Bartgeier

Gypaetus barbatus

Ruf des Bartgeiers

Stimme des Bartgeiers
Lautäußerungen kaum jemals zu hören, nur aus geringer Distanz am Nest.

Status

Potenziell gefährdet (IUCN), auf Roter Liste in Deutschland nicht aufgeführt (kein historischer Brutnachweis vorhanden, kann daher nicht z.B. als ausgestorben zählen).

Blick ins Geschichtsbuch

Bartgeiergemaelde in Gaststätte St. Bartholomä am Königssee
as Gemälde in der Gaststätte auf St. Bartholomä am Königs-see mit der lebensgroßen Darstellung zweier adulter Bartgeier deutet auf ein lokales Brutpaar hin, das laut Inschrift am 09. und 10. März 1650 vor Ort erlegt wurde.

Als „Lämmergeier“ lange vom Menschen gefürchtet, wurde es dem Bartgeier nachgesagt, Vieh, Wild und selbst kleine Kinder davonzutragen und zu töten. Die damit verbundene Verfolgung führte dazu, dass der Bartgeier zu Beginn des 20. Jhd. im gesamten Alpenraum ausgerottet wurde.

Die heutigen Vorkommen gehen auf Wiederansiedlungen zurück, die im Jahr 1986 in Österreich begonnen wurden und bis heute in mehreren Ländern Europas fortgeführt werden.

Volkstümliche Namen

Der Bartgeier wurde im Alpengebiet als Gold-, Berg-, Gemsen-, Joch-, Stein- und Lämmergeier bezeichnet. Eine Bezeichnung des Bartgeiers ist auch Kochenbrecher (Boabrüchl). Sein markantes Verhalten, größere Knochen zum Zertrümmern auf Felsen abzuwerfen und die Bruchstücke zu Verspeisen, wurde schon seit Urzeiten bei den menschlichen Bewohnern der Bartgeierlebensräume beobachtet.

Aussehen

Bartgeier Factsheet | © Nationalpark Berchtesgaden © Nationalpark Berchtesgaden

Körperlänge: 94 – 125 cm
Spannweite: 230 – 290 cm
Gewicht: 5 - 7 kg

Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,9 Metern zählt der Bartgeier zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Er ist neben dem etwa gleich großen (aber mit bis zu 12 kg deutlich schwereren) Mönchsgeier der größte Greifvogel Europas. Damit ist er weit größer als der Steinadler.

Charakteristisch für sein Erscheinungsbild sind der lange, keilförmige Schwanz und die gelb-rötlichen Brustfedern, wobei ihn beide Merkmale deutlich vom Steinadler abgrenzen. Die meist orange-rötlichen Gefiederpartien an Bauch, Brust und Nacken sind eigentlich weiß und werden von den Tieren selbst durch Bäder in eisenoxidhaltigem Schlamm gefärbt.

Veränderung des Federkleids

Jung- und Alttiere lassen sich an ihrer Kopffärbung unterscheiden: während die Kopfbefiederung der Jungtiere schwarz gefärbt ist, zeigen Alttiere eine helle Kopffärbung.

Die schwarzen Federn, welche dem Bartgeier borstenartig über den Schnabel hinaus nach unten stehen, gaben ihm seinen Namen.

Metamorphose der Kopffärbung | ©  Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Veränderung des Federkleids beim Bartgeier bis zum 7. Lebensjahr

Vorkommen

Adulter Bartgeier im Kurvenflug | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Adulter Bartgeier im Kurvenflug

Ursprünglich in den Gebirgen von Afrika, Asien und Europa verbreitet, wurde der Bartgeier in den Alpen Anfang des 20. Jahrhunderts ausgerottet. Zwischen 1986 und 2019 wurden in den Alpen insgesamt 227 Jungvögel freigelassen, um einen Bestand zu etablieren, welcher ohne menschliches Zutun fortbestehen kann. Bereits 271 sind seit der ersten erfolgreichen Brut 1997 wild geschlüpft. Die aufwändigen Auswilderungen dauern an und sollen fortgeführt werden, bis die Bartgeierpopulation in den Alpen wieder groß und genetisch divers genug ist für ein dauerhaftes Überleben. 

Der Bestand im Alpenraum beträgt heute ca. 300 Bartgeier (Stand 2020, Quelle IBM), weltweit (Eurasien, Afrika) ca. 1,300 - 6,700 (Stand 2016, Quelle IUCN) 

Verbreitung in Bayern

Auf Nahrungssuche und bei Erkundungsflügen von Jungvögeln aus den Zentralalpen in den gesamten bayrischen Alpen sporadisch zu beobachten (15 Sichtungen auf Ornitho.de für 2020 dokumentiert), Schwerpunkt der Sichtungen aktuell im Allgäu.

Lebensweise des Bartgeiers

Subadulter Bartgeier verschlingt einen Knochen | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Subadulter Bartgeier verschlingt einen Knochen

Nahrung
Bartgeier sind reine Aasfresser - nur im Mittelmeerraum nimmt er Landschildkröten als lebende Beute an - und ernähren sich hauptsächlich von Knochen (ca. 85% der Nahrung). Damit vermeidet der Bartgeier die Konkurrenz zu anderen Greifvögeln und erschließt eine durchaus reichhaltige Nahrungsnische - kein anderes Wirbeltier ernährt sich fast ausschließlich von Gebeinen, die mit einem Gehalt von 12% Protein, 16% Fett und 23% Mineralien äußerst nahrhaft sind.

Die Verdauung von Knochen ist aufgrund einer äußerst starken Magensäure möglich, bis auf kreideartige Klumpen bleibt bei der Ausscheidung nichts übrig. Allerdings ist diese Nahrung wortwörtlich "knochentrocken" wodurch der Bartgeier zu den wenigen Greifvögel gehört, die häufig trinken müssen.

Fortpflanzung
Bartgeier werden bis zu 45 Jahre alt, sind jedoch erst nach 5 bis 7 Jahren geschlechtsreif und in den meisten Fällen findet eine erfolgreiche erste Brut im Alter von 8 bis 9 Jahren statt. Die Paarungszeit des Bartgeiers liegt im November und Dezember. Die Eiablage erfolgt zwischen Dezember und Februar, woraufhin 52 bis 58 Tage gebrütet wird. Ein guter Zeitpunkt für die Bartgeier, denn die Jungvögel schlüpfen genau dann, wenn die Schneeschmelze einsetzt und zahlreiche Tierkadaver von im Winter umgekommenen Wildtieren freigelegt werden. Bartgeiern fällt in dieser Zeit die Nahrungsbeschaffung für den Jungvogel leicht.

Es werden zwei Eier gelegt. Falls beide schlüpfen tötet der stärkere immer den schwächeren Jungvogel (obligater Kainismus). Nach 110 bis 120 Tagen verlassen junge Bartgeier zum ersten Mal den Horst.

Jungvögel bleiben nach dem Ausflug noch einige Wochen bis Monate im elterlichen Revier und brechen dann selbständig zu Erkundungsflügen in die weitere Umgebung auf. Jungtiere werden mit Fleisch aus Aas gefüttert, der Anteil an Knochen nimmt nach und nach zu.

Verhalten
Bartgeier sind sehr neugierige Tiere und behalten ihre Umgebung genau im Auge. Somit können sie mit etwas Glück dabei betrachtet werden, wie sie den menschlichen Beobachter selbst ins Auge fassen.

Wussten Sie, dass..

..Bartgeier die stärkste Magensäure im Tierreich haben? Mit einem pH-Wert von 0,7 ist die vergleichbar mit Batteriesäure und löst Knochen nahezu vollständig auf.

..durch Abwerfen auf Felsen nicht nur Knochen zertrümmert werden, sondern von Bartgeiern im Mittelmeerraum auch Landschildkröten dadurch „geknackt“ werden?

..die alten Gerüchte über die Gefährlichkeit des Bartgeiers in vielen Zoos tagtäglich wiederlegt werden? Dort ist es üblich, in den Volieren zusätzlich Kaninchen, Murmeltiere oder Schneehasen als natürliche „Rasenmäher“ zu halten, und von diesen Tieren wird niemals eines von den Vögeln angegriffen.

Bedrohung

Als Aasfresser ist der Bartgeier auf Kadaver angewiesen. Werden diese mit bleihaltiger Munition oder gar Giftködern erlegt, droht auch dem Bartgeier die Vergiftung durch das im Kadaver enthaltene Gift oder im Wild bzw. in den zurückgelassenen Innereien ("Aufbruch") enthaltene Bleifragmente. Die Verwendung von bleifreier Munition bei der Jagd ist daher der wichtigste Schritt zum Schutz der Greifvögel in den Alpen. Andere, seltenere Todesarten umfassen die Kollision mit Leitungen und Seilbahnkabeln sowie illegalen Abschuss.

Leider wird dem Bartgeier in manchen Gebieten trotz intensiver Schutz- und Aufklärungsarbeit immer noch illegal nachgestellt. Dies liegt mitunter an seinem schlechten Ruf als Nutztiere verschleppendem Lämmergeier, welcher dem Aasfresser jedoch zu Unrecht anhängt.

Schutzmaßnahmen

EU-Maßnahmen
Der Bartgeier ist in allen Staaten Europas geschützt. Trotzdem sind in in Österreich mehrere Fälle von illegalem Abschuss nachgewiesen worden, wahrscheinlich mit einer gewisser Dunkelziffer. 

Forderungen des LBVs
Der LBV appelliert dringend an alle Jäger*innen in Bayern, den Umstieg auf bleifreie Munition durchzuführen. Viele Jagdausübende nutzen seit vielen Jahren routiniert bleifreie Alternativen, ohne die oft gemunkelten negativen Eigenschaften wie erhöhte Querschlägergefahr o.ä. zu erleben. Bis auf seltene Situationen (z.B. ungewöhnlich große Distanzen), in denen auch Bleimunition an ihre Grenzen geraten würde, sind bleifreie Geschosse nach einer kurzen Umstellungsphase absolut praxistauglich.

Info
Aufgrund der geringen Anzahl der frei im Alpenraum lebenden Tiere und ihres großen Aktionsraumes sind jegliche Hinweise zum individuellen Tier, seines Verhaltens (wie bspw. das Tragen von Nistmaterial), der exakten Uhrzeit und des Ortes äußerst hilfreich. Junge, freigelassene Tiere tragen häufig individuelle Markierungen und/oder Mauserlücken, welche dabei helfen sie eindeutig zu identifizieren. Sollten Sie eines der Tiere in der Natur beobachten, unterstützen Sie bitte das Bartgeiermonitoring und melden Ihre Sichtung hier über Online-Meldeformular.

Im Juni 2021 hat der LBV zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden mit dem Bartgeier Wiederansiedlungsprojekt begonnen.

Systematik
Ordnung: Greifvögel (Falconiformes); Familie: Habichtartige (Accipitridae); Gattung: Geier (Gypaetus); Art: Bartgeier (Gypaetus barbatus).

Das könnte Sie auch interessieren:

Wiederansiedelung der Bartgeier in den Alpen

© Hansruedi Weyrich

Zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden und dem Tiergarten Nürnberg startete im Sommer 2021 das Bartgeier-Auswilderungsprojekt mit zwei jungen Bartgeiern. Insgesamt wird das Projekt voraussichtlich über zehn Jahre laufen, wobei jährlich drei bis vier Jungvögel ausgewildert werden sollen.

Weiterlesen

Der Bartgeier-Blog!

© Christoph Moning

Aktuelle Infos von Bartgeierspezialisten Toni Wegscheider & David Schuhwerk Hier bloggen unsere LBV-Biologen und Bartgeierspezialisten direkt aus Berchtesgaden - dem Bartgeierauswilderungsgebiet.

Weiterlesen

Bartgeier-Webcam

© Hansruedi Weyrich

Beobachten Sie ab Juni unsere zwei ausgewilderten Bartgeier live aus der Auswilderungsnische im Nationalpark Berchtesgaden.

Weiterlesen

Bartgeiermonitoring

Neben dem Wiederansiedelungsprojekt Bartgeier von LBV, Nationalpark Berchtesgaden und Tiergarten Nürnberg gibt es ein weiteres sogenanntes "INTERREG Projekt" zwischen Bayern und Österreich: Der Aufbau eines grenzüberschreitenden Bartgeiermonitorings und Netzwerks Bayern-Tirol.

Weiterlesen

Bartgeier gesehen? - Hier melden!

© Hansruedi Weyrich

Der LBV bittet alle Wanderer in den Alpen auf Bartgeiersichtungen zu achten. Ziel ist es, den aktuellen Bartgeierbestand zu schätzen und Hinweise auf neue Bartgeierbrutpaare zu bekommen. Helfen Sie mit! 

Weiterlesen

Machbarkeitsstudie

© Dr. Christoph Moning

Im Auftrag des LBV wurden in einer Machbarkeitsstudie die Möglichkeiten zur Stützung von Bartgeier und Gänsegeier in den Ostalpen durch Maßnahmen in den bayerischen Alpen geprüft. Dazu wurden neben der historischen Verbreitung beider Vogelarten auch die Gründe der Ausrottung, sowie aktuelle Gefährdungsursachen und das Nahrungspotential vor allem im bayrischen Alpenraum analysiert.

Weiterlesen

Die wichtigsten Alpenvögel

© Zdenek Tunka

Die Vögel in den Allgäuer Hochalpen und im Karwendelgebirge richtig bestimmen. Bei uns finden Sie alle Informationen, die Sie dafür benötigen. Wir haben Ihnen die Steckbriefe der 21 häufigsten Alpenvögel zusammengestellt.

Weiterlesen

Birkhühner und Alpenschneehühner gesehen? Hier melden!

© Henning Werth

Im Rahmen einer Grundlagenerfassung möchten wir die räumliche Verbreitung von Alpenschnee- und Birkhuhn genauer verstehen, da bisher zum Teil sehr wenig über das Vorkommen und die Ausbreitung einzelner Populationen bekannt ist. Helfen Sie mit!

Weiterlesen

Faszination Alpenvögel

© H.-J. Fünfstück

In den Alpen leben viele Vogelarten, die in ganz Deutschland nur hier vorkommen - ob Steinadler, Mauerläufer oder Zitronenzeisig. Doch wo genau es diese seltenen Vögel noch gibt, das wissen wir oft nicht. Wenn Sie in den Alpen unterwegs sind und Alpenvögel gesehen haben, können Sie sie hier melden.

Weiterlesen

Greifvögel im Vergleich

© Marcus Bosch

Es gibt viele verschiedene Greifvogelfamilien und -arten. Lernen Sie den Unterschied kennen!

Weiterlesen

Zurück

LBV-Naturtelefon

Telefon-Icon

Sie haben Fragen rund um die Natur in und außerhalb Ihres Gartens?

 

Unser LBV-Naturtelefon steht Ihnen Montag bis Freitag von 9 bis 11 und von 14- 16 Uhr zur Verfügung:

 

0 91 74 / 47 75 - 5000

 

E-Mail:

Newsletter

Der LBV - Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V.  ist mit Freistellungsbescheid des Zentral-Finanzamtes Nürnberg, Steuer-Nr. 241/109/70060, als gemeinnützigen Zwecken dienend anerkannt und gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftssteuer freigestellt. Ihre Spende ist steuerlich absetzbar. Mehr zur Transparenz