VOGELSCHUTZ 4-21

8 VOGELSCHUTZ 4|21 DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER „Naturschutz extrem“ – so lautet das Titelthema unseres ak- tuellen LBV-Mitgliedermagazins. Das klingt dramatisch, nach dem Kampf für das Überleben einer Tierart auf einer abge- legenen Hochseeinsel, vielleicht gar nach dem bewaffneten Einsatz gegen Wilderer oder zumindest irgendetwas ande- rem Gefährlichem, fast Aussichtslosem, in jeder Hinsicht Anspruchsvollem. Tatsächlich stellen wir in der aktuellen Ausgabe Beispiele vor, bei denen sich der LBV in Bayern an einzelnen Arten „festbeißt“ und ungewöhnliche Wege geht. Weil wir schlichtweg nicht akzeptieren wollen, dass Arten bei uns aussterben. Der britische Weg – zumindest vorübergehend Hands on – so nennen unsere britischen Kolleginnen und Kollegen diese Vorgehensweise. Gemeint ist das gezielte Ein- greifen, manchmal mit überraschenden Maßnahmen und Vorgehensweisen. So zum Beispiel bei unseren Großen Huf- eisennasen in Hohenburg, Landkreis Amberg-Sulzbach, wo sich die deutschlandweit einzige Wochenstube dieser extrem seltenen Fledermausart befindet. Für sie wurden nicht nur rund eine Million Euro in Baumaßnahmen an einem Gebäu- de investiert, sondern sogar Wärmeglocken aufgehängt und mögliche Störer wie Siebenschläfer eingefangen. Eine andere Notfallmaßnahme, die dazu dienen soll, den Bruterfolg von Wiesenbrütern zu steigern, sind Elektrozäu- ne. Sie halten Prädatoren, in diesem Fall Füchse und Wild- schweine, von den Gelegen der allerletzten Uferschnepfen und Brachvögel fern. Dabei ist uns bewusst, dass wir die ersten 95 Prozent unserer Wiesenbrüter durch Lebens- raumverlust, insbesondere die Trockenlegung von Feucht- wiesen, verlieren. Nur die letzten paar Prozent vernichten Fuchs und Wildschwein. Dennoch, ohne die sogenannten Prädatorenzäune und den intensiven und gezielten Jagd- druck insbesondere auf den Fuchs, würden vielleicht auch die letzten Wiesenbrüter verschwinden. Auch bei unserem extrem erfolgreichen Wiesenweihen- projekt gehen wir vor allem in Mainfranken Wege, die eher ungewöhnlich sind: Beeindruckend engagierte Ehrenamtli- che suchen alljährlich in Getreidefeldern nach Nestern und überzeugen Landwirte, diese Flächen später zumähen. Ohne den individuellen Schutz verlören wir wohl jährlich mehr als zwei Drittel der Gelege, und die Wiesenweihe wäre innerhalb kürzester Zeit bei uns ausgestorben. Ein schönes Beispiel aus der Pflanzenwelt ist der Einsatz von Landschaftsökologe Thomas Zipp beim Schutz des welt- weit in seinem Bestand bedrohten Böhmischen Enzians im BayerischenWald. Ein großer Teil des bayerischen Bestandes ist auf einer Fläche von nur einem (!) Quadratmeter konzen- triert. Dieses Vorkommen wird nicht nur gegossen und ge- pflegt, wie die Pflanzen in einem Blumentopf, sondern es ist auch von einem schneckensicheren Zaun umgeben. Solche Notfallmaßnahmen ähneln der Situation auf ei- ner Intensivstation. Langfristig müssen wir herauskommen aus dieser Situation – niemand will dauerhaft auf einer In- tensivstation leben, um bei diesem Bild zu bleiben. Bei Weißstorch und Wanderfalke waren wir erfolgreich Ich kann mich daran erinnern, dass in den 1980er Jahren, als der Weißstorch bei uns noch extrem selten war, bei jedem längeren Regenschauer überlegt wurde, die durchnässten Jungvögel aus den Horsten zu holen und mit dem Föhn zu trocknen. Zum Teil ist das tatsächlich gemacht worden. Heu- te, nachdem der Weißstorchbestand in Bayern massiv an- gestiegen ist, besteht für Hands on -Maßnahmen keine Not- wendigkeit mehr. Übrigens wurden in den 1980er Jahren die wenigen Wanderfalkenhorste rund um die Uhr von Ehren- amtlichen bewacht, um Aushorstungen zu vermeiden. Dies ist heute nicht mehr erforderlich. Selbstverständlich wollen wir unsere heimischen Arten allem voran durch den Schutz ihrer Lebensräume erhalten. Manchmal aber müssen wir, zumindest vorübergehend, andere Wege gehen. Auch das kann der LBV. Die Erfolge von Großer Hufeisennase, Weiß- storch, Wiesenweihe oder Wanderfalke geben uns Recht. Uferschnepfe – wir stehen mit dem Rücken zur Wand Whatever it takes – was auch immer erforderlich ist, lautet S T A ND P UN K T Art aussterben Wir lassen keine

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