„Eine Biosphärenregion hat vielfältige positive Einflüsse auf die Umwelt“

Im Gespräch mit Landrat Thomas Habermann

Landrat Thomas Habermann sitzt an seinem Schreibtisch und lächelt in die Kamera | © Regina Fuchs © Regina Fuchs
Thomas Habermann, Landkreis im Kreis Rhön Grabfeld

Seit Sommer 2022 haben die Landkreise Aschaffenburg, Main-Spessart und Miltenberg sowie die Stadt Aschaffenburg im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geprüft, ob die Einrichtung einer UNESCO-Biosphärenregion Spessart möglich ist. Deren Veröffentlichung hatte für kontroverse Diskussionen gesorgt. Wie ein Biossphärenreservat die Region prägen und voranbringen kann, zeigt die Rhön.

Im Interview mit dem LBV teilt Thomas Habermann, Landrat im Kreis Rhön-Grabfeld, wichtige Erkenntnisse. Für den Spessart sieht der Landrat großes Potenzial. Seiner Erfahrung nach habe die Einrichtung eines Biossphärenreservats keinesfalls nur mit Einschränkungen zu tun: Es sei auch Chance für die Entwicklung von Gemeinden und bringe vielfältige positive Einflüsse für die schützenswerte Natur vor Ort.

„Ich wünsche dem Spessart, dass die derzeit stattfindende Diskussion das Bewusstsein für die Notwendigkeit aber auch für die großen Chancen einer nachhaltigen Entwicklung fördert und eine Vielzahl neuer Projekte und Entwicklungen hervorbringt“, erklärt er im Interview.

Interview

LBV: Welche grundsätzliche Entwicklungschancen sehen Sie für eine Biosphärenregion im Spessart?

Thomas Habermann: Eine Biosphärenregion ist ein Raum, in dem der Mensch leben und wirtschaften soll, ohne diesen negativ zu verändern oder gar zu zerstören. Der Spessart ist eine Region, die in dieser Hinsicht vielerlei Potenzial aufweist. In ökonomischer Hinsicht ist der Spessart durch seine Lage in der Nähe der Metropolregion Rhein/Main ein Raum, in dem nachhaltiges Wirtschaften gut erprobt und weiterentwickelt werden kann. Zum anderen bietet er durch seine reichhaltige Naturausstattung in einer typischen Mittelgebirgsregion viel Potenzial für Projekte zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

Welche Vorteile und welches Potenzial hat die zentrale Lage des Spessarts zwischen Rhein-Main-Region mit Frankfurt und der Frankenregion?

Die beschriebene zentrale Lage des Spessarts in der Mitte Deutschlands in der Nähe zu einem Ballungszentrum macht ihn zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort. Darüber hinaus besteht auch die Verbindung zu den weniger dicht besiedelten, naturräumlich wertvollen fränkischen Regionen. Dem Spessart kann dadurch eine Art Brückenfunktion zwischen Wirtschafts- und Naturräumen zukommen und neue Impulse für das MAB-Programm liefern.

Welche Empfehlungen würden Sie den Kommunen auf ihren jetzt anstehenden Entscheidungsprozessen für oder gegen die Biosphärenregion mitgeben?

Es sollte darauf geachtet werden, dass die begonnene, aus meiner Sicht gute Diskussionskultur, bei der die Sachebene im Vordergrund steht, beibehalten wird. Sicher wird es nicht zu verhindern sein, dass bei der Diskussion auch Emotionen ins Spiel kommen. dennoch darf dies nicht zum Abbruch von Gesprächen führen.

Kommen Einschränkungen in einer Biosphärenregion auf Kommunen zu?

Die Einrichtung einer Biosphärenregion ist nicht automatisch mit Einschränkungen verbunden. Vielmehr bringt die Einrichtung Aufgaben für die betreffenden Kommunen mit sich, wenn es darum geht, eine nachhaltige Entwicklung, wie sie das Ziel einer Biosphärenregion darstellt, zu fördern.

Würden sich Spessart und Rhön als eigenständige Biosphärenregionen negativ beeinflussen oder gar positiv ergänzen?

Auf Grund der recht unterschiedlichen Strukturen und naturräumlichen Unterschiede sehe ich keine Konkurrenzsituation zwischen Rhön und Spessart. Zu erwarten ist vielmehr, dass durch eine bilaterale Abstimmung und einen entsprechenden Informationsaustausch beide Regionen gegenseitig profitieren können. Deshalb habe ich mich auch gerne dazu bereiterklärt, die Errichtung einer möglichen Biosphärenregion Spessart zu unterstützen.

Gab es in der Rhön Kommunen, die im Nachhinein auf den Zug Biosphärenregion aufgesprungen sind, die im Vorfeld skeptisch waren? Sind die Skeptiker von damals heute vielleicht stolz, dabei zu sein?

Die zu Beginn des Biosphärenreservats Rhön teilweise vorhandene Skepsis resultierte weniger aus einer negativen Haltung zu einer Biosphärenregion, sondern vielmehr aus einer Unkenntnis bzw. Ungewissheit über Sinn und Zweck einer Biosphärenregion. Diese Skepsis konnte im Laufe der Jahre überwunden werden. Viele Gemeinden sahen vielmehr die „Aufnahme“ in eine Biosphärenregion als Chance für die gemeindliche Entwicklung, weshalb im bayerischen Teil des Biosphärenreservats Rhön eine Erweiterung vorgenommen werden konnte, durch die weitere Kommunen „Gemeinde im Biosphärenreservat“ werden konnten.

Was waren damals die größten Knackpunkte?

Ein lange ungelöstes Problem in der Rhön war der Mangel an ausgewiesenen Kernzonen. Anders als der Spessart sind die großen Naturschutzgebiete in der Rhön vom Menschen geprägte Kulturlandschaften, die somit als Kernzone nicht in Frage kamen. Diese Problematik konnte schließlich im Rahmen der Erweiterung des Biosphärenreservats Rhön durch die engagierte Mitwirkung der Kommunen gelöst werden.

Welche Unterschiede und Alleinstellungsmerkmale sehen Sie beim Vergleich zwischen Spessart und Rhön?

Die Rhön wird allgemein als „Das Land der offenen Fernen“ bezeichnet und genießt hierdurch einen Ausnahmecharakter bei den Mittelgebirgen. Des Weiteren wird die Rhön durch ihre Lage in drei Bundesländern mit zum Teil unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen geprägt. Die Hochlagen des Spessarts sind dagegen überwiegend bewaldet, was ihn zu einer typischen Mittelgebirgsregion macht. Im Spessart finden sich einmalige Waldbestände, was ihn auch überregional bekannt gemacht hat.

Wie hat sich die Rhön in Bezug auf den Fremdenverkehr entwickelt? Von wo kommen die Gäste, wie weit „strahlt“ das Prädikat BR?

Die Rhön zeigt seit der Gründung des Biosphärenreservates ein kontinuierlich stabiles Niveau mit steigender Tendenz im Bereich des Fremdenverkehrs hinsichtlich Übernachtungen, Ankünfte und regionaler Wertschöpfung. 2019 war mit 1.636.069 Ankünften das bisherige Rekordjahr seit Beginn der Aufzeichnungen. 2023 konnte dieses Ergebnis in einzelnen Teilregionen sogar überboten werden.

Ein Großteil der Gäste kommt aus der Bundesrepublik. Hierbei spielen speziell die Einzugsgebiete im Umkreis von ca. 150 km rund um die Rhön eine Rolle. Die Strahlkraft des Prädikats Biosphärenreservat geht aber weit über die Rhön hinaus. Spezielle Angebote wie z. B. der Sternenpark Rhön oder regionale Produkte wie der Rhöner Biosphärenschinken oder der Biosphärenkaffee sind deutschlandweit bekannte Qualitätsgaranten aus der Region. Ausländische Gäste kommen insbesondere aus den Niederlanden, aus Polen, Dänemark, der Schweiz und Österreich.

Welche Auswirkungen hat die Biosphärenregion auf Natur und Landschaft? Fließen Gelder für Landschaftspflege und Naturschutz? Welche Maßnahmen wurden umgesetzt?

Eine Biosphärenregion hat vielfältige positive Einflüsse auf die Umwelt. So ist beispielsweise die Forschung eine wichtige Aufgabe in einer Biosphärenregion. Die herbei gewonnenen Erkenntnisse kommen unmittelbar auch dem Schutz und der Entwicklung von Natur und Landschaft zugute.

Die Zielsetzungen der Biosphärenregion bilden die Grundlage bzw. den Ursprung für eine Vielzahl von Projekten zur Entwicklung von Natur und Landschaft und zur Umweltbildung. Zu nennen wären hier Projekte wie die Dachmarke Rhön, das Rhönschaf-Projekt, der Sternenpark Rhön, die Rhöner Apfelinitiative, die Einrichtung von Biosphären-Schulen bzw. -Kindergärten und viele mehr. Alle diese genannten Projekte wurden verwirklicht bzw. sie befinden sich derzeit gerade in der Umsetzungsphase.

Sind Mensch und Natur mittlerweile „im Einklang“ gemäß dem Jubiläumsmotto der Biosphärenregion Rhön?

Mir ist nicht bekannt, ob es eine klare Definition dafür gibt, ab wann das Ziel, dass der Mensch im Einklang mit der Natur lebt und wirtschaftet, erreicht ist. Tatsache ist aber, dass wir in der Rhön in dieser Hinsicht auf einem guten Weg sind und wie die durchgeführten Meinungsumfragen zum Biosphärenreservat zeigen, auch die Bevölkerung sich mit den Zielen des Biosphärenreservates identifiziert und dieses positiv bewertet.

Was wünschen Sie dem Spessart?

Ich wünsche dem Spessart, dass die derzeit stattfindende Diskussion das Bewusstsein für die Notwendigkeit aber auch für die großen Chancen einer nachhaltigen Entwicklung fördert und eine Vielzahl neuer Projekte und Entwicklungen hervorbringt.

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