FAQ: Blühflächen, Blühstreifen, Blühpatenschaften im Ackerland
Was Sie wissen sollten, damit die Natur wirklich profitiert
Längst nicht jeder gut gemeinte „Blühstreifen“ erfüllt auch seinen Zweck und ist gut für die Natur. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um dieses komplexe Thema und sagen Ihnen, welche Kriterien und Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit unsere Insektenwelt und die Natur insgesamt wirklich von solchen Maßnahmen in der Feldflur profitieren.
Der Artenschwund in der Kulturlandschaft ist dramatisch und das Insektensterben in aller Munde - nicht zuletzt aufgrund des Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“. Dieses hat viele Menschen aufgerüttelt, die sich jetzt für die Insektenwelt und für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzen wollen. Blühflächen, Blühstreifen und sogar Blühpatenschaften, die immer mehr Landwirte anbieten, erleben in diesem Zusammenhang gerade einen wahren „Hype“.
Und tatsächlich: Diese können zur Sicherung der Artenvielfalt um zum Schutz von Insekten beitragen. Aber nur als eine von vielen notwendigen und / oder hilfreichen Maßnahmen. Aber längst nicht jeder gut gemeinte „Blühstreifen“ erfüllt auch seinen Zweck.
Blühstreifen oder Blühflächen entwickeln sich, wo Teile der Ackerflächen zeitweilig – für mindestens ein Jahr, besser für mehrere – aus der Nutzung genommen werden. Und das im besten und einfachsten Fall von ganz allein: Blühstreifen oder Blühflächen müssen nicht eingesät werden. Sie entwickeln sich allein durch den Nutzungsverzicht aus den im Boden vorhandenen und angewehten Samen.
Solche so genannten „Grünbrachen“ (die durch die natürliche Vegetationsentwicklung trotzdem blütenreich und bunt werden, im Gegensatz zur „Schwarzbrache“, die durch Bodenbearbeitung und/oder Pestizide ganzjährig bewuchsfrei gehalten wird) sind billiger als eine Einsaat, und die entstehende Vegetation setzt sich aus den natürlich vorkommenden, standorttypischen Arten zusammen.
Gleichzeitig erfüllen Grünbrachen aber dieselben ökologischen Funktionen wie gezielt angelegte, eingesäte Blühflächen oder -streifen, die oft nicht mit „autochthonem“ – also standorttypischen, heimischen Saatgut angelegt werden
Der Begriff „Blühwiese“ hat in diesem Zusammenhang nichts zu suchen – er ist irreführend: Mit den gezielt angelegten Blühflächen oder den allein aus Nutzungsverzicht im Ackerland entstehenden Grünbrachen haben die Blühwiesen nichts zu tun - dieser Fachbegriff bezeichnet die bei uns sehr selten gewordene, artenreiche, extensiv genutzte Feucht- oder Magerwiesen von hohem naturschutzfachlichem Wert.
Wo sie aus der traditionellen Grünlandbewirtschaftung entstanden sind und sich bis heute erhalten haben, sind sie unbedingt zu schützen. Auch sonst darf bestehendes Grünland in keinem Fall umgebrochen werden, um dort dann eine „Blühwiesenmischung“ einzusäen - nicht jede Wiese muss in tausend Farben erstrahlen, um einen naturschutzfachlichen Wert zu besitzen.
Aus Intensivgrünland wiederherstellen lassen sich wertvolle artenreiche Wiesen ausschließlich durch eine Nutzungsextensivierung (Verzicht auf Düngung etc.), Mahd- und Weide¬management und gegebenenfalls eine Heusaatausbringung, aber nie durch Neuansaat.
Nicht überall ist die Anlage von Blühflächen erwünscht – was gut gemeint ist, muss nicht immer gut und zugunsten der Artenvielfalt wirken: Vor der Anlage einer Blühfläche muss immer der Ausgangszustand der dafür ins Auge gefassten Fläche geprüft und berücksichtigt werden:
- Unproblematisch und willkommen sind solche Streifen im reinen Ackerland – dort tragen sie tatsächlich zum Erhalt der Artenvielfalt bei.
- Problematisch und oft sogar absolut kontraproduktiv ist es dagegen, wenn bestehende, gewachsene Vegetation umgebrochen wird, um dann an ihrer Stelle Blühflächen oder -streifen einzusäen. Damit helfen wir der Natur nicht, ganz im Gegenteil – wir zerstören so vorhandene wertvolle Biotopstrukturen. Wertvoll für Insekten und andere Artengruppen sind dabei nicht zwangsweise nur besonders bunte und blütenreiche Strukturen.
Auch z.B. die weniger „bunten“ Sandmagerrasenbestände entlang der mittelfränkischen Staatsstraßen oder sogenanntes Unland wie Brennesselfluren, Seggenbestände oder Hochstaudenfluren sind naturschutzfachlich äußerst hochwertig und wichtig – es wäre fatal, wenn sie umgebrochen werden würden, um anschließend eine (meist gebietsfremde) Samenmischung auszubringen!
Zum Schutz der Biodiversität trägt dort ein gutes Pflegemanagement viel mehr bei (spätes Mähen, damit die Pflanzen aussamen können, Abräumen des Mähguts zur Ausmagerung oder der Verzicht auf Mulchen). - Problematisch sind solche Streifen auch entlang von Gewässern: Zum Schutz der Artenvielfalt und, um den Nährstoffeintrag in die Gewässer zu reduzieren, brauchen wir Gewässerrandstreifen ohne ackerbauliche Nutzung. Von Landwirten gezielt angelegte Blühflächen oder streifen bleiben aber per Definition Ackerland und werden regelmäßig umgebrochen – im Gewässerrandstreifen schaden sie also mehr, als sie nutzen.
Für Insekten sind Größe und Form einer Grünbrache oder angesäter Blühflächen oder -streifen nicht entscheidend. Aber solche zeitweilig aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommenen Bereiche werden auch von anderen Artengruppen besiedelt – z.B. von Vögeln oder Kleinsäugern. Das wissen auch deren natürliche Feinde: Sie patrouillieren auf der Suche nach Beute auch Blühflächen oder -streifen gezielt ab.
Je schmaler oder kleiner solche Flächen sind, desto größer ist daher auch die Gefahr, dass Tiere, die sich in solche Rückzugsräume in einer ausgeräumten Agrarlandschaft zurückziehen, dann dort z.B. Fuchs oder Marder zum Opfer fallen. Ein Blühstreifen sollte daher möglichst nicht schmäler sein als 3 m (besser breiter), und flächenhaften Grünbrachen oder Blühflächen ist generell gegenüber streifenförmigen der Vorzug zu geben.
Je länger, desto besser - am besten dauerhaft, mindestens aber 5 Jahre: Ihren vollen Wert für den Schutz der Artenvielfalt erreichen Blühflächen erst ab dem dritten Jahr. Und Blühflächen werden auch nicht nur im Sommer genutzt: Sie beherbergen auch viele Überwinterer und Larvenstadien von Insekten. Für sie werden Blühflächen, die im Herbst gemulcht werden oder die umgebrochen werden, um wieder landwirtschaftlich genutzt zu werden, zu ökologischen Fallen – zu Flächen, die Tiere anziehen, nur damit sie dann dort vernichtet werden.
Grundsätzlich muss für den Schutz der Biodiversität Schaffung und Erhalt dauerhafter Lebensräume Vorrang haben. Und die Anlage einer Blühfläche schafft nie einen dauerhaften Lebensraum – dessen müssen wir uns bewusst sein. Wird eine Blühfläche also wieder landwirtschaftlich genutzt, sollte sie daher zumindest entsprechend dem Prinzip der Fruchtfolge ein anderer Acker(teil) als neue Blühfläche ersetzen
Es reicht, den Boden aufzulockern, bevor das Saatgut ausgebracht wird. Auf gar keinen Fall darf die Fläche zur Vorbereitung einer Neuansaat mit Glyphosat auf „Null“ gesetzt werden.
Die Auswahl des Saatguts ist standortabhängig. Generell sollte autochthones Saatgut verwendet werden, d.h. es sollten Arten ausgesät werden, die in der entsprechenden Region heimisch sind. Die Mischung sollte keine Kulturarten enthalten und keine ortsfremden Pflanzenarten. Es gibt diverse Anbieter (je nach Gegend) für autochthone Samenmischungen, z.B. den Saatgutbetrieb J. Krimmer aus Freising-Pulling, www.rieger-hofmann.de, www.regiozert.de oder www.natur-im-vww.de.
Die oft zitierte Veitshöchheimer Bienenweide ist eine häufig verwendete Standardmischung der BayWa, die zwar der Honigbiene nutzt, aber nicht die Artenvielfalt schützt - sie enthält Kulturpflanzen und ortsfremde Arten.
Blühflächen dürfen weder gedüngt noch mit Pestiziden behandelt werden – eine Fläche, von der Insekten profitieren sollen, mit Insektenvernichtungsmitteln zu behandeln, wäre absolut kontraproduktiv. Pestizide können aber auch beim Ausbringen bzw. durch Wind auf angrenzende Flächen verfrachtet werden.
Deshalb sollten Blühflächen auch ausreichend Abstand zu Flächen einhalten, auf denen Pestizide ausgebracht werden, oder zumindest bzw. so groß sein, dass sie davon höchstens randlich beeinträchtigt werden.
Ja, die Anlage von Blühstreifen wird auch über die Agrarumweltmaßnahmen des Freistaats gefördert: Im bayerischen Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) erhalten Landwirte zusätzlich mindestens 600 Euro pro Hektar, auf wertvollen Böden auch noch deutlich mehr.
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Checkliste für die Patenschaft:
Aus unserer Sicht müssen folgende Kriterien eingehalten werden, damit Blühstreifen überhaupt naturschutzfachlich sinnvoll sind und tatsächlich einen Beitrag zum Artenschutz leisten:
- Mindestbreite von 10 bis 15 Metern
- Dauerhafte Anlage über einen Zeitraum von mindestens 3 besser 5 Jahre
- Bodenbewirtschaftung wie Mulchen, Düngung und Pestizideinsatz muss in diesem Zeitraum unterbleiben
- Verwendung von einheimischem (autochthonem) Saatgut oder Fläche nutzungsfrei liegen lassen
- Der Preis für die Patenschaften sollte höchstens das doppelte der Fördersätze des Kulturlandschaftsprogrammes betragen (6 € pro 100 qm)
- Überprüfbarkeit: schriftliche Vereinbarung zwischen Paten und Landwirt, in der die Fläche und Laufzeit exakt benannt sind
Wir begrüßen das private Engagement von Bürgern, die Patenschaften abschließen. Vor dem Abschluss einer Blühpatenschaft sollte deshalb jeder den verantwortlichen Landwirt fragen, ob dessen Angebot auch den naturschutzfachlichen Kriterien des LBV entspricht. Nur so kann jeder Bürger sicher gehen, dass sein Geld auch wirklich in den Artenschutz investiertwird.