Die Bestimmer

Wir haben Apps zur Artbestimmung für Sie in der Praxis getestet

Steigert eine Bestimmungs-App die Artenkenntnis oder nimmt sie uns nur das Denken ab? Immerhin geben uns die Smartphone-Applikationen das Erfolgserlebnis etwas bestimmt zu haben, auch wenn nicht jedes angezeigte Ergebnis immer auch richtig ist. Grundsätzlich ist dabei zwischen drei verschiedenen Arten von Bestimmungs-Apps zu unterscheiden: die digitale Version eines Bestimmungsbuches, eine Bestimmung durch Annäherung mit Multikriterien-Schlüssel und die automatische Bestimmung durch künstliche Intelligenz.

Bestimmungsapps im Test

Vorsicht vor Abofallen!

Picture Bird und Picture This werden zum Teil massiv beworben. Hier wollen wir jedoch vor einer Abo-Falle warnen, da es fast nahezu unbemerkt passieren kann, dass man bei einer Bestimmungsabfrage auch gleich ein Jahresabo für 30 € abschließt. Daher unsere Empfehlung: Lieber Finger weg!

MERLIN BIRD ID

Gruppe: Vögel
Preis: kostenlos

Die App des weltbekannten Cornell Lab of Ornithology ermöglicht die automatische Vogelbestimmung durch Foto-ID. Dies funktioniert vor allem mit guten Bildern, die aus nicht allzu großem Abstand mit dem Handy oder mit dem digital Guide von Swarovski Optik geschossen wurden. In Verbindung damit klappt die Bestimmung sehr gut, allerdings kostet das Fernglas mit eingebauter Kamera zusätzlich 2.000 € (siehe Ausgabe 2/2020).

Mit dem mäßigen Handyfoto funktioniert die automatische Bestimmung nur bedingt. Wer hingegen mit dem Bestimmungsschlüssel arbeitet, dem zeigt die App die Vögel in seiner Nähe, die der angegebenen Beschreibung entsprechen. Nachteil der umfangreichen Bestimmungs-App ist die Datengröße des Vogelpakets, das allein für die Arten in Deutschland und Frankreich 400 MB beträgt. Schade: Die Vogelnamen in der deutschen App sind bisher nur auf Englisch verfügbar.

FAZIT:

In Kombination mit dem digital Guide von Swarovski Optik macht die automatische Erkennung von Fotos wirklich Spaß.

NATURBLICK

Gruppe: Pflanzen und Vögel
Preis: kostenlos

Die Anwendung des Museums für Naturkunde Berlin kann eine Auswahl an Vogelstimmen und Pflanzen automatisch bestimmen. Dabei werden aufgenommene Soundclips der Vogelstimmen mit einer Datenbank abgeglichen und dann Ergebnisvorschläge nach Wahrscheinlichkeit gemacht. Die automatische Bestimmung von Pflanzen funktioniert, indem ein ausgewähltes Foto analysiert wird. Je klarer die Vogelstimme bei Aufnahme zu hören ist, desto besser ist die Treffergenauigkeit. Bei den Pflanzen war die Fehlerquote der angeblich richtigen Vorschläge je nach Fotoperspektive durchwachsen. Die App bietet auch eine kleine Auswahl an Bildern von Vögeln, Säugetieren, Amphibien, Reptilien und Schmetterlingen zur Erkennung.

FAZIT:

Die automatische Erkennung von Vogelstimmen funktioniert bei guter Tonqualität erstaunlich gut. Bei den Pflanzen liegt die App nicht immer richtig

FLORA INKOGNITA

Gruppe: Pflanzen
Preis: kostenlos

Die umfassende automatische PflanzenbestimmungsApp der TU Ilmenau und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie mit knapp 5.000 Arten hat eine erstaunlich hohe korrekte Trefferquote. Die automatische Bestimmung erfolgt hier gezielt über eindeutige Bestimmungsmerkmale und mehrere Detailfotos. So wird man nach und nach aufgefordert die Blüten, Blätter und Früchte einzeln und teilweise aus unterschiedlichen Perspektiven zu fotografieren, um so ein möglichst genaues Ergebnis zu erhalten. Will man allerdings erst zu Hause bestimmen und hat unterwegs nur ein Foto der Pflanze gemacht, sodass keine weiteren Aufnahmen mehr möglich sind, können weniger Fotos die Trefferquote verschlechtern.

FAZIT:

Die App ist gut strukturiert und einfach zu handhaben, was bei der hohen Trefferquote viel Spaß macht.

NABU VOGELWELT

Gruppe: Vögel
Preis: kostenlos, In-App-Käufe

Bereits in der kostenlosen Basisversion enthält die App sehr übersichtlich aufbereitet wirklich alle wichtigen Informationen zu 308 heimischen Vogelarten inklusive Verbreitungskarten. So kennt man es sonst nur aus mehreren unterschiedlichen Vogelbestimmungsbüchern, deren Vorzüge hier vereint werden. Dazu ist eine für Vogelfreunde leicht nachvollziehbare Bestimmung durch mehrfache Schlüssel mit Annäherung möglich. Über In-App-Käufe gibt es weitere hilfreiche und nützliche Inhalte wie Vogelstimmen (3,99 €), Eier (2,99 €) und Videos (1 Paket 4,99 €; alle drei Pakete 12,99 €).

FAZIT:

Die kostenlose Basisversion bietet umfangreichste Infos, die In-App-Käufe sind durchaus lohnenswert.

VOGELSTIMMEN ID

Gruppe: Vögel
Preis: 4,99 €

Auch hier sollen die Vogelstimmen automatisch erkannt werden, nachdem sie beispielhaft aufgenommen und dann abgeglichen werden. Das funktioniert zwar ganz passabel, da die App aber schon etwas älter ist, fehlt es ihr etwas an Bedienfreundlichkeit. So muss man jedes Mal den Vogelgesang genau 30 Sekunden lang aufnehmen, was in der Praxis oft zu lange ist und zusätzlichen Störgeräuschen viel Zeit gibt. Die gute Nachricht: Sunbird arbeitet derzeit an einer kompletten Überarbeitung der App, bei der die Qualität der künstlichen Intelligenz den derzeitigen Stand bei Weitem übertreffen soll. Zusätzlich wird ein Stimmen-Bestimmungsschlüssel angeboten und es können die Rufe von 136 Vogelarten abgespielt werden.

FAZIT:

Bei der großen Erfahrung von Sunbird darf man sehr gespannt auf die neue Version mit umfangreichem Update und neuer KI sein.

BIRDNET

Gruppe: Vögel
Preis: kostenlos

Eine Tonaufnahme des zu bestimmenden Vogels wird erstellt, man kann dann den genauen Bereich nochmal intuitiv im Sonagramm mit einem Fingerwisch auswählen und tippt dann auf „Analysieren“. Was einfach klingt, funktioniert auch überraschend gut. Das Gezwitscher wird auf den Servern der TU Chemnitz von einem Algorithmus analysiert, der laufend verbessert wird. Laut Entwickler werden 1.000 Arten aus Europa und Nordamerika erkannt. Viele Gesänge und Geräusche gleichzeitig überfordern die App jedoch recht schnell, sodass es manchmal mehrere Anläufe braucht.

FAZIT:

Vor allem in Kombination mit einer zweiten App, die gespeicherte Vogelstimmen abspielt, ist die App nützlich und unterhaltsam.

PILZE APP

Gruppe: Pilze
Preis: kostenlos, In-App-Käufe

Die Firma Vocom aus Prag bietet mit der Pilze app eine gute Möglichkeit, spielerische in die spannende Welt der „Schwammerl“ einzutauchen. Die optische Erkennung funktioniert gut, die infrage kommenden Kandidaten werden mit absteigender Wahrscheinlichkeit gelistet und können mit zusätzlichen Angaben (z. B. Verfärbung) eingegrenzt werden. Neben der Bestimmung mittels Kamera bietet die App auch noch einen guten Bestimmungsschlüssel für die mehr als 200 häufigsten Arten und ein Pilztagebuch mit eigenen Funden. Für 1–4 € können Erweiterungen heruntergeladen (z. B. Detailfotos) oder Werbeanzeigen ausgeschaltet werden.

ACHTUNG:

Wenn der Pilz in die Pfanne soll, muss auf jeden Fall weiterführende Literatur verwendet werden. Besondere Vorsicht bei Champignons und ähnlichen Pilzen!

TAGAKTIVE SCHMETTERLINGE

Gruppe: Schmetterlinge
Preis: ca. 10,- €

Der traditionsreiche Haupt Verlag aus Bern veröffentlicht seit vielen Jahren umfassende und hochwertige Sachbücher, u. a. aus dem Bereich Naturwissenschaften. Manche Titel sind seit einigen Jahren auch in App-Form verfügbar, so auch Tagaktive Schmetterlinge. Die App bietet einen gut ausgewählten Bestimmungsschlüssel für die 160 häufigsten Arten in Mitteleuropa, der mit hoher Trefferquote am Ende die richtige Art anzeigt. Eine Bestimmung der Schmetterlingsraupen ist allerdings nicht möglich. Eigene Beobachtungen lassen sich in einem Feldbuch sammeln. Zu allen enthaltenen Arten, Gattungen und Familien gibt es außerdem sehr ausführliche und interessante Hintergrundinformationen.

FAZIT:

Die Bestimmung über den Schlüssel funktioniert erstaunlich einfach und gut, allerdings fehlen einige häufige Arten.

DER KOSMOS- VOGELFÜHRER

Gruppe: Vögel
Preis: ca. 15.- €

Wie der gleichnamige Kosmos-Klassiker in Buchform von Lars Svensson et al. beinhaltet auch die App über 900 Vogelarten aus ganz Europa. Der Informationsgehalt ist identisch zur Buchform, allerdings kostet die App nur rund die Hälfte. Sehr zu empfehlen also für Vogelfreunde, die das geballte Wissen gerne mit auf den Berggipfel nehmen – auch wenn zu Hause am Küchentisch das Büchlein wohl doch seinen Reiz behalten wird. Ein absoluter Mehrwert sind die vielen enthaltenen Lautäußerungen (manchmal mehrere pro Art). Ähnliche Arten können direkt miteinander verglichen und persönliche Beobachtungslisten erstellt werden. Die rund 550 MB benötigter Telefonspeicher sind mit der Vogelführer-App gut belegt.

FAZIT:

Die wohl umfangreichste Nachschlage-App zur Vogelbestimmung basierend auf dem Buchklassiker. Der Svensson für unterwegs ist eine lohnende Investition.

NABU INSEKTENWELT

Gruppe: Insekten
Preis: kostenlos

Diese NABU-App liefert vor allem Nachwuchs-Entomologen interessante Informationen zu den 122 häufigsten Insektenarten und somit zur Hälfte aller Sichtungen. Mit der integrierten automatischen Bilderkennung können Insekten live oder anhand eines bereits bestehenden Bildes bestimmt werden. Wer sich bereits mit den Insektengruppen auskennt, wird in der Listenansicht schnell fündig. Die bestimmten Insekten lassen sich in einer Beobachtungsliste speichern, die man exportieren oder an naturgucker.de übermitteln kann, um so einen Beitrag für die Bürgerwissenschaft zu leisten. Die App ist eine wunderbare Ergänzung für die Mitmachaktion Insektensommer von LBV und NABU.

FAZIT:

Mit der fotografischen Erkennungsfunktion gelingt eine schnelle und einfache Bestimmung von Insekten.

GOOGLE LENS

Gruppe: Allesbestimmer
Preis: kostenlos

Eine App, die aus der Reihe tanzt, aber dennoch beeindruckt. Prinzipiell konkurriert sie mit allen Apps, die mit Kameraerkennung arbeiten. Es lassen sich nicht nur Pilze oder Libellen bestimmen, sondern auch Schuhmodelle – also alles, was die Google-Datenbanken hergeben. Ein Foto wird automatisch analysiert, dann werden ähnliche Bilder auf Webseiten als Suchergebnis ausgespuckt. Google Lens verwendet alle im Bild enthaltenen Informationen wie Form, Farbe usw. So kann es vorkommen, dass ein Bild eines orangen Schmetterlings als Ergebnis auch einen Kürbis liefert. Aber es gibt überraschend viele richtige Treffer. Android-Nutzer haben direkten Zugriff in ihrer Kamera-App. iOS-Nutzer müssen sich die Google Fotos App herunterladen.

FAZIT:

Komplex und informativ aufgebaute Bestimmungs-Apps kann Google Lens noch nicht ersetzen.

iGRÄSER

Gruppe: Gräser
Preis: kostenlos

Zugegeben, es gibt auf den ersten Blick sicherlich unterhaltsamere Apps ­– zumindest für den Laien. Dafür bietet „iGräser“ ein hervorragendes Werkzeug für den ambitionierten bis professionellen Einsatz, und das zum Nulltarif. Aktuell können mit iGräser die häufigsten 111 Grasarten der Schweiz und Deutschlands im blühenden und nichtblühenden Zustand sehr zuverlässig bestimmt werden. Die Merkmale können in beliebiger Reihenfolge eingegeben und auch wieder abgewählt werden. Es gibt also nicht den einen richtig Weg zum Ziel und Eingabefehler werden toleriert – große Vorteile zu klassischer Bestimmungsliteratur. Eine automatische Bilderkennung gibt es nicht (diese wäre für Gräser wohl kaum umsetzbar), dafür aber ein sehr umfangreiches Glossar und eine Menge hilfreicher Fotos.

FAZIT:

Insgesamt ist die App recht komplex aufgebaut. Nach etwas Eingewöhnung macht das Arbeiten damit dann aber richtig Spaß!

BIRD SONG QUIZ

Gruppe: Vögel
Preis: 2 €

Die Stimmen der 220 Vogelarten, die von der Schweizerischen Vogelwarte in die App gepackt wurden, sind natürlich auch in Deutschland zu hören. Im Lernmodus können die Vogelarten nach Familie oder Lebensraum gefiltert werden. Der Spielmodus garantiert mit seinen 3 Schwierigkeitsgraden langanhaltende Freude. Zu jeder Vogelart ist in der App eine einzige Stimme hinterlegt, und zwar ist dies meistens der Gesang in seiner verbreitetsten Form bzw. der Standard-Ruf. Diese sind für die Bestimmung der Art ausschlaggebend. Wer mehr über das gesamte Stimmrepertoire einer Vogelart erfahren möchte, muss sich auf weiterführenden Websites umhören.

FAZIT:

Mit der App kann man ohne weiteres viele Stunden lang Spaß haben und dabei in Sachen Vogelstimmen echt vorankommen.

Geht das Artenwissen durch Apps verloren?

Ein Kommentar der LBV-Botanikerin Patricia Danel zu Pflanzen-Bestimmungsapps

Das allgemeine Wissen über viele unserer heimischen Pflanzen erlebt im Moment einen großen Rückgang. Abgesehen von Kräuterkundlern, Gärtnern und Spaziergängern, die sich noch mit der Unterscheidung verschiedener Arten auseinandersetzen, ist die Zahl der Menschen, die Pflanzen richtig ansprechen, rückläufig. Wer also nicht gerade Biologie studiert hat und sich mit einem Bestimmungsbuch weiterhelfen will, der nutzt heute zur Pflanzenerkennung eine App.

Artenkenntnis wird dann unabdingbar, wenn ökologische Zusammenhänge zum Tragen kommen. Eine Spezialisierung auf einzelne Arten, seien es Vögel oder Pflanzen hat zur Folge, dass die grundlegenden Zusammenhänge zwischen den Artengruppen verloren gehen. Welche Pflanze braucht das Tagpfauenauge, um sich zu entwickeln? Worauf achtet der Kiebitz bei der Auswahl seines Brutplatzes in der Wiese?

Anhand mehrerer Fotos wird die Pflanze von der App durch künstliche Intelligenz schnell bestimmt. Zusätzlich schlägt die App eine Auswahl an Arten vor, die außerdem in Frage kommen würden. Aber kann eine App wirklich nur anhand der Blätter richtig bestimmen? Oder sind auch Infos zu Blüten oder Früchten notwendig? Sich ähnelnde Arten können nämlich in der Praxis nicht immer zuverlässig unterschieden werden, dazu ist der direkte Vergleich oder die Unterscheidung anhand des Blühzeitpunktes nötig. Jedoch was tun, wenn die räumliche Distanz zu groß ist, um beide Arten gleichzeitig sehen zu können? Auch die Standort-Funktion der Apps löst dieses Problem nicht. Noch schwieriger wird es, wenn zwei sich ähnelnde Arten die gleiche ökologische Nische besetzen. Zusätzlich können Pflanzen sehr plastisch auf ihre Umwelt reagieren. Die selbe Art kann in Hochlagen anders aussehen als in Tieflagen oder auf einem nassen Standort anders als auf einem trockenen. Darüber hinaus kommt es auch auf die Altersphase der Pflanze an, was bei einer ausschließlichen Bestimmung per App seine Tücken birgt.

Beim Test zur Unterscheidung zwischen Stiel- und Traubeneiche ausschließlich anhand der Blätter stellte sich bei Flora incognita heraus, dass bei beiden Arten auch die jeweils andere zur Auswahl stand. Die Unterscheidung anhand der Blätter ist zwar im direkten Vergleich gut möglich, sind jedoch beide Arten nicht an einem Standpunkt auffindbar, könnte die eindeutige Zuordnung problematisch werden.

FAZIT:

Um unsere Pflanzenwelt besser kennenzulernen, ist eine App mit Sicherheit der richtige Einstieg, sie sollte aber keinesfalls als einziges Instrument in Fachkreisen genutzt werden. Bleibt noch die Frage: Wie tief geht die Artenkenntnis heute tatsächlich noch? Artenkenner werden aufgrund des immer kleiner werdenden Lehrangebot an Universitäten immer weniger. Werden Fachleute in Zukunft also nur noch per App Arten bestimmen können?

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