Notfallzulassungen für Insektizide sind keine Dauerlösung

LBV und Landesverband Bayerischer Imker fordern Plan zur Verringerung von Schädlingsbekämpfungsmitteln im Zuckerrüben- und Kartoffelanbau

Nachdem die Notfallzulassungen für fünf Insektenvernichtungsmittel zur Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade Ende Juli ausgelaufen sind, fordern wir zusammen mit dem Landesverband Bayerischer Imker (LVBI) vom bayerischen Landwirtschaftsministerium einen konkreten Plan für die Landwirtschaft, der in den nächsten Jahren ohne weitere Notfallzulassungen auskommt. Auch wenn die Ertragseinbußen bei Zuckerrüben, Kartoffeln und weiteren Nutzpflanzen durch die Schilf-Glasflügelzikade ein ernstzunehmendes Problem darstellen, warnen wir davor, kurzfristige agrarchemische Lösungen als Dauerlösung zu nutzen.

Eine Honigbiene auf einer gelben Blüte | © Andreas Hartl © Andreas Hartl
Durch den Einsatz von hochgiftigen Insektizid, wie das neu zugelassene Acetamiprid, sterben auch viele Insekten wie beispielsweise die Honigbiene.

„Notfallzulassungen müssen die absolute Ausnahme bleiben und dürfen nicht zum Normalzustand werden. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die krisenfest, naturverträglich und weniger abhängig von Pestiziden ist“, erklärt Matthias Luy, Landwirtschaftsreferent beim LBV.

„Eine Notfallzulassung höchstens alle vier bis fünf Jahre ist in unseren Augen verträglich, das übergeordnete Ziel der Reduzierung der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel um 50 Prozent darf allerdings keinesfalls aus den Augen verloren werden“, so Stefan Spiegl, Präsident des Landesverbands Bayerischer Imker.

Grundlegende Anpassung des landwirtschaftlichen Systems notwendig

Pestizideinsatz | © Thomas Staab © Thomas Staab
Kurzfristige agrarchemische Lösungen dürfen nicht zur Dauerlösung bei Bekämpfung von Insektenbefall werden.

Der LBV warnt davor, dass es in der Landwirtschaft zukünftig immer öfter zu schwerwiegenden Problemen durch Krankheiten oder Insektenbefall kommen könnte, weil sich der Klimawandel verschärft und die aktuellen Anbausysteme nicht widerstandsfähig sind.

„Es braucht deshalb eine grundlegende Anpassung des landwirtschaftlichen Systems. Wir fordern, dass Landwirtschaft und Wissenschaft tragfähige Alternativen zu Notfallzulassungen für Pestizide entwickeln, um stabile Erträge zu sichern“, betont Matthias Luy.

„Die Schwierigkeit ist bisher, dass bei Zulassungen der Pflanzenschutzmittel nicht immer im ausreichenden Maße der Bienenschutz berücksichtigt wird, hier explizit genannt der Schutz der Larven in der Bienenbrut“, so Stefan Spiegl.

„Nach aktuellem Kenntnisstand können eine vielfältige Fruchtfolge und der Verzicht auf den Anbau von Winterkulturen nach der Hauptfrucht die Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf den Anbau von Zuckerrüben und Kartoffeln verringern“, erklärt Matthias Luy.

Darüber hinaus lässt sich die Entwicklung der Schilf-Glasflügelzikade im Winter gezielt unterbrechen, wenn auf den Anbau von Zwischenfrüchten verzichtet wird. Da sich die Larven im Boden von Wurzeln und Pflanzenresten ernähren, fehlt ihnen so die Nahrungsgrundlage. Dafür muss allerdings die Vorgabe GLÖZ 6, die aktuell 80 Prozent Bodenbedeckung im Winterhalbjahr verlangt, für den Anbau von Zuckerrüben und Kartoffeln angepasst werden.

Zugelassenes Insektizid deutlich giftiger

Eine Große Holzbiene auf einer rosafarbenen Blüte | © Dr. Eberhard Pfeuffer © Dr. Eberhard Pfeuffer
Bei Zulassungen der Pflanzenschutzmittel wird nicht immer im ausreichenden Maße der Bienenschutz berücksichtigt (im Bild: Große Holzbiene).

Eine neue Studie der Universität Hohenheim zeigt, dass das Insektizid Acetamiprid, für das die Notfallzulassungen erteilt wurden, deutlich giftiger für Insekten ist als bisher angenommen – bei manchen Arten sogar bis zu 11.000-mal giftiger als in den für die Zulassung durchgeführten Tests.

Dadurch sterben nicht nur die Insekten, die Probleme im Anbau bereiten, sondern auch viele andere. „Das hat Folgen für das gesamte Ökosystem – zum Beispiel fehlt dann vielen Vögeln die Nahrung. Außerdem kann der Wirkstoff über Regen und Wind auf angrenzende Flächen und in Gewässer gelangen und dort weiteren Schaden anrichten“, so der LBV-Landwirtschaftsreferent.

Eine Untersuchung der LBV-Kreisgruppe München hat kürzlich nachgewiesen: Bei Starkregen gelangen große Mengen an Pestiziden und Düngemitteln aus landwirtschaftlichen Flächen in kleine Bäche, wobei gesetzliche Grenzwerte teilweise um ein Vielfaches überschritten werden.

In den Jahren 2023 und 2024 wurden in den in der Studie untersuchten Wasserproben 63 verschiedene Abbaustoffe von Pestiziden nachgewiesen – darunter 16, die seit Jahrzehnten verboten sind. Auch für Acetamiprid wurden die Grenzwerte deutlich überschritten.

Gegen das Volksbegehren

Mit der Annahme des Volksbegehrens Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ hat die Bayerische Staatsregierung 2019 beschlossen, den Pestizideinsatz im Freistaat bis 2028 zu halbieren. „Notfallzulassungen – wie aktuell für Insektizide gegen die Schilf-Glasflügelzikade – stehen dem jedoch entgegen. Dabei zeigen aktuelle Untersuchungen nachdrücklich, wie wichtig die Verfolgung dieses Ziels weiterhin ist“, erklärt Matthias Luy.

Wir fordern daher zusammen mit dem Landesverband Bayerischer Imker, dass das Ziel, den Einsatz von Pestiziden zu halbieren, von der Staatsregierung auch ernsthaft verfolgt wird. „Wichtig dafür sind große, zusammenhängende Flächen, auf denen keine Pestizide eingesetzt werden”, erläutert Matthias Luy.

„Außerdem müssen die Zulassungsverfahren reformiert werden, die aktuelle Risikobewertung in Bezug auf Insekten, die Natur und auch den Menschen muss verschärft werden“, fordert Stefan Spiegl.

Zurück

© Eberhard Pfeuffer

Unterstützen Sie uns bei unseren Schutzmaßnahmen in den bayerischen Alpen!

Alle Nachrichten zum Naturschutz in Bayern