Sturm im Wasserglas
Reaktion der Staatsregierung auf vorgesehene Änderungen für Kleinwasserkraftanlagen führt in die Irre
Die jüngsten Äußerungen der bayerischen Staatsregierung, die Osterpaket-Pläne der Bundesregierung für den Ökostrom-Ausbau würden aufgrund von Kürzungen im Kleinwasserkraftsektor die bayerische Energiewende ausbremsen, führen nach Auffassung von bayerischen Naturschutzverbänden und den Kanuten in die Irre. Die energiewirtschaftliche Bedeutung der „Kleinen Wasserkraft“ wird übertrieben und ihre gravierenden negativen Auswirkungen auf Gewässerökologie und Artenvielfalt ausgeblendet, betonen der Landesbund für Vogelschutz, der Bund Naturschutz in Bayern, der Landesfischereiverband, WWF Deutschland und der Bayerische Kanu-Verband.
EEG-Förderung
Der Entwurf der Bundesregierung sieht nicht, wie teilweise suggeriert, den Wegfall der EEG-Förderung bei allen Wasserkraftanlagen mit weniger als 500 kW Leistung vor. Der Wegfall greift nur bei neuen (also ab dem 1.1.2023 in Betrieb genommene) Wasserkraftanlagen unter 500 kW Leistung sowie für Bestandsanlagen unter 500 kW, an denen ab dem 1.1.2023 Leistungserhöhungen erfolgen.
Die Knüpfung der EEG-Förderung an die Einhaltung der gewässerökologischen Anforderungen bzgl. Mindestwasserführung, Durchgängigkeit und Fischschutz entsprechend den §§ 33 bis 35 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) soll adäquat dazu ebenfalls nur für neue Wasserkraftanlagen und für neue Leistungserhöhungen ab 1.1.2023 bei Bestandsanlagen gelten.
Das heißt, alte Anlagen mit EEG-Förderung behalten ihre bestehende EEG-Förderung und müssen als Fördervoraussetzung weiterhin nicht einmal die gesetzlichen Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes erfüllen.
Absurd ist daher für die fünf Verbände die Begründung der bayerischen Staatsregierung, dass durch die Förderauflagen des Bundes das vom bayerischen Wirtschaftsministerium 2021 aufgelegte Förderprogramm für Kleinwasserkraftanlagen unter 500 kW ins Leere laufen würde.
Prof. Göttle, Präsident des LFV Bayern
„Wenn man gemäß Pressemitteilung der Staatsregierung allein schon zwei Förderprogramme braucht, um eine Kleinwasserkraftanlage unter 500 kW halbwegs wirtschaftlich und gesetzeskonform betreiben zu können, muss man sich ernsthaft fragen, warum in derselben Meldung vom Freistaat für diesen Splitter-Sektor überhaupt ein überragendes öffentliches Interesse in Bezug auf die Energiewende thematisiert wird“, so Prof. Göttle, Präsident des LFV Bayern. „Es wäre dringend erforderlich, dass der Bund die Kopplung der EEG-Förderung für alle Anlagen an die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen des WHG zur Voraussetzung macht.“
Richard Mergner, Vorsitzender des BN
„Wir hätten uns tatsächlich erhofft, dass der Bundesentwurf den Wegfall der EEG-Förderung aller Kleinwasserkraftanlagen unter 500 kW vorsieht, so wie es die Staatsregierung fälschlicherweise behauptet hat“, so Richard Mergner, Vorsitzender des BN. „Wir haben das seit Oktober 2021 geltende bayerische Förderprogramm für Wasserkraft von Anfang an scharf kritisiert und stattdessen ein Förderprogramm für den Rückbau von Querbauwerken gefordert. Die von der Staatsregierung genannten Zahl von 170 neu zu bauenden Windkraftanlagen zum Ersatz der Kleinstwasserkraftanlagen ist zudem viel zu hoch gegriffen und vermittelt den Eindruck, krampfhaft Argumente pro Kleinwasserkraft abbilden zu wollen. Auch der Beitrag zur Netzstabilisierung wird viel zu hoch eingeschätzt.“
Der Kleinwasserkraftsektor in Bayern
Der Kleinwasserkraftsektor in Bayern produziert mit über 4.000 Anlagen < 1 MW Leistung nicht einmal 10 % des bayerischen Wasserkraftstroms und somit etwa 1,5 % des bayerischen Gesamtstroms. Würde man die Kleinwasserkraftleistung mit Anlagen < 1 MW verdoppeln wollen, bräuchte man weitere 4.000 Anlagen. Das ist mehr als das 23fache der 170 Windkraftanlagen, die man laut Staatsregierung allein dafür benötigen würde, um die aktuelle Kleinwasserkraftleistung aus Windkraft zu generieren.
Helmut Beran, unser Geschäftsführer
Helmut Beran, Geschäftsführer des LBV ergänzt: „Der Ukraine-Krieg darf in der Diskussion nicht dazu missbraucht werden, den Naturschutz auszuhebeln. Das ist sehr wichtig, denn in Anbetracht des global gesehen sehr hohen Energieverbrauchs in Bayern ist es keinesfalls nachhaltig, anstelle von russischem Gas jetzt einfach Bayerns Bäche und Flüsse zu verheizen. Das Ausbaupotenzial der Wasserkraft in Bayern ist - abgesehen von der Modernisierung bestehender Anlagen - weitestgehend ausgeschöpft. Die aktuelle Teilfortschreibung zum bayerischen Landesentwicklungsprogramm lässt Energieeinsparungen als eine der wichtigsten Optionen leider nicht ernsthaft erkennen.“
Tobias Schäfer, WWF Deutschland
Auf Bundesebene schließt an dieses Argument Tobias Schäfer vom WWF Deutschland an: „Die beabsichtigte Regelung, neuen Kleinwasserkraftwerken unter 500 Kilowatt ab 2023 keine EEG-Subventionen mehr zukommen zu lassen, ist zu begrüßen. Doch wie deutsche Fachwissenschaftler fordern auch wir, diese Streichung auf Kraftwerke bis 1 MW auszuweiten und im Sinne der Biodiversität dringend den Rückbau von Barrieren zu fördern, statt die Kleinwasserkraft weiter mit Steuermitteln zu subventionieren. Denn die Schäden sind groß: Die Wasserkraft hat den Einbruch der Wanderfischpopulationen maßgeblich mitverursacht. Zudem sind Kleinkraftwerke und andere Querbauwerke ein zentraler Grund dafür, dass Deutschland verbindliche Ziele für den Gewässerzustand immer noch verfehlt.“
Oliver Bungers, Präsident des BKV
Die Äußerungen der Staatsregierung ärgern Bayerns Kanuten noch aus anderen Gründen. Oliver Bungers, Präsident des BKV, führt an: „Anstatt die für unsere Energiesicherheit zunehmend irrelevanten Kleinwasserkraftwerke weiter zu subventionieren oder gar letzte Fließwasserstrecken ohne energiepolitischen Nutzen für Neubauten zu opfern, sollte die Staatsregierung lieber die Sozialfunktion unserer Flüsse als Erholungsräume für Mensch und Natur stärken. Durch den Rückbau von Querbauwerken und unrentablen Kleinwasserkraftwerken sowie Renaturierungen könnte gerade in Bayern wieder eine Vielzahl attraktiver, länger zusammenhängender Flussabschnitte entstehen, welche für Fische und Menschen gleichermaßen wertvoll und uneingeschränkt durchgängig sind.“
Gemeinsame Forderungen der fünf Naturschutzverbände für die Wasserkraft Bayern:
- Kein Neubau von Wasserkraftanlagen
- Bestehende Wasserkraftanlagen naturverträglich umgestalten
- Rückbau insbesondere von unrentablen Kleinstwasserkraftanlagen fördern
- Mindestwasserleitfaden an die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie anpassen
- Renaturierungs-Offensive starten: Künstliche Barrieren in den Flüssen entfernen und freie Fließstrecken schaffe