Missstände bei Ausgleichsflächen: gesetzliche Vorgaben werden teilweise jahrelang nicht eingehalten
LBV startet bayernweites Projekt, um auf Mängel und Erfolge aufmerksam zu machen
Wann immer im Freistaat durch eine Baumaßnahme an einer Stelle Natur verloren geht, muss dies an anderer Stelle ausgeglichen werden. Das ist in Bayern gesetzlich vorgeschrieben. So soll der Zustand von Natur und Landschaft nicht noch weiter verschlechtert werden.
Durch so genannte Ausgleichs- und Ersatzflächen müssen dabei neue Lebensräume geschaffen werden, um Eingriffe in die Natur zu kompensieren. „Die Flächen sind so auch ein unverzichtbarer Bestandteil für einen dringend benötigten und funktionierenden Biotopverbund. Dieser hat nicht zuletzt durch die gesetzliche Verankerung über das Volksbegehren Artenvielfalt eine noch größere Bedeutung bekommen.
Gesetzlich vorgeschriebene Kompensationsmaßnahmen werden allerdings häufig nur unzureichend oder gar nicht umgesetzt“, so der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Der LBV hat daher ein bayernweites Projekt gestartet, um Ausgleichs- und Ersatzflächen zu untersuchen und auf Missstände, aber auch auf Erfolgsgeschichten aufmerksam zu machen.
Probleme fangen bereits bei der Planung an
Die Pflicht einen Eingriff in die Natur auszugleichen ist gesetzlich in der Eingriffsregelung verankert, die 1976 über das Bundesnaturschutzgesetz eingeführt wurde. Auf Landesebene wird die Umsetzung dieser Regelung seit 2014 in der bayerischen Kompensationsverordnung und im Baurecht seit 2001 im Leitfaden „Bauen im Einklang der Natur“ konkretisiert. Auf Ausgleichs- und Ersatzflächen müssen demnach Maßnahmen durchgeführt werden, welche die Flächen ökologisch aufwerten.
Darunter fallen das Anlegen und die Pflege von Streuobstwiesen und Magerrasen oder auch die Renaturierung von Gewässern. „LBV-Studien, wie 2017 im Landkreis Landshut, sowie auch andere wissenschaftliche Arbeiten, wie 2016 aus dem Landkreis Passau, zeigen, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Kompensation häufig nicht eingehalten werden“, so Norbert Schäffer.
Die Probleme fangen bereits bei der Planung der Flächen an. Die in der Eingriffsgenehmigung formulierten Zielsetzungen und Pflegemaßnahmen passen häufig nicht zum Standort. In einigen Fällen werden Maßnahmen zur Pflege der Fläche ergriffen, allerdings bleiben die Resultate deutlich hinter den festgeschriebenen Zielzuständen zurück.
Im schlimmsten Fall werden ausgewiesene Kompensationsflächen sogar überhaupt nicht angelegt oder weiterhin unverändert land- und forstwirtschaftlich genutzt. „Aufgrund der bisher veröffentlichten Studien müssen wir leider auch davon ausgehen, dass nur etwa 25 Prozent der Kompensationsflächen qualitativ dem Zustand entsprechen, der in der jeweiligen Eingriffsgenehmigung festgelegt wurde“, sagt der LBV-Geschäftsführer Helmut Beran.
„Dieses massive Vollzugsdefizit hat seine Ursache darin, dass die Zuständigkeiten in Bayern für die Kontrollen auf viele Schultern, nämlich die verschiedenen Genehmigungsbehörden verteilt sind und es keine einheitliche Fachkontrolle gibt.“
Flächen werden nicht gemeldet
Alle Bürger*innen haben ein Recht auf Einsichtnahme in Planung und Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen ihrer Heimatgemeinde. Die Ausübung dieses Rechts und die in den Studien vielfach geforderte Überprüfung und Kontrolle von Kompensationsflächen werden allerdings durch eine unvollständige Datengrundlage erschwert.
Nach bayerischem Naturschutzgesetz sind Genehmigungsbehörden und Gemeinden dazu verpflichtet, alle Kompensationsflächen an das Landesamt für Umwelt (LfU) zu melden. Das LfU soll Lage und Zugehörigkeit der Ausgleichs- und Ersatzflächen im Ökoflächenkataster (ÖFK) zentral erfassen und die Informationen so öffentlich zugänglich machen. Vor allem auf kommunaler Ebene wird der Meldepflicht jedoch häufig nicht nachgekommen. Dadurch sind im ÖFK bei weitem nicht alle Kompensationsflächen erfasst.
Dies erschwert die Informationsbeschaffung erheblich. „Nach unseren Informationen gibt es leider immer wieder Fälle, in denen die Gemeinden selbst den Überblick über Anzahl und Lage ihrer Ausgleichsflächen verloren haben“, so der LBV-Vorsitzende.
Ziele des LBV
Die systematische Missachtung gesetzlicher Vorschriften zu Kompensationsmaßnahmen können wir so nicht weiter hinnehmen. Da müssen sich endlich alle an die Spielregeln halten. Wir werden darum in Zukunft konsequent die Missstände aufzeigen, aber wir werden auch zeigen, dass eine gelungene Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen möglich ist“, erklärt Schäffer.
Der LBV wird im Rahmen des neuen Projekts Positiv- und Negativbeispiele von Ausgleichs- und Ersatzflächen vorstellen. Dadurch soll in den kommenden Jahren eine deutliche Verbesserung in der Umsetzung der Kompensationsregelung durch Politik und Verwaltung erreicht werden. „Für die bayerische Natur fordern wir, dass zukünftig alle Ausgleichsmaßnahmen zuverlässig umgesetzt sowie ans Ökoflächenkataster gemeldet werden“, so LBV-Geschäftsführer Helmut Beran.
„Zudem streben wir eine gesetzliche Pflicht für die Verursacher der Eingriffe in die Natur an, den Genehmigungsbehörden die erfolgreiche Umsetzung ihrer Ausgleichsverpflichtungen nachzuweisen. Das Fachpersonal der Naturschutzbehörden muss die Maßnahmen fachlich abnehmen und dafür zusätzliches Personal eingestellt werden“, sagt Beran weiter.
Hintergrund zum Projekt
Im Projekt „Ausgleichs- und Ersatzflächen“ will der LBV sowohl auf die unzureichende als auch auf die vorbildliche Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen aufmerksam machen. Die Grundlage dafür bildet eine Zusammenstellung von Positiv- und Negativbeispielen für Ausgleichs- und Ersatzflächen.
Ziel ist, neben der Sensibilisierung der Öffentlichkeit, dass die Verwaltungsprozesse bezüglich Festlegung, Umsetzung und Kontrolle der Kompensationsflächen dauerhaft funktionsfähig werden.
Der LBV fordert die konsequente Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Kompensation von Eingriffen in die Natur durch Politik und Verwaltung.