Jörg Adolph, wie bringst du Vögel ins Kino?

20. Folge vom LBV-Podcast "Ausgeflogen"

 

 

Ich fände es schön, wenn der Film jemanden darauf aufmerksam macht, wie toll diese Welt der Vögel ist und ein großes Staunen dadurch bewirkt. Auf der anderen Seite fände ich es wünschenswert, dass man darüber nachdenkt, was diese Naturschutzarbeit im täglichen Klein-Klein wirklich bedeutet. Was das für eine Arbeit ist, sich da hinzustellen und überall den Leuten nochmal zu erklären: Hier, wir müssen hier was tun. Und dann aber auch Lösungen zu haben. Ich glaube, dass das, der Respekt vor dieser Arbeit der Naturschützer, mir eigentlich das Wichtigste wäre.

 

Herzlich Willkommen, zu “Ausgeflogen - der LBV-Podcast". Heute erwartet euch eine Spezialfolge. Es ist mal kein Naturschützer oder Naturschützerin zu Gast, sondern der Regisseur Jörg Adolph. Er bringt ab dem 16. Februar mit “Vogelperspektiven” einen neuen Dokumentarfilm in die deutschen Kinos. Für diesen Film hat er zwei Jahre lang unseren Vorsitzenden Dr. Norbert Schäffer bei seiner Naturschutzarbeit mit der Kamera begleitet. Jörg Adolphs Filme sind mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis. Sein wohl bekanntester Film ist “Das geheime Leben der Bäume”, in dem die Zuschauer den Lebensraum Wald mit dem Förster Peter Wohlleben entdecken. Wie es nun die Vögel auf die große Leinwand geschafft haben, erfahrt ihr heute. Viel Spaß bei dieser filmischen Folge.

 

Stefanie Bernhardt: Hallo Jörg, willkommen im LBV-Podcast “Ausgeflogen”. Es freut mich sehr, dass du heute mein Gast bist.

Jörg Adolph: Ja, freut mich auch.

 

In deinem bekanntesten Film würde ich mal sagen, “Das geheime Leben der Bäume”, hast du die Schönheit der Natur schon mal auf die Kinoleinwand gebracht. Wie kam es denn jetzt zu der Idee, dass man in die Welt der Vögel eintaucht und dazu einen Dokumentarfilm macht?

Mein Produzent Ingo Fließ, mit dem ich auch schon viele Jahre zusammenarbeite, hatte die Idee dafür. Und zwar war ich gerade mit "Das Geheime Leben der Bäume” beschäftigt, da war er nicht Prozent, habe ihm von den Dreharbeiten erzählt und habe ihm auch erzählt, was für tolle Begegnungen wir haben, vor allem mit Aktivisten, Aktivistinnen. Und habe dann gesagt: Ich würde eigentlich gerne nochmal sowas in diese Richtung machen.
Dann sagte er: Ja, ich kenne da jemanden - den Norbert Schäffer, mit dem habe ich zusammen Abitur gemacht und du wirst es nicht glauben, der ist jetzt Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz. Und dann haben wir gesagt: Oh ja, das klingt aber interessant. Wollen wir den nicht mal treffen? Ingo hat dann einen Termin ausgemacht, wir sind hingefahren, der LBV hat sich uns präsentiert. Also wir hatten so eine richtige Präsentationsvorstellung und waren sehr schnell begeistert davon. Die Frage war aber: Wer ist eigentlich die Fokus-Person? Wer erzählt uns die Geschichte des LBV? Dann war natürlich sofort klar: Wenn Norbert das machen würde, wäre es, glaube ich, sehr gut. Norbert hat sich breitschlagen lassen. So ganz begeistert war er nicht davon, dass er jetzt als Protagonist vor der Kamera mit uns rumläuft, aber irgendwie hat er sich dann doch eingefunden.

 

 

Du hast ja dann im Rahmen der Dreharbeiten Norbert zwei Jahre lang begleitet, einfach bei seinem praktischen Arbeitsalltag im Naturschutz. Was genau hat dich daran gereizt, das zu zeigen?

Naja, erstmal war es, ausgehend von diesem Gespräch, was wir am Anfang hatten, schon die unglaubliche Vielfalt der Arbeit. Also, dass es da nicht nur um Vögel geht, sondern dass sich dort eigentlich das ganze Spektrum der Naturschutzarbeit abbildet. Und dann ist es natürlich auch Norberts Persönlichkeit gewesen, bei der ich gedacht habe: Ja, das ist eigentlich ein idealer Naturschützer, wie man ihn eigentlich nicht so unbedingt kennt, oder auf dem Schirm hat. Wo man nicht so denkt: Oh ja, das ist jetzt der Naturbursche, der immer draußen steht. Sondern der hat einen ganz anderen Ansatz und der redet mit ganz vielen Leuten.
Und das ist für mich als Filmemacher sowieso immer interessant: Wie viele Kontaktflächen gibt es nach außen? Also wie viele Möglichkeiten sich auszutauschen, über Dinge zu diskutieren. Weil ich ja eigentlich immer Situationen filme, die sich vor der Kamera ergeben. Ich inszeniere nichts, ich führe keine Interviews, sondern ich versuche eigentlich immer, in Situationen dabei zu sein, wenn sich Dinge von selbst erzählen. Und das schien mir auch beim LBV eigentlich ideal gegeben, weil es so viele Außenkontakte gibt und so viele Möglichkeiten, mit anderen Menschen zu reden und in Aktion zu treten.

 

Du hast dann an knapp 80 Drehtagen Norbert bei diesen Terminen, bei vielen Veranstaltungen, aber auch einfach, wenn er im Büro sitzt und Videokonferenzen hat, begleitet. Welchen Einblick würdest du sagen, hast du denn dann in seine Arbeit bekommen?

Erstmal habe ich einen ganz anderen Einblick bekommen, als ich am Anfang gedacht habe. Wir fingen mit den Dreharbeiten an und ja, ich glaube gleich sofort begann die Corona-Pandemie. Es gab überhaupt keinen normalen Drehtag, sondern es waren gleich von Anfang an Corona-Bedingungen. Und Norbert sagte, sein Terminkalender war plötzlich so leer, wie er noch nie in seinem Leben war. Doch “Vielleicht als 14-Jähriger”, meinte er, “war mein Terminkalender mal so leer. Danach hatte ich eigentlich immer … und jetzt ist er plötzlich leer.” Alles fand nur noch online statt. Ich habe dann auch gedacht: Es ist egal, wir machen das jetzt trotzdem weiter. Man wusste man ja auch nicht, wie lange diese Pandemie jetzt wirklich dauert und wie sich das alles wieder verändert oder wann man wieder richtig normal drehen könnte oder normal einen Außentermin hat. Auch beim LBV fand ja gar nichts mehr statt; keine Führungen mehr, nichts mehr, die Umweltstationen hatten geschlossen. Damit musste man irgendwie umgehen. Dann war es plötzlich gar nicht mehr der normale Arbeitsalltag, von dem ich ausgegangen war, sondern einer unter verschärften Corona-Bedingungen und dazu gehört dann halt auch, dass man viel online macht, dass man, selbst wenn man sich mit Menschen draußen auf einem Feld getroffen hat, noch eine Maske aufhatte und das waren wirklich erschwerte Bedingungen. Ich habe immer gedacht: Eigentlich kann ich so keinen Film machen und wir haben es trotzdem hingekriegt, glaube ich.

 

Ja, ich durfte den Film auch schon sehen und man merkt dadurch aber eben auch, dass er einfach in dieser Zeit entstanden ist und er zeigt, dass Naturschutz auch in Krisenzeiten, wie jetzt eben bei der Corona-Pandemie, trotzdem noch möglich ist und was da alles passiert.

Es gab dann ja diesen einen Moment, wo die Kolonie der Großen Hufeisennase als ein möglicher Träger, Verbreiter des Corona-Virus ausgemacht wurde. Es gab dann Gerüchte dort im Dorf und Norbert fuhr dann dort hin, um Kotproben mitzunehmen und die dann ins Labor zu bringen, um zu beweisen, dass diese Fledermäuse wirklich absolut Corona-frei sind. Aber dieser Moment, wo man dann nachts auf so einem Dachboden steht, mit Masken und Stirnlampen diese Kotproben einsammelt - da fühlte ich mich schon so, als würden wir plötzlich in irgendeinem komischen Katastrophen-Film hinterherrennen.
Gleichzeitig war es aber auch der Anfang unserer Dreharbeiten, wo ich gedacht habe: Ja, das ist doch auch interessant so eine Art von Film zu machen. Wo wirklich auch Angst plötzlich besteht, vor diesen Krankheiten, die plötzlich überall herkommen könnten. Und dann kannte plötzlich jeder dieses Wort “Zoonose” und so. Dann war das so eine Eigendynamik, wo ich gedacht habe: Ja, da wird doch ein Film daraus, auch aus dieser Erzählung.

 

Sehr schön. Trotzdem hat sich Norberts Terminkalender dann so nach und nach wieder gefüllt und du konntest ihn wieder zu vielen Terminen begleiten. Wie bist du denn bei der (mit Auf und Abs), wie bist du denn bei den Dreharbeiten vorgegangen?

Am Anfang haben wir gedacht, dass wir relativ viel mit Norbert auch im Ausland unterwegs sind. Das hat sich natürlich durch Corona ganz ausgeschlossen. So sind wir dann eigentlich immer im Nahbereich gewesen. Wenn es Termine gab, ich hatte Einblick in seinen Terminkalender, der sich dann langsam wieder füllte, das stimmt, sind wir dann mitgefahren und haben versucht, dort daraus einzelne Geschichten zu destillieren. Also immer, wenn man einen Faden hatte, sind wir dem gefolgt. Das ist in unserem Fall der Bartgeier gewesen, ein großes Thema während der Dreharbeiten, die Auswilderung der Bartgeier.
Aber auch sonst gab es viele kleine Einzelaspekte, wo wir dann immer mitgefahren sind. Gedreht habe ich, ja wie gesagt, ungefähr 80 Drehtage, verteilt über 2 Jahre. Das ist dann gar nicht mehr so viel, wenn man das mal so überlegt. Es fühlt sich dann eher punktuell an und dabei haben wir einfach versucht, alle möglichen Aspekte abzudecken. Wir haben uns immer verabredet, sind dann zusammen hingefahren und ich drehe so unaufwendig, wie es irgendwie geht. Wir sind meistens nur zu zweit; Daniel Schönauer macht die Kamera und ich bin mit dem Ton dabei. Und dann gehen wir vor Ort einfach mit und gucken, was passiert. Wenn was passiert und wir kriegen es auch noch einigermaßen gut gefilmt, sind wir glücklich und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.

 

 

Was war für dich der spannendste Moment bei den Dreharbeiten?

Ich weiß nicht, es gibt viele Momente, wo ich wirklich sehr, sehr gerne war oder die ich sehr genossen habe. Und es gibt auch viele Momente, die ganz toll sind, die nicht im Film drin sind, die ich sehr, sehr, sehr, sehr, sehr spannend fand und auch Projekte, die zum Beispiel gar nichts mit dem LBV zu tun haben, wo ich sehr gerne gedreht habe.
Aber ich glaube, am spannendsten oder am atmosphärischsten war für mich wirklich dieser eine Abend unter dem Lummenfelsen auf Helgoland, wo wir mit der Vogelstation dort unterwegs waren. Die haben die Jungvögel dort beringt und das war einfach eine wahnsinnige Atmosphäre. Also ein Abend, den ich mein Leben nicht vergessen werde.

 

Jetzt hast du schon erwähnt, dass man sich natürlich im Schnitt dann auch entscheiden muss: Nicht alles, was ihr in diesen 80 Drehtagen filmt, schafft es in den Film. Wie macht man das und bei welchen Geschichten bist du vielleicht auch traurig oder findest es schade, dass es das nicht in den Film geschafft hat?

Erstmal gibt es so einen Spruch, den ich an der Film-Hochschule immer gelernt habe und für mich so im Herzen versenkt habe und gedacht habe: Ja, das passt zu dir. Also je mehr man dreht, desto weniger schwer fällt es einem das meiste davon später wegzuwerfen. Und es ist wirklich ein unglaublicher Überschuss, den wir beim Filmemachen mit unserer Methode produzieren. Das heißt, wir haben vielleicht 200 Stunden Material, aus denen dann 90 Minuten oder 100 Minuten Film destilliert wird.
Man entscheidet dann eigentlich von der Dramaturgie her. Es gibt immer eine bestimmte Grunderzählhaltung, der man versucht nachzukommen und die ist in manchen Szenen besser und in manchen Szenen nicht so gut gelungen. Und dann sagt man halt: Nee, aber die Grunderzählung ist hier klarer und lebendiger und schöner. Wenn man so 90 Minuten oder 100 Minuten strukturiert, ist es eigentlich relativ schnell klar, was noch reingeht und was nicht mehr reingeht. Viele Szenen, die ich ganz toll finde, von denen muss ich mich dann aber verabschieden, weil sie einfach nicht mehr in die Dramaturgie passen, weil sie redundant sind oder weil sie vielleicht zu ausufernd sind. Manche Szenen kann man auch nicht so kurz schneiden, dass man sagt: Ja, das passt jetzt schon. Sondern die brauchen ihre Länge. Das ist dann ein Block von vielleicht sechs, sieben, acht Minuten, der in sich wunderbar ist, aber in dem Film wie ein Fremdkörper wirkt. Solche Entscheidungen fallen beim Schnitt relativ schnell und auch einvernehmlich.
Wobei meine Frau, die Anja Pohl, die den Film geschnitten hat, nochmal den großen Vorteil hat, dass sie von außen draufguckt, weil sie nicht beim Dreh dabei war. Sie hat eine ganz andere Distanz dazu, sie kann es viel besser beurteilen, ob das, was ich darin sehe, sich auch wirklich erzählt.

 

Um schon mal einen ersten Einblick in den Film zu bekommen, hören wir jetzt mal in eine Originalaufnahme von Norbert rein, bei der er uns etwas über seinen Lieblingsvogel, den Wachtelkönig, erzählt.

 

Wachtelkönig | © Josef Baumgartner © Josef Baumgartner
Es gibt nur noch sehr wenige Wachtelkönige in Bayern.

Dr. Norbert Schäffer: Der Wachtelkönig ist sicherlich keine Tierart wie der Eisbär oder Panda. Er ist nicht der Poster-Boy des Artenschutzes. Er hat keine großen Augen. Es ist keine klassische Tierart, zu der man sich automatisch hingezogen fühlt. Aber das kann man wirklich dem Wachtelkönig nicht vorwerfen. Was mir hier sehr, sehr wichtig ist: Wir hatten einmal sehr viele Wachtelkönige und riesige Wachtelkönig-Lebensräume in Deutschland - in Niedermooren, in extensiv gemähten Wiesen usw. Und was jetzt passiert, ist, dass man den Naturschützerinnen und Naturschützern vorwirft, sie würden den Naturschutz übertreiben, wenn sie mit Zähnen und Klauen die letzten Quadratmeter Wachtelkönig-Lebensraum verteidigen. Übertrieben haben aber diejenigen, die uns vorher 95 oder 99 Prozent der Wachtelkönige und ihrer Lebensräume genommen haben. Das ist der eigentliche Skandal und nicht die Tatsache, dass wir jetzt um die letzten paar Wachtelkönige kämpfen.

 

Jörg, wie hast du denn Norbert bei den Dreharbeiten oder einfach in diesen zwei Jahren wahrgenommen? Wie war die Zusammenarbeit? Ich kann mir auch gut vorstellen, dass man wahrscheinlich irgendwie eine Beziehung aufbaut, weil man ja auch immer mit dabei ist. Wie war das so für dich?

Ich finde, Norbert war von Anfang an der Norbert, der er auch am Schluss war. Also er hat sich nicht verändert. Er hat das eigentlich immer so gemacht, wie er es für richtig hält. Ich kann nur sagen, dass ich das sehr, sehr schätze an einem Protagonisten, der so klar und auch so humorvoll und fachkundig ist, ohne uns, also diesen Dreharbeiten, dann irgendwann eine Wichtigkeit zu geben. Er hat uns einfach mitgenommen und das fand ich sehr, sehr stark. Das ist eigentlich die Ideal-Voraussetzung, finde ich, um einen Dokumentarfilm zu drehen. Natürlich hatte er oft mal Bedenken im Sinne von: "Habe ich da was gesagt, was ich eventuell nicht veröffentlichen möchte?” Da haben wir uns aber immer relativ schnell geeinigt: Wir zeigen dir natürlich den Film, bevor er fertig ist und dann reden wir darüber, ob das richtig ist oder nicht. Aber erstmal bitte keine innere Zensur. Das wäre schlimm, weil dann kommt man auf so einen Imagefilm-Modus und den will keiner sehen.

 

Ja, das kann ich auch bestätigen. Es ist wirklich kein LBV-Imagefilm, sondern einfach ein Film, der einen Eintauchen lässt in die Faszination für Vogelbeobachtung und das wirklich sehr, sehr schön. Es gibt auch noch einen weiteren Protagonisten im Film, nämlich den passionierten Ornithologen und Schriftsteller Arnulf Conradi. Er hat ein sehr persönlich gehaltenes Sachbuch geschrieben, nämlich “Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung” und beschreibt da auch in perfekten, wunderbaren Worten diese Faszination für Vögel. Einige Passagen aus seinem Buch hat Arnulf Conradi dann auch selbst eingesprochen für den Film und das hören wir jetzt.

Arnulf Conradi: Das Vogelbeobachten ist eher eine Lebensform als ein Hobby. Man tut es eigentlich immer, man guckt stets nach Vögeln. Das Erlebnis, den Vogel in seiner Schönheit und Lebendigkeit wahrzunehmen, ist wie eine Senkrechte in der Zeit. In dem Moment gibt es nichts anderes. Du bist ganz im Hier und Jetzt.

 

Was wolltest du denn mit den Worten von Conradi im Film ausdrücken?

Ich wollte ein Gegengewicht zu der Naturschutzarbeit schaffen. Etwas, was mehr über die Emotionen kommuniziert als über das biologische Fachwissen. Und ich fand das interessant, diese beiden Perspektiven, diese beiden Blickwinkel auf die Welt der Vögel nebeneinander zu stellen.
Auf der anderen Seite gibt mir dieser literarische Text von Arnulf Conradi auch die Möglichkeit, diese großen Naturbilder, wie man sie aus Naturfilmen kennt, einzubinden, aber sie in gewisser Weise mit einem anderen Ton zu versehen. Das fühlt sich anders an als in einem Terra X-Beitrag zum Beispiel. Das war der Versuch, in dem Film das zu verbinden, also sowohl das Poetische als auch das Politische in eine Balance zu bringen, die spannend ist und auch eine eigene Erzählung ergibt. Etwas, was man vielleicht nicht so von vornherein erwarten würde, wo man als Zuschauer auch Freiräume bekommt und eigentlich sagt: Ja, wie gehört das eigentlich zusammen oder was ergibt sich eigentlich als Produkt daraus, als Montage-Produkt, als Ergebnis?

 

 

Der Film enthält auch viele beeindruckende Vogelaufnahmen, Zeitlupen, wenn Vögel über die Erde fliegen, auch sehr, sehr beeindruckende Nahaufnahmen. Kannst du uns verraten, wie man sowas filmt? Wie habt ihr das umgesetzt?

Die allermeisten Sachen haben wir gar nicht selbst gedreht, sondern sie stammen aus dem Archiv der Schlambergers. Die haben eine Produktionsfirma in Graz und machen ganz wunderbare Naturfilme unter dem Label “ScienceVision”. Der Michi Schlamberger hat uns sein Archiv gezeigt und darin habe ich einfach Bilder gefunden, die ich so faszinierend fand, dass wir gebeten haben, ob wir die für den Film lizenzieren könnten. Wir durften ihm dann tatsächlich einige abkaufen. Ich habe immer versucht, diese Bilder möglichst lange stehen zu lassen, weil er die in seinen eigenen Filmen auch oft sehr, sehr schnell zeigt und so weiter, und einfach den Bildern ein bisschen mehr Raum zu geben, als es im normalen Naturfilm möglich ist. Das fand er auch gut und so haben wir dann zum Beispiel seine Aufnahmen vom Kuckuck und dem Ei-Austausch und solche Sachen. Das ist unglaublich, dass man so hoch spezialisierte Aufnahmen hinkriegt. Sowas kriegt man eigentlich auch nur hin, wenn man sich wirklich zwei Jahre lang mit mehreren Kameras auf die Lauer legt. Und das macht der Michi Schlamberger eben.
Andere Bilder stammen von Leuten, die auch im LBV-Umfeld arbeiten. Da ist der Ralph Sturm zum Beispiel jemand, der uns ganz tolle Aufnahmen auch gegeben hat. Oder, jemand, der für Zeitlupenaufnahmen hoch spezialisiert ist, ist der Rudolf Diesel. Der hat uns Aufnahmen gegeben.
Ich habe mit einem passionierten Vogelfilmer aus Frankfurt zusammengearbeitet, das ist der Herr Ringelstein. Der macht für seinen YouTube-Kanal Aufnahmen von Vögeln und die fand ich so toll, dass ich ihn einfach gefragt habe, ob wir davon ein paar verwenden können. Und dann haben wir nachher auch zusammengearbeitet; er hat dann für uns extra nochmal Aufnahmen gemacht. Und so ist das eigentlich aus allen möglichen Bereichen und mit allen möglichen Fachkompetenzen zusammengesucht.
Einige Aufnahmen haben wir auch selbstgemacht. Aber letztlich, wenn man wirklich Vögel beobachten und filmen will, braucht man sehr viel mehr Expertise als so ein Feld-Wald-und-Wiesen-Dokumentarfilmer, wie ich das bin. Da war ich froh, dass ich einfach von dieser Fachkenntnis auch profitieren konnte. Auf der anderen Seite ist sowas natürlich auch eine Finanzfrage. Wenn man diese Aufnahmen, diese Bilder wirklich alle selbst hätte machen wollen, dann hätte man wahrscheinlich das Zehnfache des Budgets gebraucht, was wir für den Film hatten.

 

Ich glaube, es ist jetzt auch schon ganz gut angeklungen, dass “Vogelperspektiven” einfach diesen Dokumentar-, aber auch Naturfilm-Ansatz sehr gut verschmilzt und es kombiniert. Ich habe, wie gesagt, beeindruckende Vogelaufnahmen, aber ich habe eben auch einfach Menschen, die in Naturschutzprojekten aktiv sind und begleite die bei ihrer Arbeit. Wieso hast du dich denn für diesen Ansatz entschieden und was unterscheidet den von diesen klassischen Naturdokumentationen oder Naturtierfilmen?

Ich komme vom Dokumentarfilm her. Das ist, also das muss man einfach mal sagen, auch eine spezielle Art von Dokumentarfilm. Das nennt man “Direct Cinema”. Das ist eine Traditionslinie, die aus den 60er-Jahren kommt, wo man sich bewusst dafür entschieden hat, nicht einzugreifen, nicht zu inszenieren, keine Interviews zu stellen, sondern dabei ist und quasi dem Leben dabei zuschaut, wie es sich entwickelt mit allen Offenheiten und auch mit allen dramaturgischen Unzulänglichkeiten, weil das erzählt sich oft nicht so gut, wie man es gerne hätte, sondern da gibt es Leerstellen und offene Enden.
Und ich versuche eigentlich, diese schönen Bilder, die für mich auf eine gewisse Weise auch abgehoben sind, also weg von der Realität, zu erden, denen Wurzeln zu geben und das in einer neuen Naturfilm-Erzählung zu verbinden, zu verschmelzen, wie auch immer, dass man beides hat - die Schönheit dieser Welt in Bildern, die wirklich spektakulär sind, aber gleichzeitig das tägliche Klein-Klein am Schreibtisch, die Realität und den Disney-haften Flair von solchen Naturfilm-Bildern. Das sind oft ästhetisch kleine Entscheidungen, die man vielleicht gar nicht so wahrnimmt, wie die Musikauswahl, wie Bildlängen, wie lange steht so ein Bild, wie sind die Übergänge und so weiter. Aber insgesamt soll einfach eine andere Naturfilm-Erzählung entstehen, die viel mehr in der Realität geerdet ist, als das meiner Meinung nach bei Terra X und Co. der Fall ist.
Wenn ich jetzt ganz böse bin, dann würde ich sagen: Ich kann mir diese klassischen Naturfilme auch schwer ansehen. Es tut mir oft weh, also ich mag das nicht mehr. Ich kenne den Ton, ich weiß, was da erzählt wird, ich mag die ganze Haltung dahinter nicht. Ich möchte eigentlich einen dokumentarischen Ansatz dafür finden - etwas, was viel mehr mit der Realität, wie ich sie erlebe, zu tun hat.

 

Ja, ich kann es schon nachvollziehen. Klassische Naturdokus sind, finde ich, einfach sehr weit weg von meinem Alltag. Ich denke dann immer, die Natur ist irgendwo anders, in einem beschützten Lebensraum und bei “Vogelperspektiven” ist es eben so schön, dass es die Vögel eigentlich herholt zu den Menschen und auch diesen Bezug schafft. Also, was hat es denn mit meinem Alltag zu tun? Oder eben auch zeigt, was denn die Menschen machen, die sich für Vögel einsetzen. Und das macht es einfach realistischer und nahbarer.

Aber es ist eine andere Art von Erzählung. Es hat einen ganz anderen Fokus. Und es gibt sicherlich auch Zuschauer, die sagen werden: Warum muss ich mir denn jetzt hier diese Gespräche von diesen Leuten anhören? Ich will doch die schönen Vögel sehen. Und dann muss man denen leider sagen: Ja, aber die seht ihr ja sowieso jeden Abend um 20:15 Uhr irgendwo, die laufen ja ständig.

 

 

Was würdest du dir denn wünschen? Was soll der Film bei den Zuschauern bewirken?

Ich fände es schön, wenn der Film jemanden darauf aufmerksam macht, wie toll diese Welt der Vögel ist und ein großes Staunen dadurch bewirkt. Auf der anderen Seite fände ich es wünschenswert, dass man darüber nachdenkt, was diese Naturschutzarbeit im täglichen Klein-Klein wirklich bedeutet. Was das für eine Arbeit ist, sich da hinzustellen und überall den Leuten nochmal zu erklären: Hier, wir müssen hier was tun. Und dann aber auch Lösungen zu haben. Ich glaube, dass das, der Respekt vor dieser Arbeit der Naturschützer, mir eigentlich das Wichtigste wäre.

 

 

Was ist denn dann generell dein Ziel als Filmemacher?

Es sind immer so Fragen...

 

Das ist blöd, ne?

Nee, es ist nicht blöd. Das ist nur immer so, dass es sich ja auch von Film zu Film verändert. Jeder Film hat eine eigene Aufgabe oder eine eigene Herausforderung. Mein Ziel als Filmemacher ist erstmal, dass ich als Filmemacher Spaß an meiner Arbeit habe. Ich muss das machen, womit ich mich wohlfühle. Das ist eigentlich das Entscheidende und eigentlich geht es dann bei der Arbeit immer nur darum, dass man diesen Zustand des sich Wohlfühlens bei der Arbeit immer wieder herstellt.
Das ist komisch, aber ich mag diese Zeit des Drehens sehr. Ich mag auch wahnsinnig gern die Zeit des Schneidens. Was ich nicht so gerne mag, ist die Zeit des Geld Organisierens und so. Ich brenne dann wirklich darauf, dass es wieder losgeht, dass wir wieder Taschen packen und drehen. Das ist etwas, was ich sehr mag.
Und dann sind die Filme eigentlich immer sehr personenorientiert. Ich gehe eigentlich nie vom Thema aus, sondern ich habe immer den Menschen und dessen Arbeit ich mag und dem ich gerne zuschauen möchte. Das ist so eine Grundhaltung wie am Anfang, als ich noch Filmstudent war und plötzlich kapiert habe: Guck mal, jetzt hast du quasi die Lizenz, anderen Leuten dabei zuzugucken, was sie so machen und was sie umtreibt und was sie fasziniert, was sie bewegt. Das darfst du jetzt plötzlich. Ich war am Anfang jemand, der gesagt hat: Geh ich doch mal wohin, wo ich sonst nie hinkommen würde und was ich eigentlich schon immer mal gerne sehen wollte. Ich wollte als Jugendlicher Tischtennisprofi werden. Ich war ein begeisterter Tischtennisspieler, habe es natürlich nie geschafft, wirklich so hochklassig zu spielen. Für meinen Abschlussfilm bin ich dann zur Nationalmannschaft gegangen und hab gesagt: Hey, ich würde euch gerne ein Jahr lang begleiten auf dem Weg der Vorbereitung für die Tischtennis-Europameisterschaften. Und das konnte ich dann plötzlich, das ist mein Abschluss-Film geworden. Er heißt “Klein, schnell und außer Kontrolle”.
Danach habe ich gedacht: Ich wollte eigentlich immer Popstar werden und dann bin ich zu meiner Lieblingsband gegangen und bin mit der ein Jahr im Studio gesessen und habe denen zugehört und zugesehen, wie die arbeiten. Das war, glaube ich, meine eigentliche Film-Hochschule. Als ich denen, die Band heißt The Notwist, als ich der im Studio zusehen durfte, da habe ich, glaube ich, am allermeisten über künstlerische Arbeit gelernt und so ging das oft weiter.
Ich bin immer dahin gegangen, wo ich dachte, das interessiert mich. Und in diesem Fall war es eben die Arbeit von Naturschützern, die ich bei der Arbeit mit Peter Wohlleben an "Das Geheime Leben der Bäume” immer wieder so am Rande mitgekriegt habe. Peter ist natürlich auch ein Naturschützer, auch ein Aktivist, aber er ist doch irgendwie ganz eigen und ganz anders und auf seinen eigenen Spuren unterwegs. Ich habe gedacht, es wäre so spannend. Wir waren dann zum Beispiel mit ihm im Hambacher Forst und da habe ich gedacht: Warum drehe ich eigentlich hier nicht einen Film. Oft ergibt sich das eine aus dem anderen. Man dreht mit jemanden oder man ist irgendwo und stellt fest: Hey, da geht auch eine Spur weiter. Lass uns der jetzt mal hinterhergehen.
Bei mir gibt es zwischen den einzelnen Filmen, die ich gemacht habe, immer einen Faden, der von einem zum nächsten führt. Es ist für mich eine ganz klare Folge von Ideen und Perspektiven, die ich dann ausgebaut habe, wo ich dann weitergemacht habe.

 

Ich finde es total spannend, weil ich in der Recherche zu deinen Filmen auch festgestellt habe, dass es einfach völlig unterschiedliche Themen sind. Wie du jetzt schon angesprochen hast: Vom Tischtennis über die Band, dann hast du einen Film gemacht über die Passionsspiele in Oberammergau bis hin zu einer Kinder- und Jugendklinik in Gelsenkirchen und wie die arbeiten. Aber trotzdem: Gibt es so ein Element, was das alles verbindet, außer natürlich deine Liebe zum Dokumentieren und Filmemachen?

Ja, wahrscheinlich ist der Oberbegriff “Arbeit”. Es geht immer um das, was Menschen wirklich umtreibt und das ist dann oft Arbeit. Ich zeige dann auch das Musikmachen als Prozess der Arbeit. Alle diese Filme sind letztlich im Kern Prozessbeobachtungen. Man hat etwas, was entwickelt wird, was weitergetrieben wird. Und so betreibe ich ja meine eigene filmische Arbeit auch. Ich will jetzt nicht diesen großen Begriff “Werk” benutzen, aber “Vogelperspektiven” ist der 14. lange Film, den ich gemacht habe. Ich sehe diese Filme schon wie eine große Familie.

 

Hast du einen persönlichen größten Erfolg, wenn du dich entscheiden müsstest? Gibt es eine Lieblingsarbeit von deinen Filmen, wo du sagst, das ist eigentlich immer noch der Favorit?

Nee, das ist wirklich so, dass ich jeden Film gleichermaßen liebe und an jedem Film sehe ich Schwächen. Ich sehe, was da nicht gelungen ist, und ich mag sie trotzdem. Der erfolgreichste Film, den ich gemacht habe, ist von den Zuschauerzahlen sicherlich “Das geheime Leben der Bäume”. Das liegt aber weniger an mir als an Peter Wohlleben. Und das liegt auch an der Produktionsfirma und an dem Verleih Constantin, die das einfach ganz anders aufziehen als ich normalerweise mit einem Dokumentarfilm unterwegs bin. Nämlich sehr wohl in einer Nische und für ein ausgesuchtes Publikum. Der Film über Peter Wohlleben war in gewisser Weise als Bestseller-Verfilmung angekündigt. Und dann muss man sich natürlich auch an diesen Zahlen eines Bestsellers irgendwie messen. Das hat ja alles zum Glück geklappt. Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass das mein bester Film ist, also ganz bestimmt nicht.
Ich glaube, der Film, den ich am meisten erkämpft, errungen, durchlitten und deswegen am liebsten habe, ist “Die große Passion”, wo ich zwei, fast drei Jahre in Oberammergau war und erleben durfte, wie dort die Passionsspiele von Christian Stückl inszeniert werden. Das war eine unglaubliche, intensive Erfahrung. Dafür hätte ich heute nicht mehr die Kraft, aber deswegen mag ich den Film vielleicht so.

 

Ich sage unseren Zuhörer*innen ja immer, dass sie raus in die Natur gehen sollen. Jetzt würde ich von dir gerne wissen: Warum soll man denn auch ab und zu ins Kino gehen?

 

Filmplakat "Vogelperspektiven" | © if...Productions+Filmperlen © if...Productions+Filmperlen
LBV-Empfehlung: "Vogelperspektiven" im Kino

Man kann Filme eigentlich nur im Kino wirklich erleben. Alles andere ist irgendwie eine runtergekürzte, verstellte Vision, von dem, was sich ein Filmemacher letztlich gedacht hat. Filmkultur kann es meiner Meinung nach nur im Kino geben. Filmkultur ist aber wichtig, weil Filmkultur sehr viel mehr ist als nur irgendwelcher kurzer Ereignis- und Augenkitzel und kurzes Erleben, sondern dazu gehört auch das Gespräch mit den anderen, das gemeinschaftliche Sehen, diese Höhle, die so ein Kino auch bildet. Ich glaube, man muss sich einfach nur mal einen richtig guten Film im Kino angucken und das vergleichen mit dem Erlebnis, dass man vielleicht hat, wenn man ihn abends zuhause auf dem Sofa gesehen hat. Dann wird jedem sofort klar, was der Unterschied ist.
Es gibt wunderbare Kinos, auch als soziale Orte und die technische Ausstattung ist dort einfach oft fantastisch. Als Filmemacher ärgere ich mich sowieso immer darüber, dass der Film, wie ich ihn gemacht habe, nie wieder reproduziert wird, weil der Ton nie so gut ist, wie ich ihn in der Mischung gehört habe, das Bild ist nie so toll, wie ich es in der Farbkorrektur gesehen habe. Jeder Beamer oder jede Projektion ist anders, anders angeschnitten, irgendwas stimmt immer nicht. Das ist schon mal klar. Aber grundsätzlich kommt man dort der Vision eines Filmemachers, oder dem, wie ein Film aussehen könnte und klingen sollte, am nächsten.
Und dann ist natürlich die Konzentration in diesem dunklen Raum eine ganz andere. Man sieht einfach anders, man ist ein anderer Mensch, wenn man sich im Kino einen Film anschaut. Ich habe jetzt wieder einen Spielfilm gesehen, “Aftersun” heißt der, ein wunderbarer Film. Ich glaube, im Fernsehen wird sich den kein Mensch angucken und im Kino ist er einfach pure Magie.

 

Kann ich nur so teilen. Ich bin auch sehr großer Kino-Fan und man kann halt alles ein bisschen draußen lassen. Man schaut nicht aufs Handy, man muss nicht mit jemandem dabei reden, sondern man kann sich wirklich einfach nur auf den Film, vielleicht noch ein bisschen aufs Popcorn, aber eigentlich nur auf den Film konzentrieren.

Ja, es fängt mit genau dieser Art von Konzentration an. Wir müssen einen Film ja auch immer fürs Fernsehen machen. Das sind immer gemischte Gelder. Es gibt Kino-Gelder, Filmförderung, aber ein großer Teil kommt einfach im Fernsehen und die wollen ihre Fernsehfassung haben. Und die Fernsehredaktionen haben natürlich ihren eigenen Anspruch und der wendet sich jetzt nicht unbedingt an einen Zuschauer, der sich konzentriert und den Film wirklich sehen will. Sondern der will abgeholt werden, der will bedient werden in seinen Erwartungen, der will aber auch immer irgendwelchen Augenkitzel erleben und immer bei der Stange gehalten werden. Und dann entstehen dadurch Anforderungen, die oft ein bisschen mühsam sind und filmisch nicht so elegant, mal vorsichtig formuliert. Man könnte auch sagen: “Die plattesten Lösungen werden bevorzugt”. Und da dann eine Mischung zu machen, dass es sowohl im Fernsehen als auch im Kino funktioniert, ist sowieso schwierig.
Ich glaube, dass gerade der Dokumentarfilm im Kino besonders gut aufgehoben ist, weil er doch eine ganz andere Art von Konzentration, aber auch von Teilnahme der Zuschauer benötigt. Auch der Umgang mit Leerstellen oder was man dann selbst da reinliest und mitbringt. Und nicht so nach zehn Minuten: Ah ja, jetzt habe ich aber alles kapiert, jetzt gucke ich mal, was auf dem Handy so los ist. Diese Art von Zumutung, dramaturgischen Zumutungen, die auch durch so eine Rezeptionssituation wie das Fernsehen entstehen, die fallen für so einen Kinofilm weg und da bin ich dann doch wahnsinnig dankbar, auch wenn ich weiß, dass wir im Fernsehen zehnmal, vielleicht hundertmal so viele Zuschauer haben wie im Kino. Es ist letztlich immer meine Idealvorstellung daran zu denken, dass da irgendwo in einem dunklen Raum der Film läuft und die Leute eben nicht nach fünf Minuten sagen: So, jetzt guck ich mal was auf dem anderen Programm läuft.

 

Unsere Empfehlung auf jeden Fall: Schaut euch “Vogelperspektiven” im Kino an und nicht irgendwann später im Fernsehen oder bei einem Streaming-Anbieter.

Ja, das wäre sehr, sehr schön, wenn man das im Kino anschaut. Es ist auch so, dass die Fernsehfassung auch kürzer ist. Eine von den Zumutungen, die so eine Fernsehausstrahlung hat, ist ja, dass sie genau 90 Minuten lang sein soll. Also fehlen diesem Film 17, 18 Minuten und das sind, ich würde mal sagen, schon auch entscheidende Minuten, die fehlen.

 

Also wenn ihr die sehen wollt, ab ins Kino. Zum Abschluss möchte ich noch mal auf die Faszination für Vögel zurückkommen. Nimmst du denn Vögel jetzt nach den Dreharbeiten in deinem Alltag im Privaten anders wahr als vorher?

Ja, ich wohne in einem Haus auf dem Land und unsere Vermieter sind sehr große Vogelkenner und Ornithologen und meine Vermieterin, die Gertrud Weidner, die hat auch lange beim LBV in München mitgearbeitet. Die hat mir das schon immer sehr nahegelegt. Ich gehe immer durch einen Flur, da hängen überall Vogelbilder und ein Kalender und so weiter.
Ich bin da schon immer sehr nah dran. Ich weiß auch, wie das mit der Fütterung ganzjährig funktioniert und so. Ich habe mich da schon länger reingedacht, aber die richtige Begeisterung kam tatsächlich erst während der Dreharbeiten. Dass ich mir selbst ein Fernglas angeschafft habe und diesen Blick durchs Fernglas auch wirklich zu schätzen weiß, dass ich Mitglied beim LBV geworden bin, das kam tatsächlich erst während der Dreharbeiten. Aber es ist ja glaube ich nie zu spät, den Birder in sich zu entdecken, oder?

 

Das stimmt ja, das kann ich auch bestätigen. Durch meine Arbeit beim LBV ändern sich einfach ein bisschen diese Wahrnehmung und dieser Blickwinkel. Selbst in der Stadt, man geht irgendwie anders durch die Stadt, wenn man dann die Mauersegler im Sommer beobachten kann oder nur den Spatz, der irgendwo in der Hecke zwitschert. Es ändert auf eine sehr schöne, achtsame Art die Wahrnehmung. Und das kommt auch gut in deinem Film rüber.

Ja, genau davon handelt ja letztlich das Buch von Arnulf Conradi. Und deswegen fand ich es auch so faszinierend, was man durch Beobachtungen, Staunen, was man dadurch auch für eine Gelassenheit mit sich selbst und dem eigenen Leben entwickeln kann, davon handelt dieses Buch. Ich kann es auch nur jedem empfehlen, also ins Kino gehen, klar, aber Arnulf Conradi “Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung” - ein großartiges Buch, kann man nur ganz viele Leser wünschen, die sich davon auch bewegen lassen. Ich weiß auch nicht. Ich hatte es gesehen, an der Kasse liegend und allein schon, wie es aufgemacht ist, wie es einen angeguckt hat, war es so, dass ich gedacht habe, das kann jetzt nicht schlecht sein.

 

 

Ich stelle meinen Gästen auch immer noch eine bestimmte Frage, nämlich: Was ist dein Lieblingsvogel?

Das ist ja auch wieder so eine klassische Frage. Ich tue mir immer schwer mit diesen Werten, zu sagen, das mag ich besonders, das mag ich nicht, da tue ich mir wirklich extrem schwer, weil ich auch in meiner ganzen filmischen Arbeit eigentlich immer versuche, möglichst alles im Blick zu behalten. Die Ränder sind genauso wichtig wie das Zentrum. Das ist so eine Grundhaltung bei meiner Arbeit.
Ich glaube, der Star ist mein Lieblingsvogel. Das liegt aber wirklich an diesen Formationsflügen und an dieser sagenhaften Jukebox, die so ein Star auch sein kann und natürlich auch sein Gefieder. Also wenn, dann ist wahrscheinlich der Star der, der mich wirklich restlos begeistert.

 

Schön, kann ich sehr, sehr nachvollziehen. Vielen Dank für das schöne Gespräch, es hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Danke, mir auch und alles Gute dem LBV.

 

Vielen Dank fürs Zuhören. Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr hattet so viel Spaß wie ich während des Interviews. Wenn ja, empfehlt den LBV-Podcast gerne weiter. Außerdem freuen wir uns über eine Bewertung auf Spotify oder iTunes. “Vogelperspektiven” startet am 16. Februar deutschlandweit in den Kinos im Verleih von Filmperlen. Schnappt eure Freunde, Bekannte oder die Familie und schaut doch mal im Kino in eurer Stadt vorbei. Die letzten Worte gehören heute dem Schriftsteller Arnulf Conradi.

 

Arnulf Conradi
Buchautor Arnulf Conradi

Arnulf Conradi: Vögel sind aus vielen Gründen faszinierend. Sie sind zu einem guten Teil sehr musikalisch. Sie sind in der Mehrzahl schön. Sie legen auf ihren Zügen oft enorme Entfernungen mit einem einzigartigen, noch immer rätselhaften Orientierungsvermögen zurück. Viele von ihnen bauen kunstvolle Nester. Und sie können fliegen - ein alter Traum des Menschen, der nur höchst unvollkommen und plump verwirklicht worden ist. Der Vogel hat etwas Poetisches. Aber es kommt noch etwas hinzu, ein Gefühl, das die Moderne erzwungen hat: Vögel sind hochempfindlich und gefährdet. Sie stehen am Ende der Nahrungskette. Und wenn das ökologische Gleichgewicht gestört wird, zählen sie zu den ersten Opfern. Al Gore hat in seinem Buch über globale Ökologie “Wege zur Rettung des Planeten” immer wieder das Symbol des Kanarienvogels bemüht, den früher die Bergleute unter Tage in einem Käfig mit sich führten. Wenn er aufhörte zu singen, wussten sie, dass sie von giftigen Gasen bedroht waren und ergriffen die Flucht. Heute spielen die Vögel in ihrer Gesamtheit die Rolle des Warners unter Tage. Wenn sie sterben, sind auch die Menschen nicht mehr lange sicher.

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