Gefährliche Gifte und skrupellose Methoden: Jahresbilanz im Projekt „Tatort Natur“

Auch 2024 wieder zahlreiche Fälle von Naturschutzkriminalität in Bayern – LBV und GLUS gehen von hoher Dunkelziffer aus

Von der Kamikazetaube bis zum vergifteten Uhu: Zahlreiche Fälle von Naturschutzkriminalität haben der LBV und die Gregor-Louisoder Umweltstiftung (GLUS) im Rahmen ihres gemeinsamen Projekts „Tatort Natur“ im Jahr 2024 registriert. Die traurige Jahresbilanz beinhaltet neben zwölf nachweislich vergifteten Großvögeln auch einen Fall, bei dem eine geschützte Vogelart beschossen wurde. Die tatsächliche Zahl der Vergehen dürfte noch deutlich höher liegen.

Toter Weißstorch | © Heike Seefried © Heike Seefried
Einer der zwölf nachweislich vergifteten Großvögel dieses Jahr war dieser Weißstorch. Er starb an einer Vergiftung mit Ibuprofen, dass er wohl auf einer Müllkippe fraß.

Kein einziger der Täter konnte bisher zur Rechenschaft gezogen werden. Das zeigt, wie groß der Handlungsbedarf weiterhin ist. Gemeinsam setzen LBV und GLUS ihr Engagement auch 2025 fort, indem sie alle bekannten Naturschutzdelikte konsequent zur Anzeige bringen und auf eine stärkere Strafverfolgung drängen.

Der LBV dokumentierte 2024 insgesamt 50 tote Großvögel, bei denen ein Verdacht auf illegale Aktivitäten bestand. Ist die Todesursache des Vogels bei einer Obduktion nicht ersichtlich, veranlasst der LBV für gewöhnlich eine toxikologische Untersuchung. In zwölf Fällen ergab diese, dass der tote Vogel an einer Vergiftung verstorben war. Besonders häufig kam dabei das Nervengift Carbofuran zum Einsatz. Dieses Nervengift, das bereits 2007 in der EU verboten wurde, ist hochgefährlich – besonders für Kinder und Haustiere, die schon durch Hautkontakt schwere gesundheitliche Schäden erleiden können. Im Landkreis Erlangen-Höchstadt kam es im März innerhalb von drei Tagen zu einer besorgniserregenden Häufung von drei Fällen, bei denen Greifvögel durch Carbofuran getötet wurden. Der LBV und engagierte Privatpersonen vor Ort haben für Hinweise, die zur Aufklärung der Taten führen, eine Belohnung in Höhe von 3.000 Euro ausgelobt. Die Straftaten beschränkten sich jedoch nicht auf Mittelfranken. Auch in Oberbayern, Niederbayern, der Oberpfalz und Schwaben konnten Vergiftungen von Großvögeln nachgewiesen werden.

Unbeabsichtigte Vergiftungen als zusätzliches Problem

Auffällig war im Jahr 2024 die hohe Anzahl an sekundären und fahrlässigen Vergiftungen. So starb beispielsweise ein Weißstorch im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, weil er Ibuprofen gefressen hatte. Das Schmerzmittel verursacht tödliche Nierenschäden und Blutungen bei Vögeln. Bei einem Rotmilan im Oberallgäu und einem Habicht bei Ansbach wurden Vergiftungen mit Pentobarbital nachgewiesen. Der Arzneistoff wird in der Tiermedizin zum Einschläfern von Haustieren verwendet. Werden diese Haustiere widerrechtlich in der freien Natur beigesetzt, graben Aasfresser die Kadaver oft wieder aus und sterben an dem im Tierkörper noch enthaltenen Gifte. Ein weiteres Problem sind Rattengifte wie Brodifacoum. Ein Uhu und ein Rotmilan verendeten im Laufe des vergangenen Jahres nachweislich daran. Ratten fressen das Gift, sterben aber erst nach mehreren Tagen. In dieser Zeit können sie von Greifvögeln erbeutet werden, die sich dadurch selbst vergiften und zu Tode kommen.

 

Mit Carbuforan präparierte Taube aus Nittendorf | © Ferdinand Baer © Ferdinand Baer
In Nittendorf wurde eine Taube mit Carbuforan präpariert.

Verstümmelte Tauben als Köder und Armbrust-Attacke

Besonders schockierend für den LBV war im vergangenen Jahr ein Fall im Landkreis Regensburg. Dort fand eine Spaziergängerin im November eine flugunfähige Zuchttaube und brachte sie nach Regenstauf in die Vogelauffangstation des LBV. Es stellte sich heraus, dass das Tier absichtlich verstümmelt und mit dem Gift Carbofuran präpariert worden war, um einen Wanderfalken oder Habicht zu ködern und zu töten. Der LBV arbeitet in diesem Fall eng mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen, um den Täter zu stellen. Einen weiteren Fall solcher „Kamikazetauben“ gab es vermutlich bereits im August im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Dort wurde ein toter Mäusebussard neben zwei toten Zuchttauben gefunden. Ebenfalls erschrocken zeigen sich GLUS und LBV von einem Vergehen, bei dem ein bisher Unbekannter mitten in München mit einer Armbrust auf eine Krähe schoss.

Sensibilisierung von Behörden und Gesellschaft bleibt essenziell

Im Rahmen des Projekts führen der LBV und die GLUS auch immer wieder Schulungen rund um Naturschutzkriminalität durch – zum Beispiel an Landratsämtern. Auch der Austausch zwischen Behörden, Ehrenamtlichen und Polizei wird bei Fachtagungen angeregt. Durch die wertvolle Aufklärungsarbeit ist das Thema in vielen Behörden mittlerweile bekannt, und die nötigen Abläufe zur Meldung und Dokumentation haben sich etabliert. Zudem gibt es inzwischen einen Handlungsleitfaden für alle Polizeibehörden in Bayern. Die Sensibilisierung von Gesellschaft, Polizei, Staatsanwaltschaften und Behörden ist entscheidend, um bei der Strafverfolgung tatsächlich Erfolge zu erzielen. Wir hoffen, dass so zukünftig viele der Delikte aufgeklärt werden können. Bisher konnten leider nur in wenigen Fällen Tatverdächtige ausfindig gemacht werden“, erklärt Franziska Baur, GLUS-Fachreferentin für Naturschutz.

 

Alle angegebenen Zahlen sind vorläufig und beziehen sich auf die zwischen Januar und Dezember 2024 vollständig abgeschlossenen Fälle.

Gemeinsames Projekt: „Naturschutzkriminalität dokumentieren und stoppen!“

Ein Großteil der Fälle von Naturschutzkriminalität bleibt ungeklärt und für die Täter folgenlos, was sich dringend ändern muss. LBV und GLUS starteten deshalb 2019 das gemeinsame Projekt „Naturschutzkriminalität dokumentieren und stoppen!“. In einer bayernweiten Datenbank sollen alle (Verdachts-)Fälle von Naturschutzkriminalität gespeichert werden. Als erste Anlaufstelle für betroffene Behörden und die Öffentlichkeit soll die Datenbank fachliche Unterstützung bieten und als Melde- und Informationsplattform dienen. Mit ihrer Hilfe soll außerdem die langfristige Weiterverfolgung einzelner Fälle sichergestellt werden. Mit dem Projekt sollen auch die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und Fortbildungsangebote bereitgestellt werden. Die Dokumentation von Fällen illegaler Verfolgung von Vögeln durch den LBV wird seit 2021 durch das Bayerische Landesamt für Umwelt mit Mitteln des Umweltministeriums finanziert.

Weitere Informationen:
Mehr Infos zum Thema „Naturschutzkriminalität“ und eine Checkliste zum richtigen Verhalten bei einem Totfund mit Verdacht auf illegale Tötung können auf der Seite www.tatort-natur.de heruntergeladen werden. Dort können auch Fälle oder Verdachtsfälle von Naturschutzkriminalität gemeldet werden.

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© Verena Rupprecht

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