Kritik an Fällungen im Naturschutzgebiet:

„Ordnungsgemäß“ heißt nicht naturnah!

Auch in Naturschutzgebieten ist kein Baum sicher vor Harvester und Kettensäge – nicht einmal im Umfeld des Nationalen Naturmonuments Weltenburger Enge.

Holzeinschlag in Hirschberg | ©Christian Stierstorfer ©Christian Stierstorfer
Schweres Gerät und Motorsägen wüteten in einigen Beständen der bekannten Naturschutzgebiete Weltenburger Enge und Hirschberg/Altmühlleiten.

„Im Zuge der ‚ordnungsgemäßen Forstwirtschaft‘ wurden bis Ende Februar in den Schutzgebieten Weltenburger Enge und Hirschberg/Altmühlleiten wie in jedem normalen Forst Bäume ,geerntet‘“, sagt der LBV-Waldreferent Dr. Christian Stierstorfer. Der LBV fordert, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: „In Naturschutzgebieten, aber auch in europäischen Natura-2000-Gebieten, muss die Natur endlich Vorrang haben. Die Naturwälder sollen sich weitgehend ohne forstliche Nutzung entwickeln können“, so der Biologe.

In Naturschutzgebieten werden ganz legal buchen und Eichen gefällt

Holzeinschlag in der Weltenburg Enge | ©Christian Stierstorfer ©Christian Stierstorfer
Bilder wie diese sind leider trauriger Alltag in den meisten Schutzgebieten.

Wer in den letzten Tagen in den bekannten Naturschutzgebieten Weltenburger Enge und Hirschberg/Altmühlleiten Erholung suchte, fand diese nur eingeschränkt: Schweres Gerät und Motorsägen wüteten in einigen Beständen.

Was mancher Laie angesichts der vielen Wander- und Infotafeln, sowie der allgegenwärtigen Schilder mit dem Aufdruck „Naturschutzgebiet“ womöglich als illegalen Holzdiebstahl ansieht, ist leider trauriger Alltag in den meisten Schutzgebieten: Fast überall ist die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft erlaubt. Auch in Naturschutzgebieten wie aktuell rund um die berühmte Weltenburger Enge wurden– ganz legal - vor allem Buchen, aber auch Eichen gefällt.

Die Natur muss Vorrang haben

Weltenburger Enge. Von einem Hügel aus sieht man durch die Bäume auf einen Fluss hinab | © Peter Bria © Peter Bria
Blick auf die Donau aus der Weltenburger Enge

„In Naturschutzgebieten muss die Natur Vorrang haben. Die Menschen fragen sich, wozu die Flächen als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind, wenn in ihnen ähnlich gewirtschaftet werden kann, wie außerhalb. Der Staatsforst hat hier eine Vorbildfunktion und steht in der Pflicht, vor allem nachdem im Juli des vergangenen Jahres Ministerpräsident Söder eine Abkehr von der Gewinnorientierung bei der staatlichen Waldbewirtschaftung angekündigt hat.“ sagt Dr. Norbert Schäffer, der Vorsitzende des LBV.

Weiterhin sagt er angesichts der aktuellen, massiven Holzeinschläge in den beiden Naturschutzgebieten: „Wir sind tief enttäuscht. Das war nicht nötig, da wollte wohl jemand zeigen, wer der Herr im Hause ist. Es geht nicht um ordnungsgemäße Forstwirtschaft – wir haben hier einen Sonderfall. Diese Holzernte mit all ihren negativen Folgen für die Natur in unmittelbarer Nachbarschaft zum neuen Nationalen Naturmonument und im Naturschutzgebiet ist inakzeptabel.

Der Forstwirtschaft muss bewusst sein, wie die öffentliche Reaktion ausfällt.“ Der LBV-Vorsitzende begrüßt deshalb den angeordneten Fällungsstopp und die wissenschaftliche Untersuchung der bereits gefällten Bäume. Er bedauert jedoch, dass erst ein öffentlicher Protest notwendig war und der bereits entstandene Schaden nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Sogar Totholzstämme werden geschnitten

Holzeinschlag. große Mengen an gefälltem Holz liegen auf dem Waldboden. | ©Christian Stierstorfer ©Christian Stierstorfer
Besonders verärgert ist Dr. Christian Stierstorfer darüber, dass im Zuge der Fällung mächtiger Buchen auch starke Totholzstämme geschnitten wurden.

Dr. Christian Stierstorfer, LBV-Waldreferent, sah sich in den letzten Tagen mehrere Eingriffsflächen mitten in den Naturschutzgebieten an. Besonders verärgert ist er darüber, dass im Zuge der Fällung mächtiger Buchen auch starke Totholzstämme geschnitten wurden. „Das Fällen solcher für viele seltene Arten lebenswichtiger Biotopstämme würde man sogar in einem normalen Forst kritisieren, im Naturschutzgebiet aber ist das ein absolutes No-Go“, so der Biologe.

Generell ist er über die Buchenernte befremdet. „Wir hätten kein Problem damit, wenn die forstlichen Eingriffe den Umbau von naturfernen Forsten hin zu Naturwäldern als zentrales Ziel hätten. Das hier aber ist ganz normale Holzernte mitten im Naturschutzgebiet“, so Christian Stierstorfer. Dem Buchenwald im Naturschutzgebiet wird durch die fortgesetzte Holzernte die Möglichkeit genommen, all jene Strukturen zu entwickeln, die typisch sind für Naturwälder.

Eingriffe im Naturschutzgebiet sollten ausschließlich naturschutzfachlichen Zielen dienen

gefällter Biotopbaum | ©Christian Stierstörfer ©Christian Stierstörfer
Besonders verärgert ist Dr. Christian Stierstorfer darüber, dass im Zuge der Fällung mächtiger Buchen auch starke Totholzstämme geschnitten wurden.

Auch zahlreiche Eichen wurden gefällt. Der Erhalt Eichen-dominierter Wälder muss aber differenziert gesehen werden. Gezielte Eingriffe zugunsten der Eichen, wie zum Beispiel die Entnahme einiger Buchen, sind aus Naturschutzsicht durchaus sinnvoll. Allerdings sollten diese Eingriffe im Naturschutzgebiet ausschließlich naturschutzfachlichen Zielen dienen und nicht die normale Stammholzernte im Fokus haben. „Um einen Eichenwald zu erhalten, muss man keine Eichen fällen“, so Stierstorfer.

Der LBV fordert, dass in den Schutzgebieten bei sämtlichen forstlichen Eingriffen naturschutzfachliche Zielsetzungen im Zentrum stehen müssen. Für bestehende naturnahe Buchenwälder in den Schutzgebieten ist die Nutzungsfreiheit anzustreben. Erst wenn das gesamte Spektrum natürlicher Waldentwicklung und dynamischer Prozesse zugelassen werden, ist gewährleistet, dass die typische Waldartenvielfalt bewahrt werden kann.

Naturnah bewirtschaftete Forste und nutzungsfreie Naturwälder würden sich ideal ergänzen, wenn in den Nutzwäldern rund um die Schutzgebiete teils andere Schwerpunkte gesetzt werden und zum Beispiel auch vermehrt lichtliebende Arten vom Holzeinschlag profitieren. In diesem Zusammenhang ist das regionale Naturschutzkonzept des Forstbetriebes Kelheim mit vielen positiven Ansätzen durchaus zu begrüßen.

Naturschützer hoffen auf die Novellierung der Naturschutzgebietsverordnungen

Die normale „ordnungsgemäße“ Stammholzernte mit schweren Maschinen in den naturnahen Beständen der Schutzgebiete lehnt der LBV ab. Dabei geht es auch um die wichtige Signalwirkung, dass endlich die bestehenden Defizite bei der Ausweisung von Naturwaldflächen beherzt angegangen werden müssen. Norbert Schäffer formuliert es so: „Es macht schon nachdenklich, dass wir noch immer sogar in Schutzgebieten um jeden Hektar Naturwald streiten müssen.

Gerade bei den Buchenwäldern im Flachland haben wir noch großen Nachholbedarf.“ Der LBV sieht im Bereich des Forstbetriebes Kelheim mit seinen ausgedehnten naturnahen Beständen in den Naturschutzgebieten ein großes Potential für weitere nutzungsfreie Wälder neben den bestehenden Naturwaldreservaten. Das wäre letztlich auch eine Aufwertung des Umfeldes für das Nationale Naturmonument Weltenburger Enge, das kürzlich von Ministerpräsident Söder persönlich eingeweiht wurde.

Es nimmt jedoch nur eine relativ kleine Fläche von knapp 200 Hektar entlang der Donau ein. Die Hoffnung der Naturschützer ist, dass im Zuge der Novellierung der Naturschutzgebietsverordnungen Naturwälder eine zentrale Rolle spielen, also weitere naturnahe, buchendominierte Bestände aus der Nutzung genommen werden.

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© Ralph Sturm

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