Windkraftanlagen und Insekten
Welchen Beitrag haben Windkraftanlagen am Insektensterben?
Seit einiger Zeit geht eine DLR-Studie durch die Medien, die Windkraftanlagen einen nennenswerten Beitrag am Insektensterben zuschreibt. Doch was hat es damit auf sich und stimmt das wirklich? Wir geben Antwort.
Das DLR-Institut für Technische Thermodynamik hat in Modellrechnungen tatsächlich ermittelt, dass an allen deutschen Windkraftanlagen während der warmen Jahreszeit (200 Tage von April bis Oktober) 5-6 Milliarden Insekten pro Tag umkommen (vollständiger Bericht hier, Zusammenfassung gibt es hier). Das klingt erst einmal nach gigantischen Verlusten und Wasser auf die Mühlen derer, die zum Beispiel die Verantwortung der Landwirtschaft für das Insektensterben abstreiten oder in Frage stellen.
Tatsächlich aber tragen die postulierten Verluste wohl kaum bzw. nur in zu vernachlässigendem Umfang zum Insektensterben bei:
1. Waldvögel fressen deutlich mehr Insekten als durch Windkraftanlagen getötet werden
Das Ergebnis der Hochrechnung ist bei näherer Betrachtung weit weniger bedrohlich als die angegebene Zahl glauben macht: Die ermittelten täglichen Verluste summieren die Autoren der Studie zu bundesweiten jährlichen Gesamtverlusten von 1.200 Tonnen Insektenbiomasse auf.
Wir kennen keine Zahlen zur Gesamtinsektenbiomasse in Deutschland, zu denen man diese Angabe in Relation setzen könnte.
Bekannt ist aber z.B., was unsere Vögel an Insekten verzehren: Das haben gerade erst in einer aktuellen Studie Nyffeler et al. (2018) ermittelt. In den von ihnen ausgewerteten Studien verzehren Vögel in europäischen Wäldern im Schnitt rund 40 kg Insekten pro Hektar.
Rechnet man das nur auf die gesamte Waldfläche Deutschlands hoch, verzehren nur Vögel und die nur in den Wäldern Deutschlands pro Jahr mehr als 450.000 Tonnen Insekten. Demgegenüber nehmen sich 1.200 Tonnen Verluste an Windkraftanlagen doch eher marginal aus – Verluste in dieser Größenordnung können kaum nennenswerten Einfluss auf das Insektensterben haben.
Im übrigen gehen die Autoren des DLR selber davon aus, dass selbst die 1.200 Tonnen Verluste nur 5 % der Insekten darstellen, die durch die Rotoren fliegen – 95 % der durchfliegenden Insekten bleiben ihren Ergebnissen nach unbeschadet.
2. Studie hat eine sehr dünne Ausgangsbasis
Es handelt sich nur um Modellrechnungen anhand von Literaturdaten. Und zur Insektendichte in der Atmosphäre und zu ihrer Höhenverteilung liegen ihnen zu jedem der beiden Aspekte nur je eine Studie zugrunde.
Das ist eine „dünne“ Ausgangsbasis.
Auch die Autoren selber kommen daher zu dem Schluss, dass ihre Modellrechnungen noch dringend durch empirische Studien überprüft werden müssen.
Im Gegensatz dazu sind die Zusammenhänge zwischen dem Insektensterben und der Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung als Hauptursache gut und schlüssig belegt (hier z.B. eine ganz aktuelle Metastudie)
3. Womöglich sind nur wandernde Arten betroffen
Nur wandernde Arten könnten von den Verlusten betroffen sein – nur diese erreichen in nennenswerten Zahlen Flughöhen in den Rotorbereichen von Windkraftanlagen – und dies auch erst mit der Entwicklung der Windkraftnutzung etwa ab der Jahrtausendwende. Dies passt weder mit dem festzustellenden breiten Insektensterben über alle Artengruppen hinweg noch mit dem zeitlichen Verlauf des Insektensterbens bzw. des Biodiversitätsverlusts insgesamt zusammen.
Fazit:
Dem Insektenverlust an Windkraftanlagen sollte man vielleicht in künftigen Studien mehr Aufmerksamkeit widmen.
Aber die entscheidende Rolle der Landwirtschaft für den Verlust der Biodiversität stellt er nicht in Frage.