Thomas Kappauf, wie baue ich eigenes Gemüse nachhaltig an?
21. Folge vom LBV-Podcast "Ausgeflogen"
Wenn ich mir bewusst mache, dass dieser Garten seit drei Generationen meine Familie ernährt, dass da zwei Obstbäume stehen, die jetzt 90 Jahre alt sind, die jedes Jahr sieben bis elf Zentner Äpfel liefern. Da empfinde ich auch so eine Art Dankbarkeit dafür.
Herzlich Willkommen zu “Ausgeflogen - der LBV-Podcast". Ich bin Stefanie Bernhardt vom LBV und war für euch wieder unterwegs im ältesten Naturschutzverband Bayerns. Jetzt im März kommt der Frühling langsam wieder zurück und viele von euch planen vielleicht schon, wie sie ihren Garten oder den Balkon dieses Jahr gestalten können. Ein vielfältiger Garten ist nicht nur wichtig für die Natur und für zahlreiche Arten, sondern er kann auch uns Menschen teilweise zur Selbstversorgung dienen. Wie man Lebensmittel selbst anbauen kann, erfahren wir heute von dem LBV-Umweltbildner und begeisterten Gärtner, Thomas Kappauf. Ich habe ihn am LBV-Umweltschutz-Informationszentrum Lindenhof in Bayreuth getroffen. Viel Spaß bei dieser Folge.
Stefanie Bernhardt: Hallo Thomas, es freut mich sehr, dass ich heute mal wieder raus durfte und dich an der LBV-Umweltstation Lindenhof besuchen darf.
Thomas Kappauf: Ja, willkommen am Lindenhof.
In den letzten zwei Jahren in Corona-Zeiten haben viele Menschen so ein bisschen für sich entdeckt, ihren eigenen Garten zu bewirtschaften und viele haben angefangen, sich die Hände schmutzig zu machen und Obst, Gemüse oder Kräuter anzubauen. Jetzt im März geht es auch langsam wieder los in die neue Gartensaison von diesem Jahr. Wenn ich denn jetzt noch gar keinen grünen Daumen habe, was hast du denn für Tipps, wie man da gut anfangen könnte?
Man sollte meiner Ansicht nach zunächst klein anfangen. Das hängt ja davon ab, wie viel Platz man zur Verfügung hat, wie viele Ressourcen man hat, wie viel Zeit man hat. Und ich denke, da ist es schon hilfreich, wenn man jetzt zum Beispiel nur in einem Kübel Tomaten anbaut, also im kleinen Stil. Das kann auf dem Balkon sein, auf einer Terrasse, um einfach mal Erfahrungen zu sammeln. Auch junge Leute, die jetzt beginnen, selbst Gemüsepflanzen anzubauen, sind total begeistert und stolz, wenn sie die ersten eigenen Tomaten ernten.
Ein weiterer Punkt ist, dass man sich zunächst überlegt, wie man das Ganze anpackt. Da finde ich es ganz gut, zum Beispiel mit einem Hochbeet zu arbeiten, weil das auch auf einem kleinen Raum möglich ist, mit relativ wenig Investitionen und, weil man dadurch auch sehr effektiv gärtnern kann.
Jetzt hast du schon die Tomaten angesprochen. Welche Obst- und Gemüsearten würden sich denn sonst noch gut dafür eignen? Also welche sind vielleicht pflegeleicht oder Einstiegsarten?
Kübelpflanzen wie Tomaten oder Erdbeeren, das geht auf kleinem Raum auch. In einem Hochbeet habe ich nur begrenzten Platz. Wenn ich da jetzt an eine Zucchini denke, die braucht bis zu einem Quadratmeter Platz, dann ist mein halbes Hochbeet eigentlich schon weg. Aber mit Blumenkohl, Kohlrabi oder auch Kohlarten, die man dann auch bis in den Winter hinein ernten kann, kann man, meiner Ansicht nach, eigentlich nicht viel falsch machen.
Ansonsten baut man heute Sachen eher im Gemüsebeet an. Da brauche ich lockere Erde; dieses Problem hätte ich im Hochbeet wiederum nicht. Meine persönliche Erfahrung war einfach, dass man sich in so einem Gemüsegarten immer viel Arbeit macht; ich muss den Boden irgendwie fruchtbar kriegen, ich muss jäten. Hier in Oberfranken haben wir häufig auch schweren Lehmboden, was die Bearbeitung wieder ganz schwierig macht, vor allen Dingen in trockenen Sommern. Und das war für mich auch ein Grund, dann eher auf Hochbeete umzusteigen, weil man da sehr viele Nährstoffe hat, leicht arbeiten kann und dieses Hochbett quasi wie ein Schnellkomposter auch immer mit vielen Nährstoffen zur Verfügung hat.
Jetzt bist du seit vielen Jahren schon leidenschaftlicher Gärtner und verbindest dieses Thema auch mit deiner Arbeit als Umweltbildner hier beim LBV. Was bedeutet für dich denn Gärtnern? Warum ist dir das wichtig?
Garten ist für mich Hobby und Erholung, auch wenn es körperliche Arbeit ist. Ich kenne es von meiner Kindheit an. Ich weiß, meine Oma, die war die ganze Zeit im Garten, hat quasi die ganze Familie mit Produkten aus dem eigenen Garten versorgt.
Genuss ist auch ein ganz wichtiges Thema. Man hat einfach eine ganz andere Wertschätzung für Lebensmittel, wenn man zum Beispiel Gemüse oder Obst aus dem eigenen Garten hat, auch wenn das jetzt vielleicht nicht so toll auf Schönheit gezüchtet wurde, aber es schmeckt einfach ganz anders. Ich denke, das kann jeder nachvollziehen, der mal eine Tomate aus dem eigenen Garten gegessen hat.
Und im Garten kann man natürlich auch immer wieder neue Dinge ausprobieren; eine Kräuterspirale bauen, eine Natursteinmauer oder mal einen Totholzhaufen und dann vielleicht das eine oder andere Tier, das man zuvor noch nicht gesehen hat, im Garten entdecken. Für mich ist es immer so ein kleines Highlight im Frühjahr, wenn der Schwalbenschwanz-Schmetterling kommt; der legt seine Eier auf Möhren, Fenchel, Dill ab. Letztes Jahr konnte ich den Schwalbenschwanz richtig beobachten, wie er verschiedene Gemüsepflanzen abcheckt und sich dann ganz gezielt für eine Pflanze entschieden hat, um dort die Eier zu legen. Deswegen gehört es für mich im Garten auch dazu, dass man wilde Ecken hat, das also auch die Natur Natur sein darf, dass man eine Ecke hat, wo Brennnesseln wachsen dürfen. Also für mich ist Garten Erholung, aber auch aus ganz praktischen Gründen einfach auch eine Quelle für nachhaltige, gesunde Lebensmittel.
Ich würde jetzt gerne mal den Anbau dieser Lebensmittel mit dir durchgehen. Das beginnt ja eigentlich alles mit dem Saatgut. Was hast du da für Tipps? Was sollte ich beim Kauf von Saatgut denn beachten?
Ich persönlich vermehre mein Saatgut selbst. Das ist mir am liebsten, wenn ich auch weiß, dass das Sorten sind, zum Beispiel Tomatensorten, die ich mag. Da muss man darauf achten, dass manche Saatgutsorten nicht sortenfest sind. Wenn ich jetzt zum Beispiel aus dem Baumarkt eine Tomatenpflanze kaufe, dann sind das veredelte Sorten, die nicht sortenrein sind. Das heißt, die erste, zweite Generation hat Rückkreuzungen. Da würde ich empfehlen, eher auf alte Sorten zu setzen, die sind meistens auch sortenfest. Das heißt, da passiert es nicht, dass dann auf einmal statt einer gelben eine rote Tomate oder gestreifte Tomate rauskommt.
Es gibt mittlerweile einige Bio-Firmen, die auch alte Gemüsesorten vertreiben, also wo man auch Saatgut von alten Gemüsepflanzen herbekommt. Die sind meistens viel robuster, zum Teil auch wesentlich interessanter vom Geschmack und von der Farbe her. Ansonsten kann man auch im Bekanntenkreis einfach Saatgut tauschen. Da hat man den Vorteil, dass man auch schon auf diese Erfahrungen von den Bekannten setzen kann, wenn man sagt, ich möchte jetzt einfach eine kleine Tomate, zum Beispiel als Snack für zwischendrin, kannst du mir da etwas empfehlen.
Für einen guten Anbau brauche ich ja auch nährstoffreiche und gute Erde. Wo bekomme ich die her oder wie kann ich meine Erde pimpen?
Nach wie vor ist der eigene Kompost oder Komposterde das wichtigste Element, um den Boden mit Nährstoffen zu versorgen. Am besten wäre natürlich, wenn man den Kompost selbst herstellt. Ansonsten kann ich auch Komposterde bei einem Gärtner oder bei einer Kompostieranlage kaufen, wobei in der kommunalen Kompostieranlage häufig auch viel Plastik mit drin ist. Das ist meistens von der Qualität nicht so gut. Meistens ist dort auch der holzige Anteil viel höher, sodass diese Komposterde relativ schnell austrocknet.
Ansonsten kann ich auch während der Saison mit Pflanzenauszügen quasi meinen eigenen Flüssigdünger selbst machen, mit Brennessel-Jauche zum Beispiel. Über Pflanzenauszüge könnte ich die Pflanzen mit Stickstoff, mit Phosphor und mit Kalium versorgen. Das ist häufig auch der Hauptbestandteil von Kunstdünger.
Du hast eben schon den Kompost angesprochen. Wie kann ich denn selbst kompostieren?
Wenn wir jetzt von klein nach groß gehen: Die kleinste Variante wäre eine Wurmkiste. Wenn ich sage, ich habe eigentlich nur Küchenabfälle und möchte die kompostieren, kann ich das mit einer Wurmkiste sehr gut machen.
Dann ein eigener Komposthaufen; da muss man natürlich darauf achten, dass der Kompost immer schön durchmischt ist, dass also Feuchtes mit Trockenem, Grobes mit Feinem durchmischt ist. Aber es ist halt auch arbeitsintensiv. So einen Komposthaufen muss ich dann auch mal umsetzen, ich muss die Erde durchwerfen und habe, wenn der Kompost jetzt nicht 70 Grad erreicht hat, auch noch ziemlich viel Unkrautsamen drin. Dieses ganze Problem hätte ich in einem Hochbeet nicht.
Man hört schon, ich bin ein Hochbeet-Fan. Also ich verwende ein Hochbeet quasi als Komposter. Ich habe zu Hause einen Garten mit vielleicht 600 Quadratmetern, wo mir die Arbeit einfach zu viel war, Laub, Rasenschnitt, Unkraut, Gehölzschnitt jedes Jahr zu kompostieren. Das sind ungefähr drei, vier Kubikmeter, was da anfällt. Dann habe ich begonnen, das einfach in ein Hochbeet einzuarbeiten, also als sogenannte Nährschicht, alles organische Material in das Hochbeet hineinzutun und nur mit 20 oder 30 Zentimeter Erde abzudecken und innerhalb von einem Jahr ist dieses organische Material zur Erde umgewandelt, ohne dass ich den Kompost durchwerfen muss und einen Unkrautdruck habe.
Unsere Sommer werden ja auch immer heißer. Im vergangenen Jahr sind mir meine Tomaten und andere Pflänzchen auf dem Balkon wirklich einfach verbrannt, verbrutzelt. Wie kann ich denn meine Nutzpflanzen vor dieser Hitze schützen?
Es gibt verschiedene Strategien, um dem Klimawandel zu begegnen. Ein Punkt ist, dass man zunächst einmal einen Verdunstungsschutz schafft. Das kann ich im Garten machen, indem ich zum Beispiel den Boden möglichst ganzjährig mit Pflanzen bedecke; Mulchen ist ein ganz wichtiges Element oder Gründüngung, sodass auch im Winter der Boden bedeckt ist. Auch im Garten kann ich statt einem gepflasterten Weg, einen Rasen, eine Rasenfläche anlegen, sodass einfach mehr Vegetation im Garten ist, dass ich solche Hotspots, wo sich das Ganze auf einem Pflaster aufheizt, vermeide.
Ein weiterer Punkt ist auch das Gießverhalten anzupassen. Wenn ich Tomaten zum Beispiel tiefer pflanze oder nicht jeden Tag gieße, sondern vielleicht einmal die Woche, aber dann kräftig, dann bedeutet es, dass das Gießwasser tiefer versickert und die Tomaten tiefere Wurzeln ausbilden. Wenn ich die Tomate jeden Tag gieße, dann hat die nur flache Wurzeln. Wenn es jetzt mal zwei, drei Tage trocken ist, vertrocknet sie und hat gleich einen Hitzeschaden.
Im Garten muss ich auch mit Regenwasser anders umgehen. In den letzten Jahren ist es leider so, dass es im Frühjahr kaum mehr regnet. Wir haben jetzt schon einige Jahre gehabt, wo es vielleicht im Februar das letzte Mal geregnet hat, und dann war zwischen März und Mai überhaupt kein Regen mehr, sodass ich jetzt bei mir im Garten daraus gelernt habe, früher Regenwasser zu sammeln. Ich fange jetzt schon im Februar, März an, wenn die tiefen Nachtfröste vorbei sind, Regenwasser zu sammeln und habe mir jetzt auch IBC-Tanks angeschafft, sodass ich mehrere Kubikmeter an Regenwasser sammeln kann.
Wie verändert sich denn der Garten sonst noch in der Klimakrise?
Ein Garten passt sich an das Wetter an. Es werden sich natürlich andere Pflanzen besser durchsetzen, wenn es jetzt immer so heiß wäre. Die Frage ist, wie ich damit umgehe. Wenn ich bestimmte Pflanzenkulturen haben möchte, dann muss ich vielleicht auch auf Sorten ausweichen, die besser an die Hitze angepasst sind.
Ansonsten kann ich das auch über Gartengestaltung ein Stück weit steuern, also Stichwort Mulchen oder vielleicht auch eine Steinmauer als Einfassung für ein Hügelbeet verwenden, also eine Art terrassenförmige Gestaltung von Beeten, damit die Erde quasi auch ein bisschen mehr Verdunstungsschutz generiert.
Aber ich denke, für die Natur an sich ist es kein Problem. Es ist eher ein Problem für uns Menschen, weil wir gewisse Vorstellungen oder Erwartungen haben. Und da sollten wir auch wirklich stärker auf alte Kultursorten setzen und auf mehr einheimische Pflanzen, also einheimische Gehölze, die in der Regel auch viel robuster sind als veredelte oder hochgezüchtete Sorten.
Wir haben jetzt schon über einige Aspekte von nachhaltigem Gärtnern gesprochen, also sparsame Bewässerung, die Auswahl von Saatgut, eher auf alte Sorten setzen. Gibt es sonst noch Aspekte, wie ich Nachhaltigkeit und die Gestaltung meines Gartens verbinden kann?
Nachhaltigkeit ist für mich zum einen, dass ich mich selbst versorge. Wenn ich den ökologischen Fußabdruck dieser Lebensmittel anschaue, dann weiß ich, dass das aus dem Garten ist; das ist jetzt nicht in einem beheizten Treibhaus entstanden, das sind kurze Wege, es ist unbehandelt.
Aber Artenvielfalt ist natürlich auch wichtig, dass ich naturnah gärtnere, also ohne Gift. Ich kann durch Pflanzenauszüge, indem ich selbst kompostiere oder auch organisches Material im Garten nutze, ohne weiteres, ohne Kunstdünger oder ohne gekauften organischen Dünger gärtnern. Dann ist natürlich torffreie Erde ein ganz wichtiger Punkt für klimafreundliches Gärtnern. Auch wenn ich fertige Erde oder Blumenerde im Baumarkt kaufe, bitte aufs Kleingedruckte gucken, ob da wirklich auch kein Torf-Substrat mit drin ist.
Und ein weiterer Tipp, also eine Art Weiterentwicklung von klimafreundlichem Gärtnern, wäre auch Gärtnern mit Pflanzenkohle, denn dadurch habe ich einen geschlossenen Kohlenstoffkreislauf im Garten. Wenn man zum Beispiel Gehölz, ich habe zum Beispiel Obstbaumschnitt, wenn ich diese Äste klein häcksle und kompostiere oder wenn ich diese Äste verheize oder das im Garten als Totholzhaufen verrottet, dann wird im Laufe dieser Prozesse Kohlendioxid freigesetzt; Kohlendioxid, das der Baum im Laufe seiner Lebenszeit in diesem Ast gebunden hat. Wenn ich das Ganze jetzt zu Pflanzenkohle verarbeite, dann bleiben ungefähr 50 Prozent des Kohlenstoffs in Form von Kohle dauerhaft gebunden, wahrscheinlich über Jahrtausende. Es gibt noch keinen Feldversuch, der so lange dauert, aber wahrscheinlich passiert das über Jahrtausende. Und diese Kohle hat eben noch den Nebeneffekt, dass sie den Humusgehalt im Boden dauerhaft steigert. Ich kann diese Pflanzenkohle auch als Dauerdünger einsetzen, indem ich die Kohle zum Beispiel mit Brennessel-Jauche mit Nährstoffen auflade. Dann habe ich quasi eine Art Dauerdünger im Boden, der Nährstoffe speichert und zugleich noch der perfekte Lebensraum für Mikroorganismen ist, die meinen Boden lebendig erhalten.
Und ich setze die Pflanzenkohle dann dem Boden nach und nach zu oder wie verwende ich die?
Die Pflanzenkohle wird mit Nährstoffen aufgeladen. Das kann durch den Kompostierungsprozess sein, das kann mit effektiven Mikroorganismen und Pflanzenauszügen passieren. Und ich kann diese Pflanzenkohle entweder flächig einbringen; da gilt als Faustregel ungefähr 1 zu 10, also 10 Volumenanteile Erde, ein Volumenanteil Pflanzenkohle. Oder wenn mir das Ganze zu aufwendig ist, kann ich das auch gezielt als Wurzel-Applikation einsetzen. Das heißt, ich füge zum Beispiel meiner Kürbispflanze eine Hand voll Pflanzenkohle direkt ins Pflanzloch zu, sodass die Pflanze im Laufe ihres Lebens diese Nährstoffschicht bewurzeln kann und auf den Nährstoff zugreifen kann.
Du hast es ja eben auch schon angesprochen: In einem naturnahen Garten soll man auf jeden Fall auf Pestizide verzichten. Wie können denn unsere Zuhörer*innen, Obst und Gemüse anbauen und das vor Blattläusen oder Schnecken schützen?
Die beste Regel ist eigentlich naturnah, denn dadurch habe ich biologische Schädlingsbekämpfung im Garten. Wenn ich einen Meisenkasten an meinem Apfelbaum habe, dann fressen die Meisen natürlich überwiegend Blattläuse, die direkt im Umfeld ihres Nistkastens da sind; die fliegen nicht zwei Kilometer in den nächsten Garten, sondern halten sich dann auch vor Ort auf.
Durch eine Mischkultur und einen naturnahen Garten habe ich einfach eine Artenvielfalt im Garten, die Schädlinge schon entweder fernhält oder es den Schädlingen zumindest erschwert. Das kann man sich ja vorstellen. In einer Monokultur hat ein Schädling ein leichtes Spiel, aber wenn da zwischendrin wieder andere Pflanzen sind, die der Schädling vielleicht nicht mag, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er an eine Nutzpflanze geht, geringer.
Jetzt klingt das doch alles nach viel Aufwand oder vielen Regeln, die ich vielleicht beachten muss und man könnte jetzt sagen, dass nicht jede oder jeder so viel Zeit hat. Also gerade, wenn man vielleicht berufstätig ist, oder eine Familie hat, man hat Kinder, viele Verpflichtungen. Wie lässt sich das vielleicht doch vereinbaren, dass ich relativ schnell etwas Schönes ernten kann?
Man sollte sich zunächst Gedanken machen und nicht einfach loslegen. Also man sollte sich überlegen: Was brauche ich überhaupt? Wenn ich kleine Kinder habe, möchte ich vielleicht eher Naschpflanzen. Ich will da nicht 40 verschiedene Salatköpfe in meinem Garten haben, sondern eher eine Abwechslung und nicht unbedingt die Menge. Danach richtet sich dann die Beetform.
Da gibt es interessante Beetformen. Es gibt ein Turmbeet, wenn jemand sagt, ich habe nur eine kleine Terrasse zur Verfügung. In diesem Turmbeet kannst du auf einem halben Quadratmeter 50 verschiedene Gemüsepflanzen anbauen. Oder ein Quadratbeet ist auch eine ganz nette Sache. Da pflanzt man auf einen Quadratmeter 12 verschiedene Pflanzen an. Man teilt es in kleine Parzellen auf und hat dadurch auf kleinem Raum eine ziemliche Mischung, zwar nicht die Menge, aber eine ganz tolle Abwechslung. Und wenn man das ein bisschen durchdenkt und überlegt, was möchte ich überhaupt, welche Sorten, Gemüsesorten möchte ich haben, dann kann man auch die entsprechende Beetform finden, die effektives Gärtnern ermöglicht, also zum Beispiel ein Hochbeet oder das Ganze in einem Kübel. Und so erspart man sich einen Haufen Arbeit.
Wenn man im Garten einfach loslegen würde und sagen würde, ich buddle jetzt mal 50 Quadratmeter um und pflanze dann Kartoffeln und Kürbis und Zucchini, dann habe ich eine Gemüseschwämme, muss das Ganze wieder verarbeiten und setze mich dann noch mehr unter Stress.
Wie fühlst du dich denn, wenn du dann selbst Angebautes irgendwann ernten kannst?
Für mich ist es mittlerweile einfach Routine. Klar gibt es immer wieder neue Sachen, die man ausprobiert und da freut man sich dann besonders, wenn das gut gelingt. Aber für mich gehört es einfach zum Alltag dazu, dass ich mein eigenes Gemüse oder einen Großteil des Obstes, das ich konsumiere, aus dem eigenen Garten habe oder mit anderen tausche.
Warum sollte man sich denn selbst versorgen? Was sind da die Vorteile?
Ich glaube, der Hauptgrund für die Menschen oder auch für mich ist Genuss. Also einfach aus ganz egoistischen Gründen, weil es Spaß macht, weil es schmeckt, weil man so etwas in der Qualität auch nicht kaufen kann, weil dadurch auch das Kochen oder das Lebensmittel an sich eine ganz andere Wertschätzung erfährt.
Der zweite Grund ist einfach Selbstversorgung. Man ist unabhängig, man kann das anbauen, was man möchte, auch wie man möchte, man kann auch selbst bestimmen, wie viel Zeit man reinsteckt, wie intensiv man das Ganze betreibt und man kann dadurch auch viel kreativer sein. Man ist zum Teil auch gezwungen, kreativ zu werden. Wenn ich 15 Kilo Tomaten in der Saison ernte, dann muss ich mir überlegen, was ich mit den Tomaten mache und kann dann auch mal neue Rezepte oder auch Konservierungsmethoden ausprobieren.
Was gibt es da für Möglichkeiten? Wie kann ich es schaffen, die länger haltbar zu machen, also zum Beispiel 15 Kilo Tomaten oder auch andere Lebensmittel?
Es gibt ganz verschiedene Methoden. Obst kann ich zum Beispiel dörren; getrocknete Apfelringe mit Schokolade überzogen, das ist eine ganz leckere Sache. Viele Konservierungsmethoden sind mit Zucker; Marmelade oder Einwecken ist ja häufig mit Zucker und Hitze. Dann Fermentieren, also süßsauer einmachen, Kimchi, Sauerkraut ist so der Klassiker. Ich kann Brotaufstrich machen, ich kann das Ganze einfach nur einkochen. Tomaten koche ich einfach so ein, wie sie sind. Wenn ich im Winter eine Gemüsesuppe mache, ist das einfach eine ganz tolle Grundlage. Ich kann Tomaten im Glas auch trocken einmachen, mit Knoblauch und Gewürzen ist es dann für die Brotzeit eine ganz tolle Beilage. Es gibt Rezepte mit grünen Tomaten, also mit unreifen Tomaten. Da gibt es wirklich ganz viele verschiedene Formen. Auch im Internet gibt es massiv Rezeptvorschläge und Ideen zum Nachmachen.
In unserem Vorgespräch meintest du schon, dass das ja eigentlich alles Techniken sind, die unsere Großeltern schon gemacht haben und, dass das ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Warum denkst du, ist das so?
Ich denke, wir sind einfach bequem geworden. Früher war das Einmachen eher aus der Not geboren. Gerade nach dem Krieg hat man eigentlich überwiegend nur den eigenen Garten als Grundlage gehabt; da gab es keinen Supermarkt, wo ich das ganze Jahr über frisches Obst kaufen konnte. Dann sind wir einfach irgendwann so gut mit Lebensmittelangeboten versorgt worden, die man das ganze Jahr über auch günstig kaufen kann, dass das ein bisschen in Vergessenheit geraten ist.
Ich denke in letzter Zeit erfährt das Ganze wieder so eine Art Renaissance, weil man vielleicht auch auf den Geschmack gekommen ist. Mich fasziniert einfach der Gedanke, dass diese Technik schon seit Jahrhunderten funktioniert.
Auch wenn ich an meinen Garten denke, den ich von meinen Großeltern übernommen habe. Da habe ich auch eine emotionale Bindung an den Garten. Wenn ich mir bewusst mache, dass dieser Garten seit drei Generationen meine Familie ernährt, dass da zwei Obstbäume stehen, die jetzt 90 Jahre alt sind, die jedes Jahr sieben bis elf Zentner Äpfel liefern. Da empfinde ich auch so eine Art Dankbarkeit dafür.
Jetzt hast du zum Beispiel auch schon die Obstbäume angesprochen. Hilft Obst oder Gemüse dann auch irgendwie dem Natur- oder dem Artenschutz?
Man muss da unterscheiden. In der Regel ist heutzutage der gewerbliche Obstanbau nicht naturfreundlich. Wenn ich mir eine Obstplantage in Südtirol oder am Bodensee anschaue, dann hat es für mich nichts mit Lebensraum Streuobstwiese zu tun. Da sind die Obstbäume wie eine Hecke geschnitten, sodass ich die leicht ernten kann und bearbeiten kann.
Wenn ich jetzt wirklich so einen Hochstamm habe, also einen Obstbaum, der groß wird, der wirklich auch als Lebensraum dienen kann, dann ist es natürlich schon gut für die Natur; für die Artenvielfalt ist es ein ganz wertvoller Lebensraum. Es macht aber auch Arbeit. Früher habe ich diese Streuobstwiesen auch noch anders genutzt. Man hat häufig unter den Obstbäumen auch noch Gemüse angebaut oder zumindest das Gras gemäht, um Heu oder Futter zu gewinnen. Dieser Aspekt ist heutzutage kaum mehr da, weil sich die Traktoren oder einfach die Technik so entwickelt hat, dass das eigentlich nur noch mit Balkenmäher oder Mulchgerät zu mähen ist. So eine Streuobstwiese wird häufig gar nicht mehr zweitgenutzt. Da muss man eher jemanden finden, der einem unter dem Apfelbaum mit einem entsprechenden Gerät noch mähen kann.
Ein Hochstamm ist auch schwierig zu ernten. Man muss sich auch bewusst machen: Wenn ich Äpfel verkaufen möchte, dann dürfen die keine faule Stelle haben. Das heißt, ich kann kein Fallobst verwenden. Ich muss also jeden Apfel mit der Hand pflücken. Und wenn der Baum zehn Meter hoch ist, muss ich mit einer Leiter zehn Meter hoch und die Äpfel pflücken. Das ist eigentlich der Grund, warum diese gewerblichen Obstplantagen quasi nur auf Halbstamm gezüchtet wurden, dass sie also noch mit zwei, drei Meter Höhe einfach zu ernten sind.
Aber für mich ist so ein alter Obstbaum oder so ein Hochstamm einfach wie ein Mensch; das ist eine eigene Persönlichkeit, die auch entsprechend alt ist und viel erlebt hat. Es ist so ein eigener Kosmos, ein eigener Lebensraum für sich.
Was ich mich die ganze Zeit noch frage: Wenn ich keinen eigenen Garten habe, also vielleicht nur einen Balkon, oder selbst wenn ich gar keinen Balkon habe - was gibt es da für Möglichkeiten, trotzdem irgendwo zu gärtnern?
Es gibt zum einen Gemeinschaftsgärten, die sind häufig ganz unterschiedlich ausgerichtet. Es kann ein interkultureller Garten sein, wo es eher darum geht, über gemeinsames Gärtnern auch andere Kulturen zu verstehen, kennenzulernen, bis hin zu Brachflächen, die von Bewohnern in der Nähe gemeinschaftlich genutzt werden.
Dann kann man natürlich auch Gärten pachten, also eine Schrebergarten-Anlage zum Beispiel ist da der Klassiker, wo man aber ziemlich viel Geld investieren muss. Oft sind da sehr hohe Ablösen nötig.
Dann kann ich natürlich auch gucken, kann ich mich mit jemandem zusammentun und gemeinsam gärtnern? Vielleicht gibt es in der Nachbarschaft eine alte Dame, die einen großen Garten hat und so viel Obst, das sie gar nicht selbst verarbeiten kann? Da ist vielleicht eine junge Familie froh, wenn sie da mal Äpfel ernten kann. Man kann sich auch mal in der Nachbarschaft oder im Bekanntenkreis ein bisschen umhören und zusammenarbeiten.
Ansonsten gibt es häufig auch solidarische Landwirtschaft, also Landwirte oder Gärtner, die entweder im Auftrag von so einer Art Genossenschaft gärtnern oder wo man aktiv mitgärtnern kann; die also quasi ihr Feld für verschiedene Leute zur Verfügung stellen, um darauf zu gärtnern.
Also man merkt: Gärtnern bringt Menschen zusammen oder kann Menschen zusammenbringen. Du arbeitest jetzt seit knapp 20 Jahren an der LBV-Umweltstation Lindenhof hier in Bayreuth. Worin besteht denn deine Arbeit als Umweltbildner?
Das hat sich ein bisschen gewandelt in der Zeit. Nach wie vor ist ein wichtiges Standbein das Gruppenprogramm für Schulklassen und Kindergärten. Das macht ja im Prinzip jede LBV-Umweltstation. Darüber hinaus bieten wir sehr viele Bildungsveranstaltungen für Naturinteressierte an, also nicht nur für LBV-Mitglieder oder Naturschützer, sondern auch für Leute unterschiedlicher Altersgruppen, unterschiedlicher Milieus, die sich für Natur interessieren. Und der Bereich Erwachsenenbildung hat sich in den letzten Jahren auch durch dieses Thema “Garten” sehr stark gewandelt, positiv entwickelt.
Ich arbeite auch sehr stark mit Kooperationspartnern. Das ist auch sehr schön in Bayreuth. Bayreuth ist eigentlich eine sehr überschaubare Stadt, die aber durch die Universität eine sehr hohe Vielfalt an verschiedenen Initiativen und Verbänden hat. Mit Verbänden arbeite ich sehr gerne, weil man dadurch auch an neue Zielgruppen kommt. Wenn ich zum Beispiel sage, ich möchte mit Migranten arbeiten oder mit sozial Schwachen, mit Menschen, die wenig Geld haben, sich eigentlich nie für Bildungsarbeit interessieren würden; diese Leute erreiche ich am besten über Kooperationspartner, die bereits mit dieser Zielgruppe arbeiten und das macht die Arbeit so abwechslungsreich und vielfältig.
Warum lohnt sich denn ein Besuch des LBV-Lindenhofs?
Der Lindenhof ist eine Naturoase. Das kann man wirklich so sagen. Wir haben hier 17 Hektar Außenfläche und auf dieser Fläche konnte sich seit über 25 Jahren die Natur erholen und sich eine Artenvielfalt einstellen, die man sonst nicht in dieser Ausprägung findet. Wir haben dafür auch Naturräume entsprechend gestaltet. Also allein schon das Naturerleben, ist ein Grund herzukommen. Wir haben viel freie Fläche, wir haben eine extensive Rinderhaltung, wir haben Ziegen, wir haben Hühner, wir haben eine Artenvielfalt, wo man auch wirklich seltene Tiere beobachten kann. Wir haben Naturpfade, wir haben einen Igel-Garten, Bestäuber-Garten, einen Energiepfad, wir haben ein Naturkundemuseum. Viele Leute kommen wegen der Natur her, die gehen hier spazieren oder kommen mit ihren Kindern, weil einfach der Ort so schön ist.
Darüber hinaus sind es natürlich ganz gezielte Bildungsveranstaltungen, weswegen Leute auch kommen, das ist klar. Wenn wir einen interessanten Vortrag oder ein Seminar oder einen Praxis-Workshop haben, ist das hier auch ein Ort, wo man Dinge ausprobieren kann und Gleichgesinnte treffen kann und sich austauschen kann.
Wie vermittelst du denn dann Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen nachhaltige Werte im Sinne einer Bildung für nachhaltigen Entwicklung?
Oft sind es ganz banale Dinge, zum Beispiel Kochen mit Feuer. Das kann für viele Kinder oder Jugendliche schon ein Hingucker sein. Dass man sich überhaupt mal für Ernährung, für Gemüse interessiert. Oft kommt es auf die Verpackung an, dass man das einfach interessant gestaltet. Beim Thema Streuobst ist es zum Beispiel auch der Geschmack. Wenn eine Schulklasse kommt, die mit mir Apfelsaft presst, dann stelle ich die Sortenvielfalt dieser alten Obstbäume vor und wir machen dann auch eine Verkostung. Und die Kinder stellen fest: Der Apfelsaft, der selbst gepresst ist, mit Hochstamm, also mit alten Obstsorten, der schmeckt viel, viel besser als der gekaufte Apfelsaft. Und über diesen Geschmack, über diesen Genuss kann ich die Kinder auch überzeugen, dass so ein alter Baum auch als Lebensraum für ganz viele seltene Tiere wichtig ist.
Abschließend würde ich dann nochmal zum Arten- bzw. zum Vogelschutz zurückkommen. Was ist denn dein persönlicher Lieblingsvogel?
Die Rabenkrähe. Also Raben sind ja sehr intelligent, das sind sehr schlaue Tiere. Aber es ist wirklich schwer, sich auf einen Lieblingsvogel festzulegen.
Das sagen viele meiner Gäste. Vielen Dank für dieses schöne Gespräch, Thomas. Ich hatte sehr viel Spaß.
Ja, war schön und ich hoffe, dass die Podcast-Serie vielleicht doch den einen oder anderen dazu motiviert, im Garten selbst aktiv zu werden und eigenes Gemüse anzubauen, auch wenn es vielleicht nur in einem kleinen Kübel auf dem Balkon ist.
Das hoffe ich auch und man kann ja schon im Kleinen starten. Danke dir!
Gerne.
Noch mehr Infos zum Gärtnern, zur Selbstversorgung und dem nachhaltigen Anbau von Obst und Gemüse findet ihr auf der Website der LBV-Naturschwärmer. Wenn euch diese Folge gefallen hat, empfehlt sie wie immer gerne weiter. Vielleicht habt ihr ja Bekannte oder Freund*innen, die ihren grünen Daumen verbessern möchten und Lust auf diese Themen haben. Außerdem freue ich mich über eine Bewertung auf Spotify oder iTunes. Ich wünsche euch ganz viel Spaß in der Natur und wir hören uns in der nächsten Folge von “Ausgeflogen”.