Bartgeier „Wally“ ebenfalls erfolgreich ausgeflogen

Auch der zweite ausgewilderte Bartgeier hat die Felsnische verlassen – Gute Beobachtungsmöglichkeiten in den kommenden Wochen – Offizielle Bartgeier-Führungen buchbar

Vier Tage nachdem mit „Bavaria“ der erste deutsche Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden ausgeflogen ist, hat nun auch der zweite Jungvogel „Wally“ die gesicherte Felsnische verlassen.

Beide Bartgeier-Webcams haben den Moment von Wallys ersten Flug eingefangen.

Schnurstracks 100 Meter weit geflogen

Wally fliegt aus LBV Bartgeierwebcam (1) | © LBV © LBV
Wally fliegt aus der Auswilderungsnische heraus.

„Wally saß am unteren Ende der Nische in der Sonne und ist um 6:18 Uhr einfach schnurstrakts herausflogen. Sie ist dann ungefähr 100 Meter in einem flachen Streckenflug an der Felswand entlanggesegelt und in einer Felsrinne außerhalb unserer Sichtweite gelandet“, sagt der LBV-Projektleiter und Bartgeier-Experte Toni Wegscheider. Beobachtet wurde der Flug vom erfahrensten Bartgeier-Experten Europas, dem Österreicher Michael Knollseisen, der das Team der ersten deutschen Auswilderung regelmäßig unterstützt: „Dies ist bereits meine 21. Auswilderung, die ich begleiten durfte und trotzdem ist jeder Ausflug immer wieder ein absolut ergreifender Moment für mich.“

Nach 100 Jahren gibt es jetzt wieder zwei wilde Bartgeier in Deutschland


Wegen seiner Größe ist der erste Ausflug der Bartgeier kein erhabener Moment, sondern eher vergleichbar mit einem großen Hopser. „Die beiden jungen Bartgeierweibchen sind nun ein Teil der faszinierenden Natur in den bayerischen Alpen und können in den kommenden Wochen beim Flugtraining im Nationalpark beobachtet werden“, so der Nationalpark-Projektleiter Jochen Grab. Am 10. Juni haben wir zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden im Klausbachtal die ersten Bartgeier über 100 Jahre nach ihrer Ausrottung in Deutschland ausgewildert.

 

Bartgeier Bavaria 08.07.2021 | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Bavaria an ihrem ersten Tag in Freiheit

Bei schönem Wetter fliegt Bavaria schon erste Kurven


Bavaria
, die ältere der beiden Bartgeierdamen, war bereits am frühen Donnerstagmorgen erfolgreich ausgeflogen, und zeigte sich von Wallys Ausflug unbeeindruckt. Bavaria frisst weiter regelmäßig das in der Nähe der Nische ausgelegte Futter, viel geflogen ist sie seitdem jedoch noch nicht. „Die meiste Zeit verbrachte sie am Wochenende sitzend, wobei sie sich häufig etwas unsicher hin und her drehte, immer wieder die Flügel öffnete und die Hangwinde studierte“, erzählt Toni Wegscheider. Hebt sie mit ihrer beeindruckenden Größe dann aber doch mal ab, ist sie in der Luft bei ihren derzeitigen Steig- und Kurvenflügen sehr elegant. „Als sie am Samstag zu einem ihrer wenigen Flüge ansetzte, war ein richtiges Raunen in der gesamten Halsgrube zu hören“, berichtet Wegscheider.

Bavaria hält das Projektteam aus LBV und Nationalpark trotzdem auf Trab. „Im Moment übernachtet Bavaria noch gerne in Steinschlagrinnen. Natürlich kann das gefährlich für sie sein und wir hoffen, dass Wally sicherere Übernachtungsplätze auswählt. Heute Abend werden wir sehen, wohin sich Wally für ihre erste Nacht zurückzieht. Das ganze Bartgeierteam drückt Bavaria und Wally ganz fest die Daumen, dass ihnen nichts zustößt“, hofft Jochen Grab.

Bald wird sich der Flugradius ausweiten

Nachdem Bavaria den Sonntag aufgrund des regnerischen Wetters ohne Thermik mit durchnässten Flügeln sitzend in der Felswand verbracht hat, wird sie heute bei schönem Wetter weitere Startversuche unternehmen und umhersegeln. Da ihr Flugradius bald schon einige hundert Meter betragen wird, haben die Projektmitarbeiter*innen bereits Futter in Nischen in weiterer Entfernung ausgelegt, auch um sie damit vielleicht aus dem Steinschlaggebiet zu locken. Mit dem Ausflug der Vögel, wird auch das Projektteam von LBV und Nationalpark mobiler. „Wally wird sich bei ihrem Flugverhalten sicher an Bavaria orientieren und sich Aufwindbereiche und Futterplätze von ihr abschauen. Vielleicht wird man sie bald auch mal gemeinsam fressen oder in derselben Felsnische übernachten sehen“, sagt Toni Wegscheider.

Bartgeier-Hansuredi-Weyrich-jung (1) | © Hansruedi Weyrich © Hansruedi Weyrich
Ein junger Bartgeier

Hinweise für Besucher und Fotografen


Am offiziellen Bartgeier-Infostand an der Halsalm, der auf einer Wanderroute liegt, kamen am Samstag bereits viele Besucher*innen vorbei, die sich gezielt nach den Aufenthaltsorten der beiden Geierdamen erkundigten und die Aktivitäten der beiden vorher über die Webcams im Internet verfolgt hatten. Projektmitarbeitende geben gerne Tipps, wo man beim Beobachten Bavaria und Wally am wenigsten stört. Vor allem Naturfotograf*innen sind angehalten, großen Abstand zu den beiden Bartgeiern zu halten.

Erste Bartgeier-Führungen buchbar


Nationalpark-Ranger
sind vermehrt im Einsatz, um die jungen Bartgeier vor aufdringlichen Gästen zu schützen. Am Mittwoch findet die erste LBV-Bartgeier-Führung statt, auf der jede*r die beiden Junggeier fliegend erleben kann. Anmeldung und nähere Infos unter bartgeier@lbv.de. Auch der Nationalpark Berchtesgaden bietet regelmäßig Bartgeier-Führungen an, eine Anmeldung ist erforderlich. Informationen gibt es unter www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de im Bereich Veranstaltungen sowie unter

Ein kleiner Tipp wie die beiden Bartgeier sich unterscheiden lassen

Bei ihren zukünftigen Ausflügen und Streifzügen durch den Nationalpark Berchtesgaden und später durch die Alpen werden die beiden Bartgeierweibchen in den kommenden zwei Jahren auch dank ihrer eindeutigen Flügelmarkierungen für jede*n mit dem Fernglas gut zu erkennen sein.

Dabei lassen sie sich ganz einfach unterscheiden: Wally mit dem Doppel-L im Namen hat ihre zwei unterschiedliche Bleichstellen in derselben Schwinge. Bavaria mit dem V im Namen hat unter anderem zwei gebleichte Federn im Stoß, der als Schwanz ja ähnlich wie ein der Buchstabe V geformt ist.

Bleichmuster Wally

Bleichmuster Wally

 Wally mit dem Doppel-L in den Federn

Bleichmuster Bavaria

Bleichmuster Bavaria

Bavaria mit dem V 

Aufruf an alle, Sichtungen von Bavaria und Wally zu melden

Der LBV ruft deshalb alle dazu auf, den bayerischen Naturschützer*innen in Zukunft vor allem außerhalb des Auswilderungsbereichs alle Sichtungen der beiden Geier zu melden per E-Mail  oder per Online-Formular. Wenn möglich sollte dabei der Geiername, die Flugrichtungen - also woher und wohin - und mögliche Aktivitäten beschrieben werden. Am wichtigsten ist dabei allerdings, dass immer ein Foto oder Video mitgeschickt wird, selbst wenn es nur unscharf mit dem Smartphone aufgezeichnet wurde.

Die Reisen der Bartgeier können schon bald auf Karten mitverfolgt werden 


In Kürze werden dank der angelegten GPS-Sender auch die Flugrouten der beiden Bartgeier auf einer Karte auf der LBV-Webseite "Bartgeier auf Reisen" mitzuverfolgen sein. Dabei werden die Senderdaten der Öffentlichkeit allerdings mit einer Verzögerung von drei Tagen angezeigt. Dies dient der Sicherheit der Vögel und trotzdem erfährt jede und jeder, wo sie überall hingeflogen sind. So kann das Projektteam zum Beispiel Schlafplätze geheim halten und die Vögel vor zu viel menschlicher Aufmerksamkeit schützen.

Hintergrund

In den vergangen vier Wochen haben die beiden Bartgeierweibchen ihr Flugtraining in der gesicherten Auswilderungsnische von Tag zu Tag intensiviert. Beide waren am Tag ihrer Auswilderung am 10. Juni noch nicht flugfähig, hatten sich aber sehr gut entwickelt und sowohl an Gewicht als auch an Flügelspannweite zugelegt. Die meisten ausgewilderten jungen Bartgeier machen zwischen dem 120. und 125. Lebenstag ihren Jungfernflug. Junge Bartgeier müssen vor dem ersten Ausflug nicht nur ihre Flügel, sondern auch ihre Beine kräftig trainieren. Bei Gleitstrecken von zunächst nur 50 bis 100 Metern können sie gerade in der ersten Woche nach der Landung nicht immer gleich wieder starten. Stattdessen müssen sie regelmäßig mühsam erst den Berg zum nächsten geeigneten, höhergelegenen Abflugpunkt wieder aufsteigen, um erneut in die Luft zu starten.

In die Nische werden die Projektmitarbeiter*innen von LBV und Nationalpark nun keine Knochen mehr werfen, weil auch die Elternvögel in der Natur dann keine Nahrung mehr ins Nest bringen würden. In der direkten Umgebung der Felswand wird das Projektteam auch in den kommenden Wochen stets vor Ort sein und das Verhalten der beiden Bartgeier weiterhin genauso intensiv überwachen wie bisher. Für den absoluten Notfall, dass einer der Vögel sich bei seinen Flugübungen verletzt, könnte dann auch eingegriffen werden

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© Ralph Sturm

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