Fünf Jahre Bartgeier-Fieber: „Generl“ und „Luisa“ bereichern die deutsche Alpenwelt

LBV und Nationalpark Berchtesgaden wildern zwei junge Bartgeier aus – ab sofort Geier in der Felsnische per Live-Webcam beobachten

Das bundesweit bekannte Bartgeier-Projekt des bayerischen Naturschutzverbands LBV und des Nationalparks Berchtesgaden geht in das fünfte Jahr. Heute wurden die zwei jungen Bartgeier-Damen „Generl“ und „Luisa“ in einer Felsnische im Klausbachtal erfolgreich ausgewildert. Die aktuell noch flugunfähigen Vögel werden in den kommenden Wochen ihre Muskulatur trainieren, um dann zu ihren ersten Flügen aufzubrechen. Seit 2021 konnten somit bereits zehn Bartgeier in die Natur des Nationalparks entlassen werden. 140 Jahre nachdem der Mensch sie ausgerottet hat, fliegen die gefährdeten Giganten nun wieder durch die Lüfte der deutschen Alpen. Das Gemeinschaftsprojekt zielt darauf ab, die zentraleuropäische, alpine Population dieser seltenen Vogelart entscheidend zu unterstützen und sie vor allem in den Ostalpen wiederanzusiedeln.

Bartgeier Generl und Luisa gehalten von Magda Deelmann und Toni Wegscheider | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Magda Deelmann vom Nationalpark Berchtesgaden und Toni Wegscheider vom LBV stellen die Bartgeier Generl und Luisa der Öffentlichkeit vor.

Beim offiziellen Festakt, bei dem Bartgeier-Fans aus ganz Deutschland und aus weiten Teilen der Alpenregionen versammelt waren, gratulierte Dr. Christian Barth, Amtschef im Bayerischen Umweltministerium: „Mit diesen herausragenden Artenschutz- und Wiederansiedlungsprojekt bringen wir nicht nur eine einst heimische Tierart in die Bayerischen Alpen zurück. Wir stellen auch natürliche Prozesse im Ökosystem wieder her und begeistern unzählige Menschen für Natur und Artenvielfalt. Ein solches Projekt verdient unsere Anerkennung und Unterstützung“, so Dr. Barth. Das Projekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) durch Zuwendungen für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (LNPR) gefördert.

Amtschef Dr. Christian Barth stellt Luisa vor | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Dr. Christian Barth, Amtschef des Bayerischen Umweltministeriums, stellt Luisa vor.

In den vier ersten Projektjahren wurden bereits fünf Bartgeier-Weibchen und drei Männchen wiederangesiedelt. „Wir sind sehr stolz, mittlerweile zehn Bartgeier erfolgreich im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert zu haben. Diese noch vor wenigen Jahren extrem seltene Vogelart kann nun regelmäßig bei uns in der Region gesichtet werden“, sagt der Leiter des Nationalparks Berchtesgaden Dr. Roland Baier.

Die diesjährigen Bartgeier-Damen haben beide am 25. Februar das Licht der Welt erblickt. „Luisa“ stammt aus der Richard-Faust-Bartgeier-Zuchtstation im österreichischen Haringsee, während „Generl“ im Zoo Ostrava in Tschechien geboren und von Ammeneltern im Schweizer Natur- und Tierpark Goldau großgezogen wurde.

Als „Lämmergeier“ sagte man dem Bartgeier früher nach, es auf Vieh, Wild und kleine Kinder abgesehen zu haben. Deshalb wurde er verfolgt und im gesamten Alpenraum zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet. „Dank des gemeinsamen Wiederansiedelungsprojekts von LBV und Nationalpark ist der Bartgeier in seine einstige Heimat rund um den Watzmann zurückgekehrt.

Nicht wie einst mit Aberglauben und Vorurteilen verbunden, sondern mit öffentlicher Begeisterung und großem nationalen sowie internationalem Interesse“, sagt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Vikar Daniel Jägers der Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Bad Reichenhall-Berchtesgaden sowie Pfarrer Herwig Hoffmann, Leiter des Pfarrverbandes Ramsau-Unterstein, segneten das Bartgeier-Team für einen sicheren Aufstieg in die Felsnische.

Namen für die neuen Bartgeier

Generl mit Magda Deelmann und Michael Renner (Bergwacht Ramsau) | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Bartgeier Generl erhielt ihren Namen von der Bergwacht Ramsau, vertreten durch deren Leiter Michael Renner.

Der österreichische Bartgeier erhielt den Namen „Luisa“. Er wurde von einer Familie aus dem Landkreis Starnberg vergeben, die langjährige und großzügige Förderer des LBV sind. Der in Tschechien geborene Junggeier trägt nun den Namen „Generl“, nach der Ramsauer Bergsteigerin Eugenie „Generl“ Buhl, der Witwe des Weltklasse-Alpinisten und Nanga Parbat-Erstbesteigers Hermann Buhl. Die Bergwacht Ramsau hat den Namen zu Ehren von Generl Buhl vergeben, die kürzlich im Alter von 100 Jahren verstorben war.

Aufstieg in die Auswilderungsnische

Toni Wegscheider und David Schuhwerk tragen die Bartgeier | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Toni Wegscheider und David Schuhwerk tragen die Bartgeier zur ihrer Felsnische.

Nach dem Festakt setzten die Nationalpark- und LBV-Mitarbeitenden die beiden noch nicht flugfähigen Junggeier in Tragekisten und trugen sie den Berg zur Auswilderungsnische hinauf. „Nach dem geglückten Aufstieg haben wir die beiden Geier in Nester aus Fichtenzweigen und Schafwolle gesetzt. Anschließend haben wir den Vögeln die GPS-Sender angelegt, sie noch einmal untersucht und in der Nähe erstes Futter aus Rehknochen platziert. Direkt danach haben wir uns zurückgezogen, um den Geiern eine gute Eingewöhnung in ihre neue Heimat zu ermöglichen“, erklärt LBV-Projektleiter und Bartgeierexperte Toni Wegscheider.

In der 1.300 Meter hoch gelegenen Felsnische werden die 88 Tage alten Bartgeier von nun an ohne menschlichen Kontakt weiter aufwachsen und ihre Flügel trainieren. In den kommenden Monaten werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Vögel rund um die Uhr von einem nahegelegenen Beobachtungsplatz aus sowie mithilfe in der Auswilderungsnische installierter Infrarotkameras und eines Livestreams überwachen. „Die durchgehende Beobachtung ermöglicht uns, Unregelmäßigkeiten sofort zu erkennen. So können wir den beiden Vögeln einen optimalen Schutz bieten“, sagt Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel. Das Auslegen von Futter ohne direkten menschlichen Kontakt erfolgt je nach Bedarf im Abstand von mehreren Tagen. Der selbständige erste Ausflug der beiden Vögel dürfte nach ausgiebigen Flugübungen in etwa drei bis vier Wochen stattfinden.

Bartgeierprojekt zeigt Wirkung: Wildvögel und Rückkehrer im Alpenraum

Die ersten der in den Vorjahren ausgewilderten Bartgeier sind von ihren langen, und für die Art typischen Wanderungen bereits in die Region des Nationalparks zurückgekehrt. Ob Nepomuk, Recka oder Bavaria: Immer wieder werden die imposanten Vögel gesichtet. Selbst wild geschlüpfte Bartgeier aus dem Alpenraum werden mittlerweile regelmäßig in den Berchtesgadener Alpen nachgewiesen. „Wir erwarten in den nächsten Jahren die Bildung von ersten Brutpaaren und die Hoffnung wächst, dass in absehbarer Zeit das erste Bartgeierküken seit über 140 Jahren in Bayern schlüpfen könnte“, so Toni Wegscheider.

Live-Webcam in Felsnische

Wie sich die beiden Bartgeier entwickeln und wie sie ihre ersten Flugübungen machen, kann jede und jeder im Internet mitverfolgen. Über die weltweit einzige Bartgeier-Live-Webcam werden die Geschehnisse in der Auswilderungsnische auf unter www.lbv.de/bartgeier-webcam sowie unter www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de übertragen. In den darauffolgenden Monaten und Jahren kann auch der weitere Lebensweg der beiden Vögel mitverfolgt werden. Dank der GPS-Sender auf den Rücken der Vögel können Interessierte auf einer Karte unter www.lbv.de/bartgeier-auf-reisen beobachten, wo die Bartgeier künftig unterwegs sind.

Das Bartgeier-Projekt

Logo Bartgeierprojekt

Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) der Zoos junge Bartgeier ausgewildert.

Das europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk wird von der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Sitz in Zürich geleitet. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran. Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogelschutz) und dem Nationalpark Berchtesgaden gemeinsam initiiertes und betreutes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der deutschen Alpen greift dies auf und unterstützt in Kooperation mit dem Tiergarten Nürnberg die alpenweite Wiederansiedelung.

Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen.

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© Verena Rupprecht

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