Scheindiskussion um Erhaltungszustand beim Wolf
LBV fordert Artenschutz ernst zu nehmen: Unterstützung beim Herdenschutz und konsequente Umsetzung des Aktionsplans Wolf
Aktuell fordert die bayerische Staatsregierung zusammen mit drei anderen Bundesländern einen günstigen Erhaltungszustand beim Wolf im Zuge der anstehenden FFH-Berichtserstattung an die EU für Deutschland zu melden. Umweltminister Thorsten Glauber verlangt sogar, den Wolf schnellstmöglich ins landes- und bundesweite Jagdrecht aufzunehmen – um angeblich Weidetierhalter zu entlassen. Laut Ergebnissen einer von der Umweltministerkonferenz eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Einschätzung des Erhaltungszustandes des Wolfs ist dieser jedoch noch lange nicht günstig. Zudem verdeutlichen Beispiele aus der Schweiz und Sachsen-Anhalt, dass von Wölfen verursachten Schäden nur mit der konsequenten Umsetzung des Herdenschutzes vermindert werden können – und keinesfalls allein durch eine intensive Bestandsregulierung.

Sinkende Bestandszahlen der Wölfe im Freistaat

Völlig konträr gegenüber der Scheinlösung einer Bejagung steht das erfreuliche Ergebnis der kürzlich veröffentlichten Schadensstatistik. Diese besagt: 2024 sank die Anzahl der Wolfsübergriffe auf Nutztiere in Bayern gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent.
Zusätzlich stehen die sinkenden Bestandszahlen der Wölfe im Freistaat im Widerspruch zu dem geforderten günstigen Erhaltungszustand.
Während 2023 elf Territorien besetzt waren, sieben davon mit Rudeln, wurden 2024 nur noch sieben Territorien erfasst. Zudem stammten nur drei Rudel aus dem Vorjahr. Die Aufgabe eines Wolfs-Territoriums ist Experten zufolge ein äußerst ungewöhnliches Phänomen und muss bei der Bewertung des Erhaltungszustandes berücksichtigt werden.
Abschussforderungen senden falsche Signale
Angeblich aus Gründen des Herdenschutzes von Nutztieren werden aktuell Forderungen aus der Politik nach großflächigen Wolfsabschüssen laut. Dabei ist es ein Trugschluss, dass Wölfe durch Bejagung mehr Abstand zu Weidetieren hielten. Fakt ist: Dort, wo es Wölfe gibt, müssen Herden geschützt werden. Die über 25 Jahre Erfahrung von Weidetierhaltenden im Herdenschutz haben gezeigt, dass dieser Schutz gut funktioniert. Weiter wird deutlich: Nicht die Zahl der Wölfe entscheidet über die Risse, sondern der Herdenschutz. Wir fordern die bayerische Staatsregierung daher auf, die Weidetierhaltung auch zukünftig im Herdenschutz zu unterstützen, den bayerischen Aktionsplan Wolf konsequent umzusetzen und nicht einseitig auf eine Abschusslösung zu setzen.
Herdenschutz zeigt nachhaltigen Rückgang von Wolfsrissen

Es lohnt in diesem Zusammenhang ein Blick in die Schweiz: Dort leben mittlerweile über 35 Wolfsrudel, und der Bestand nimmt weiterhin leicht zu. Wie in Deutschland gibt es dort einen gegenläufigen Trend bei den durch Wölfe gerissenen Nutztieren: Nach amtlichen Angaben der Kantone Wallis und Graubünden sind die Zahlen das zweite Jahr in Folge rückläufig.
Zu verdanken ist diese Entwicklung in erster Linie dem weiter ausgebauten Herdenschutz. Zudem lässt ein Abgleich der Schäden mit bereits regulierten Rudeln keinen klaren Zusammenhang zu weniger Wolfsübergriffen erkennen.
Das Fazit aus Sicht des Schweizer Naturschutzes: Ohne Herdenschutz mindert auch eine intensive Bestandsregulierung die von Wölfen verursachten Schäden nicht nachhaltig. Auch die Zahlen aus Sachsen-Anhalt bestätigen sehr gut einen Rückgang von Wolfsübergriffen im Zusammenhang mit der konsequenten Umsetzung des Herdenschutzes.
Erhaltungszustand Wolf: Artenschutz ernstnehmen
Ende Juli muss Deutschland seinen Bericht zum Zustand der geschützten Arten gemäß FFH-Richtlinie an Brüssel melden. Zu unseren großen Verwunderung können sich Bund und Länder bislang nicht auf die Bewertung des Erhaltungszustands des Wolfs einigen. Doch eine von der Umweltministerkonferenz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat bereits 2023 eine fundierte Methode für dessen Bestimmung entwickelt. Und dies geschah sogar im Auftrag und unter Mitarbeit der Länder. Laut den Ergebnissen der Arbeitsgruppe ist der Wolfsbestand noch nicht als „günstig“ einzustufen.
Fazit des LBV: Die gesetzliche Pflicht zum Schutz von Arten wird von allen Ländern nicht ernst genug genommen. Forderungen nach Bejagung, sobald der günstige Erhaltungszustand erreicht sei, sind abwegig: Denn der günstige Erhaltungszustand muss laut FFH-Richtlinie nicht nur erreicht, sondern auch gewahrt werden.
