Interview mit einem spanischen Umweltfahnder
Dr. Iñigo Fajardo ist Experte im Gebiet Umweltkriminalität
Dr. Iñigo Fajardo arbeitet in Südspanien für die Regierung von Andalusien als Leiter der Abteilung Forensik im Kampf gegen Vergiftungen und Wilderei. Darüber hinaus verfügt er über einen umfangreichen Erfahrungsschatz bei Schutzprogrammen für den Iberischen Luchs, Greifvögel und Eulen sowie bei der Wiederauswilderung von verletzten Greifvögeln und Delfinen. Als Experte für die Beweisermittlung bei Naturschutzkriminalität hat er in den letzten 15 Jahren mehr als 500 Fälle untersucht. In zahlreichen Fällen von Vergiftungen, illegalem Handel und Wilderei kam es auch zu einer Verurteilung der Täter.
Wir haben Iñigo Fajardo zu seinen Erfahrungen bei der Bekämpfung der Wilderei in Spanien und zu seiner Einschätzung der Situation rund um die Luchstötungen im Bayerischen Wald befragt.
Dr. Fajardo, wie hat sich das Problem der Wilderei in Spanien bis heute entwickelt?
Früher war die Wilderei in Spanien sehr weit verbreitet. Doch die Umsetzung von bestehenden Gesetzen,eine systematische und konsequente Verfolgung der Straftaten und die Veränderung der gesellschaftlichen Werte hat zum Beispiel in Andalusien dazu geführt, dass die Fälle von Wilderei sehr deutlich zurückgegangen sind. Wilderei existiert in Spanien nach wie vor, allerdings in einem weitaus geringeren Umfang als vor wenigen Jahrzehnten.
Früher fand Wilderei in erster Linie zur Beschaffung von Lebensmitteln statt, heute stellen Wilderer geschützten Arten meist entweder aus Geldgründen (illegaler Handel), einfach nur als Herausforderung (Adrenalinkick) oder zur Trophäensammlung nach. Alle drei Gründe wird es aufgrund der Natur des Menschen wohl leider immer geben. Die strengere Anwendung von Gesetzen sowie gesellschaftlicher Druck konnten jedoch dazu beitragen, die Wilderei bei uns weitestgehend zu unterbinden.
Und wenn es doch einmal passiert?
Wir sind der Meinung, dass Umweltkriminalität ernst genommen und untersucht werden sollte wie jede andere Straftat auch. Umweltkriminalität ist ein besonderer Fall, da es in der Regel keine Zeugen gibt und sie an abgelegenen Stellen passiert. Bei der Aufklärung kann man nur selten mit Zeugen rechnen. Deshalb verlassen wir uns hauptsächlich auf forensische Hilfe, um dadurch so viele Indizien und Informationen wie möglich herauszubekommen. Zuvor wurden derartige Maßnahmen, die wir mittlerweile einsetzen, nur bei "großen" herkömmlichen Straftaten wie Gewaltverbrechen eingesetzt.
Was hätten Sie unternommen, wären Sie zu unserem Fall mit den vier Luchsbeinen gerufen worden?
Unsere Methoden sind extrem standardisiert und unterscheiden sich nicht von einem "herkömmlichen" Mordfall. Der Schlüssel und der wichtigste Arbeitsschritt zur Aufklärung derartiger Straftaten ist das, was im Bereich der Forensik und Kriminalistik als CSI (kurz für: crime scene investigation), also Untersuchung des Tatortes, bezeichnet wird. Im Spanischen nennen wir es visuell-technische Inspektion, was letztendlich nichts anderes ist als die Suche nach Beweisen.
Bei richtig durchgeführter CSI liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fall gelöst werden kann, bei 80 Prozent. Die CSI muss direkt, nachdem eine Tat bekannt geworden ist, erfolgen und sollte nur von speziell ausgebildeten Mitarbeitern durchgeführt werden.Beweismittel wie menschliche oder auch andere DNA, Fingerabdrücke, ob der Täter also sowas wie eine Signatur hinterlassen hat, und andere forensische Quellen können alle eine Schlüsselrolle im entsprechenden Fall spielen. Nach diesen Indizien wird akribisch gesucht.
Eine gute CSI kann schon mal ein oder zwei Tage harte Arbeit bedeuten, aber hier liegt auch der Clou. Je länger man damit wartet, umso größer sind die Chancen, dass Beweise verschwinden, indem DNA-Träger, Fingerabdrücke, Fußabdrücke und andere Hinterlassenschaften des Verdächtigen zerstört werden, verwischen oder verwittern. Manchmal passiert das einfach nur durch Wind und Regen, manchmal auch durch Aas fressende andere Tiere oder sogar denselben Täter.
Aber nicht nur die Ergebnisse einer gut durchgeführten CSI sind von Bedeutung. Auch die oft im Zusammenhang damit stehenden Hintergrundinformationen früherer, ähnlicher Fälle sowie die Analyse möglicher lokaler Konflikte im Bereich des Naturschutzes können wichtige Puzzleteile zur Lösung eines Falles sein.
Wie bewerten Sie die Arbeit der deutschen Behörden nach dem Fund der vier Luchsvorderpfoten im Bayerischen Wald?
Wir können die Arbeit anderer Kollegen nicht bewerten. Soweit wir wissen, ist die deutsche Polizei weltweit hochangesehen, wahrscheinlich auch mit gutem Grund. Generell können wir sagen, wenn in Spanien Fälle nicht gelöst werden, wie sie sollten, dann liegt das daran, dass die Untersuchungen nicht wie bei einer Tat mit menschlichen Opfern durchgeführt wurden, und dass die Untersuchungen von Umweltkriminalitätsfällen nicht als so wichtig angesehen werden.
Wie bereits erwähnt, ist die unmittelbare und genaue Untersuchung eines Tatorts die beste Möglichkeit, den oder die Täter zu finden. Im genannten Fall ist dies meiner Kenntnis nachnicht passiert. Wenn das zutrifft, so stellt dies ein schweres Versäumnis dar, und die Chancen, den oder die Täter zu finden werden erheblich verringert.
INTERVIEW: MARKUS ERLWEIN