Richard Straub, warum setzt du dich seit über 30 Jahren für die Natur ein?

22. Folge vom LBV-Podcast "Ausgeflogen"

LBV Ehrenamtlicher Richard Straub sitzt auf einem Felsvorsprung und lacht. Er hält eine Wasserflasche hoch und neben ihm liegt eine Kamera mit langem Teleobjektiv | © Richard Straub © Richard Straub
Zu Gast im Podcast: Richard Straub

 

 

Was wir Alten den Jungen noch sagen können: Zu der Zeit, zu der ihr auf die Welt gekommen seid, da haben wir diese Tierart schon verloren, wir haben jene verloren, da ist es bergab gegangen. Da müssen die Jungen dann auch hinhören und müssen sich auch Gedanken darüber machen. Es muss da einfach ein Umdenken her. Die Natur muss uns auch wieder etwas wert sein.

 

Herzlich Willkommen zu “Ausgeflogen - der LBV-Podcast". Ich bin Stefanie Bernhardt vom LBV und war für euch wieder unterwegs im ältesten Naturschutzverband Bayerns. Diesmal haben wir ein wahres LBV-Urgestein zu Gast. Seit 33 Jahren engagiert sich Richard Straub im Arten- und Biotopschutz. Er ist in der LBV-Kreisgruppe Ebersberg sehr aktiv und in vielen Projekten mitverantwortlich. Bei so vielen Jahren Engagement gibt es einiges zu erzählen. Wir sprechen über die Anti-Atomkraft-Bewegung in den 80er-Jahren, über Fledermäuse und über die Bartgeier. Bei all den Themen stellen wir uns auch immer wieder Generationen-Fragen: Wie war Naturschutz früher? Wie läuft es heute und wie soll es in Zukunft weitergehen? Ganz viel Spaß bei dieser Folge.

 

Stefanie Bernhardt: Hallo Richard, ich bin heute bei dir im Landkreis Ebersberg, in der Nähe von München. Es freut mich sehr, dass ich heute mit dir ein richtiges LBV-Urgestein, wenn ich das so sagen darf, zu Gast im Podcast habe.

Richard Straub: Ja, du darfst das sagen und ich freue mich auch, dass du da bist.

 

Urgestein deswegen, weil du dich bereits seit 33 Jahren für den LBV im Artenschutz und im Biotopschutz engagierst. Du bist sehr aktiv in der LBV-Kreisgruppe Ebersberg und da für viele Projekte mitverantwortlich und hast auch ganz viel vorangebracht. Wie kam es denn dazu? Seit wann interessierst du dich denn für die Natur und ihren Schutz?

Für die Natur interessiere ich mich eigentlich schon von Kindesbeinen an. Die älteste Erinnerung, die ich habe, war, als ich noch ganz jung war, als Kind. Ich bin in Markt Schwaben in einem kleinen Häuschen am Marktplatz geboren und damals gab es in Markt Schwaben noch keinen Quadratmeter geteerte Fläche. Ich kann mich noch erinnern, dass bei uns an der Haustür immer Zauneidechsen vorbeigelaufen sind, die da am Marktplatz unterwegs waren. Das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen, aber das hat mich damals schon so fasziniert mit diesen Eidechsen.
Als ich dann später in die Schule gekommen bin, da habe ich unterwegs einen Bach überquert und ich habe immer ein Einmachglas dabeigehabt und was mich interessiert hat, das habe ich aus dem Fluss rausgefischt. Das kann mal ein Blutegel gewesen sein, oder damals hat es auch noch Muscheln gegeben. Ich habe die Tiere einfach in die Schule mitgenommen und habe sie dann dem Lehrer wieder aufs Pult gestellt; der hat dann schon gewusst, von wem das ist. Und dann, egal welcher Stoff angesagt war, ist darüber geredet worden, was in dem Glas drinnen ist und was es damit auf sich hat. Das Interesse war eigentlich schon immer da und ist aber noch verstärkt worden.
Das war dann so die Zeit mit der Anti-Atomkraft-Bewegung. Ich muss sagen, ich habe da sehr viel Frust geschoben in der Zeit, weil ich das völlig falsch gefunden habe und immer noch finde. Ich habe da irgendwie ein Ventil gebraucht und habe dann angefangen, dass ich Nistkästen baue. Und nochmal verstärkt worden ist das Ganze dann später, als meine Tochter auf die Welt gekommen ist. Ich habe mich da gefreut über meine Tochter. Ich war bei der Geburt dabei und irgendwie war ich mir aber auch doch nicht ganz sicher, ob das richtig war, in der Zeit mit Atomkraft und so weiter und sofort, dass man überhaupt ein Kind in die Welt setzt. Ich habe mich furchtbar geärgert, dass ich mich nicht einfach so unbegrenzt und locker freuen kann, sondern dass da die anderen Gedanken da waren. Ich weiß noch gut: Ich bin dann mit der Kleinen ans Fenster gegangen, draußen hat es geschneit, große Flocken, eigentlich eine total nette, romantische Stimmung und ich war stinksauer, weil ich das nicht so genießen habe können, wie ich es eigentlich wollte. Irgendwie habe ich dann die Verantwortung gespürt, die da in meinem Arm liegt und habe mir gedacht: Also demonstrieren alleine langt (reicht) nicht, da muss jetzt einfach noch mehr passieren und so hat sich das Ganze verstärkt.

 

Kernkraftwerk | © Oliver Wittig © Oliver Wittig
In den 80er-Jahren nahm Richard Straub an Aktionen gegen die Atomkraft teil.

Am 26. April 1986 ereignete sich die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl. Und das hat ja dann, so wie ich es jetzt aus der heutigen Sicht wahrnehme, auch sehr stark dazu geführt, dass noch mehr Menschen die Atomkraft ablehnen. Wie hast du denn damals diese Bewegung wahrgenommen und warst du da dann auch aktiv?

Ja, ich habe sogar mit einem Freund zusammen meinen VW-Bus, den ich damals gehabt habe, entsprechend angemalt. Da war auf der Vorderseite vom VW-Bus ein Wald und ein bisschen was von einem See zu sehen, also wunderbare Natur. Auf der anderen Seite hat sich der See dann fortgesetzt und am Rand vom See war aber dann schon ein Industriegebiet angesiedelt, also nicht mehr ganz so toll. Auf der Rückseite, also da, wo die Motorhaube ist, wo der Motor drin ist, da war dann ein Kernkraftwerk, das gerade explodiert, wo die Fetzen fliegen und auf der gegenüberliegenden Längsseite da war dann der See, in dem keine Fische mehr rumgeschwommen sind, sondern da waren dann bloß noch Gräten zu sehen. Und mit dem bin ich auch zum Demonstrieren gefahren; das war ganz interessant.
Ich habe den Bus später verkauft und da haben mich dann Bekannte aus Markt Schwaben angesprochen, haben zu mir gesagt: „Du warst jetzt auch in Spanien, wir haben dich fahren gesehen.” Und dann habe ich gesagt: „Nein, nein, ich war nicht in Spanien.” „Ja, aber wir haben doch dein Auto fahren sehen.” Es war dann tatsächlich so, dass der VW-Bus anscheinend ein paar Mal verkauft worden ist und letztendlich dann in Spanien umher gefahren ist und dass er da wieder erkannt worden ist.

 

Wenn der so markant war, dann hatte der einen sehr, sehr hohen Wiedererkennungswert. Es war ja auch so, dass die Atomkraft-Fragen nicht nur irgendwo anders passiert sind, sondern auch in Bayern. Also zum Beispiel war ja auch Mitte der 80er in der Gemeinde Wackersdorf in der Oberpfalz ein Bau einer Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe geplant. Damals gab es ganz massive Proteste. Das ging über ein paar Jahre und die Errichtung wurde dann auch eingestellt. Wie hast du das wahrgenommen, so etwas direkt vor der Haustür oder sehr, sehr nahe am eigenen Leben zu haben?

Mich hat das Ganze schon beeinträchtigt. Ich kann mich noch an eine Fahrt erinnern, die ging nach Burglengenfeld. Damals haben verschiedene Musikgruppen ein Konzert gespielt. Der Erlös aus dem Konzert ist für die Studenten und Professoren, die Sitzblockaden gemacht haben und angezeigt worden sind, verwendet worden. Und da ist mir Folgendes passiert: Auf dem Weg, das Auto war wieder voll, ich habe da immer wieder andere mitgenommen, es waren sogar Arbeitskollegen von mir dabei, sind wir natürlich rausgewinkt und kontrolliert worden. Als ich losgefahren bin, habe ich schon gemerkt, dass mein Anlasser irgendwie spinnt und der hat dann unterwegs total schlapp gemacht. Dann bin ich halt rausgefahren und habe die Polizisten gefragt: „Wie können wir es denn machen? Soll ich den Motor laufen lassen? Mein Anlasser ist auf dem Weg hierher kaputt gegangen. Oder soll ich den Motor abstellen?“ Da haben die Polizisten gesagt: „Ja, stell den Motor ab, das bekommen wir schon hin.“ Dann haben sie das Auto durchsucht und haben natürlich nichts gefunden, ist ja klar. Dann habe ich zu meinen Mitfahrern gesagt: „So, jetzt dürft ihr aussteigen und könnt mich anschieben, dass der Bus wieder zum Laufen kommt.“ Dann haben die Polizisten gesagt: „Ach was, das braucht ihr nicht. Setzt euch rein, das schaffen wir auch.“ Und dann waren da vier, fünf Polizisten und haben den Bus, der also wirklich ausgedrückt hat, wie die Stimmung ist, angeschoben und haben uns dann noch hinterhergewinkt. Da habe ich gemerkt, was die Polizisten da mitmachen, welcher Konflikt das für die ist, dass die gegen die Demonstranten vorgehen müssen und eigentlich auf unserer Seite waren. Also das waren schon interessante Erfahrungen.
Eine andere negative Erfahrung war aber die: Ich habe damals einen Schrebergarten gehabt. Und mein Sohn, der Martin, der ist 1985 im Juli auf die Welt kommen und der war da im Kinderwagen und meine Frau, die war mit den Kindern am Schrebergarten; ich war in der Arbeit. Meine Frau hat mir das dann erzählt, dass die Tochter auf die Toilette musste. Sie ist mit ihr dann auf die Toilette vom Schrebergarten gegangen und der Martin, der Sohn, ist also alleine in seinem Kinderwagen da am Schrebergarten gewesen bis die wieder zurückkamen. Das war gerade in der Zeit, als die radioaktive Wolke drüber gezogen ist und als es geregnet hat. Als ich das dann hinterher erfahren habe, war ich sowas von stocksauer und habe mir gedacht, wenn meinem Sohn irgendwas passiert, wenn der an Krebs erkrankt, wenn da irgendwas ist, dann dreh ich irgendwas. Ich muss sagen, ich habe eine solche Wut gehabt, vor allen Dingen auf einen gewissen Politiker in Bayern, den ich jetzt nicht nennen möchte, wo aber sicher jeder weiß, wen ich meine und das war richtig krass, muss ich sagen.
Ich habe dann da eben auch ein Ventil gebraucht für das Ganze. Und das Ventil habe ich eigentlich im Naturschutz gefunden; also dass ich mich da abgelenkt habe und dass ich mich da noch mehr damit befasst habe.

 

Jetzt war es dieses Jahr aufgrund der Energiekrise und des Kriegs in der Ukraine auch wieder im Gespräch, ob man die Atomkraftwerke in Deutschland länger laufen lässt. Also ich glaube, dass diese Anti-Atomkraft-Bewegung früher stärker war als heute, oder wie siehst du das?

Ja, also ich denke, dass es heute mehr Priorität hat, den Wohlstand, der in diesen Jahrzehnten gestiegen ist, zu erhalten und genießen, Ich bin jetzt über 70 und kann das beurteilen.
Früher hat man schauen müssen, dass man durchkommt. Ich kann mich noch an die zerbombten Häuser erinnern. Wir haben in einem Haus gewohnt, das war total feucht; darin sind im Sommer Pilze gewachsen, also zwischen Sockelleiste und Wand hat man die Pilze gesehen. Im Winter war die Wand nass und hat teilweise geglitzert; die war gefroren, weil es so kalt war. Also ich sag mal, ich bin unter Bedingungen aufgewachsen, die es mir eigentlich leichter machen, jetzt mit irgendwelchen Einschränkungen fertig zu werden.
Und wenn ich jetzt schaue, auch wenn ich an meine Kinder denke: Diese Generation, die ist ja in einem ganz anderen Wohlstand aufgewachsen und für die ist das eben auch normal. Von daher ja, kann es schon sein, dass da, sag ich mal, eine gewisse Verschiebung irgendwie da ist, dass man sagt: Ja gut, ich gehe lieber mehr Risiko ein, aber ich möchte meinen Wohlstand halten.

 

Grosse Hufeisennase | © Rudi Leitl © Rudi Leitl
Über Fledermäuse wie die Große Hufeisennase stieg Richard Straub in den Naturschutz ein.

 

Du hast jetzt schon gemeint, dass das alles dann dazu geführt hat, dass du selbst aktiv geworden bist und dich dann auch beim LBV engagiert hast und das jetzt seit über 30 Jahren. Da gibt es bestimmt auch eine ganze Menge zu erzählen. Für welche Arten hast du dich denn zum Beispiel in dieser Zeit eingesetzt?

So richtig angefangen hat es eigentlich mit den Fledermäusen. Das Ganze ist so gewesen, dass ich 1984 einen Zeitungsartikel von Klaus Richarz  gelesen habe, der damals in der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern gearbeitet hat. Der hat in der Kreisstadt in Ebersberg in der Wirtschaft einen Vortrag über die bedrohten Fledermäuse gehalten. Den Vortrag habe ich leider versäumt; ich habe gar nicht gewusst, dass der stattfindet, aber ich habe hinterher den Zeitungsbericht über diesen Vortrag gelesen. Das war für mich schockierend, was der da berichtet hat, wie es mit den Fledermäusen bergab geht und dass die, wenn es so weitergeht, vom Aussterben bedroht sind.
Und dann ist mir ein Kindheitserlebnis eingefallen: Ich habe als Junge, schon im Kindergartenalter, immer zu einem Bauernhof gehen müssen oder dürfen und habe da allabendlich in der Milchkanne die Milch geholt, wie das früher so üblich war. Und da waren die manchmal noch nicht mit der Stallarbeit fertig. Dann bin ich in den Obstgarten rausgegangen und da sind Fledermäuse umhergeflogen. Ich habe dann die Fledermäuse beobachtet und da ist die Zeit dann ziemlich schnell vergangen, bis sie mich gerufen haben, dass ich meine Milch holen kann. Das ist mir da eingefallen. Ein paar Tage, nachdem ich das in der Zeitung gelesen habe, habe ich mich aufs Rad gesetzt, bin abends zu dem Bauernhof hingefahren und habe dann festgestellt, dass es gar kein Bauernhof mehr ist. Das Gebäude war noch da, aber die Landwirtschaft haben sie aufgegeben gehabt und der schöne große Obstgarten war weg. Es waren bloß noch ein paar einzelne Bäume da und ich habe keine einzige Fledermaus fliegen sehen. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis.
Ich habe mich dann bei der Regierung von Oberbayern gemeldet und wollte den Klaus Richarz  sprechen und habe mit ihm dann darüber geredet. Der hat mich dann mit dem Dr. Fritz Kronwitter in Verbindung gebracht, der sich mit Fledermäusen gut ausgekannt hat. Das war einer von den Anfängern oder von den Ersten, die die Fledermäuse bei uns überhaupt einmal richtig wahrgenommen haben. Der hat mich dann praktisch angelernt. Ich war mit ihm in Kirchen und so weiter. Da bin ich dann eingestiegen. Das war ein total interessantes Thema, aber es war natürlich nicht so einfach wie heute. Es hat so gut wie keine Fotos geben, man hat nicht irgendwie ins Internet reinschauen können und sich erkunden. Das war also viel schwieriger. Ich sage mal, die Entwicklung, dass man sich da auskennt und zu einer Fachkraft wird, das war natürlich viel schwieriger und hat auch länger gedauert.

 

Wie kann man dann Fledermäuse am besten schützen?

Was damals recht gravierend war, das waren Holzschutzmittel, Imprägniermittel und so weiter, wo man mittlerweile auch draufgekommen ist, dass das auch für die Leute schädlich war. Da ist dann auch ein Umdenken da gewesen. Man hat also wirklich jahrzehntelang auf die Chemie vertraut; man hat der Chemie sogar den Vorzug geben, gerade auch in der pharmazeutischen Richtung, weil sie schneller wirkt als die Heilkräuter; die funktionieren zwar auch, aber das dauert ja ewig und pharmazeutische Mittel, die waren besser und so weiter und sofort. Das ganze Umdenken, das da erst einmal schön langsam eingesetzt hat, das war ein wichtiger Punkt.
Und das andere war dann das, dass die Fledermäuse auch im Verruf waren. Man hat sich nicht erklären können, warum die in der Nacht fliegen. Man hat sie sogar mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Die haben einen furchtbar schlechten Ruf gehabt und dabei waren es so wichtige Tiere. Die sind ja schon 1927 unter Schutz gestellt worden, weil Forstleute damals den Nutzen erkannt haben.
Ich bin hergegangen und habe dann Kartierungen gemacht in den Kirchen und habe auch versucht, privat Kästen aufzuhängen, auch im Wald und so weiter. Ich bin in das Thema Fledermaus dann besser eingestiegen und letztendlich dann auch über die Fledermäuse mehr oder weniger zum LBV gekommen.

 

Ein großes Stichwort im LBV ist natürlich auch der Vogelschutz und auf dem Hinweg hierher hast du mir auch gezeigt, dass ihr hier in der Region auch einen Storchenhorst habt; also ihr macht auch viel im Weißstorchen-Schutz. Was hast du denn da so erlebt in den letzten Jahren? Wie kann man den Weißstorch in Bayern schützen?

Das mit dem Schützen ist auch sehr gut gelungen. Da hat es das Artenhilfsprogramm gegeben, das wirklich sehr notwendig war und es kann eigentlich, sag ich mal, gar kein besseres Zeugnis geben, als wenn man sagt, dass das jetzt überflüssig geworden ist. Wir haben wieder so viele Störche, dass man die Gelder, die man für den Storch verwendet hat, jetzt für andere Arten einsetzen kann, die mittlerweile mehr bedroht sind, als der Storch das war. Aber ich kann mich noch gut erinnern: Als ich damals angefangen habe, da gab es in ganz Bayern noch 58 Storchenpaare. Und es war so, dass ich damals bei der Kreisgruppe Erding einen Vortrag über Fledermäuse gehalten habe. Klaus Simon, der Vorstand von der Kreisgruppe Erding, der leider viel zu früh verstorben ist und ein ganz großer menschlicher Verlust war, auch für den LBV, der war ja auch der Horstbetreuer von dem Storchenhorst in Langengeisling, den es seit vielen Jahrzehnten gibt. Bei ihm habe ich sehr viel gelernt und bin mit ihm auch das erste Mal nach Hilpoltstein gekommen und zwar in das Weißstorch-Seminar.
Über den Weißstorch bin ich weiter in den Naturschutz eingestiegen und habe dann im Moos in Markt Schwaben versucht, Landwirte zu gewinnen, also für Flächen, die sich schlecht bewirtschaften lassen und die geeignet sind, um da wieder Laichgewässer anzulegen. Die sind nämlich nach dem Krieg mit Bauschutt, also vom Krieg, vom Ruinenschutt und so weiter und teilweise auch mit Müll, verfüllt worden. Es gab ja fast keine Kleingewässer mehr. Ich habe mal gelesen, dass über 90% verfüllt worden sind, im Vergleich zu dem, was man vor dem Krieg noch gehabt hat. In Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde habe ich da mittlerweile 20 solcher Gewässer wieder angelegt. Erst in der vergangenen Woche, haben wir mit dem Landschaftspflegeverband wieder Pflegemaßnahmen durchgeführt. Da mussten wir wieder entbuschen und schauen, dass die Laichgewässer wieder mehr Licht, mehr Sonne, mehr Wärme bekommen. Und ja, so ist das dann weiter gegangen.
Letztendlich habe ich dann einen Versuch gestartet, weil ich gedacht habe, ja, das könnte jetzt passen und das war 1994. Da habe ich dann in Markt Schwaben einen Storchenhorst bauen lassen und habe den eingeflochten. Und da haben wir dann tatsächlich das Glück gehabt, dass sechs Wochen später der erste Storch da war.

 

Ein Weißstorch im Flug vor blauem Himmel | © Frank Derer © Frank Derer
Der Weißstorch-Bestand in Bayern hat sich dank des Artenhilsprogramms sehr gut erholt.

 

Wahrscheinlich kann man sich auch gerade für die Arten, die relativ nah am Menschen sind, Fledermäuse, Störche, schon gut einbringen? Aber du hast mir zum Beispiel auch gesagt, dass ihr viel für Gebäudebrüter, also für Mauersegler und Dohlen macht.

Ja, auf jeden Fall. Der Naturschutz ist grenzenlos und da gibt es so ein breites Repertoire, wo sicher jeder das findet, was er sucht. Und es kommt im Laufe der Zeit natürlich immer mehr dazu, woanders fällt ein bisschen was weg. Bei mir fällt jetzt bei den Fledermäusen ein bisschen was weg, weil ich einfach gemerkt habe, mit über 70 in den Kirchtürmen herumzuturnen, nach Fledermäusen zu suchen, über Abgründe zu gehen, also über einen Balken drüber und im Turm da geht es dann 20 Meter runter oder so, da bin ich mir nicht mehr sicher. Das habe ich mittlerweile aufgehört, aber dafür ist etwas Neues dazugekommen. Ich engagiere mich bei den Bartgeiern.

 

Du hast es eben schon angesprochen: Du warst bei den ersten beiden Auswilderungen von Bartgeiern im Nationalpark Berchtesgaden dabei. Was hältst du denn von diesem Artenschutzprojekt? Was ist da vielleicht so besonders daran?

Für mich ist das ein ganz, ganz tolles Projekt. Mit den Bartgeiern beschäftige ich mich auch schon seit 14 Jahren. In den Hohen Tauern, wo ich jeden Sommer ein paar Wochen bin und das Glück habe, auf einer Alm, also nah am Geschehen, zu übernachten, kann ich wunderbar die Natur beobachten und vor allen Dingen die Bartgeier. Das ist ein so fantastischer Vogel. Alleine die Größe und dass er auch gar nicht so scheu ist und nah herfliegt, das ist durchaus beeindruckend.
Wenn man aber seine Vergangenheit, die Geschichte kennt, dass er, sag ich mal, aus übler Nachrede ausgerottet worden ist, in den Alpen drinnen. Er ist ein wesentlicher Teil vom Ökosystem, er ist ein Mosaikstein da drin und war dann für viele, viele Jahre weg, weil man ihn gejagt hat, weil sogar Prämien ausgesetzt worden sind und er aus Unkenntnis oder falscher Beobachtung einfach zu einem Täter gemacht worden ist, der er nicht war. Das, was man ihm angedichtet hat, das ist totaler Schwachsinn gewesen.
Es ist einfach die Sache, dass der Mensch jetzt hergeht und den Bartgeier wieder heimisch macht. 1986 ist in Österreich mit der ersten Auswilderung begonnen worden. Wenn der Mensch will, dann kann er auch Fehler versuchen, wieder gut zu machen. Und das gibt einem dann wieder bisschen mehr Glauben an die Menschheit, an die Gesellschaft. Das mit den Bartgeiern das ist natürlich auch eine Sache, die medienwirksam ankommt und die viele Sympathien gebracht hat, die uns neue Mitglieder gebracht hat, neue Aktive gebracht hat. Ich habe da selbst einige kennengelernt. Ich habe jetzt erst vor ein paar Tagen wieder mit den Berchtesgadenern telefoniert und die haben mir gesagt, dass alle, die bisher dabei waren, sich gleich wieder gemeldet haben und gesagt haben: Wir sind bei der nächsten Auswilderung wieder dabei, wir machen da mit. Und es sind noch Neue dazugekommen. So wie es jetzt ausschaut, sind die ganzen Beobachtungs- und Bewachungsschichten eigentlich schon vergeben und das ist einfach eine ganz tolle Sache.

 

 

Du hast es schon erwähnt: Der Bartgeier ist sehr medienwirksam gewesen und das hat man aber auch Menschen wie dir zu verdanken. Du hast nämlich das erste Foto von Bavaria geschossen, nachdem sie zu ihrem Jungfernflug aus der Ausbildungsnische aufgebrochen ist und sich dann auf einem kleinen Felsen wieder niedergelassen hat und quasi nach über 100 Jahren ein wilder Bartgeier in Deutschland war. Dieses Foto wurde dann auch in den TV-Nachrichten gezeigt und war in der Zeitung zu sehen. Wie war es denn für dich, diesen Moment mit der Kamera zu erwischen oder das einfangen zu können?

Das war, glaube ich, einer der spannendsten Momente in meinem Leben. Das Blöde war ja, dass ich meinen Handywecker nicht richtig gestellt gehabt habe. Ich wollte eigentlich schon früher da sein. Und der junge Mann, mit dem ich zusammen eingeteilt war, der war schon da. Als ich dann mit einer halben Stunde Verspätung hingekommen bin, sagt er zu mir: „Du, die Bavaria ist ausgeflogen.“ „Ja“, sage ich, „wo ist sie denn hingeflogen?“ Ja, sagt er, er hat sie bloß von da aus beobachten können und dann ist sie hinter den Bäumen verschwunden und er weiß nicht, wo sie gelandet ist. Dann habe ich zu ihm gesagt: „Du, weißt du was? Jetzt machen wir Folgendes: Ich gehe rauf zu meinem Beobachtungsplatz“, weil zum Fotografieren muss man ja näher dran sein als beim wissenschaftlichen Beobachtungsplatz. Und dann habe ich gesagt: „Ich geh mal rauf zu meinem Platz und schau, ob ich die Bavaria irgendwo sehe.“
An meinem Beobachtungsplatz, das sind zwei Buchen, die eine gemeinsame Krone bilden, gehe ich zwischen den zwei Stämmen durch und sehe, über einen kleinen Hügel drüber, auf der anderen Seite, vielleicht in 120, 150 Meter Entfernung die Bavaria sitzen, in der Morgensonne, mit gespreizten Flügeln, wie sie die Sonnenstrahlen aufnimmt. Ich bin dann gleich wieder abgetaucht, damit sie mich nicht sieht; da ist so ein Felsbrocken gewesen. Ich habe dann langsam und vorsichtig mein Stativ aufgebaut, die Kamera drauf und bin dann ganz wie in Zeitlupe vorgegangen, damit ja nichts passiert und habe wirklich das Glück gehabt, dass sie mich gar nicht notiert hat. Sie hat immer wieder raufgeschaut zu dem anderen Bartgeier, der noch in der Nische drin war. Ich habe irgendwie das Gefühl gehabt, sie würde denken: „Ach, jetzt wäre ich lieber wieder dort, da fühle ich mich sicherer.“ Irgendwie war das total interessant zu beobachten und wie sie auch die Gegend angeschaut hat. Da habe ich mir gedacht, jetzt fliegt sie dann weg, aber nein, sie ist sitzen geblieben und hat versucht auf eine Lärche raufzusteigen Das war so eine verkrüppelte Lärche. Da ist sie dann aber am Stamm wieder runtergefallen. Also das waren so tolle Erlebnisse, was ich da alles gesehen habe. Was wirklich schön war, war, dass sie mich gar nicht wahrgenommen hat, also weder im Positiven noch im Negativen. Sie hat einfach nicht auf mich reagiert und ich konnte dann natürlich auch eine wunderbare Foto-Serie davon machen und habe ein paar kurze Videos gemacht. Das war einfach ganz, ganz toll.

 

Wie bist du zur Naturfotografie gekommen? Warum hat dich das gereizt?

Ich habe eigentlich schon sehr früh mit dem Fotografieren angefangen, und zwar mit 16 Jahren. Ich habe ja mit 14 Jahren angefangen zu arbeiten; das war damals noch so, dass man mit 14 Jahren in die Lehre gekommen ist. Und ich habe mir damals drei Ziele gesetzt, was ich haben wollte. Das eine war ein Kajak und das andere war eine Spiegelreflexkamera und eine kleine Stereoanlage. Ich habe es dann geschafft, in meinen zweieinhalb Jahren Lehrzeit alle drei Wünsche zu erfüllen. Und so ist das mit der Fotografiererei losgegangen. Auch damals hat mich schon die Naturfotografie mehr interessiert als zum Beispiel Denkmäler oder sonst etwas zu fotografieren.
Im Laufe der Zeit sind dann auch die ganzen Geräte besser geworden, die Kameras, die Objektive und vor allen Dingen dann der Umstieg vom Analogen auf das Digitale. Ich habe mir oft gedacht: Mensch, wenn ich damals diese Ausrüstung gehabt hätte, die ich heute habe, was wäre das gewesen? Das ist unvorstellbar einfach.
Und ja, mit der Zeit, als ich dann aber auch schon immer wieder in den Hohen Tauern war, habe ich natürlich auch schön üben können mit den Bartgeiern. Man weiß, welche Verschlusszeit man nimmt und mit welcher Brennweite man noch eine Chance hat, wenn der Geier in der Luft fliegt, dass man ihn dann im Flug einfängt und fotografieren kann. Das jahrelange Üben praktisch an den Wildvögeln dort, das hat mir, glaube ich, auch geholfen, dass ich dann eben da den einen oder anderen Schnappschuss gemacht habe. Und es hat natürlich auf jeden Fall viel Glück dazu gehört.

 

Das glaube ich. Wer noch mehr über Naturfotografie erfahren möchte, der kann gerne nochmal in unsere Folge mit Bastian Forkel und Urs Leuthäusser reinhören. Das sind zwei junge Aktive vom LBV Coburg und sie erzählen da von ihrer Liebe zur Naturfotografie. Jetzt ist es allerdings leider so, dass man im Naturschutz zwar viele Erfolge hat, wie zum Beispiel den Bartgeier oder den Weißstorch, was du auch berichtet hast. Aber es gibt eben auch Rückschläge. Du hast mir vorab erzählt, dass du dich für den Kiebitz engagiert hast. Das ist eine auf Wiesen brütende Vogelart. Die ist in Bayern aber sehr stark bedroht und die Bestandszahlen gehen dramatisch zurück. Wie ist so etwas für dich? Wie gehst du damit um, wenn man sieht, dass es einer Art immer schlechter und schlechter geht und die da am Verschwinden ist?

Ja, da geht es einem natürlich überhaupt nicht gut. Ich war ja einige Jahre im Kiebitz-Schutz tätig und wir haben uns da sehr viel Mühe gegeben. Wir haben auch mit unserer LBV-Kindergruppe gearbeitet, indem wir gesagt haben, wir wollen die Kinder ein bisschen ranlassen. Wir haben Kiebitz-Zeichnungen in Schwarz-Weiß kopiert und die Kinder durften die dann mit Farben anmalen. Der Kiebitz war jetzt nicht immer ganz naturgetreu, wie wir ihn kennen, da war viel Fantasie dabei, aber trotzdem gut ersichtlich. Wir haben die dann laminiert und haben sie zu den amtlichen Schildern, die vom Landratsamt da sind, die über die Wegeführung informieren und dass man Rücksicht nehmen soll, dazu gestellt, damit einfach auch das Gefühl noch mehr angesprochen wird. Und da haben wir sehr schlimme Erfahrungen gemacht, muss ich sagen. Teilweise sind uns die Schilder herausgerissen worden, sind in den nächsten Bach reingeschmissen worden oder ins hohe Gras. Wenn der Landwirt nicht aufpasst, wenn er das nicht zufällig gefunden hätte, also mitsamt dem Holzpfosten, in der Wiese drinnen, wenn der mit dem Mähwerk kommt, dann haut es dem das zusammen.
Ich habe auch Leute beobachtet, die haben auf den ausgewiesenen Kiebitz-Flächen, wir haben wirklich nur dort Schilder aufgestellt, wo wirklich Kiebitze waren, da haben die die Hunde von der Leine gelassen. Am schlimmsten sind wirklich einige Hundehalter. Es sind nicht alle. Es sind welche da, die machen es wirklich sehr gut, da kann man es gar nicht besser machen. Und dann gibt es viele, die die Schilder beachten. Aber es gibt auch die, denen das ganz egal ist oder die sogar provozieren, wenn man sie anspricht oder versucht zu erklären. Ich habe auch mein Spektiv dabeigehabt und habe auch viele Leute durchschauen lassen, wenn sie gesagt haben: „Ja, da sind doch gar keine Kiebitze.“ Dann habe ich gesagt: „Die haben so eine Tarnung“, sage ich, „Schauen sie durch das Spektiv, da sehen sie es, da sitzt er, da brütet er.“ „Ja, das hätten wir uns gar nicht gedacht, da sind wir schon so oft vorbeigegangen, den haben wir gar nicht gesehen.“ Ich habe versucht, die Leute zu informieren und für das Projekt zu gewinnen. Bei den Landwirten hat das super funktioniert, die haben alle mitgemacht. Das war wirklich toll, mit den Landwirten zusammenzuarbeiten, muss ich sagen.
Aber es sind Hundehalter dabei, ich mag mich jetzt auch nicht in Prozent auslassen, sind das 10% oder sind das 20%, also auf jeden Fall sind es so viele, dass die dem Projekt unwahrscheinlich schaden. Wenn ich alleine unterwegs war und die Leute angesprochen habe, dann ist es mir auch passiert, dass ich beleidigt worden bin - hirnloser alter Depp und sonst was und so weiter. Es ist so weit gegangen, dass mir das nachts, wenn ich dann ins Bett gegangen bin und nicht gleich einschlafen habe können, durch den Kopf gegangen ist. Wie kommt es, dass ein junger Kerl mit 20 Jahren, der seinen Hund frei laufen lässt, mich so beleidigt? Wir haben es dann teilweise so gemacht, dass wir nur noch zu zweit unterwegs waren und dann hat das mit den Beleidigungen aufgehört, aber an der Situation selbst hat sich nichts geändert.
Einmal habe ich dann auch gestritten. Da hatten eine Frau und ein Mann beide ihre Hunde genau in der Fläche herumtollen lassen, in der zwei Kiebitz-Paare drin waren. Den Mann habe ich aber vorher schon mal, eine Woche oder zwei vorher, durch das Spektiv durchschauen lassen. Ich habe den wiedererkannt und ich habe dann gefragt: „Ja, warum machen Sie das? Wir haben doch darüber geredet. Sie haben doch selbst gesagt, wie toll das ist, dass die Kiebitze noch da sind und jetzt lassen Sie Ihren Hund da drin herumlaufen?“ Der ist dann auf mich losgegangen und hat gesagt, wenn ich nicht verschwinde, dann passiert mir was. Ich habe dann die Hand ausgestreckt und gesagt: „Bitte bleiben Sie weg, wir haben Corona.“ Das war dem egal, der ist also bis auf 20 Zentimeter an mein Gesicht hin und hat mich angebrüllt. Und das muss ich sagen, war dann für mich einfach zu viel und ich habe dann aufgehört.
Vor allen Dingen habe ich auch aufgehört, weil es nicht besser wird, wenn man den Leuten die Narrenfreiheit gewährt. Da können die anderen machen, was sie wollen; die können Tag und Nacht Schichten schieben und die Vögel bewachen. Wenn das manchen, sagen wir mal, so am Arsch vorbeigeht und die es ja, sag ich mal, bewusst schädigen wollen, weil ihnen das egal ist oder wie auch immer, dann pack ich das nicht; ich habe es nervlich nicht mehr gepackt. Wir haben da unten auch keinen amtlichen Wiesenbrüter-Schutz mehr; der ist ausgesetzt worden und nicht mehr wieder eingeführt worden. Und da muss ich sagen, also wenn die Politik so reagiert, was haben wir dann noch für eine Chance?

 

 

Ja, das kann ich verstehen, dass das sehr, sehr frustrierend ist. Vor allem, wenn man auch einfach merkt, dass Leute das nicht nachvollziehen können oder da gar keine Rücksicht darauf nehmen. Aber deswegen ist Naturschutzarbeit auch so wichtig, dass man aufzeigt: Was ist da draußen unterwegs? Welche Arten gibt es? Und, wie geht man respektvoll mit der Natur um? Aber ja, das, was du berichtest, ist dann sehr, sehr zermürbend. Wie schaffst du es dann weiterzumachen? Was treibt dich an, seit über 30 Jahren trotzdem am Ball zu bleiben?

Ich muss sagen, ich habe mir nicht nur einmal vorgenommen aufzuhören und zu resignieren, zu sagen, was hat das eigentlich noch für einen Sinn. Man macht sich selbst viele Gedanken, man setzt viel um, man setzt sich ein und leidet mit der Natur mit. Ich habe mir gedacht, ich brauche jetzt da einfach eine Distanz und ich suche mir ein anderes Hobby, mache irgendwas anderes. Aber dann denke ich mir, die Natur kann ja nichts dafür und irgendwie kann man es dann doch nicht lassen und macht man wieder weiter.
Es kommt ja auch wieder Zuspruch von manchen Leuten. Gerade beim Kiebitz-Bewachen, da habe ich auch viele positive Erfahrungen gemacht, muss ich sagen. Dass die Leute also gleich gekommen sind und gefragt haben: „Ja, was machen Sie da, was sehen Sie da?“ Die haben gesehen, ich habe das Spektiv da, ich habe die Kamera da. Und da habe ich gesagt: „Ja, da sind Kiebitze drin.“ Wenn man die dann hergezeigt hat, haben sie gesagt: „Ja, das ist toll und Mensch, das ist ja super, dass Sie das machen.“ Also ich muss sagen, es war schon mehr Positives, aber das Negative, was ich dort unten mitgemacht habe, das war so viel, dass ich gesagt habe, ich kann es nicht mehr machen.

 

Du warst aber trotzdem 14 Jahre lang erster Vorsitzender der LBV-Kreisgruppe Ebersberg und hast den Posten jetzt an einen jüngeren Nachfolger abgegeben. Was möchtest du denn generell an die nächste Generation von Naturschützern und Naturschützerinnen weitergeben?

Da gibt es natürlich viel. Was ganz wichtig ist, das ist, dass sich einfach noch mehr Leute dafür interessieren. Also ich sag mal, das was ich vorher schon einmal angesprochen habe, der Kommerz, der Spaß, die Gaudi-Gesellschaft ja, das Ignorieren von Hinweisschildern; ich weiß nicht: Sind das Ergebnisse von einer gewissen antiautoritären Erziehung oder wie auch immer? Ich weiß es nicht. Aber es fühlt sich jeder gleich auf den Schlips getreten und seine Freiheit leidet darunter und die Freiheit vom Hund leidet auch, wenn er jetzt nicht da umherlaufen darf, was er eigentlich nicht soll. Es ist schon sehr viel Egoismus da. Und ich glaube eine der Hauptaufgaben ist es, die Leute wieder mehr zu sensibilisieren. Aber ich verstehe das schon auch, wenn ich mitunter mit Jugendlichen, mit Kindern zu tun habe und ich kenn da ja teilweise auch die Eltern. Wenn die Eltern den Kindern da schon nicht viel mitgeben können, woher sollen es die Kinder dann wissen?
Was wirklich gut geworden ist über die Jahre, das ist das, was die Medien an Naturfilmen, an Tierfilmen bringen und so weiter und so fort, wo das Ganze kritisch hinterfragt wird: Müssen wir nachts Schneeschuhwandern oder muss man unbedingt Kunstschnee haben und muss man auf dem Kunstschnee dann nachts auch noch mit der Flutlichtanlage arbeiten, damit die Natur überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommt? Das ist etwas, was sicher ganz, ganz schwierig ist, aber da muss einfach mehr Sensibilität rein.
Oder, wie kann ich heute noch einen Schottergarten anlegen, wenn ich weiß, wie ökologisch sinnlos das Ganze ist und wie das auch dem Kleinklima schadet? Das erhitzt sich, es wird noch wärmer in den Städten, in den Ortschaften. Ich meine, der einzige Vorteil, den so ein Schottergarten hat, das ist doch der, dass ich mir eine teure Reise in die Sahara oder in die Gobi sparen kann, weil ich bloß das Fenster aufmachen und rausschauen muss.

 

Was wünscht du dir denn dann für die Zukunft des Naturschutzes in Bayern?

Ich wünsche mir einfach und das ist etwas, das wieder Hoffnung gibt, viele Jugendgruppen, Kindergruppen, Universitäten, wo sich die Studenten zusammentun. Was wir brauchen, das ist die Jugend. Was wir Alten den Jungen noch sagen können: Ihr seid, was weiß ich, 1970, 1990 geboren. Ihr wisst gar nicht mehr, wie es vorher war. Für euch ist das normal, aber zu der Zeit, als ihr auf die Welt gekommen seid, da haben wir diese Tierart schon verloren, wir haben jene verloren, da ist es bergab gegangen. Da müssen die Jungen dann auch hinhören und müssen sich auch Gedanken darüber machen. Es muss da einfach ein Umdenken her. Die Natur muss uns auch wieder etwas wert sein.
Wir haben das Geld aufgebracht, dass man Bäche kanalisiert, dass man Bäche verrohrt und so weiter und so fort. Dann muss aber jetzt auch das Geld da sein, dass man das wieder ändert, dass man das wieder gut macht, so wie es beim Bartgeier funktioniert. Der Bartgeier ist für mich das typische Beispiel. Aber es gibt halt nicht nur den Bartgeier, wo es so passieren muss, sondern da gibt es noch ganz viele andere Möglichkeiten. Und wir müssen auch, denke ich, von unserem Sauberkeitsempfinden und der typisch deutschen Ordentlichkeit wegkommen. Wir haben jetzt Probleme mit der Energie und so, aber, ich denke, es ist auch eine Möglichkeit, daraus zu lernen und das hoffe ich, dass es passiert. Wenn jetzt die schlimme Zeit irgendwann hoffentlich bald einmal vorbei ist, dass das dann nicht wieder alles vergessen wird.

 

Gobibär | © Nationale Universität der Mongolei (NUM) © Nationale Universität der Mongolei (NUM)
Richard Straub zählt zu den wenigen Menschen, die den Gobibären bisher live gesehen haben.

Zum Abschluss hätte ich noch eine Frage, und zwar: Was war denn deine spektakulärste oder vielleicht auch die überraschendste Naturbeobachtung in deinem Leben?

Ja, also da habe ich ein paar Highlights. Das Größte ist wirklich der Gobibär gewesen. Ich war mit einer LBV-Gruppe in der Mongolei unterwegs und habe dann tatsächlich das Glück gehabt, noch dazu bei einer Reise, bei der mich mein Sohn begleitet hat und mein Freund mit seinem Sohn. Wir vier waren im Süden der Mongolei unterwegs, waren dann da im Gebirge und ich habe den anderen gerade Petroglyphen an einer Felswand gezeigt; ich war in dem Gebiet ja schon mal drei Jahre früher. Und wir drehen uns dann um von dieser Felsplatte, wo diese Ritzungen, diese Felszeichnungen drin waren und dann sehen wir in ungefähr 80 bis 100 Meter Entfernung einen Gobibären. Dann ist etwas passiert, was es bei mir eigentlich nie gibt: Ich war sprachlos, ich habe nichts sagen können. Ich habe dann dem neben mir, das war der Patrick, der Sohn von meinem Freund, dem habe ich mit dem Ellenbogen einen Stupser gegeben und habe bloß nach vorn gedeutet. Der hat dann leise gesagt: „Ein Bär.” Und dann haben die anderen beiden, mein Sohn und mein Freund, auch reagiert. Ich habe dann auf die andere Seite von dem kleinen, schmalen Canyon gezeigt. Da war ein großer Felsbrocken und da sind wir dann schnell rüber und haben uns in Deckung gebracht. Von dort aus konnten wir dann auch noch Fotos machen. Dann haben wir den beobachtet. Das Ganze war eigentlich wie ein Spuk, das waren vielleicht 10 oder 20 Sekunden und dann war es vorbei, aber das war einfach gigantisch.

 

Das glaube ich. Ich habe ja auch schon mal eine Folge zum Gobibären aufgenommen mit unserem Experten, Ralf Hotzy. Wer noch mehr über diese interessante Art, über diesen seltenen Wüstenbären in der Mongolei erfahren möchte, kann da auch gerne nochmal reinhören. Und das Lustige ist ja auch, dass Ralf selbst noch nie einen gesehen hat. Aber du ...

Ja, also die Situation war richtig blöd. Wir haben da Fotos gemacht, wir haben dann auch noch versucht, ob wir den Bären noch irgendwie sehen. Wir sind dann in die Richtung weitergegangen, wo er abgehauen ist, sind auf einen Berg gestiegen, haben mit den Ferngläsern geschaut, haben ihn aber nicht mehr gefunden. Ich habe mich dann hingesetzt und habe das wirklich erst einmal verdauen müssen, was da passiert ist. Ich weiß noch gut, der Patrick war neben mir und hat gesagt: „Ist euch das klar? Wir haben jetzt gerade eines der seltensten Tiere der Welt erlebt.“
Dann habe ich gesagt: „Ich weiß überhaupt nicht, wie ich das den anderen erklären soll.“ Der Professor Samjaa, was nimmt der für Strapazen auf sich für den Gobibären; das ist ein Professor von der Universität von Ulan Bator. Und der Ralf, der war ja auch schon so oft da und der hat das Gobibär-Projekt eigentlich geschaffen und hat sich dafür eingesetzt. Das wird weiterhin unterstützt; da ist jetzt erst wieder der Vertrag unterschrieben worden vom Norbert Schäffer. Wie bringe denen das bei? Also ich weiß überhaupt nicht, wie ich denen das sagen kann. Dann habe ich gesagt: „Machen wir es vielleicht wie immer?“ Wenn wir zurückgekommen sind, dann haben wir dem Professor Samjaa über unser Display von der Kamera gezeigt, was wir so fotografiert haben und manchmal hat er dann gesagt: „Ja, das kann ich brauchen. Das Bild kannst du mir geben.“ Dann haben wir es dieses Mal genauso gemacht. Ich gebe dem Professor Samjaa nach dem Abendessen meine Kamera, er steht neben mir und wischt und schaut sich am Display die Sachen an und auf einmal schaut er mich an, ich schaute ihn an, er sagt kein Wort, er schaut wieder aufs Display, legt die Kamera hin und geht. Da habe ich mir gedacht: „Das war jetzt garantiert falsch, wie du es ihm beigebracht hast, der hat jetzt regelrecht einen Schock weg.“ Er hat kein Wort gesagt und ist gegangen, da habe ich mir gedacht: „Mensch, Mensch, Mensch, wie hättest du das anders machen können?“ Und kurz darauf kommt er wieder mit einer Flasche Wodka und sagt, das muss gefeiert werden.

 

Schön ja, so ist es richtig, man ist dann doch ein Naturschutz-Team.

Genau.

 

Ich könnte noch wirklich stundenlang mit dir reden. Ich finde es total faszinierend, was man aus so vielen Jahren erzählen kann, aber wir sind dann doch leider am Ende. Vielen, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und das alles mit uns geteilt hast.

Ja, gern geschehen und vor allen Dingen die Jugend nicht aufgeben, weitermachen und Naturschutz unter das Volk bringen.

 

Für mich war sehr beeindruckend, wie sich Richard seit so vielen Jahrzehnten engagiert. Besonders spannend fand ich auch, dass es im ehrenamtlichen Naturschutz auch Rückschläge geben kann und man Lösungen finden muss, damit umzugehen. Wunderschöne Erlebnisse und besondere Momente können einem dann aber auch wieder Kraft und Antrieb geben. Wenn auch ihr euch im Naturschutz engagieren möchtet, schaut gerne mal bei den Kreisgruppen in eurer Region vorbei. Auf unserer Website findet ihr zusätzlich viele weitere Möglichkeiten im Naturschutz mitzumachen. Wenn ihr über Neuigkeiten aus dem Naturschutz und vom LBV informiert bleiben möchtet, könnt ihr euch gerne zu unserem kostenlosen Newsletter anmelden. Wenn euch diese Folge gefallen hat, empfehlt sie gerne weiter. Außerdem freue ich mich über eine Bewertung auf Spotify oder iTunes. Das hilft uns, dass wir noch mehr Menschen mit unseren Geschichten aus dem Naturschutz erreichen können. Ich wünsche euch ganz viel Spaß in der Natur, und wir hören uns in der nächsten Folge.

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