Kurztrips von Wally und Bavaria nach Österreich

Bartgeier fliegen erstmals über die deutsche Grenze – Ausgewilderte Geier entwickeln neue Fertigkeiten und verbessern Flugvermögen

Die ersten vor zehn Wochen in Deutschland ausgewilderten Bartgeier Wally und Bavaria unternehmen nun vereinzelt Vorstöße ins benachbarte Österreich. Die beiden Bartgeier vergrößern somit ihr Fluggebiet stetig bis über die Landesgrenze, die von ihrer Auswilderungsnische nur einen Kilometer nordwestlich entfernt liegt. Am 10. Juni hatten wir zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden im Klausbachtal die ersten Bartgeier über 100 Jahre nach ihrer Ausrottung in Deutschland ausgewildert.

Bartgeier Wally fliegend | © Michael Wittmann © Michael Wittmann
Bartgeier Wally fliegend

Größere Reichweite bedeutet allerdings auch höheres Risiko einer Bleivergiftung

„Mit diesen Ausflügen verlassen die Bartgeier allerdings zeitweise den garantiert sicheren Nationalpark Berchtesgaden und sind beim Auffinden eines Tierkadavers direkt der Gefahr von Bleivergiftungen ausgesetzt", sagt LBV-Bartgeierexperte David Schuhwerk

Im Schutzgebiet des Nationalparks wird seit Jahren ausschließlich mit bleifreier Munition gejagt. Auch wenn die Saalforsten in Österreich, die von den Bayerischen Staatsforsten geführt werden, ebenfalls bleifrei jagen, kann es in anderen angrenzenden, österreichischen Regionen zu Vergiftungen mit bleihaltiger Munition kommen.

Auch Suchflüge nach Nahrung werden trainiert


Die Mitarbeiter*innen des Nationalparks und des LBV haben mittlerweile mehrere Futterplätze im Bereich der Halsgrube angelegt. Diese liegen in Geländestrukturen wie Felsrinnen, Lawinenstrichen und Geröllhalden, in denen die Geier auch sonst tote Tiere finden würden.

„Durch das gezielte Auslegen des Futters soll bei den Bartgeiern eine Verbindung zwischen Nahrung und solchen Geländeformen hergestellt werden, um sie für ihre späteren Suchflüge mit hilfreichem Vorwissen zu trainieren. Den ersten dieser Futterplätze, an denen ausschließlich im Zuge der Wildbestandsregulierung im Nationalpark anfallende, für den menschlichen Verzehr nicht nutzbare Knochen von Gämsen ausgelegt werden, haben Wally und Bavaria bereits entdeckt und suchen ihn nun häufig zum Fressen auf“, erklärt der Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.

Bavaria und Wally Flug | © Richard Straub © Richard Straub
Bavaria und Wally im Flug

Das typische Knochenabwerfen braucht jahrelange Übung


Ein weiteres mit der Nahrung zusammenhängendes Verhalten konnte das Projektteam kürzlich erstmals beobachten. Beide Bartgeier tragen nun vereinzelt Knochen von den angelegten Futterplätzen in den Krallen davon.

„Dieses neue Verhalten ist besonders bedeutend, weil sie eine Vorstufe für das Erlernen des Knochenabwurfs zum Zertrümmern großer Nahrungsstücke darstellt“, erklärt LBV-Projektleiter Toni Wegscheider.

Bald werden im Flug vor allem längere Gamsbeine, aber auch Zweige als Übungsmaterial, auf Felsplatten abgeworfen werden. Das Meistern dieser Verhaltensweise wird allerdings noch mehrere Jahre dauern.

Noch kreisen die beiden Bartgeier in Sichtweite des Klausbachtals; Konflikte mit Steinadlern

Wally und Steinadler - 16 | © Michael Wittmann © Michael Wittmann

Auch das Flugvermögen der beiden Bartgeier hat sich in den letzten Wochen beeindruckend entwickelt. „Nach den ersten Anfängen mit Gleitstrecken von wenigen hundert Metern und 10 Sekunden Dauer sind Wally und Bavaria mittlerweile bis zu einer Stunde durchgehend in der Luft“, berichtet der LBV-Projektleiter Toni Wegscheider.

Mit kaum einem Flügelschlag segeln sie in den Aufwinden der Reiteralm, liefern sich spielerische Luftkämpf miteinander und haben etwas weniger friedliche Kontakte mit dem örtlichen Steinadlerpaar.

Die stark gestiegene Flugdauer und -höhe ermöglicht Wandernden, die beide Geier vereinzelt bereits vom Talboden des Klausbachtals mit bloßem Auge zu sehen.

Gefahr Bleivergiftung: Bereits geringe Mengen sind fatal

Steinadler - Beispiel Bleivergiftung | © Hans-Joachim Fünfstück © Hans-Joachim Fünfstück
Ein Steinadler, der an Bleivergiftung gestorben ist

Große Greifvögel, wie Stein- und Seeadler und insbesondere auch Bartgeier, sind extrem empfindlich gegenüber Bleivergiftungen. Diese können sie sich durch die Aufnahme von Überresten von Wildtieren zuziehen, die mit bleihaltiger Munition erlegt wurden.

„Bereits geringe Mengen sind fatal, weil sich Blei im Körper anreichert und dadurch zu immer stärkeren Vergiftungserscheinungen führt. Unter anderem wird das Nervensystem geschädigt, die Tiere sind geschwächt und erleiden tödliche Unfälle oder verhungern“, erklärt David Schuhwerk.

Bartgeier sind hierbei besonders betroffen, weil sie selbst für Greifvögel eine extrem starke Magensäure besitzen, welche die Bleiaufnahme begünstigt. „Besonders dramatisch ist im Fall der Bartgeier vor allem, dass sie sehr selten sind und sich äußerst langsam fortpflanzen. Der Verlust eines jeden Individuums trifft die derzeitige Population in den Alpen besonders hart“, so der LBV-Bartgeierexperte.

Bartgeier-Führungen bis Ende August buchbar

Noch bis mindestens Ende August haben Interessierte die Möglichkeit, Wally und Bavaria bei ihren Übungsflügen im Klausbachtal zu beobachten. Der Bartgeier-Infostand in der Halsgrube ist weiterhin täglich von 10 bis 16 Uhr besetzt. Solange zumindest ein Bartgeier regelmäßig vor Ort ist, bietet der LBV jeden Dienstag um 9 Uhr an der Nationalpark Infostelle Hintersee kostenlose Führungen zu den Geiern an.

Um Anmeldung unter wird gebeten.

Auch auf den jeden Donnerstag um 10 Uhr von gleicher Stelle aus stattfindenden Adler- und Geierführungen des Nationalparks hat man gute Chancen, einen der großen Greife am Himmel zu entdecken.

 

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© Ralph Sturm

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