Wo sind Bayerns Wölfe?

Nach zwei getöteten Jungwölfen und ungewöhnlich vielen aufgegebenen Revieren wächst der Verdacht auf illegale Verfolgung – Belohnung von je 5.000€

Nachdem innerhalb von zehn Tagen zunächst bei Pegnitz und nun bei Cham je ein vermutlich gewilderter junger Wolf aufgefunden wurden, erhärtet sich aus unserer Sicht der Verdacht, dass die bayerische Wolfspopulation im vergangenen Jahr durch weitere illegale Abschüsse geschrumpft ist. Schon bei der Veröffentlichung der vorläufigen Bestandszahlen der bayerischen Wolfspopulation durch den Bund im Frühjahr waren wir über die ungewöhnlichen Veränderungen insbesondere an den Standorten mit Rudeln sehr beunruhigt.

 

Wölfe | © Marcus Bosch © Marcus Bosch
Wölfe sind sehr standorttreu. Die Aufgabe eines Territoriums ist daher sehr ungewöhnlich.

Insbesondere die vollständige Auflösung von insgesamt drei Rudeln am Staffelsee, im Altmühltal und im Grenzgebiet zu Tschechien wirft Fragen nach den Ursachen auf. „Wo sind Bayerns Wölfe denn plötzlich hin? Ganze Rudel verschwinden nicht einfach so innerhalb eines Jahres. Dafür gibt es keine natürliche Erklärung“, sagt Andreas von Lindeiner. Wer illegal Wölfe oder andere Wildtiere tötet, macht sich strafbar, denn er verstößt gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Der LBV setzt daher eine Belohnung von jeweils 5.000 Euro für Hinweise aus, die zur Ermittlung der Täter der beiden wahrscheinlich erschossenen Jungwölfe führen, und wird in beiden Fällen Anzeige erstatten.

Der bei Cham aufgefundene Wolf lag im Lamer Winkel – jener Region, in der 2015 vier abgetrennte Luchsbeine entdeckt wurden und die seitdem als Brennpunkt von Naturschutzkriminalität gilt. „Dass nun ausgerechnet am gleichen Ort wieder ein mutmaßlich illegal getötetes streng geschütztes Wildtier gefunden wird, macht fassungslos,“ sagt Karl Heinz Schindlatz, Vorsitzender der LBV-Kreisgruppe. „Das ist kein Zufall, sondern ein Alarmsignal.“

Wolf | © Marcus Bosch © Marcus Bosch
Der LBV geht von einer hohen Dunkelziffer an illegalen Übergriffen auf Wölfe aus.

Obwohl Bayern angesichts des insgesamt noch kleinen Wolfsbestandes eine große Zahl an günstigen Territorien bietet und die Tiere sich daher durchweg an geeigneten Standorten ansiedeln könnten, beobachtet der LBV eine ungewöhnlich hohe Fluktuation und das plötzliche Aufgeben von Revieren. Und das selbst an Standorten, die fachlich als sehr gut gelten. „Wölfe gelten als ausgesprochen standorttreu. Wenn sie ein geeignetes Gebiet gefunden haben, bleiben sie in der Regel über viele Jahre dort“, erklärt der LBV-Biologe. Ein anschauliches Beispiel liefert der Veldensteiner Forst: Das dortige Territorium wurde bereits 2017 von einem Wolfspaar besetzt, das seit 2018 bis heute durchgehend Welpen aufzieht. Dies belegt, wie fest Wölfe an erfolgreichen Standorten verankert sind, sobald die Bedingungen stimmen. „Die Aufgabe eines Wolfsterritoriums ist allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ein äußerst ungewöhnliches Phänomen. Wir befürchten daher eine hohe Dunkelziffer an illegalen Übergriffen. Dass in Revieren, in denen 2023 drei, vier oder gar sieben Welpen aufgezogen wurden, heute kein Wolf oder nur noch ein Paar festgestellt werden kann, ist anders nicht zu erklären“, so von Lindeiner weiter.

Herdenschutz wirkt

Parallel dazu verweist der LBV auf einen positiven Trend beim Herdenschutz. In Deutschland und in der Schweiz nimmt die Zahl der durch Wölfe gerissenen Nutztiere ab und dies sowohl bezogen auf die Risse pro Wolf als auch in der absoluten Summe. „Diese Entwicklung ist in erster Linie dem konsequent ausgebauten Herdenschutz zu verdanken. Daraus ergibt sich ein klares Fazit: Ohne wirksamen Schutz der Weidetiere lassen sich die von Wölfen verursachten Schäden selbst durch eine intensive Bestandsregulierung nicht nachhaltig mindern“, sagt Andreas von Lindeiner. Der LBV fordert die Bayerische Staatsregierung daher auf, die Weidetierhaltung auch künftig im Herdenschutz zu unterstützen, den Bayerischen Aktionsplan Wolf konsequent umzusetzen und nicht einseitig auf Abschüsse zu setzen.

Absurde Diskussion um Erhaltungszustand

Auch beim Erhaltungszustand des Wolfes mahnt der LBV, Entscheidungen auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Ende Juli hat Deutschland seinen Bericht zum Zustand der gemäß der FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat) geschützten Arten an die EU-Kommission übermittelt. Dabei wurde der Wolf für die atlantische biogeografische Region zunächst als „günstig“ eingestuft, für die kontinentale Region jedoch als „unbekannt“. Kurz darauf verständigten sich Bund und Länder nach politischen Beratungen darauf, auch die kontinentale Region als „günstig“ zu bewerten. „Diese Entwicklung hat uns verblüfft, denn eine von der Umweltministerkonferenz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte den Wolfsbestand auf Basis einer im Auftrag und unter Mitarbeit der Länder entwickelten Methode zu diesem Zeitpunkt noch nicht als ‚günstig‘ eingestuft“, erklärt der LBV-Biologe. Der LBV betont deshalb, dass der Inhalt des FFH-Reports auf den wissenschaftlichen Fakten des aktuellen Monitorings beruhen muss und nicht auf politischem Kalkül. „Forderungen nach Bejagung, sobald der günstige Erhaltungszustand erreicht ist, greifen zu kurz, denn die FFH-Richtlinie verlangt, dass dieser Zustand nicht nur erreicht, sondern auch dauerhaft gesichert wird“, so von Lindeiner weiter. Für die alpine Region, für die immer wieder ein verschärftes Wolfsmanagement gefordert wird, wurde im Übrigen mangels etablierter Vorkommen erst gar keine Bewertung vorgenommen.

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© Gunther Zieger

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