LBV lehnt geplante „Giga-Factory“ im Moorgebiet bei Tirschenreuth ab

Erste Entwürfe zeigen Ausmaß der geplanten Naturzerstörung und des massiven Flächenverbrauchs – Hotspot der Artenvielfalt bedroht

Seit Oktober 2020 ist bekannt, dass eine „GIGA-Factory“ für Holzhäuser in einem Moorgebiet südlich von Tirschenreuth gebaut werden soll. Nach knapp drei Jahren wurden jetzt die Pläne für das über 37 Hektar große Vorhaben am Engelmannsholz erstmals öffentlich ausgelegt. Der LBV kritisiert diese Pläne wegen der Folgen für Arten- und Klimaschutz.

Moor Engelmannsholz Langer Damm | © Christoph Bauer © Christoph Bauer
Moore und Wälder sind die wichtigsten Kohlenstoffspeicher, um die Klimakrise einzudämmen.

„Es ist absurd, für den Bau klimafreundlicher Holzhäuser einen Klimaschutzwald mit zahlreichen, seltenen Arten zu roden und dabei noch ein unmittelbar angrenzendes Moor massiv zu gefährden. Moore und Wälder sind die wichtigsten Kohlenstoffspeicher, um die Klimakrise einzudämmen und unseren Kindern eine echte Zukunftsperspektive zu geben“, sagt LBV-Geschäftsführer Helmut Beran. Aus Sicht des LBV ist das Vorgehen in Tirschenreuth ein weiteres Negativbeispiel für den ungebremsten Flächenfraß in Bayern. Im Rahmen seiner Kampagne #Zukunftsperspektiven setzt der LBV hier klare Ziele: Bis 2025 sollen nur noch fünf Hektar täglich neu verbraucht werden, bis 2030 ist der Wert auf null zu reduzieren. In diesem Zusammenhang fordert der LBV die Ausweisung von neuen Industrie- und Gewerbeflächen in öffentlichen Wäldern sofort zu stoppen.

Bau der "GIGA-Factory" hat unmittelbare Folgen für die Artenvielfalt

Für das geplante Industriegebiet müssten nach jetzigem Stand mindestens 26 Hektar Wald im Eigentum der Stadt Tirschenreuth gerodet werden. Die Zerstörung dieses Waldes wird unmittelbare Folgen für Artenvielfalt, Wasserhaushalt und menschliches Wohlbefinden haben. „Öffentliche Wälder haben eine herausragende Funktion für das Gemeinwohl: Sie sind Erholungsort und wichtige Stellschraube im Klimaschutz. Es ist unverantwortlich, diese Wälder als reine Verfügungsmasse für kommunalpolitische Begehrlichkeiten zu betrachten“, stellt Helmut Beran klar. Der LBV kritisiert auch, dass Standortalternativen mit benachbarten Gemeinden nicht geprüft wurden.

Rund um das vor 30 Jahren renaturierte Moorgebiet wurden laut Gutachten des von der Stadt Tirschenreuth beauftragten Planungsbüros NRT 232 Arten nachgewiesen. Davon stehen 91 Arten auf der Roten Liste oder sind nach nationalem oder EU-Recht streng geschützt. „Zahlreiche Arten wie Kreuzotter, Moorfrosch und viele Fledermausarten besitzen aufgrund ihrer Seltenheit bayernweite Bedeutung. Vom Großen Abendsegler, einer sehr seltenen Fledermausart, gibt es bayernweit nur vier Fortpflanzungsstätten. Eine dieser Wochenstuben befindet sich im Engelmannsholz“, sagt LBV-Bezirksgeschäftsführer Christoph Bauer. Wenn Bayerns Natur für Bauvorhaben weichen muss, sind Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle durchzuführen. Für streng geschützte Arten müssen diese Maßnahmen laut Naturschutzgesetz noch vor dem ersten Spatenstich nachweislich wirksam sein. Viele der Arten im Engelmannsholz sind jedoch extrem ortstreu und lassen sich nicht einfach umsiedeln, betont der LBV.

Moorgebiet wurde in den 1990ern erst erfolgreich renaturiert

Wenn für Bauvorhaben große Flächen versiegelt werden, hat das auch Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. Die vorgelegten Gutachten bestätigen, dass das Engelmannsholz einen sehr hohen Grundwasserstand aufweist und außerordentlich empfindlich gegenüber Schadstoffeinträgen ist. „Gerade bei Starkregenereignissen besteht die Gefahr, dass schadstoffbelastetes Oberflächenwasser von der GIGA-Factory in das angrenzende Moor gelangt und dieses schwerwiegend schädigt“, so Christoph Bauer.

Der LBV hat Anfang Juni ein Raumordnungsverfahren für die „GIGA-Factory“ beantragt, was seitens der Regierung der Oberpfalz abgelehnt wurde. „Wir können nicht nachvollziehen, weshalb ein Großprojekt mit so weitreichenden überörtlichen Folgen, wie einer drastischen Zunahme des Personen- und Schwerlastverkehrs, ausschließlich auf gemeindlicher Ebene geprüft werden soll“, kritisiert LBV-Geschäftsführer Helmut Beran.

Hintergrundinformationen:

Bei der GIGA-Factory handelt es sich um ein Holz-Kompetenzzentrum, das auf einer Fläche von 37 Hektar südlich der Kreisstadt Tirschenreuth entstehen soll. In dem Industriegebiet sollen Produktionshallen für die Holzhäuser, eine Musterhaussiedlung und großflächige Parkplätze entstehen. Die GIGA-Factory grenzt unmittelbar an ein Moorgebiet, das in den 1990er Jahren erfolgreich renaturiert wurde.

 

#Zukunftsperspektiven

Wie steht es um die Zukunft der Natur in Bayern? Wie können wir den beiden großen Krisen Klimawandel und Artensterben beim Klima- und Artenschutz wirkungsvoll begegnen? Mit unserer großen wissenschaftlichen Fachexpertise wissen wir, wie wir krisenresistenter werden. Es gibt Perspektiven, denn Naturschutz ist Krisenvorsorge.

Das Ziel: wer unsere geforderten Maßnahmen umsetzt, verbessert damit die Perspektiven unserer Kinder und deren Kinder für eine lebenswertere Zukunft. Wenn wir den Flächenfraß stoppen, die erneuerbaren Energien naturverträglich ausbauen, Bäche renaturieren und die umweltschädliche Förderung von Skianlagen abschaffen, geben wir Bayerns Natur wieder echte Zukunftsperspektiven. #Zukunftsperspektiven ist eine Initiative des LBV im Landtagswahljahr 2023.

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© Ralph Sturm

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