Stunde der Gartenvögel 2022: Spatz und Amsel fliegen allen davon
Nistkästen in jedem zweiten Garten – weniger Vögel pro Garten – höhere Artenvielfalt in strukturreichen Gärten
Knapp 11.400 naturbegeisterte Menschen haben in Bayern an der „Stunde der Gartenvögel“ vom 13. bis 15. Mai teilgenommen. Im Rahmen der großen wissenschaftlichen Mitmachaktion von uns und unserem bundesweiten Partner NABU wurden in über 8.300 Gärten und Parks fast 239.000 Vögel gezählt und uns gemeldet. Mit dem schönen Wetter am Zählwochenende und den weggefallenen Corona-Einschränkungen der beiden vergangenen Jahre, ist die Zahl der Teilnehmenden in Bayern dieses Jahr wieder auf das Niveau von 2019 gerutscht.
Vermittlung von Artenkenntnis und die pure Freude am Vogelbeobachten
Wir freuen uns über jede und jeden, der an der Zählaktion teilgenommen und damit wichtige Daten zur Vogelvielfalt in unseren Gärten geliefert hat. Besonders die Teilnahme von Schulen und Seniorenheimen an der Stunde der Gartenvögel freut uns. Die Vermittlung von Artenkenntnis und die pure Freude am Vogelbeobachten sind zwei Kernelemente, die wir mit der Mitmachaktion weitergeben will. Leider sinken die Zahl und Vielfalt der Vögel im Freistaat weiterhin. Mit durchschnittlich etwas mehr als 28 Vögeln pro Garten wurden dieses Jahr rund zwei Vögel weniger als die letzten Jahre gemeldet.
Nisthilfen am Zählort
Zum ersten Mal haben wir heuer nach Nisthilfen am Zählort gefragt. Wir wollten von unseren Teilnehmer*innen wissen, ob und wie viele Nistkästen sich am Zählort befinden. Denn neben einem strukturreichen Garten mit heimischen, beerentragenden Pflanzen und ausreichend Insekten und Samen als Nahrung, brauchen die Vögel auch geeignete Nistmöglichkeiten. Die erste Auswertung der Daten zeigt, dass in über 50 Prozent der teilnehmenden Gärten mindestens ein Nistkasten vorhanden ist. Uns erreichten außerdem viele Kommentare zu Vogelbruten oder ersten ausgeflogenen Jungvögeln in den teilnehmenden Gärten. Verschiedene Vogelarten haben unterschiedliche Ansprüche. Es hilft daher verschiedene Nistkästen an Bäumen oder am Haus und unter dem Dach anzubringen. Besonders den Gebäudebrütern, wie Mehlschwalbe, Mauersegler und Haussperling helfen künstliche Nisthilfen. Hausrotschwanz und Meisen nutzen gerne Halb- beziehungsweise Höhlenbrüterkästen, die im Garten oder am Haus aufgehängt werden.
Strukturreiche Gärten bieten Nahrung und Rückzugsorte
Die Ergebnisse der Mitmachaktion zeigen außerdem, dass Teilnehmer*innen, die bereits mehrfach bei der Aktion mitgemacht haben, strukturreichere Gärten besitzen als diejenigen, die erst einmal oder noch nie mitgezählt haben. Teilnehmende, die Hecken, Bäume, Totholz, einen Teich, Sträucher mit Beeren oder Wildkräuter in ihrem Garten anbieten, erfreuen sich an einer größeren Anzahl von Vögeln und vielen verschiedenen Vogelarten. Die Strukturen bieten Nahrung und Rückzugsorte für viele Vögel aber auch viele Insekten. Amseln, Meisen und Finken brauchen die Sechsbeiner als Nahrung, vor allem zur Aufzucht ihrer Jungen. Wer sich im nächsten Jahr an einer größeren Artenvielfalt erfreuen möchte, der sollte seinen Garten naturnaher gestalten.
Gewinner und Verlierer in den Top Ten
Der Haussperling (1.) ist auch in diesem Jahr wieder mit knapp fünf Vögeln pro Garten der am häufigsten beobachtete Gartenvogel in Bayern. Das verwundert nicht, da er gerne im Schwarm vorkommt. Wie im vorigen Jahr wurde der Spatz wieder in fast 70 Prozent der Gärten beobachtet. Die Amsel (2.) kommt im Vergleich zwar nur mit etwas mehr als 3 Individuen pro Garten vor, ist aber der am weitesten verbreitete Vogel im Siedlungsraum und wurde in über 93 Prozent der Gärten gesehen. Im zweiten Jahr in Folge verdrängt der Star (3.) den Feldsperling (4.) aus den Top Drei. Die Kohlmeise fliegt auf Platz fünf. Die Blaumeise ist zwar beständig auf Rang 6, allerdings immer noch mit weniger als zwei Individuen pro Garten. Vor fünf Jahren noch beherbergte jeder bayerische Garten im Schnitt ein Blaumeisen-Paar. Seit dem Bestandseinbruch aufgrund des bakteriellen Erregers Suttonella ornithocola im Frühjahr 2020 ist der kleine Akrobat in unseren Gärten seltener geworden.
Auf die Elster (7.) folgt der Mauersegler (8.). Die wendigen Flugkünstler kamen dieses Jahr später aus ihren Überwinterungsgebieten zurück und waren während der Zählung noch mitten in der Balz und daher öfter am Himmel zu sehen. Ihre lauten „srii-srii“-Rufe fielen auf und sie wurden vor allem in den Städten häufiger gemeldet. Die Mehlschwalbe (9.) hält sich auf niedrigem Niveau, mit im Schnitt weniger als einem Vogel pro Garten. Zu Beginn der Zählaktion vor 16 Jahren waren es noch doppelt so viele Mehlschwalben. Der Grünfink landet auf Platz 10 und schließt damit die Top Ten. Sein Bestand nimmt bereits seit dem Jahr 2014 kontinuierlich ab. Ausschlaggebend dafür war eine durch den Einzeller Trichomonaden verursachte Krankheit, die dem leuchtend grüngelben Finkenvogel noch immer zusetzt.
Regionale Unterschiede
Bayernweit haben die Teilnehmer*innen etwas mehr als 28 Vögeln pro Garten gesehen und damit deutlicher weniger als das langjährige Mittel von 32. Die meisten Vögel pro Garten wurden in Niederbayern (34,6) gefolgt von der Oberpfalz (31,2) und Oberfranken (30,6) gemeldet. In Oberbayern sahen die Teilnehmenden mit 25,8 am wenigsten Vögel pro Garten. Mittelfranken (28,5), Schwaben und Unterfranken (beide 29,4) reihen sich dazwischen ein. In der Stadt Coburg (Oberfranken) sowie in der Stadt Schweinfurt (Unterfranken) und im Landkreis Berchtesgadener Land (Oberbayern) ist die Amsel in jedem Garten zu Hause.
Der Haussperling ist mit einer Sichtung in neun von zehn Gärten im Landkreis Neustadt a.d. Aisch/Bad Windsheim (Mittelfranken) am Weitetesten verbreitet. Im Gegensatz dazu wird der Spatz in der Stadt München und dem Landkreis München (Oberbayern) noch immer nur in 22 beziehungsweise 38 Prozent der Gärten beobachtet. Die geringsten Zahlen in ganz Bayern. Ein weiterer Gebäudebrüter, der Mauersegler, wurde bayernweit vermehrt gemeldet. Seine Balzrufe fielen besonders in den Städten auf. In der Stadt Schweinfurt und Stadt Aschaffenburg (beide Unterfranken) wurde er an 50 beziehungsweise 41 Prozent der Zählorte beobachtet. Auch in Städten in Mittelfranken (Ansbach, Erlangen, Nürnberg) und im südlichen Oberbayern (München) und Schwaben (Memmingen, Kaufbeuren) wurde er an fast jedem dritten Zählort gesichtet.
Detaillierte Ergebnisse sind auf Bezirks- und Landkreisebene hier abrufbar und können mit vergangenen Jahren verglichen werden. Wer Lust bekommen hat, weiter zu zählen, kann vom 03. bis 12. Juni an der CitizenScience-Aktion „Insektensommer“ von uns und NABU teilnehmen. Die nächste Zählung der Vögel im Garten, die „Stunde der Wintervögel“, steht vom 06. bis 08. Januar 2023 an.