Waldnaturschutz im Spessart - Forderungen des LBV

Wissenschaftlich gestützter Vorschlag für ein zusammenhängendes Laubwaldschutzgebiet

Die Herausnahme des Spessarts aus der Liste der Kandidaten für einen 3. Nationalpark in Bayern im Juli 2017 aus rein politischen Gründen war für uns schwer hinzunehmen. Die Region war unter den verbliebenen Gebieten für einen neuen Nationalpark naturschutzfachlich am besten geeignet. Für den Spessart fordern wir deshalb nun dringend die im Bericht zur damaligen Kabinettssitzung erwähnten zusätzlichen „substanziellen Maßnahmen zur Förderung des Natur- und Artenschutzes“ (Punkt 2.3).  Außerdem haben wir eine ausführliche Broschüre herausgegeben, warum der Spessart unbedingt geschützt werden muss.

Buchen des Spessarts im Herbst | © Dr. Eberhard Pfeuffer © Dr. Eberhard Pfeuffer
Buchen im Naturschutzgebiet Rohrberg im Spessart

Ziel ist eine umfassende Lösung für den Schutz der wichtigsten Flächen im Spessart, wofür wir nach der Auswertung aussagekräftiger Daten einen Schutzgebietsvorschlag an die Staatsregierung richten. Unser Vorschlag eines zusammenhängenden Laubwaldschutzgebiets von mindestens 3.000 Hektar entspräche einer Fläche von knapp drei Prozent der Waldfläche im Bayerischen Spessart.

Waldvögel zeigen hohe Bindung an alte Wälder

Schwerpunkt für ein potentielles Naturschutzgebiet im Spessart

Mit unserem Vorschlag wollen wir unterstreichen, dass es nicht nur darum geht, einen dringend notwendigen neuen Nationalpark in Bayern zu etablieren. Vielmehr wollen wir mit unserem neuen Vorschlag der herausragenden Bedeutung des Spessarts und der besonderen Verantwortung Bayerns zur Sicherung der biologischen Vielfalt auch im nationalen Kontext Rechnung tragen.

Naturschutzfachlich bestens geeignet hierfür ist der Hochspessart nördlich der A3 mit Schwerpunkt um den Heisterblock, großen Flächenanteilen an von den betroffenen Forstbetrieben abgegrenzten Klasse-1-Wäldern (Buche älter als 180 Jahre, Eiche älter als 300 Jahre) und den bereits unter Schutz gestellten Flächen in Naturwaldreservaten und Naturschutzgebieten.

Fachliches Auswahlkriterium waren neben den Vorkommen alter Wälder zudem Nachweise relevanter Arten, die vom Landesamt für Umwelt dokumentiert wurden. Auch wir können Kartierungsergebnisse vorweisen: Wir haben zusätzlich eine eigene Auswertung mit bundesweit bedeutsamen Vorkommen der charakteristischen Waldvögel wie Halsbandschnäpper, Hohltaube und Mittelspecht erstellt. Diese zeigen in der Auswertung eine ausgesprochen hohe Bindung an alte Wälder.

Erhöhung des Anteils an ökologisch funktionalen Trittsteinen

"Heatmap" der Schwerpunkte "alte Wälder" und Arten. Gelb bis orangerote Flächen zeigen die höchste Dichte

Alle Schwerpunkte für alte Wälder und relevante Waldvogelarten wurden zunächst getrennt in einer so genannten „Heatmap“ ermittelt und dann in einer Karte zusammengefasst. Diese zeigt, dass die Bereiche mit den höchsten Populationsdichten im Rohrbrunner Forst, in bestehenden Naturwaldreservaten, wie Eichhall oder Hoher Knuck und Naturschutzgebieten wie Metzgergraben liegen - und somit dort auch der größte Schutzbedarf in der Fläche liegt.

Um diese wertvollen Schwerpunkte haben wir einen Schutzgebietsvorschlag von über 3.300 Hektar abgegrenzt, der zunächst ohne eine exakte Grenzziehung erfolgt. Grundsätzlich ermöglicht eine entsprechende Verordnung für ein großflächiges Naturschutzgebiet sowohl eine Regelung für Nutzungsverzicht als auch naturschutzfachlich zielführende Managementmaßnahmen wie die Förderung der Eiche.

Wir haben auch den Schutzgebietsvorschlag von MdL Thorsten Schwab (CSU) in seine Überlegung einbezogen. Dabei stellt sich eine relativ hohe Übereinstimmung heraus, wenngleich die vorgeschlagene Fläche von über 1.200 Hektar des Landtagsabgeordneten noch wichtige Bereiche im Norden außer Acht lässt.

Des Weiteren fordern wir eine erhebliche Erhöhung des Anteils an ökologisch funktionalen Trittsteinen und Spenderflächen mit naturnaher Baumartenzusammensetzung im gesamten Spessart zur Vernetzung der Naturwaldreservate und weiterer Schutzgebiete im öffentlichen Wald.

Gerade historisch alte Wälder über 160 Jahre eignen sich besonders hierzu und dienen gleichzeitig als Referenzflächen der Biodiversitätssicherung und dem Klimaschutz.

Deutschland trägt Europaweiter Verantwortung für Buchen

Die für Mitteleuropa typischen kollinen und submontanen Laubwälder sind von großer Bedeutung für die Sicherung der Biodiversität, da sie aus verschiedenen Vegetationsschichten bestehen und dadurch auf die Bedürfnisse verschiedener Tier- und Pflanzenarten angepasst sind.

Außerdem trägt Deutschland eine europaweite Verantwortung für den Erhalt von Buchenwaldgemeinschaften, da ein Viertel des natürlichen weltweiten Vorkommens der Rotbuche in Deutschland liegt  und die Potenzielle Natürliche Vegetation (PNV) Deutschlands bis auf einige Sonderstandorte und Berge Buchenwald wäre.

Aufgrund dessen fordern wir, dass im öffentlichen Wald Bayerns ein zusammenhängendes Buchen- bzw. Laubwaldschutzgebiet von mindestens 7.500 ha geschaffen wird. Stabile Laubmischwälder sind auch im Hinblick auf den Klimawandel absolut wichtig.

 

Broschüre "Alte Laubwälder im Spessart - Schatztruhe der Artenvielfalt"

Der bayerische Spessart stellt mit seinen alten Buchen- und Eichenwäldern im Hochspessart eines der größten Laubwaldgebiete Deutschlands dar. Er ist FFH- und SPA-Gebiet und auf der Welterbeliste der UNESCO als eines von neun deutschen bedeutenden Buchenwaldgebieten aufgeführt.

Neben seinen ausgedehnten Buchenwäldern wird der Hochspessart zusätzlich geprägt durch Jahrhunderte alte, historisch gewachsene und durch den Menschen geförderte Eichenwälder. Mit ihren über 180-jährigen Buchen und über 300-jährigen Eichen zählen sie zu den ältesten Waldgebieten Mitteleuropas.

Diese totholzreichen alten Laubwälder sind Schatztruhen der Biodiversität. Sie sind außerordentlich vielfältige und ökologisch hochwertige Lebensräume für zahlreiche spezialisierte Tier- und Pilzarten, gleichermaßen Rückzugsgebiete für Urwaldreliktarten und Initialflächen für eine Ausbreitung seltener und gefährdeter Arten sowie wichtige Trittsteine zur Vernetzung artenreicher Waldstrukturen.

Nur knapp ein Prozent der Staatswaldfläche im Spessart sind ausgewiesene Naturschutzgebiete und Naturwaldreservate – eine höchst bescheidene, den wirtschaftlichen Begehrlichkeiten gezollte Größenordnung, die der herausragenden naturschutzfachlichen Bedeutung dieser Wälder in keiner Weise gerecht wird. Viele Arten, die auf dynamische Prozesse und ungestörte Lebensräume angewiesen sind, findet man vor allem in Großschutzgebieten, in denen sich die Natur nach ihren eigenen Gesetzen entfalten kann.

Es steht in unserer Verantwortung, diese Wälder als Schatztruhen der Biodiversität und als Naturerbe für künftige Generationen zu erhalten.

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Glossar

Wichtige Begriffe und deren Erklärung

Biotopbäume: Als Biotopbäume bezeichnet man speziell jene Bäume, die aufgrund ihrer Beschaffenheit und ihrer Biotoptradition für zahlreiche spezialisierte Tier-, aber auch Moos- und Flechtenarten ein wichtiger Bestandteil ihres Lebensraumes sind. Dazu zählen vor allem alte und stark dimensionierte Bäume. Beispiele für Biotopbäume sind Horstbäume, Höhlenbäume, Bäume mit großen Stammverletzungen und - fäulen und Pilzbefall sowie uralte Bäume und Totholz.

FFH-Waldlebensraumtypen: Waldlebensraumtypen (z.B.: Mitteleuropäischer subalpiner Buchenwald mit Ahorn und Rumex arifolius), die im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie definiert worden sind. Die Richtlinie hat den Erhalt der biologischen Vielfalt und die Bewahrung bzw. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes von Lebensraumtypen zum Ziel.

Gute fachliche Praxis (nach W. Scherzinger, 2011): Unter diesem Begriff werden sowohl Positiv-Merkmale zusammengefasst, die für die Artensicherung im Wald wichtig sind (wie hohe Altersklassen, ausreichend Totholz, Schonung von Höhlen- und Horstbäumen, Belassen von Pionierstadien auf beschränkter Fläche, günstige Vertikalstrukt und Horizontalstruktur), als auch Negativ-Merkmale (z.B. Ganzbaum-Nutzung, Großkahlschlag, Holzeinschlag zur Balz- und Brutzeit, exzessiver Wegebau und Übererschließung, Einsatz von Düngern und Pestiziden, großflächiger Anbau von Monokulturen, speziell von florenfremden Nadelhölzern).

Klasse 1-Wälder: Alte naturnahe und seltene Waldbestände Waldbestände, die aufgrund ihres hohen Alters oder ihrer Besonderheit eine naturschutzfachliche Ausnahmestellung einnehmen. Neben den naturnahen alten Beständen können auch seltene naturferne oder in der Vergangenheit besonders bewirtschaftete Bestände (z.B. Nieder- und Mittelwälder) ausgewählt werden. Naturwaldreservate gehören grundsätzlich der Klasse 1 an. Es gelten unterschiedliche Altersgrenzen für die jeweiligen Bestände.

Klasse 2-Wälder: Ältere naturnahe Waldbestände Wälder, die über ein hohes Alter verfügen und gleichzeitig eine naturnahe Baumartenzusammensetzung aufweise. Das Mindestalter beträgt normalerweise 40 Jahre (Buchen- und Eichenbeständen, Edellaubholz-, Bergmischwald- oder autochthonen Fichtenbeständen außerhalb des Hochgebirges). Bei naturnahen Beständen auf Sonderstandorten kann ein Mindestalter von 80 Jahren ausreichen.

Kollin: Höhenstufe; umfasst die untersten Hangpartien und die Vorhügelzone, 150-300m über NN. Die Hügelstufe ist ein wichtiges Landwirtschaftsgebiet und es werden auch wärmeliebende Sonderkulturen wie Obst oder Reben angebaut.

Submontan: Höhenstufe von 300-450 m, das Gros der bayerischen Hügelländer Montanstufe: Höhenstufe von 450-1000 m; in den Alpen meist dicht mit Fichten bewaldet.

Mosaik-Zyklus-Konzept: Modell aus der Ökologie, das die Abfolge unterschiedlicher Phasen eines Ökosystems (Sukzessionsstadien) durch einen Zyklus und nicht durch eine lineare Darstellung erklärt. Beispielsweise treten in Wäldern immer wieder „Nester“ auf, wo die Bäume sterben und eine andere Vegetation entsteht, die dann später wieder von der betreffenden Baumart verdrängt wird.

Natura 2000: Bezeichnet ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter Habitate und Arten, bestehend aus den Gebieten der Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie.

Nieder- und Mittelwald: Im Niederwald wird regelmäßig kräftig aufgelichtet und so Refugien für wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten zu schaffen. Der Mittelwald beinhaltet außerdem noch vereinzelte Altbäume, die für eine Vielfalt an Waldentwicklungsphasen sorgen und urwaldartige Zerfallsphasen nachahmen.

Ökologische Kohärenz: beschreibt die funktionale und räumliche Kohärenz von Schutzgebietssystemen. Ziel ist es die Ausbreitung von Arten, den genetischen Austausch und die Wechselbeziehung von Arten mit ihrer Umwelt zu unterstützen.

Prozessschutz: Gebiete werden der natürlichen Entwicklung mit den dazugehörigen Prozessen überlassen. Prozessschutz hat einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge und ihrer natürlichen Dynamik zum Ziel.

Starkholz: Beim stehenden Vorrat das Kollektiv der Bäume mit einem Mindestdurchmesser (in 1,3 m über Grund) von 50 cm mit Rinde. Beim aufbereiteten Stammholz sind beim Langholz (10 bis 20 m) alle Stämme ab einem Mittendurchmesser von 40 cm ohne Rinde als Starkholz definiert.

Sukzession: Die zeitliche Abfolge von Lebensgemeinschaften innerhalb eines Lebensraums. Bei der primären S. handelt es sich um die Erstbesiedlung eines neuen Lebensraumes. Es treten erst Pioniergesellschaften, anschließend Folgegesellschaften und zuletzt die Klimaxgesellschaft auf. Sekundäre S. sind die Wiederherstellungsprozesse nach einer vorangegangenen Zerstörung.

Trittsteine: Inselhafte Biotope, die als Zwischenstation weitere Entfernungen zwischen zwei Lebensräumen überbrücken sollen. So können Waldgebiete und andere Biotope vernetzt vernetzt werden.

Vertragsnaturschutzprogramm: Programm zum Erhalt der Biodiversität. Gegenstand ist die extensive Bewirtschaftung naturschutzfachlich bedeutsamer, landwirtschaftlich nutzbarer Flächen. Zuwendungen gehen bei Umsetzung von bestimmten Maßnahmen an landwirtschaftliche Unternehmer, Zusammenschlüsse von Landwirten sowie sonstige Landbewirtschafter um zusätzliche Kosten und Einkommensverluste auszugleichen.

Waldinnenklima: typisches Waldinnenklima beinhaltet ausgeglichene Temperaturen, geringere Luftbewegungen und Lichtintensitäten, eine höhere Luftfeuchtigkeit und weniger Niederschlag. Alle diese Faktoren haben einen Einfluss auf die Artenzusammensetzung des Waldökosystems.

Wirtschaftswald: Wald, der gemäß den Prinzipien naturnaher und nachhaltiger Forstwirtschaft unter Berücksichtigung von Mindeststandards des Naturschutzes bewirtschaftet wird. Dies betrifft den absolut größten Flächenanteil der Wälder in Deutschland.

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