Bartgeier
Gypaetus barbatus
Ruf des Bartgeiers
Quelle: www.xeno-canto.org
Stimme des Bartgeiers
Lautäußerungen kaum jemals zu hören, nur aus geringer Distanz am Nest.
Status
Potenziell gefährdet (NT) laut IUCN. Streng bzw. besonders geschützt nach BNatSchG [BG] Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG [VSR] Anhang I (Auf die in Anhang I aufgeführten Arten sind besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen).
Das Vorkommen des Bartgeiers (Gypaetus barbatus) in Bayern ist historisch verbürgt. Daher soll er künftig auch in die Rote Liste aufgenommen werden. In der Referenzliste der bayerischen Vogelarten der EU-Vogelschutzrichtlinie ist er enthalten. Auch in der Artenliste der Vögel Deutschlands ist der Bartgeier als ausgestorbener Brutvogel gelistet (BARTHEL & KRÜGER 2018).
Der letzte Bartgeier in Deutschland wurde 1879 bei Berchtesgaden erschossen (SCHIRM 1883).
Blick ins Geschichtsbuch
Als „Lämmergeier“ lange vom Menschen gefürchtet, wurde es dem Bartgeier nachgesagt, Vieh, Wild und selbst kleine Kinder davonzutragen und zu töten. Die damit verbundene Verfolgung führte dazu, dass der Bartgeier zu Beginn des 20. Jhd. im gesamten Alpenraum ausgerottet wurde.
Die heutigen Vorkommen gehen auf Wiederansiedlungen zurück, die im Jahr 1986 in Österreich begonnen wurden und bis heute in mehreren Ländern Europas fortgeführt werden.
Volkstümliche Namen
Der Bartgeier wurde im Alpengebiet als Gold-, Berg-, Gemsen-, Joch-, Stein- und Lämmergeier bezeichnet. Eine Bezeichnung des Bartgeiers ist auch Kochenbrecher (Boabrüchl). Sein markantes Verhalten, größere Knochen zum Zertrümmern auf Felsen abzuwerfen und die Bruchstücke zu Verspeisen, wurde schon seit Urzeiten bei den menschlichen Bewohnern der Bartgeierlebensräume beobachtet.
Aussehen
Körperlänge: 94 – 125 cm
Spannweite: 230 – 290 cm
Gewicht: 5 - 7 kg
Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,9 Metern zählt der Bartgeier zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Er ist neben dem etwa gleich großen (aber mit bis zu 12 kg deutlich schwereren) Mönchsgeier der größte Greifvogel Europas. Damit ist er weit größer als der Steinadler.
Charakteristisch für sein Erscheinungsbild sind der lange, keilförmige Schwanz und die gelb-rötlichen Brustfedern, wobei ihn beide Merkmale deutlich vom Steinadler abgrenzen. Die meist orange-rötlichen Gefiederpartien an Bauch, Brust und Nacken sind eigentlich weiß und werden von den Tieren selbst durch Bäder in eisenoxidhaltigem Schlamm gefärbt.
Veränderung des Federkleids
Jung- und Alttiere lassen sich an ihrer Kopffärbung unterscheiden: während die Kopfbefiederung der Jungtiere schwarz gefärbt ist, zeigen Alttiere eine helle Kopffärbung.
Die schwarzen Federn, welche dem Bartgeier borstenartig über den Schnabel hinaus nach unten stehen, gaben ihm seinen Namen.
Vorkommen
Ursprünglich in den Gebirgen von Afrika, Asien und Europa verbreitet, wurde der Bartgeier in den Alpen Anfang des 20. Jahrhunderts ausgerottet. Zwischen 1986 und 2019 wurden in den Alpen insgesamt 227 Jungvögel freigelassen, um einen Bestand zu etablieren, welcher ohne menschliches Zutun fortbestehen kann. Bereits 271 sind seit der ersten erfolgreichen Brut 1997 wild geschlüpft. Die aufwändigen Auswilderungen dauern an und sollen fortgeführt werden, bis die Bartgeierpopulation in den Alpen wieder groß und genetisch divers genug ist für ein dauerhaftes Überleben.
Der Bestand im Alpenraum beträgt heute ca. 300 Bartgeier (Stand 2020, Quelle IBM), weltweit (Eurasien, Afrika) ca. 1,300 - 6,700 (Stand 2016, Quelle IUCN)
Verbreitung in Bayern
Auf Nahrungssuche und bei Erkundungsflügen von Jungvögeln aus den Zentralalpen in den gesamten bayrischen Alpen sporadisch zu beobachten (15 Sichtungen auf Ornitho.de für 2020 dokumentiert), Schwerpunkt der Sichtungen aktuell im Allgäu.
Lebensweise des Bartgeiers
Nahrung
Bartgeier sind reine Aasfresser - nur im Mittelmeerraum nimmt er Landschildkröten als lebende Beute an - und ernähren sich hauptsächlich von Knochen (ca. 85% der Nahrung). Damit vermeidet der Bartgeier die Konkurrenz zu anderen Greifvögeln und erschließt eine durchaus reichhaltige Nahrungsnische - kein anderes Wirbeltier ernährt sich fast ausschließlich von Gebeinen, die mit einem Gehalt von 12% Protein, 16% Fett und 23% Mineralien äußerst nahrhaft sind.
Die Verdauung von Knochen ist aufgrund einer äußerst starken Magensäure möglich, bis auf kreideartige Klumpen bleibt bei der Ausscheidung nichts übrig. Allerdings ist diese Nahrung wortwörtlich "knochentrocken" wodurch der Bartgeier zu den wenigen Greifvögel gehört, die häufig trinken müssen.
Fortpflanzung
Bartgeier werden bis zu 45 Jahre alt, sind jedoch erst nach 5 bis 7 Jahren geschlechtsreif und in den meisten Fällen findet eine erfolgreiche erste Brut im Alter von 8 bis 9 Jahren statt. Die Paarungszeit des Bartgeiers liegt im November und Dezember. Die Eiablage erfolgt zwischen Dezember und Februar, woraufhin 52 bis 58 Tage gebrütet wird. Ein guter Zeitpunkt für die Bartgeier, denn die Jungvögel schlüpfen genau dann, wenn die Schneeschmelze einsetzt und zahlreiche Tierkadaver von im Winter umgekommenen Wildtieren freigelegt werden. Bartgeiern fällt in dieser Zeit die Nahrungsbeschaffung für den Jungvogel leicht.
Es werden zwei Eier gelegt. Falls beide schlüpfen, ist das erste Küken dem zweiten meist überlegen und wird bei der Fütterung vernachlässigt. In manchen Fällen tötet der stärkere den schwächeren Jungvogel (obligater Kainismus). Das zweite Ei dient bei Bartgeiern lediglich als biologische Reserve, denn allein nur einen Jungvogel hochzufüttern fordert viel Energie. Nach 110 bis 120 Tagen verlassen junge Bartgeier zum ersten Mal den Horst.
Jungvögel bleiben nach dem Ausflug noch einige Wochen bis Monate im elterlichen Revier und brechen dann selbständig zu Erkundungsflügen in die weitere Umgebung auf. Jungtiere werden mit Fleisch aus Aas gefüttert, der Anteil an Knochen nimmt nach und nach zu.
Verhalten
Bartgeier sind sehr neugierige Tiere und behalten ihre Umgebung genau im Auge. Somit können sie mit etwas Glück dabei betrachtet werden, wie sie den menschlichen Beobachter selbst ins Auge fassen.
Wussten Sie, dass..
..Bartgeier die stärkste Magensäure im Tierreich haben? Mit einem pH-Wert von 0,7 ist die vergleichbar mit Batteriesäure und löst Knochen nahezu vollständig auf.
..durch Abwerfen auf Felsen nicht nur Knochen zertrümmert werden, sondern von Bartgeiern im Mittelmeerraum auch Landschildkröten dadurch „geknackt“ werden?
..die alten Gerüchte über die Gefährlichkeit des Bartgeiers in vielen Zoos tagtäglich wiederlegt werden? Dort ist es üblich, in den Volieren zusätzlich Kaninchen, Murmeltiere oder Schneehasen als natürliche „Rasenmäher“ zu halten, und von diesen Tieren wird niemals eines von den Vögeln angegriffen.
Bedrohung
Als Aasfresser ist der Bartgeier auf Kadaver angewiesen. Werden diese mit bleihaltiger Munition oder gar Giftködern erlegt, droht auch dem Bartgeier die Vergiftung durch das im Kadaver enthaltene Gift oder im Wild bzw. in den zurückgelassenen Innereien ("Aufbruch") enthaltene Bleifragmente. Die Verwendung von bleifreier Munition bei der Jagd ist daher der wichtigste Schritt zum Schutz der Greifvögel in den Alpen. Andere, seltenere Todesarten umfassen die Kollision mit Leitungen und Seilbahnkabeln sowie illegalen Abschuss.
Leider wird dem Bartgeier in manchen Gebieten trotz intensiver Schutz- und Aufklärungsarbeit immer noch illegal nachgestellt. Dies liegt mitunter an seinem schlechten Ruf als Nutztiere verschleppendem Lämmergeier, welcher dem Aasfresser jedoch zu Unrecht anhängt.
Schutzmaßnahmen
EU-Maßnahmen
Der Bartgeier ist in allen Staaten Europas geschützt. Trotzdem sind in in Österreich mehrere Fälle von illegalem Abschuss nachgewiesen worden, wahrscheinlich mit einer gewisser Dunkelziffer.
Forderungen des LBVs
Der LBV appelliert dringend an alle Jäger*innen in Bayern, den Umstieg auf bleifreie Munition durchzuführen. Viele Jagdausübende nutzen seit vielen Jahren routiniert bleifreie Alternativen, ohne die oft gemunkelten negativen Eigenschaften wie erhöhte Querschlägergefahr o.ä. zu erleben. Bis auf seltene Situationen (z.B. ungewöhnlich große Distanzen), in denen auch Bleimunition an ihre Grenzen geraten würde, sind bleifreie Geschosse nach einer kurzen Umstellungsphase absolut praxistauglich.
Info
Aufgrund der geringen Anzahl der frei im Alpenraum lebenden Tiere und ihres großen Aktionsraumes sind jegliche Hinweise zum individuellen Tier, seines Verhaltens (wie bspw. das Tragen von Nistmaterial), der exakten Uhrzeit und des Ortes äußerst hilfreich. Junge, freigelassene Tiere tragen häufig individuelle Markierungen und/oder Mauserlücken, welche dabei helfen sie eindeutig zu identifizieren. Sollten Sie eines der Tiere in der Natur beobachten, unterstützen Sie bitte das Bartgeiermonitoring und melden Ihre Sichtung hier über Online-Meldeformular.
Im Juni 2021 hat der LBV zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden mit dem Bartgeier Wiederansiedlungsprojekt begonnen.
Systematik
Ordnung: Greifvögel (Falconiformes); Familie: Habichtartige (Accipitridae); Gattung: Geier (Gypaetus); Art: Bartgeier (Gypaetus barbatus).
Bildergalerie Bartgeier
LBV-Naturtelefon
Sie haben Fragen rund um die Natur in und außerhalb Ihres Gartens?
Unser LBV-Naturtelefon steht Ihnen Montag bis Freitag von 9 bis 11 und von 14- 16 Uhr zur Verfügung:
E-Mail: infoservice@lbv.de