VOGELSCHUTZ 4-21

VOGELSCHUTZ 4|21 9 das Motto einiger unserer britischen Kolleginnen und Kolle- gen beim Schutz stark bedrohter Arten, etwa bei den aller- letzten Uferschnepfen. Neben der gezielten Anlage und dem Management von Lebensräumen, die buchstäblich auf dem Reißbrett entstanden sind, werden Gelege eingesammelt, in Volieren ausgebrütet und die flüggen Jungvögel in die freie Wildbahn entlassen. Ziel ist es, Verluste durch Prädatoren oder ungünstige Witterung zu vermeiden. Diese Vorgehens- weise gefällt uns nicht, wir halten sie für zu „künstlich“. Eine Alternative könnte sein, das Aussterben von Uferschnepfen in Bayern einfach nur zu dokumentieren. Für mich ist das aber keine gute Option. Warum stemmen wir uns aber so vehement gegen das Aussterben einzelner Arten? Das Beispiel Uferschnepfe il- lustriert dies ganz drastisch: Wenn wir Uferschnepfen erst einmal in Bayern verloren haben, werden wir wohl keine Chance haben, diese Art wieder nach Bayern zurückzuholen. Wir würden aber nicht nur die Tradition des Vorkommens verlieren, ins Leere laufen würde dann auch die Forderung, Lebensräume für die Uferschnepfe zu erhalten. Der diesbe- zügliche Druck würde sich in Luft auflösen. Mit sogenannten ex situ-Maßnahmen kaufen wir uns Zeit, bis die Bedingungen für den Erhalt einer Art, beispielsweise durch die Gestaltung von Lebensräumen, besser sind. Und dass ich als Vorsitzen- der des LBV nicht einfach zusehen will, wenn Arten wie die Uferschnepfe verschwinden, versteht sich von selbst. Wiederansiedlung als „Naturschutz extrem“ Nur in ganz wenigen Fällen ist die Wiederansiedlung ausge- storbener Arten eine erfolgversprechende Vorgehenswei- se, auch dies ist „Naturschutz extrem“, etwa beim Bartgeier in den Alpen. Nur durch die hochprofessionelle Arbeit von Zuchtstationen wie dem Tiergarten Nürnberg verfügen wir überhaupt über Bartgeier für ein Auswilderungsprojekt. Zu- sammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden, der Europäi- schen Geierstiftung VCF (Vulture Conservation Foundation) und eben dem Tiergarten Nürnberg ist es uns gelungen, Bartgeier nach Berchtesgaden zurückzuholen oder zumin- Folgen Sie mir auf Twitter unter @N_Schaeffer Dr. Norbert Schäffer dest den Grundstein hierfür zu legen. Unser Auswilde- rungsprojekt wird mindestens zehn Jahre dauern, in denen wir mit einem gewaltigen Aufwand, finanziert durch das Bayerische Umweltministerium, 20 bis 30 junge Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden auswildern. „Naturschutz extrem“ – aber die Verwirklichung unseres Traums, dass 140 Jahre nach ihrer Ausrottung durch den Menschen wie- der Bartgeier an der Watzmann-Ostwand entlangfliegen, ist diesen Aufwand wert. Mit unserem Projekt haben wir übrigens bereits jetzt erreicht, dass auf den Flächen der Bayerischen Staatsforsten ab April 2022 nur noch mit blei- freier Munition geschossen werden darf – eine Forderung, die wir bereits in einer Resolution anlässlich unserer De- legiertenversammlung 2014 erhoben hatten. Wir fordern Privatjägerinnen und -jäger sowie Kommunen auf, eben- falls auf bleihaltige Munition zu verzichten, um eine Ver- giftung von See- und Steinadler oder eben Bartgeier, zu vermeiden. Das sollte selbstverständlich sein und es ist sicherlich keine „extreme“ Maßnahme. Ich schreibe diese Zeilen noch ganz unter dem Eindruck unserer LBV-Delegiertenversammlung 2021. Dem LBV geht es gut, die große Loyalität unserer Mitglieder und Förderer hat auch in schwierigen Zeiten dazu geführt, dass wir wach- sen und erfolgreich sein können. Dafür möchte ich mich bei Ihnen allen ganz herzlich bedanken! Ich wünsche Ihnen, Ihren Angehörigen und Ihren Freundinnen und Freunden von Herzen eine glückliche Weihnachtszeit, und dass Sie gesund bleiben! STREUOBSTWIESE I FOTO: TOHMAS STAAB

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