co. langfristig zu erhalten, entschied sich die Kreisgruppe Augsburg im Jahr 2014 für eine extensive Wasserbüffelbeweidung auf einer Fläche von gut fünf Hektar. Die Beweidung mit Wasserbüffeln ist eine nachhaltige Methode, um das Habitat zu schützen. Die robusten TieBeweidungsprojekt mit Wasserbüffeln auf Erfolgskurs Niedermoor

LBV MAGAZIN 1|24 25 FOTOS: RALF HOTZY, NADJA DANNER (3) re können den ungedüngten und relativ mageren Pflanzenaufwuchs im Niedermoor problemlos verdauen. Außerdem passen sie ihre Essgewohnheiten, ihr Ruheverhalten und die Art und Weise, wie sie Kot ausscheiden, je nach Situation an und schaffen so einen vielfältigen Lebensraum. Wann und wie viele Wasserbüffel auf den jeweiligen Flächen weiden, wird vom LBV in Absprache mit den Landwirten und Landwirtinnen festgelegt. Diese Maßnahmen sind insbesondere auf die Bedürfnisse von Wiesenbrütern wie Kiebitz und Brachvogel abgestimmt. Das Beweidungskonzept wird regelmäßig an die neuesten Erkenntnisse angepasst. Die Regierung von Schwaben und der LBV mit der Kreisgruppe Augsburg liefern die fachlichen Grundlagen. Zahlreiche ehrenamtliche Artenkennerinnen und Artenkenner sind regelmäßig vor Ort, um Veränderungen zeitnah zu erfassen. Hinzu kommen die Hauptamtlichen des LBV, die Vegetationskartierungen durchführen und das Beweidungskonzept erstellen sowie fortlaufend aktualisieren. Im Jahr 2021 wurde ein ausführlicher Bericht zur Erfassung der Arten erstellt und ein angepasstes Beweidungskonzept entwickelt. Zuvor wurde im Rahmen eines GlücksSpiraleProjekts die Vegetation und Tierwelt untersucht. Die Höhere Naturschutzbehörde der Regierung von Schwaben unterstützt den LBV auch beim Ankauf neuer Flächen in diesem Gebiet. Mittlerweile hat sich das Wasserbüffel-Beweidungsprojekt als erfolgreich erwiesen: Die Kiebitze führen ihre Jungen auf die Weideflächen. Dort finden sie Nahrung an den gut abgefressenen Stellen sowie Deckung an überständigen Sauergrasbeständen und Hochstauden. Im Kot der Büffel leben zahlreiche Insekten, die den Wiesenbrütern als wichtige Nahrungsquelle dienen. Ein Kiebitzküken benötigt pro Tag etwa die Menge an Insekten, die ein Kuhfladen hervorbringt. Die Weidetiere schaffen zudem offene Bodenstellen und wasserführende Suhlen, was die Vorkommen weiterer Insektenarten fördert und den Bedürfnissen von Limikolen entspricht. Auf den LBV-Weideflächen sind neben Kiebitzen auch seltene Arten wie Brachvogel, Schafstelzen und Bekassinen zu beobachten. Wasserbüffel halten Wasserstellen offen und schaffen Lebensraum für Amphibien und Libellen. Bild l.u.: Wasserbüffelherde auf der Weide. Im Dung vermehren sich viele Insekten, die Nahrung für Wiesenbrüter wie den Kiebitz sind. FERDINAND FEHLER Flächenmanager für Schwaben E-Mail: ferdinand.fehler@lbv.de

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