Erfolgreicher Jungfernflug von Bartgeier „Bavaria“

Der erste der ausgewilderten Bartgeier hat seine Felsnische verlassen – In den kommenden Wochen im Nationalpark zu beobachten – Offizielle Bartgeier-Führungen buchbar

Genau vier Wochen nachdem wir zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden im Klausbachtal die ersten Bartgeier über 100 Jahre nach ihrer Ausrottung in Deutschland ausgewildert haben, hat heute das erste der beiden jungen Bartgeierweibchen die Felsnische verlassen. 

Bavarias erste Rast in Freiheit. Unser LBV-Ehrenamtler Richard Straub konnte diese Aufnahmen einfangen - das erste Video eines deutschen Bartgeiers in Freiheit! Vielen Dank Richard!!

Erstflug "unerwartet elegant"

Bavaria nach ihrem ersten Flug in einem Fels unterhalb der Auswilderungsnische | © Toni Wegscheider © Toni Wegscheider
Bavaria nach ihrem ersten Flug in einem Fels unterhalb der Auswilderungsnische

„Heute Morgen hat uns Bavaria um 5.19 Uhr alle überrascht. Der Nationalpark-Praktikant Sebastian aus unserem Beobachtungsteam hatte die üblichen morgendlichen Flugübungen gerade protokolliert, als Bavaria mit ein paar wenigen kräftigen Flügelschlägen wie ein Senkrechtstarter plötzlich aufstieg und wie aus dem Nichts aus der Nische segelte. Nun ist der Bartgeier wieder ein Teil unserer faszinierenden Natur in den bayerischen Alpen und wir sind überglücklich, dass alles so gut geklappt hat“, sagt der LBV-Projektleiter und Bartgeierexperte Toni Wegscheider.

Der Jungfernflug der jungen Bartgeierdame verlief unerwartet elegant und nachdem sie nach 100 Metern sogar noch eine Kurve flog, landete sie außer Sichtweite in einer Wiese. „Beim Bartgeier ist der erste Ausflug kein völlig erhabener Moment, sondern eher vergleichbar mit einem erfolgreichen großen Hopser.

Aufgrund seiner Ausmaße kann der größte Vogel der Alpen gar nicht von einem Tag auf den anderen plötzlich anfangen, schon wie der König der Lüfte zu segeln“, erklärt Wegscheider. Bis der zweite Jungvogel zum ersten Flug ansetzt, ist es nur noch eine Frage der Zeit: „Wenn der erste Bartgeier einmal ausgeflogen ist, hat das einen Zugeffekt auf den Zweiten und so wird Wally in den nächsten Tagen wohl bald nachziehen und Bavaria folgen“, so der Nationalpark-Projektleiter Jochen Grab.

Wally live per Webcam mitverfolgen können Sie HIER sowie auf der Webseite des Nationalparks Berchtesgaden.

Die ersten Flüge sind eher Gleitflüge von zunächst 50 - 100 Metern

In den vergangen vier Wochen haben die beiden Bartgeierweibchen ihr Flugtraining in der gesicherten Auswilderungsnische von Tag zu Tag intensiviert. Beide waren am Tag ihrer Auswilderung am 10. Juni noch nicht flugfähig, hatten sich aber sehr gut entwickelt und sowohl an Gewicht als auch an Flügelspannweite zugelegt.

„Die meisten ausgewilderten jungen Bartgeier machen zwischen dem 120. und 125. Lebenstag ihren Jungfernflug. Bavaria konnte es aber wohl einfach nicht mehr erwarten und startete schon mit 119 Tagen in die Freiheit“, sagt Toni Wegscheider. Im Anschluss an ihren ersten Flug bewegte sich Bavaria erstaunlich leichtfüßig durchs Gelände, hatte sie sich doch bis zuletzt eher tapsig in der Felsnische verhalten.

Junge Bartgeier müssen vor dem ersten Ausflug nicht nur ihre Flügel, sondern auch ihre Beine kräftig trainieren. Bei Gleitstrecken von zunächst nur 50 bis 100 Metern können sie gerade in der ersten Woche nach der Landung nicht immer gleich wieder starten. Stattdessen müssen sie regelmäßig mühsam erst den Berg zum nächsten geeigneten, höhergelegenen Abflugpunkt wieder aufsteigen, um erneut in die Luft zu starten.

Flugübungen von Wally

„Das sind jetzt noch keine Präzisionsflieger. Jeder Tag mehr Entwicklung in der Nische bringt Vorteile, die man sich als Betreuer wünscht, denn umso stressfreier wird es für alle Beteiligten. Je später sie ausfliegen, desto eleganter geht es und desto sicherer sind sie vor möglichen Bedrohungen, weil sie dann auch nicht mehr so lange in Wiesen herumsitzen und nur wenig fliegen“, weiß der LBV-Biologe.

Futter wurde rund um die Nische ausgebracht

Letztes gemeinsames Foto von Wally und Bavaria von der Fotofalle | © Nationalpark Berchtesgaden/LBV © Nationalpark Berchtesgaden/LBV
Letztes gemeinsames Foto von Wally und Bavaria aus der Fotofalle

In Vorbereitung auf den ersten Ausflug hat das Bartgeier-Team von Nationalpark und LBV bereits in direkter Umgebung der Nische Futter ausgebracht, das auch fußläufig für die beiden Geier erreichbar ist. „Die Knochen werden so ausgelegt, wie die Bartgeier sie in der Natur finden würden, also nicht einfach in der Wiese, sondern zum Beispiel in Rinnen wo auch sonst das Fallwild zum Erliegen kommt“, so Jochen Grab.

In die Nische werden die Projektmitarbeiter nach dem baldigen Ausflug von Wally keine Knochen mehr werfen, weil auch die Elternvögel in der Natur dann keine Nahrung mehr ins Nest bringen würden. In der direkten Umgebung der Felswand werden die Projektmitarbeiter von LBV und Nationalpark auch in den kommenden Wochen immer vor Ort sein und das Verhalten der beiden Bartgeier weiterhin genauso intensiv überwachen wie bisher.

Für den absoluten Notfall, dass einer der Vögel sich bei seinen Flugübungen verletzt, könnte dann auch eingegriffen werden.

Entwicklung der kommenden Wochen

Die beiden Bartgeierweibchen werden sich zunächst nur im Aufwindbereich der bekannten Felswand aufhalten und sich erst nach ein bis zwei Wochen raus in den Luftraum wagen. Dann werden sie einige Wochen in einem Radius von rund zwei Kilometern um die Nische verbringen.

Mit dem weiteren Aufbau ihrer Flugmuskulatur werden ihre Flugversuche dabei sukzessive eleganter werden. „Die erste Woche wird dabei sehr mühsam, doch danach wird man Verbesserungen bemerken und die Manövrierfähigkeit wird sich steigern. Bavaria und Wally werden ihre Beweglichkeit in der Luft immer weiter verbessern“, erklärt Wegscheider. Die Trainingsflüge werden dabei immer besser werden und die Junggeier werden zunehmend mit Thermik und Turbulenzen klarkommen. Nach ein bis zwei Monaten werden sie das Klausbachtal endgültig verlassen und außerhalb des Einflussbereichs der Beobachter nicht mehr zu sehen sein. „Das wird kein einfacher Moment, aber genau das wollen wir ja erreichen“, gibt Wegscheider zu.

Trotzdem werden die Projektmitarbeiter*innen wahrscheinlich noch bis Oktober weiterhin Futter auslegen, denn selbst wenn Geier sich weiter von ihrem Auswilderungsort entfernen, können sie immer für Futter wieder in die Region zurückkehren, sollten sie einmal nichts finden.

So bekommen die Junggeier die Zeit, die sie brauchen, um sich zu entwickeln. „Das ist auch einer der Erfolgsfaktoren dieser Auswilderungsmethode: der Kühlschrank zuhause ist immer gefüllt. Es wird also etwas Essbares zu finden sein werden, auch wenn man erst spät nachts mal vom Studium heimkommt,“ verspricht Wegscheider.

Erst wenn Bavaria und Wally sich länger nicht mehr zeigen, wird das Projektteam aufhören, Knochen für sie auszulegen.

Bavaria und Wally durchs Fernglas erkennen

Bei ihren zukünftigen Ausflügen und Streifzügen durch den Nationalpark Berchtesgaden und später durch die Alpen werden die beiden Bartgeierweibchen in den kommenden zwei Jahren auch dank ihrer eindeutigen Flügelmarkierungen für jede*n mit dem Fernglas zu erkennen sein.

„Dabei lassen sie sich ganz einfach unterscheiden: Wally mit dem Doppel-L im Namen hat ihre zwei unterschiedliche Bleichstellen in derselben Schwinge. Bavaria mit dem V im Namen hat unter anderem zwei gebleichte Federn im Stoß, der als Schwanz ja ähnlich wie ein der Buchstabe V geformt ist“, erklärt Toni Wegscheider.

Bleichmuster Wally

Bleichmuster Wally

 Wally mit dem Doppel-L in den Federn

Bleichmuster Bavaria

Bleichmuster Bavaria

Bavaria mit dem V 

Bartgeier melden!

Wir rufen deshalb alle dazu auf, uns in Zukunft vor allem außerhalb des Auswilderungsbereichs alle Sichtungen der beiden Geier per E-Mail zu melden unter oder per Online-Formular.

Wenn möglich sollte dabei der Geiername, die Flugrichtungen - also woher und wohin - und mögliche Aktivitäten beschrieben werden. „Am wichtigsten ist uns dabei allerdings, dass immer ein Foto oder Video mitgeschickt wird, selbst wenn es nur unscharf mit dem Smartphone aufgezeichnet wurde.“

Flugrouten bald auf einer Karte zu sehen

Sender wird an Bartgeier angebracht | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Vor der Auswilderung haben Bavaria und Wally GPS-Sender bekommen, sodass man ihre Bewegungen außerhalb der Nische nachverfolgen kann

In Kürze werden dank der angelegten GPS-Sender auch die Flugrouten der beiden Bartgeier auf einer Karte auf der LBV-Webseite mitzuverfolgen sein.

Dabei werden die Senderdaten der Öffentlichkeit allerdings mit einer Verzögerung von drei Tagen angezeigt.

„Dies dient der Sicherheit der Vögel und trotzdem erfährt jede und jeder, wo sie überall hingeflogen sind. So können wir zum Beispiel Schlafplätze geheim halten und die Vögel vor zu viel menschlicher Aufmerksamkeit schützen“, sagt Wegscheider.

Zur GPS-Karte

Offizielle Bartgeier-Führungen buchbar

Am offiziellen Bartgeier-Infostand an der Halsalm, der auf einer Wanderroute liegt, können sich in den kommenden Wochen alle Besucher*innen täglich bei den Projektmitarbeitenden erkundigen, wo genau sich Bavaria und Wally gerade im Nationalpark aufhalten und wo man sie beim Beobachten am wenigsten stört.

Vor allem Naturfotograf*innen sind angehalten, großen Abstand zu den beiden Bartgeiern zu halten. Nationalpark-Ranger sind vermehrt im Einsatz, um die jungen Bartgeier vor aufdringlichen Gästen zu schützen. Sowohl der LBV als auch der Nationalpark Berchtesgaden bieten regelmäßig Bartgeier-Führungen an, eine Anmeldung ist erforderlich.

Informationen gibt es unter www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de im Bereich Veranstaltungen sowie unter

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© Ralph Sturm

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